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Ist das Purpose, oder kann das weg?

Der Begriff „Purpose“ ist zu einem der beliebtesten Schlagworte der letzten Jahre geworden, mit der viele vor allem ihr Umdenken zum Ausdruck bringen wollen. Es geht nicht mehr nur darum, gute Geschäfte zu machen, sondern die Geschäfte gut zu machen. In dieser Ausgabe gehen wir der Frage nach, was die Purpose-Debatte befeuert.

Der Begriff „Purpose“ ist zu einem der beliebtesten Schlagworte der letzten Jahre geworden, mit der viele vor allem ihr Umdenken zum Ausdruck bringen wollen. Es geht nicht mehr nur darum, gute Geschäfte zu machen, sondern die Geschäfte gut zu machen. In dieser Ausgabe gehen wir der Frage nach, was die Purpose-Debatte befeuert.

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Ausgabe 18<br />

November 2022<br />

9,00 EUR<br />

<strong>Ist</strong> <strong>das</strong> <strong>Purpose</strong>,<br />

<strong>oder</strong> <strong>kann</strong> <strong>das</strong> <strong>weg</strong>?<br />

Wie ein nachhaltiger Sinn Unternehmen<br />

dabei helfen <strong>kann</strong>, die Zukunft zu meistern.<br />

umweltdialog.de


Ölfreie Stromkabel<br />

dank Bakterien<br />

Wir reinigen Ihre ausgedienten ölisolierten Stromkabel –<br />

ökologisch, effizient und sicher<br />

Ölisolierte Mittel- und Hochspannungskabel, die nicht mehr in Betrieb sind, stellen<br />

eine potenzielle Bedrohung für die Umwelt dar. Sie müssen regelmäßig kontrolliert<br />

<strong>oder</strong> ausgegraben werden. Im städtischen Bereich ist <strong>das</strong> schwierig und aufwendig.<br />

Wir haben die Lösung: Beim ODB-Verfahren (Oil Degradation by Bacteria) nutzen wir<br />

Bakterien, um <strong>das</strong> in den Papierisolierungen gebundene Öl freizusetzen. Wir bringen<br />

alles, was nötig ist, in unserem Container zu Ihnen. Die mobile Anlage ist sofort einsatzbereit.<br />

Wir lassen die Bakterien ihre Arbeit verrichten, spülen <strong>das</strong> Öl aus und<br />

entsorgen es umweltgerecht. Und <strong>das</strong> alles, ohne die Kabel freizulegen.<br />

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<strong>Purpose</strong><br />

Jede * r sechste Mitarbeitende ...<br />

EDITORIAL<br />

... hinterfragt – so politische Statistiken – die Sinnhaftigkeit ihrer bzw. seiner Arbeit. Besonders<br />

oft an einem Montagmorgen. Sinnsuche gibt es auch bei Unternehmen. In diesem Fall<br />

sprechen wir dann von der Suche nach einem <strong>Purpose</strong>. Laut einer Studie der dpa-Tochter<br />

news aktuell legen 63 Prozent der Unternehmen Wert auf <strong>Purpose</strong>. Allerdings überprüft<br />

weniger als ein Drittel der Firmen, ob man den <strong>Purpose</strong> im Alltag auch umsetzt. Alle<br />

wollen <strong>Purpose</strong> – aber fast keiner lebt ihn?<br />

Fakt ist: Der Begriff „<strong>Purpose</strong>“ ist zu einem der beliebtesten Schlagworte der letzten<br />

Jahre geworden, mit der viele vor allem ihr Umdenken zum Ausdruck bringen wollen.<br />

Es geht nicht mehr nur darum, gute Geschäfte zu machen, sondern die Geschäfte gut zu<br />

machen. Damit wird in <strong>das</strong> gängige Businessmodell eine moralisch-normative Zwischendecke<br />

eingezogen. Darin liegt sein Charme. Zugleich lässt sich <strong>das</strong> auch leicht missbrauchen.<br />

Roland Heintze warnt zu Recht davor: „Die Verlockung ist groß, sich vom Buffet der<br />

Worthülsen und PR-Häppchen zu bedienen und sich ein paar Klassiker auf den Teller<br />

zu legen. Eine große Portion Nachhaltigkeit, ein Löffel Klima, ein schönes Stück Gleichberechtigung,<br />

und, wir haben <strong>das</strong> Jahr 2022, noch ein wenig Diversity. Fertig ist der<br />

<strong>Purpose</strong>. Sollte doch jedem schmecken, <strong>oder</strong> etwa nicht?“<br />

Der <strong>Purpose</strong>-Trend kommt aus den USA, aus den Start-ups und Digitalkonzernen des<br />

Silicon Valley, die Hippiekultur und Sinnsuche mit Konzernhierarchie und Kapitalismus<br />

gemixt haben. Die US-Werbelegende Joey Reiman hat den <strong>Purpose</strong>-Begriff maßgeblich geprägt<br />

und auch in einem Buch beschrieben. Dessen vollständiger Titel lautet übersetzt:<br />

„Die Geschichte des Zwecks: Der Weg zur Schaffung einer strahlenderen Marke, einer<br />

größeren Firma und eines dauerhaften Vermächtnisses“.<br />

In dieser Ausgabe gehen wir der Frage nach, was die <strong>Purpose</strong>-Debatte befeuert. Im Einführungskapitel<br />

geht es um eine Einordnung, die immer wiederkehrende Frage nach dem<br />

„alten Wein in neuen Schläuchen“ und dem immer wieder gehörten Satz, <strong>das</strong>s Millennials<br />

und Generation Z ohne <strong>Purpose</strong> keinen Finger im Unternehmen rühren.<br />

Im zweiten Kapitel beschäftigen wir uns deshalb vor allem mit dem Zusammenhang<br />

zwischen <strong>Purpose</strong> und Mitarbeiterführung. Im dritten Abschnitt schauen wir liebevollkritisch<br />

auf <strong>das</strong> Thema und die eine <strong>oder</strong> andere Übertreibung, die nicht zu leugnen ist.<br />

Das vierte Kapitel kehrt dann noch einmal an den Ausgangspunkt und die Kernfrage zurück:<br />

Müssen Unternehmen überhaupt ihren Beitrag leisten, um die Welt zu retten? Wir<br />

denken ja und zeigen Best Practices dazu. Aber auch eine Dystopie aus Lateinamerika:<br />

Wie sieht <strong>das</strong> aus, wenn Superreiche sich in einem Failed State ihren eigenen Staat im<br />

Staat erschaffen?<br />

Viel Spaß beim Lesen wünscht im Namen der gesamten Redaktion Ihr<br />

Dr. Elmer Lenzen<br />

Chefredakteur<br />

Das nächste<br />

UmweltDialog-Magazin<br />

erscheint am 17.05.2023.


Inhalt<br />

PURPOSE: EINE EINFÜHRUNG<br />

Unternehmen als Kraft des Guten ........................................8<br />

8<br />

Umsatzsteigerung und Gewinnmaximierung<br />

reichen heute nicht mehr<br />

aus, um dauerhaft am Markt erfolgreich<br />

zu sein. Vielmehr müssen Unternehmen<br />

ökologisch verantwortungsvoll<br />

wirtschaften und die Interessen<br />

unterschiedlicher Stakeholder<br />

berücksichtigen. Wie ist dieses neue<br />

Paradigma der Unternehmensverantwortung<br />

entstanden?<br />

<strong>Purpose</strong> Business vs. Sustainable Business vs.<br />

Ethical Business .....................................................................12<br />

Diese drei Begriffe für verantwortungsvolles<br />

Unternehmertum werden oft synonym verwendet.<br />

Es gibt aber feine Unterschiede.<br />

Stakeholder Capitalism: Eine globale Wirtschaft,<br />

die dem Fortschritt, den Menschen und<br />

dem Planeten dient .................................................................14<br />

Eine Weltwirtschaft, die nachhaltigen Wohlstand für alle<br />

schaffen <strong>kann</strong>? Geht <strong>das</strong>? Ja, wie eine neue Publikation<br />

von Klaus Schwab und Peter Vanham zeigt.<br />

Kann ich glücklich werden ohne Sinn im Leben? ..........16<br />

Die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Daseins zieht sich<br />

auch durch unseren Arbeitsalltag. Arbeit und Genuss<br />

sollen kein Widerspruch mehr sein. Das war nicht immer<br />

so. Was ist geschehen?<br />

DARUM IST PURPOSE WICHTIG<br />

M<strong>oder</strong>ne Führungskräfte müssen<br />

<strong>Purpose</strong> stärken ......................................................................22<br />

Wie funktioniert m<strong>oder</strong>ne Führungskräfteentwicklung? Nur<br />

durch die Förderung wertebasierter Führungskompetenzen.<br />

Dazu gehört auch, die SDGs in die Maßnahmen zu integrieren.<br />

<strong>Purpose</strong> Business: Sinnstiftende<br />

Mitarbeiterführung..................................................................26<br />

Unternehmen denken bei der Mitarbeiterführung um.<br />

Mitarbeitende sind heute mehr als nur „Mittel zum Zweck“.<br />

Schöne neue Arbeitswelt ......................................................30<br />

Mobil, ohne feste Hierarchien und Sinnhaftigkeit: So<br />

funktioniert Arbeiten heute. Aber wie wird „New Work“<br />

<strong>das</strong> Leben der Berufstätigen weiter verändern?<br />

In fünf Schritten zur <strong>Purpose</strong><br />

Driven Organizationn .............................................................32<br />

Wie bekomme ich mehr <strong>Purpose</strong> in mein Unternehmen?<br />

Was sind die konkreten Schritte, und wo sind die Stolperfallen?<br />

Eine Anleitung in fünf Schritten.


<strong>Purpose</strong><br />

DAX-30-Unternehmen bei <strong>Purpose</strong> nur<br />

teilweise überzeugend ..........................................................34<br />

Viele Unternehmen haben mittlerweile ein <strong>Purpose</strong>-Statement<br />

formuliert. Aber wie kommen diese in der Öffentlichkeit an?<br />

DARUM WIRD PURPOSE ÜBERSCHÄTZT<br />

Von der Sinnlosigkeit des <strong>Purpose</strong> ...................................40<br />

<strong>Ist</strong> der <strong>Purpose</strong> die coolste Sache seit Erfindung des Marketings?<br />

Oder ist er einfach nur Hochstapelei, die an intellektuelle<br />

Freiheitsberaubung grenzt?<br />

Quiz: Wer hat’s gesagt ..........................................................45<br />

Welches <strong>Purpose</strong>-Statement passt zu welchem<br />

Unternehmen? Raten Sie mal!<br />

22<br />

Unternehmen haben mit komplexen Umfeldern zu tun.<br />

Agilität ist die Antwort darauf. Aber ohne <strong>Purpose</strong><br />

führt agile Steuerung ins Chaos.<br />

Maß und Mitte reloaded: Eine visionslose Vision ........48<br />

Der Kapitalismus <strong>kann</strong> nur überleben, wenn er es schafft,<br />

Gemeinschaft und Gesellschaft in eine für Mehrheiten<br />

erträgliche Balance zu bringen, sagt Prof. Dr. Timo<br />

Meynhardt. Ansonsten nicht.<br />

RETTEN UNTERNEHMEN DIE WELT?<br />

Nachhaltigkeit steht unter Leistungsdruck ....................60<br />

Die aktuelle wirtschaftliche und geopolitische Situation<br />

birgt die Gefahr, <strong>das</strong>s Klimafragen in den Hintergrund<br />

treten. Aber: Sie verleiht auch neue Kräfte, die eine<br />

nachhaltige Entwicklung in Europa stärkt.<br />

Advertorial | toom<br />

Umweltschutz bei toom: Mehr als nur ein<br />

Handelsunternehmen ............................................................62<br />

Faire Weihnachtsbäume dank toom ..................................64<br />

48<br />

Der Kapitalismus ist in der Kritik. Seine Zukunft<br />

hängt davon ab, ob er positiv auf die menschlichen<br />

Grundbedürfnisse einwirkt und damit einen<br />

Gemeinwohlbeitrag erbringt.<br />

Der Manufakturensammler ..................................................66<br />

Wie können traditionelles Handwerk erhalten und die Betriebe<br />

dahinter zukunftsfähig gemacht werden?<br />

Der „Manufakturensammler“ zeigt, wie es geht.<br />

Braven verhilft Hochschulabsolventen zu<br />

einem guten Start in die Arbeitswelt ................................72<br />

Minderheiten und sozial schwach gestellte Menschen haben<br />

schlechtere Aufstiegschancen. Das will eine NGO ändern.<br />

Próspera: Eine private Stadt für Reiche ...........................74<br />

Wir erwarten von Unternehmen, <strong>das</strong>s sie gesellschaftliche<br />

Verantwortung übernehmen. Aber was ist, wenn sie gleich<br />

den ganzen Staat stellen?<br />

Bücher-Tipps ............................................................................80<br />

Wer mehr zum Thema <strong>Purpose</strong> lesen möchte, bekommt<br />

hier Anregungen.<br />

74<br />

Zukunftsmodell <strong>oder</strong> Dystopie? Honduras<br />

versinkt in Korruption, Drogenhandel und Armut.<br />

Reiche Investoren entwickeln autonome Enklaven mit<br />

eigenen Gesetzen, um dem zu entgehen.


Foto: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pablo_picasso_1.jpg<br />

http://www.magicasruinas.com.ar/revistero/internacional/pintura-pablo-picasso.htm


<strong>Purpose</strong><br />

The meaning of life<br />

is to find your gift.<br />

The purpose of life<br />

is to give it away.<br />

Pablo Picasso<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

7


<strong>Purpose</strong><br />

Unternehmen<br />

als Kraft des<br />

Guten<br />

Fotos: UN Photo / x; Mark Garten / GA Hall<br />

Von Monica Vallejos<br />

Die Geschäftswelt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten<br />

grundlegend verändert. Umsatzsteigerung und Gewinnmaximierung<br />

alleine reichen heute nicht mehr aus, um am<br />

Markt dauerhaft Erfolg zu haben. Vielmehr müssen Unternehmen<br />

ökologisch verantwortungsvoll wirtschaften und <strong>das</strong><br />

Interesse unterschiedlicher Stakeholder berücksichtigen. Was<br />

ist in diesen Jahren geschehen, um dieses neue Paradigma<br />

der Unternehmensverantwortung zu schaffen?<br />

8 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Man schrieb<br />

<strong>das</strong> Jahr 1970.<br />

In den Vereinigten<br />

Staaten<br />

fokussierten sich<br />

die Wirtschaftswissenschaftler<br />

wieder darauf,<br />

<strong>das</strong>s der Sinn und<br />

Zweck von Unternehmen<br />

vor allem<br />

ihr ökonomischer<br />

Erfolg war. Milton<br />

Friedman brachte<br />

es mit dem historischen<br />

Satz auf den Punkt: „Die einzige<br />

soziale Verantwortung der Wirtschaft<br />

ist die Gewinnmaximierung“, wobei er<br />

darauf hinwies, <strong>das</strong>s dies „im Rahmen<br />

eines fairen Wettbewerbs“ geschehen<br />

müsse. Diese Aussage muss natürlich<br />

im historischen Kontext des Kalten<br />

Krieges verstanden werden.<br />

Der Direktor des Nationalen Zentrums<br />

für soziale Verantwortung von Unternehmen<br />

an der Universität von Buenos<br />

Aires in Argentinien, Julián D'Angelo,<br />

erklärt dies so: „Damals befürchteten<br />

die Ökonomen, <strong>das</strong>s der Diskurs über<br />

soziale Fragen den Kommunismus in<br />

die Unternehmen bringen würde. Und<br />

mitten in der Öl- und Wirtschaftskrise<br />

schlugen die Wirtschaftswissenschaftler<br />

vor, die Wirtschaft zu liberalisieren“.<br />

Der Kampf um die Flexibilisierung des<br />

Arbeitsmarktes schritt voran, während<br />

<strong>das</strong> fordistische Produktionsmodell, <strong>das</strong><br />

eine der Grundlagen des Wohlfahrtsstaates<br />

im 20. Jahrhundert war, zusammenbrach.<br />

Dies ist auch der Grund, warum<br />

Friedmans Ideen „der Wirtschaft<br />

sehr gelegen kamen, da er für einen<br />

schlanken Staat eintrat und alles andere<br />

dem Markt und seinen Selbstregulierungsmechanismen<br />

überlassen<br />

wollte“, so D'Angelo. Dieser sogenannte<br />

Aktionärskapitalismus setzte sich<br />

in den 1970er Jahren durch, und sein<br />

Hauptziel bestand in der Maximierung<br />

der Unternehmensgewinne, ohne <strong>das</strong>s<br />

die weitreichenden und tief greifenden<br />

Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit<br />

auf die Gesellschaft gemessen <strong>oder</strong><br />

bewertet wurden.<br />

Die Idee des Stakeholder-<br />

Kapitalismus wird geboren<br />

Parallel dazu entwickelte sich jedoch<br />

im selben Jahrzehnt ein weiterer Trend.<br />

Seine führende Stimme war der deutsche<br />

Wirtschaftswissenschaftler und<br />

Geschäftsmann Klaus Schwab, der den<br />

Stakeholder-Kapitalismus postulierte<br />

und <strong>das</strong> Weltwirtschaftsforum gründete.<br />

Schwab wollte zeigen, <strong>das</strong>s die Verantwortung<br />

der Unternehmen über <strong>das</strong><br />

grundlegende Ziel der Gewinnerzielung<br />

hinausgeht: Sein Ziel war es, auch die<br />

unternehmerischen Auswirkungen auf<br />

die Gesellschaft, die Arbeitnehmer und<br />

Kunden sowie auf die Umwelt zu berücksichtigen.<br />

Der Wechsel vom Shareholder- zum<br />

Stakeholder-Kapitalismus dauerte viele<br />

Jahre und wird durch verschiedene<br />

Meilensteine in der Wirtschaftsgeschichte<br />

deutlich, die auch gleichzeitig<br />

die Notwendigkeit eines Wandels des<br />

wirtschaftlichen Klimas zeigten: von Erklärungen<br />

globaler Institutionen bis hin<br />

zu Katastrophen – in diesem Fall jenen,<br />

die in der Wirtschafts- und Finanzwelt<br />

seit Beginn des 21. Jahrtausends auftraten.<br />

Der erste institutionelle Meilenstein<br />

war Schwabs Erklärung zugunsten des<br />

Stakeholder-Kapitalismus im Jahr 1970.<br />

Darauf folgten wichtige Umweltkonferenzen<br />

der Vereinten Nationen, auf denen<br />

er auf die Verantwortung der Unternehmen<br />

für den Planeten hinwies. >><br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

9


<strong>Purpose</strong><br />

Fotos: Bouissou – MEDDE / SG COP21; André Wagenzik / Global Goals Forum 2019<br />

Im Jahr 1976 legte<br />

die OECD die Leitsätze<br />

für multinationale<br />

Unternehmen<br />

vor, und 1999 forderte<br />

der damalige<br />

UN-Generalsekretär<br />

Kofi Annan die Unternehmen<br />

auf, einem<br />

Global Compact<br />

beizutreten, um sich<br />

zu Umwelt-, Arbeitsund<br />

Menschenrechten<br />

sowie zur Korruptionsbekämpfung<br />

zu<br />

verpflichten. „Annan<br />

hatte eine zukunftsweisende<br />

Vision: Er<br />

war der Meinung, <strong>das</strong>s die Welt so viele<br />

Probleme hat, <strong>das</strong>s öffentliche Maßnahmen<br />

einerseits und Marktwirtschaft<br />

andererseits allein nicht ausreichen<br />

würden, diese zu lösen. Vielmehr trat<br />

er für ein gemeinsames Handeln dieser<br />

Sektoren ein. Annan hat diesen Aufruf<br />

für den Global Compact auf dem Forum<br />

in Davos gemacht“, so D'Angelo, der<br />

auch Mitglied des Verwaltungsrats des<br />

argentinischen Netzwerks des Global<br />

Compact der Vereinten Nationen ist.<br />

Skandale und Krisen zwingen<br />

Unternehmen zum Umdenken<br />

Im Jahr 2015 wiederum veröffentlichte<br />

Papst Franziskus die Enzyklika<br />

Laudato si, in der er auf die soziale und<br />

ökologische Verantwortung von Unternehmen<br />

und die negativen Auswirkungen<br />

ihres ausschließlichen Strebens<br />

nach Gewinnmaximierung hinwies.<br />

Ebenfalls 2015 verabschiedeten die<br />

Vereinten Nationen die Agenda 2030<br />

für nachhaltige Entwicklung mit 169<br />

integrierten Zielen, die den wirtschaftlichen,<br />

sozialen und ökologischen Bereich<br />

abdecken.<br />

Alle diese Institutionen und Organe<br />

betonten die Notwendigkeit, Nachhaltigkeit<br />

in die Unternehmensmatrix<br />

einzubeziehen. Darüber hinaus drängten<br />

verschiedene Entwicklungen die<br />

Unternehmen außerdem dazu, sich<br />

vom Friedman'schen Paradigma zu lösen,<br />

<strong>das</strong> nicht ausreichte, um die Herausforderungen<br />

des 21. Jahrhunderts<br />

zu bewältigen und den Anforderungen<br />

aller Beteiligten im Streben nach einer<br />

nachhaltigen Entwicklung gerecht zu<br />

werden.<br />

D'Angelo stellt fest, <strong>das</strong>s „bereits im 21.<br />

Jahrhundert die betrügerischen Konkurse<br />

von Enron und anderen Mega-Unternehmen<br />

im Jahr 2002 sowie die Subprime-Hypothekenkrise<br />

die Notwendigkeit<br />

unterstrichen haben, die Ethik in<br />

den Mittelpunkt der Unternehmensagenda<br />

zu stellen. Große Unternehmensskandale,<br />

die den Ruf der Unternehmen<br />

beschädigten, zwangen sie dazu, ihre<br />

Verantwortung aus einer breiteren Perspektive<br />

zu betrachten. Und als sich<br />

herausstellte, <strong>das</strong>s die Selbstregulierung<br />

der Märkte ein Wunschtraum war,<br />

10 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Maurice R. Greenberg<br />

Chairman and CEO<br />

C.V. Starr & Co., Inc.<br />

Statement on the <strong>Purpose</strong> of a Corporation<br />

Americans deserve an economy that allows each person to succeed through hard work and creativity<br />

and to lead a life of meaning and dignity. We believe the free-market system is the best means of<br />

generating good jobs, a strong and sustainable economy, innovation, a healthy environment and<br />

economic opportunity for all.<br />

Businesses play a vital role in the economy by creating jobs, fostering innovation and providing<br />

essential goods and services. Businesses make and sell consumer products; manufacture equipment<br />

and vehicles; support the national defense; grow and produce food; provide health care; generate<br />

and deliver energy; and offer financial, communications and other services that underpin economic<br />

growth.<br />

While each of our individual companies serves its own corporate purpose, we share a fundamental<br />

commitment to all of our stakeholders. We commit to:<br />

- Delivering value to our customers. We will further the tradition of American companies<br />

leading the way in meeting or exceeding customer expectations.<br />

- Investing in our employees. This starts with compensating them fairly and providing important<br />

benefits. It also includes supporting them through training and education that help develop<br />

new skills for a rapidly changing world. We foster diversity and inclusion, dignity and respect.<br />

- Dealing fairly and ethically with our suppliers. We are dedicated to serving as good partners to<br />

the other companies, large and small, that help us meet our missions.<br />

- Supporting the communities in which we work. We respect the people in our communities<br />

and protect the environment by embracing sustainable practices across our businesses.<br />

- Generating long-term value for shareholders, who provide the capital that allows companies<br />

to invest, grow and innovate. We are committed to transparency and effective engagement<br />

with shareholders.<br />

Each of our stakeholders is essential. We commit to deliver value to all of them, for the future success<br />

of our companies, our communities and our country.<br />

Hal Yoh<br />

Chair and CEO<br />

Day & Zimmermann<br />

August 2019<br />

Michael S. De l<br />

Chairman and CEO<br />

Dell Technologies<br />

Punit Renjen<br />

Global CEO<br />

Deloitte<br />

Kewsong Lee<br />

Co-Chief Executive Officer<br />

The Carlyle Group<br />

D. James Umpleby III<br />

Chairman and Chief<br />

Executive Officer<br />

Caterpi lar, Inc.<br />

Robert E. Sulentic<br />

President & CEO<br />

CBRE Group, Inc.<br />

Kevin J. Wheeler<br />

President & Chief Executive<br />

Officer<br />

A. O. Smith Corporation<br />

Miles D. White<br />

Chairman and Chief<br />

Executive Officer<br />

Abbott<br />

Julie Sweet<br />

Chief Executive Officer<br />

Designate<br />

Accenture<br />

Carlos Rodriguez<br />

President and CEO<br />

ADP<br />

Jim Fitterling<br />

Chief Executive Officer<br />

Dow<br />

Mike Burke<br />

Chairman and CEO<br />

AECOM<br />

Lynn Good<br />

Chairman, President & CEO<br />

Duke Energy<br />

Andrés Gluski<br />

President and CEO<br />

The AES Corporation<br />

JM Lawrie<br />

Chairman, President, and CEO<br />

DXC Technology<br />

W. Anthony Wi l<br />

President & Chief Executive<br />

Officer<br />

CF Industries<br />

Michael K. Wirth<br />

Chairman and Chief<br />

Executive Officer<br />

Chevron Corporation<br />

Greg Case<br />

CEO<br />

Aon<br />

Evan G. Greenberg<br />

Chairman & CEO<br />

Chubb<br />

Tim Cook<br />

CEO<br />

Apple<br />

Mark J. Costa<br />

Chairman and CEO<br />

Eastman Chemical Company<br />

Craig Arnold<br />

Chairman and CEO<br />

EATON<br />

Pedro J. Pizarro<br />

President & CEO<br />

Edison International<br />

David M. Cordani<br />

President and Chief Executive<br />

Officer<br />

Cigna<br />

Eric Foss<br />

Chairman, President & CEO<br />

Aramark<br />

Chuck Robbins<br />

Chairman and CEO<br />

Cisco Systems, Inc.<br />

Alan B. Colberg<br />

President and CEO<br />

Assurant<br />

Michael L. Corbat<br />

Chief Executive Officer<br />

Citigroup, Inc.<br />

Randa l Stephenson<br />

Chairman and Chief<br />

Executive Officer<br />

AT&T Inc.<br />

Daniel P. Amos<br />

Chairman and CEO<br />

Aflac<br />

Darren W. Woods<br />

Chairman and CEO<br />

Exxon Mobil Corporation<br />

Carmine Di Sibio<br />

Global Chairman & CEO<br />

EY<br />

Frederick W. Smith<br />

Chairman & CEO<br />

FedEx Corporation<br />

Hubertus M. Mühlhäuser<br />

Chief Executive Officer<br />

CNH Industrial<br />

John A. Hayes<br />

Chairman, President and CEO<br />

Ba l Corporation<br />

Roger K. Newport<br />

Chief Executive Officer<br />

AK Steel Corporation<br />

Brent Saunders<br />

Chairman and CEO<br />

A lergan plc<br />

John O. Larsen<br />

Chairman, President & CEO<br />

A liant Energy<br />

Lee Styslinger, III<br />

Chairman & CEO<br />

Altec, Inc.<br />

Jeffrey P. Bezos<br />

Founder and Chief Executive<br />

Officer<br />

Amazon<br />

Brian Moynihan<br />

Chairman and CEO<br />

Bank of America<br />

Brian Humphries<br />

Chief Executive Officer<br />

Cognizant<br />

Brian L. Roberts<br />

Chairman & CEO<br />

Comcast Corporation<br />

Ryan M. Lance<br />

Chairman & CEO<br />

ConocoPhi lips Company<br />

James Quincey<br />

Larry Merlo<br />

Chairman and Chief<br />

President & CEO<br />

Executive Officer<br />

CVS Health<br />

The Coca-Cola Company<br />

Gary Norcross<br />

Chairman, President & CEO<br />

FIS<br />

Revathi Advaithi<br />

Chief Executive Officer<br />

Flex<br />

José (Joe) E. Almeida<br />

Chairman, President and<br />

Chief Executive Officer<br />

Baxter International Inc.<br />

Philip Blake<br />

President Bayer USA<br />

Bayer USA<br />

Carlos M. Hernandez<br />

Chief Executive Officer<br />

Fluor Corporation<br />

James P. Hackett<br />

President and CEO<br />

Ford Motor Company<br />

Joe Davis<br />

Chairman, North America<br />

BCG<br />

Lachlan K. Murdoch<br />

Executive Chairman & CEO<br />

Fox Corporation<br />

Wende l P. Weeks<br />

Chairman, Chief Executive<br />

Officer & President<br />

Corning Incorporated<br />

Brendan P. Bechtel<br />

Chairman & CEO<br />

Bechtel Group, Inc.<br />

Tom Linebarger<br />

Chairman and CEO<br />

Cummins Inc.<br />

Doug Parker<br />

Chairman & CEO<br />

American Airlines<br />

Nicholas K. Akins<br />

Chairman, President and CEO<br />

American Electric Power<br />

Stephen J. Squeri<br />

Chairman and CEO<br />

American Express<br />

James D. Taiclet<br />

Chairman, President and CEO<br />

American Tower Corporation<br />

James M. Cracchiolo<br />

Chairman and Chief<br />

Executive Officer<br />

Ameriprise Financial<br />

Gail Koziara Boudreaux<br />

President and CEO<br />

Anthem, Inc.<br />

Richard C. Adkerson<br />

Vice Chairman, President and<br />

Chief Executive Officer<br />

Freeport-McMoRan Inc.<br />

Laurence D. Fink<br />

Chairman and Chief<br />

Executive Officer<br />

BlackRock, Inc.<br />

Charles W. Scharf<br />

Chairman & CEO<br />

BNY Me lon<br />

Dennis A. Muilenburg<br />

Chairman, President & CEO<br />

The Boeing Company<br />

Frédéric B. Lissalde<br />

President and Chief Executive<br />

Officer<br />

BorgWarner Inc.<br />

Robert Dudley<br />

Group CEO<br />

BP plc<br />

Giovanni Caforio<br />

Corie Barry<br />

Chairman and Chief<br />

Chief Executive Officer<br />

Executive Officer<br />

Best Buy Co., Inc.<br />

Bristol-Myers Squibb<br />

musste der Staat den Unternehmen zu<br />

Hilfe kommen (Krise 2008-2010).<br />

Es handelte sich jedoch um eine begrenzte<br />

Rettung, die auf die Schwäche<br />

der Staatsfinanzen infolge der durch<br />

die neoliberale Politik der 1980er und<br />

1990er Jahre bedingten Kürzungen,<br />

Anpassungen und Steuersenkungen<br />

zurückzuführen war. Auf diese Weise<br />

war es unvermeidlich, erneut über die<br />

Notwendigkeit starker Staaten nachzudenken,<br />

um möglichen Betrug<br />

<strong>oder</strong> Missbrauch<br />

in Unternehmen<br />

zu verhindern<br />

und aufzudecken.<br />

Daher wissen wir<br />

heute, <strong>das</strong>s wir<br />

einerseits Staaten<br />

brauchen, die bereit<br />

sind, in den unverzichtbaren<br />

Regelungsrahmen<br />

in den<br />

Bereichen Umwelt,<br />

Arbeit, Menschenrechte<br />

und Korruptionsbekämpfung<br />

einzugreifen,<br />

aber auch<br />

Unternehmen, die<br />

ihre Integritätspläne<br />

und Nachhaltigkeitsstrategien<br />

stärken<br />

müssen.“<br />

Unternehmen<br />

müssen einen<br />

<strong>Purpose</strong> haben<br />

Der jüngste Wendepunkt, der die Idee,<br />

die Forderungen aller Interessengruppen<br />

bei der Verfolgung einer nachhaltigen<br />

Entwicklung zu berücksichtigen,<br />

zementierte, findet sich in der Erklärung<br />

des Business Roundtable 2019, bei<br />

dem 181 CEOs der größten Unternehmen<br />

in den Vereinigten Staaten zusammenkamen.<br />

Dort beschloss man, eine 22<br />

Jahre alte Grundsatzerklärung zu widerrufen,<br />

in der <strong>das</strong> vorrangige Ziel eines<br />

Unternehmens in der Maximierung der<br />

Aktionärsrendite gesehen wurde, und<br />

stattdessen eine Erklärung abzugeben,<br />

in der der Zweck und die Notwendigkeit,<br />

<strong>das</strong>s Unternehmen den Interessen aller<br />

Stakeholder und nicht nur den Interessen<br />

der Aktionäre dienen müssen, in<br />

den Mittelpunkt gestellt wurden.<br />

„Alle Unternehmen haben einen Zweck,<br />

aber wenn wir im 21. Jahrhundert von<br />

,Unternehmenszweck‘ sprechen, wollen<br />

wir betonen, <strong>das</strong>s der Zweck über <strong>das</strong><br />

Gewinnmotiv hinausgeht. Niemand behauptet,<br />

<strong>das</strong>s Unternehmen aufhören<br />

sollten, Unternehmen zu sein, und sich<br />

philanthropisch engagieren sollen. Wir<br />

weisen aber darauf hin, <strong>das</strong>s die Art und<br />

Weise, wie heute Geschäfte gemacht<br />

werden, über den Gewinn hinausgeht<br />

und die Messung der sozialen und ökologischen<br />

Auswirkungen der Geschäftstätigkeit<br />

berücksichtigen muss. Der<br />

Weg zur Nachhaltigkeit führt über den<br />

Dreiklang: Wirtschaft, Soziales, Umwelt.<br />

Mit dem Runden Tisch und der ausdrücklichen<br />

Einbeziehung des ,Zwecks‘<br />

in die Unternehmen wird dieser Zweck<br />

auch entsprechend den Anforderungen<br />

der Wertschöpfungskette, d.h. des Stakeholder-Kapitalismus,<br />

formuliert, und es<br />

ist dieser Zweck, der die Strategie hervorbringt<br />

<strong>oder</strong> sie neu formuliert“, so<br />

D'Angelo.<br />

Das Konzept „Unternehmen als Kraft<br />

für <strong>das</strong> Gute“ impliziert also, <strong>das</strong>s der<br />

Zweck eines Unternehmens etwas Immaterielles<br />

ist, <strong>das</strong> von Werten geprägt<br />

ist und mit der Umwelt und der Gesellschaft,<br />

in die <strong>das</strong> Unternehmen eingebettet<br />

ist, in Verbindung steht, und <strong>das</strong>s<br />

er vor der Geschäftsstrategie formuliert<br />

wird. f<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

11


<strong>Purpose</strong><br />

<strong>Purpose</strong> Business vs.<br />

Sustainable Business vs.<br />

Ethical Business<br />

– immer <strong>das</strong><br />

Gleiche in<br />

neuen Worten<br />

<strong>oder</strong> feine<br />

Unterschiede?<br />

„<strong>Purpose</strong> Business“, „Sustainable Business“<br />

<strong>oder</strong> „Ethical Business“: Unter diese<br />

Kategorien fallen Unternehmen, die<br />

Verantwortung für ihr Handeln übernehmen<br />

und die negativen Auswirkungen ihrer<br />

Geschäftstätigkeit reduzieren. Dabei werden<br />

die Begriffe oft synonym verwendet, obwohl<br />

es feine Unterschiede zwischen ihnen gibt.<br />

PURPOSE Business<br />

Der <strong>Purpose</strong>-Business-Begriff ist eng verbunden<br />

mit der sogenannten B-Corp-Be<strong>weg</strong>ung. Deren<br />

Mitbegründer Jay Coen Gilbert beschrieb die Idee<br />

so: „Wir suchen nach einem Systemwechsel, um<br />

von einer veralteten und gescheiterten Version des<br />

Kapitalismus aus dem 20. Jahrhundert, genannt<br />

Shareholder Capitalism, zu einer Version des<br />

Kapitalismus für <strong>das</strong> 21. Jahrhundert zu kommen.“<br />

Sistema B in Argentinien etwa, wo die Initiative<br />

bereits zehn Jahre alt ist, fördert Unternehmen, die<br />

positive Veränderungen in den Bereichen Soziales,<br />

Ökologie und Ökonomie bewirken. Sie definieren<br />

<strong>Purpose</strong> Business als den Fußabdruck, den ein<br />

Unternehmen in der Gesellschaft und/<strong>oder</strong> in<br />

der Umwelt hinterlassen möchte. Sistema B will<br />

zeigen, wofür ein Unternehmen existiert, und sucht<br />

die passende soziale <strong>oder</strong> ökologische Ursache,<br />

zu deren Lösung es durch seine Tätigkeit beitragen<br />

will. Auf diese Weise werden Unternehmen zu<br />

B Corps, die sich öffentlich zu einem Prozess der<br />

kontinuierlichen Verbesserung ihrer Auswirkungen<br />

verpflichten. Außerdem verpflichten sie ihre<br />

Aktionäre, die von ihnen erklärten Probleme zu<br />

lösen und Entscheidungen unter Berücksichtigung<br />

ökologischer und sozialer Variablen zu treffen.<br />

12 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

ETHICAL Business<br />

Ein Unternehmen, <strong>das</strong> den Anspruch erhebt, seine<br />

Geschäfte nach ethischen Gesichtspunkten zu<br />

führen, zeichnet sich dadurch aus, <strong>das</strong>s es Werte<br />

festlegt (zum Beispiel in einem Verhaltenskodex),<br />

an denen es sich orientiert, um eine bestimmte<br />

Kultur innerhalb des Unternehmens zu fördern.<br />

Durch die Entscheidung für ethische Geschäftspraktiken<br />

übernimmt <strong>das</strong> Unternehmen die Verantwortung<br />

für die Auswirkungen seiner Geschäftstätigkeit,<br />

die über die Rentabilität des Unternehmens<br />

selbst hinausgehen. Die wichtigsten Kategorien, in<br />

die die meisten unternehmensethischen Grundsätze<br />

eingeteilt werden, sind Menschenrechte, Umwelt<br />

und Nachhaltigkeit, Korruptionsbekämpfung<br />

und Arbeitsrecht. Ein wichtiger Grundlagentext<br />

dazu stammt von Adam Smith: „The Theory of Moral<br />

Sentiments“ ist schon deshalb sehr interessant,<br />

da sie eine Verhaltenslehre präsentiert, die auf<br />

einem realistischen Blick des Menschen basiert,<br />

anstatt ethische Regeln zu propagieren, die den<br />

Menschen schlicht<strong>weg</strong> überfordern.<br />

SUSTAINABLE Business<br />

Unternehmen, die sich mit nachhaltigem Wirtschaften<br />

identifizieren, bewerten bei ihren<br />

Geschäftsentscheidungen ökologische, wirtschaftliche<br />

und soziale Faktoren und berücksichtigen<br />

sie bei ihren Entscheidungen. Sie versuchen, die<br />

Auswirkungen ihrer Tätigkeit zu kontrollieren, um<br />

sicherzustellen, <strong>das</strong>s kurzfristige Vorteile nicht<br />

zu langfristigen Verbindlichkeiten werden. In<br />

Lateinamerika beispielsweise konzentrieren sich<br />

nachhaltige Wirtschaftspraktiken vor allem auf<br />

die gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen<br />

und zielen darauf ab, in diesen Bereichen<br />

einen positiven Wandel zu erzielen. Neben gesetzlichen<br />

Anforderungen sind Kapitalmärkte Treiber<br />

dieser Entwicklung, da Investor:innen zunehmend<br />

Umwelt-, Sozial- und Governance-(ESG)-Indikatoren<br />

berücksichtigen.<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

13


<strong>Purpose</strong><br />

Stakeholder Capitalism:<br />

Eine globale Wirtschaft, die dem Fortschritt,<br />

den Menschen und dem Planeten dient<br />

Das derzeitige globale Wirtschaftssystem funktioniert weder<br />

für die meisten Menschen noch für den Planeten. Ein Buch,<br />

„Stakeholder Capitalism: A Global Economy that Works for<br />

Progress, People and Planet“ von Klaus Schwab und Peter<br />

Vanham entwirft eine neue Vision für eine Weltwirtschaft, die<br />

nachhaltigen Wohlstand für alle schaffen <strong>kann</strong>.<br />

Grafik: Covergestaltung Wiley / Stakeholder Capitalism<br />

Das<br />

B u c h<br />

basiert auf<br />

der Idee des<br />

„Stakeholder-Kapitalismus“, bei dem<br />

Unternehmen gegenüber allen ihren<br />

Stakeholdern und nicht nur gegenüber<br />

den Aktionären rechenschaftspflichtig<br />

sind. Die Autoren schreiben, <strong>das</strong>s diese<br />

Idee in der heutigen Welt dringend<br />

benötigt wird, in der die Konzentration<br />

auf Profit über alles andere zu zügelloser<br />

Ungleichheit und Umweltzerstörung<br />

geführt hat.<br />

Schwab gilt als einer der ersten, die<br />

den Begriff „Stakeholder-Kapitalismus“<br />

vor einem halben Jahrhundert verwendet<br />

haben, und er ist einer seiner lautstärksten<br />

Verfechter. Er gründete 1971<br />

<strong>das</strong> Weltwirtschaftsforum, <strong>das</strong> heute<br />

eine führende Organisation zur Förderung<br />

des Stakeholder-Kapitalismus<br />

durch seine verschiedenen Konferenzen<br />

und Initiativen ist.<br />

Im Gefolge der Covid-19-Pandemie, die<br />

die Anfälligkeit unseres globalen Wirtschaftssystems<br />

offenbart hat, könnte<br />

Schwabs Buch nicht aktueller sein. Es<br />

bietet einen Fahrplan für den Aufbau einer<br />

besseren Weltwirtschaft, die für uns<br />

alle funktioniert.<br />

Das Kernargument des Buches lautet,<br />

<strong>das</strong>s es an der Zeit ist, die beiden Formen<br />

des Kapitalismus zu überwinden,<br />

die die Weltwirtschaft jahrhundertelang<br />

dominiert haben: den Shareholder-Kapitalismus,<br />

bei dem die Unternehmen versuchen,<br />

die Gewinne für die Aktionäre zu<br />

maximieren, und den Staatskapitalismus,<br />

bei dem die Regierungen praktisch alle<br />

Unternehmen eines Landes besitzen und<br />

kontrollieren (wie in den kommunistischen<br />

Ländern üblich). Beide haben zwar<br />

zu mehr Wohlstand geführt, haben aber<br />

auch ihre Schattenseiten, so <strong>das</strong> Buch.<br />

„Sie führten zu einer zunehmenden Ungleichheit<br />

von Einkommen, Vermögen<br />

und Chancen, zu wachsenden Spannungen<br />

zwischen den Besitzenden und den<br />

Habenichtsen und vor allem zu einer<br />

massiven Verschlechterung der Umwelt“,<br />

schreiben Schwab und Vanham.<br />

„Angesichts der Unzulänglichkeiten<br />

dieser beiden Systeme sind wir der<br />

Meinung, <strong>das</strong>s wir ein neues, besseres<br />

globales System brauchen: den Stakeholder-Kapitalismus.<br />

In diesem System<br />

werden die Interessen aller Stakeholder<br />

in Wirtschaft und Gesellschaft berücksichtigt,<br />

Unternehmen optimieren für<br />

mehr als nur kurzfristige Gewinne, und<br />

Regierungen sind die Hüter der Chancengleichheit,<br />

gleicher Wettbewerbsbedingungen<br />

und eines fairen Beitrags und<br />

einer fairen Verteilung an alle Stakeholder<br />

im Hinblick auf die Nachhaltigkeit<br />

und Inklusivität des Systems“, fügen<br />

sie hinzu.<br />

Das Buch ist mehr als nur ein theoretisches<br />

Argument für den Stakeholder-Ka-<br />

14 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

pitalismus. Es bietet praktische Lösungen,<br />

wie wir dieses neue System in die<br />

Tat umsetzen können. So wird beispielsweise<br />

anhand historischer Daten die<br />

Behauptung untermauert, <strong>das</strong>s Gewerkschaften<br />

und Arbeitnehmervertretungen<br />

in Unternehmensvorständen dazu<br />

beitragen können, die Einkommensungleichheit<br />

zu verringern.<br />

„Unternehmen müssen auch gegenüber<br />

ihren Stakeholdern und nicht nur gegenüber<br />

den Aktionären rechenschaftspflichtig<br />

sein. Dies würde Maßnahmen<br />

wie die Verabschiedung einer Politik<br />

beinhalten, die langfristige Wertschöpfung<br />

belohnt, die Nachhaltigkeit in den<br />

Mittelpunkt der Unternehmensstrategien<br />

stellt, <strong>das</strong> Lohngefälle zwischen<br />

Vorstandsvorsitzenden und Mitarbeitern<br />

verringert und eine größere Rechenschaftspflicht<br />

im Finanzsektor einführt.“<br />

Unsere Ziele sollten sein, „die Ziele für<br />

nachhaltige Entwicklung der Vereinten<br />

Nationen (SDGs) bis 2030 zu erreichen,<br />

<strong>das</strong> Pariser Klimaabkommen in den<br />

nächsten 30 Jahren umzusetzen und unser<br />

globales Wirtschaftssystem zu reformieren,<br />

um es für die nächsten 50 Jahre<br />

und darüber hinaus fit zu machen“,<br />

schreiben die Autoren.<br />

In dem Buch wird überzeugend dargelegt,<br />

<strong>das</strong>s nachhaltige Geschäftspraktiken<br />

nicht nur gut für die Gesellschaft<br />

sind, sondern auch wirtschaftlich<br />

sinnvoll sind. „Der Wettbewerbsfähigkeitsbericht<br />

des Weltwirtschaftsforums<br />

zeigt, <strong>das</strong>s Länder, die neben der wirtschaftlichen<br />

Wettbewerbsfähigkeit auch<br />

eine nachhaltige und integrative Entwicklung<br />

anstreben, häufig auch am<br />

wettbewerbsfähigsten sind. Es ist also<br />

möglich, gleichzeitig wirtschaftlich,<br />

ökologisch und sozial erfolgreich zu<br />

sein, wenn die richtigen politischen Entscheidungen<br />

getroffen werden“, schreiben<br />

die Autoren.<br />

„Einfacher ausgedrückt: In einer Gesellschaft,<br />

in der alle Menschen gut ausgebildet<br />

und umweltbewusst sind, ist die<br />

Wahrscheinlichkeit größer, <strong>das</strong>s die Gesellschaft<br />

als Ganzes Entscheidungen<br />

trifft, die die Wirtschaft auf lange Sicht<br />

wohlhabender und nachhaltiger machen“,<br />

fügen sie hinzu. f<br />

In den Vereinigten Staaten, zum Beispiel,<br />

heißt es im Buch, zeigten Daten,<br />

die vom Economic Policy Institute über<br />

die letzten 100 Jahre zusammengestellt<br />

wurden, <strong>das</strong>s die Einkommensungleichheit<br />

hoch war, als es keine organisierte<br />

Arbeiterschaft gab, und <strong>das</strong>s sie während<br />

des goldenen Zeitalters der amerikanischen<br />

organisierten Arbeiterschaft,<br />

etwa zwischen 1940 und 1980, sank, als<br />

die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder<br />

anstieg. Als dann die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder<br />

wieder sank, nahm<br />

die Ungleichheit wieder zu und erreichte<br />

Mitte der 2010er Jahre einen neuen<br />

Höchststand.“ Dänemark ist ein weiteres<br />

in dem Buch angeführtes Beispiel,<br />

wo eine starke Gewerkschaftsbe<strong>weg</strong>ung<br />

und die Vertretung der Arbeitnehmer in<br />

den Aufsichtsräten zu mehr Lohngleichheit<br />

geführt hat, „selbst im Kontext der<br />

heutigen globalisierten und technologiegetriebenen<br />

Wirtschaft.“<br />

Wenn wir keine proaktiven Maßnahmen<br />

ergreifen, wird sich die Situation mit der<br />

„Vierten Industriellen Revolution“ nur<br />

noch verschlimmern, heißt es in dem<br />

Buch, <strong>das</strong> sich auf <strong>das</strong> Aufkommen von<br />

Künstlicher Intelligenz, Big Data, Robotik<br />

und anderen Technologien bezieht,<br />

die die Gesellschaft unweigerlich umwälzen<br />

und immer mehr Arbeitnehmer<br />

verdrängen werden.<br />

In der Praxis, so argumentieren die Autoren,<br />

müssen die Länder von der Verwendung<br />

des Bruttoinlandsprodukts<br />

(BIP) als alleinigem Maßstab für <strong>das</strong><br />

Wirtschaftswachstum abrücken und<br />

sich stattdessen „ganzheitlicheren Maßstäben<br />

der Wertschöpfung“ zuwenden.<br />

Das Buch enthält eine Version von Schwabs<br />

„Davoser Manifest 2020“, <strong>das</strong> den<br />

„universellen Zweck“ eines Unternehmens<br />

im System des Stakeholder-Kapitalismus<br />

wie folgt beschreibt:<br />

A Einbindung aller Interessengruppen,<br />

einschließlich der Kunden, Mitarbeiter,<br />

Lieferanten, Geldgeber und der Gemeinden,<br />

in denen <strong>das</strong> Unternehmen tätig<br />

ist.<br />

B „Ein Unternehmen ist mehr als eine<br />

wirtschaftliche Einheit, die Wohlstand<br />

erzeugt. Es erfüllt menschliche und gesellschaftliche<br />

Wünsche als Teil eines<br />

umfassenderen sozialen Systems.“<br />

C Multinationale Unternehmen müssen<br />

all ihren Stakeholdern dienen und als<br />

Stakeholder handeln, die mit Regierungen,<br />

der Zivilgesellschaft und anderen<br />

Unternehmen zusammenarbeiten, um<br />

globale Herausforderungen zu bewältigen.<br />

Stakeholder Capitalism<br />

A Global Economy that Works for<br />

Progress, People and Planet<br />

Wiley 2021: 304 Seiten<br />

ISBN 9781119756132 (Print)<br />

ISBN 9781119756149 (eBook)<br />

Preis: 29,99 €<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

15


<strong>Purpose</strong><br />

Kann ich glücklich werden<br />

ohne Sinn<br />

im Leben?<br />

Fotos: NDABCREATIVITY / stock.adobe.com<br />

Es gibt immer mehr Anzeichen<br />

dafür, <strong>das</strong>s wir im „Zeitalter der<br />

Zweckmäßigkeit“ leben. Es ist der<br />

Zeitgeist von heute, der alles bestimmt,<br />

von den kleinsten Entscheidungen in<br />

unserem täglichen Leben bis hin zu den<br />

großen Entscheidungen, und bei dem<br />

die Konstante die Frage nach dem Sinn<br />

des Lebens ist und ob <strong>das</strong>, was ich tue,<br />

mich glücklich macht, hier und jetzt. Sie<br />

ist nicht nur eine Überlegung, die abstrakt<br />

bleibt, sondern ein Ausgangspunkt<br />

für die Gestaltung unseres Lebensstils.<br />

Und <strong>das</strong> sind Entscheidungen, die sich<br />

auf den Arbeitsmarkt auswirken, wie<br />

die große Resignation in dem emblematischen<br />

Land des Kapitalismus. Im<br />

Moment haben die neuen Generationen<br />

einen stärkeren Bezug zum Genuss und<br />

suchen nach Arbeitsplätzen, an denen<br />

sie sich wohlfühlen. Sehr bequem. Es ist<br />

nicht so, <strong>das</strong>s frühere Generationen bei<br />

der Arbeit leiden wollten, aber der Begriff<br />

der Anstrengung wurde im Bereich<br />

der Arbeit - auch mit Opfern - anstelle<br />

der heutigen Sehnsucht nach Vergnügen<br />

durchgesetzt. Ein Genuss, der nicht auf<br />

Übermaß, sondern auf Ausgewogenheit<br />

abzielt.<br />

Noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts<br />

war die Segmentierung des Arbeitslebens<br />

in Bezug auf die anderen Bereiche<br />

des menschlichen Strebens so tief<br />

verwurzelt, <strong>das</strong>s viele Menschen ihre<br />

Zeit und ihren Raum für <strong>das</strong> „Leben“<br />

auf <strong>das</strong> Wochenende konzentrierten,<br />

in der Überzeugung, <strong>das</strong>s der Genuss<br />

ausschließlich in diesen 48 Stunden zu<br />

finden sei. So wie der Gefangene im Kerker<br />

die verbleibenden Tage bis zu seiner<br />

Freilassung abhakt.<br />

In wenigen Jahrzehnten haben wir uns<br />

von der „entfremdeten Arbeit“ von Karl<br />

Marx - mit der Wahrnehmung, nur ein<br />

Rädchen im Arbeitsrad zu sein, und<br />

kein sinnvolles Rädchen, bei dem sich<br />

die Frage nach Sinn und Entfremdung<br />

oft nur in Erschöpfung manifestiert –<br />

dazu entwickelt, bewusst alltägliche<br />

Räume für Genuss zu schaffen, und dafür,<br />

<strong>das</strong>s die Arbeit, die wir tun, sinnvoll<br />

und gewählt ist. In der Geschäftswelt<br />

ist <strong>das</strong> Wort, <strong>das</strong> dieses soziologische<br />

– und für viele zutiefst philosophische<br />

– Phänomen widerspiegelt, als „Zweck“<br />

be<strong>kann</strong>t.<br />

16 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

UmweltDialog: Was ist in der Gesellschaft<br />

geschehen, damit die Arbeit diese<br />

Entwicklung nehmen konnte?<br />

Nicolás José Isola: Die Eltern der heutigen<br />

Generation in den 40er- und 50er-<br />

Jahren sprachen nur von Anstrengung<br />

und Selbstverwirklichung durch diese<br />

Anstrengung. In dieser Gleichung gab<br />

es kein Vergnügen und keine Verbindung<br />

zwischen dem Beruflichen und<br />

dem Persönlichen: Nur diejenigen,<br />

die sehr viel Glück hatten, hatten es<br />

geschafft, diese beiden Dinge miteinander<br />

zu verbinden, und ich sage „Glück“,<br />

weil es im Hintergrund auch keine emotionale<br />

Kompetenz – <strong>oder</strong> Verbindung<br />

mit dem Wunsch – gab, sich mit diesem<br />

Ziel zu verbinden. In diesem Sinne ist<br />

<strong>das</strong> Thema der menschlichen Nachhaltigkeit<br />

mit dem Konzept verbunden,<br />

<strong>das</strong>s wir eine Einheit sind, und obwohl<br />

dies für mich <strong>das</strong> ABC des Lebens ist,<br />

sind viele Menschen immer noch von<br />

diesem Konzept überrascht: Ich sehe es<br />

in den Workshops, die ich in Unternehmen<br />

gebe, die Menschen sind immer<br />

noch sehr segmentiert, wenn es um die<br />

Arbeit in ihrem Leben geht.<br />

In den letzten Jahrzehnten hat sich <strong>das</strong><br />

Spielen am Arbeitsplatz als Lebensbereich<br />

etabliert, der früher mit einem<br />

Hobby verbunden war. Heute hingegen<br />

darf es auch ein Tor zur Arbeit sein<br />

<strong>oder</strong> ein Element, <strong>das</strong> vorhanden sein<br />

muss. Das bedeutet, <strong>das</strong>s die Arbeit für<br />

viele Menschen viel mehr ein Raum ist,<br />

in dem sie sich mit dem Persönlichen<br />

verbinden und ihr Leben als etwas<br />

Ganzheitliches betrachten, <strong>das</strong> sie motivieren<br />

und glücklich machen <strong>kann</strong>.<br />

Hat die Zwangspause der Pandemie <strong>das</strong><br />

Bewusstsein für den Sinn des Lebens in<br />

Bezug auf die Arbeit und andere Bereiche<br />

vertieft?<br />

Ich war erstaunt zu sehen, wie während<br />

der Pandemie leitende Angestellte, auf<br />

CEO-Ebene, anfingen zu sagen „Stopp.<br />

Ich wollte <strong>das</strong> nicht“. Menschen, die<br />

sich bis zu diesen hierarchischen Positionen<br />

hochgearbeitet hatten und bei<br />

denen die Pandemie als Störfaktor wirkte,<br />

um zu erkennen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong>, was sie<br />

bisher taten, „nicht mit dem vereinbar<br />

ist, was ich für mein Leben wollte“. Das<br />

ist nicht harmonisch. Menschen, die superschlau<br />

waren und ihre Unternehmen<br />

gut einschätzen und planen konnten,<br />

die aber ihr eigenes Leben nicht gut<br />

geplant haben. Und <strong>das</strong> ist <strong>das</strong> Interessante<br />

daran: wie eine Person, die sich<br />

„im Großen und Ganzen“ dem Geschäft<br />

widmet, die „Nicht-Freude“ nicht sehen<br />

konnte.<br />

Die neuen Generationen scheinen diese<br />

Schwierigkeiten nicht zu haben, wenn<br />

es darum geht, Freude zu empfinden.<br />

Und sogar einige Unternehmen haben<br />

Probleme, weil einige Mitarbeiter „nur<br />

Spaß“ haben wollen und es für sie<br />

schwierig ist, die Variable „Aufwand“<br />

zu verstehen. So schwingt <strong>das</strong> Pendel<br />

heute vielleicht in die andere Richtung.<br />

Aber ich würde es so erklären: Menschen<br />

ab 40 hatten eine eher moralisierende<br />

und auf Anstrengung basierende<br />

Erziehung. Wenn sie sagten: „Du wirst<br />

dorthin kommen, wo du hin willst“,<br />

dann war dieses „du willst“ nicht im<br />

Sinne von Vergnügen, emotionaler<br />

Verbundenheit und innerer Leidenschaft<br />

gemeint, sondern von „du wirst<br />

im Schweiße deines Angesichts essen“.<br />

2000 Jahre lang haben wir mit diesem<br />

Satz aus dem Buch Genesis gelebt.<br />

Heute ist die Logik eine andere, denn<br />

die jungen Leute sagen: „Ich möchte<br />

sechs Stunden an vier Tagen in der<br />

Woche arbeiten“, und diejenigen, die<br />

sich mit der Einstellung im Bereich<br />

Human Relations befassen, sagen: „Was<br />

ist <strong>das</strong>? Was ist <strong>das</strong> für ein neues Tier,<br />

<strong>das</strong> da auftaucht? Was ist <strong>das</strong> für ein<br />

verschärftes Verlangen, <strong>das</strong> sagt: „Ich<br />

weiß, wie ich mein Leben plane, und<br />

wenn Sie, <strong>das</strong> Unternehmen, sich nicht<br />

an mein Leben anpassen, möchte ich<br />

dort nicht arbeiten“?<br />

Und was würde diese neue Person ermächtigen,<br />

zu sagen: „Wenn Sie mir nicht<br />

passen, gehe ich zu jemand anderem“?<br />

Ich habe den Eindruck, <strong>das</strong>s diese<br />

Generationen die Kinder frustrierter<br />

Eltern sind, die nicht glücklich waren,<br />

und <strong>das</strong>s sie dieses Muster nicht<br />

wiederholen wollen. Also sagen sie:<br />

„Ich will <strong>das</strong> nicht, mein Vater kam um<br />

22 Uhr und ging um 7 Uhr morgens,<br />

<strong>das</strong> will ich nicht wiederholen. Ich<br />

weiß nicht, ob ich <strong>das</strong> Geld so sehr will,<br />

sondern eher die Fähigkeit, meine Zeit<br />

einzuteilen“, meint Isola, die einen Master-Abschluss<br />

in Pädagogik und einen<br />

Doktortitel in Sozialwissenschaften hat.<br />

<strong>Ist</strong> es wie eine neue Wahl zwischen<br />

Materialismus und Freiheit, die getroffen<br />

werden muss? >><br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

17


<strong>Purpose</strong><br />

Das ist eine sehr wichtige Variable, weil<br />

Freiheit und Autonomie wichtiger sind<br />

als Geld, <strong>oder</strong>? Es ist interessant, weil<br />

wir einerseits <strong>das</strong> Bild haben, <strong>das</strong>s die<br />

Gesellschaft immer materialistischer<br />

wird. Es gibt jedoch auch Zeichen wie<br />

dieses, die <strong>das</strong> Gegenteil besagen. Ein<br />

Beispiel: Die große Resignation in den<br />

Vereinigten Staaten: Diese Menschen<br />

geben ihre Arbeit auf, um in einem<br />

hyperkapitalistischen Land glücklicher<br />

zu sein, und <strong>das</strong> ist doch eine kontrafaktische<br />

Situation, <strong>oder</strong>? Ich habe<br />

den Eindruck, <strong>das</strong>s wir unsere Augen<br />

an Phänomene anpassen müssen, die<br />

völlig konträr zu dem sind, was wir<br />

bisher gesehen haben.<br />

Könnte es sich um ein soziologisches<br />

Phänomen handeln, <strong>das</strong> vom „Zeitgeist<br />

der Absicht“ erfasst wird?<br />

Es handelt sich um Menschen, die<br />

mit dem Gefühl ihres Glücks verbunden<br />

sind und erkennen, was sie<br />

voranbringt, was ihnen Erfolg bringt,<br />

was ihnen gut tut: Wir sehen dies in<br />

seltenen soziologischen Phänomenen.<br />

Ich habe den Eindruck, <strong>das</strong>s genau<br />

diese Absicht, diese innere Verbindung,<br />

zu sagen: „Ich weiß, was ich will, und<br />

wenn ihr mich nicht einstellen wollt,<br />

ist mir <strong>das</strong> egal, es gibt einen Markt für<br />

mich, solange ich bestimmte Qualifikationen<br />

mitbringe“, ermächtigend ist. Es<br />

geht nicht darum, <strong>das</strong>s Anstrengung<br />

nicht mehr <strong>das</strong> Totem <strong>oder</strong> die Hauptursache<br />

ist, sondern <strong>das</strong>s Anstrengung<br />

jetzt mit Glück, emotionaler Bindung<br />

und einer Karriere im Leben verbunden<br />

ist. Im Grunde handelt es sich um eine<br />

soziologische Umkehrung: Die Macht<br />

lag immer in den Händen der Bosse,<br />

und der Slogan lautete: „Ich passe dich<br />

an, was ich brauche“. Heute hingegen<br />

ist es eine Weltanschauung, ein Archipel<br />

von Individuen, die sagen: „Halt,<br />

meine Stimme zählt auch, ich möchte<br />

völlig ferngesteuert arbeiten“.<br />

Es findet also eine Umkehrung der<br />

Machtverhältnisse statt, bei der die<br />

Unternehmen nicht wissen, was sie tun<br />

sollen, weil sie nicht mehr planen können,<br />

und manchmal können sie auch<br />

nicht mehr überzeugen und Einfluss<br />

nehmen, wie sie es früher getan haben:<br />

mit mehr Geld. In vielen Fällen stellen<br />

sich die Unternehmen auf dieses neue<br />

Phänomen ein, <strong>das</strong> immer höhere Anforderungen<br />

an die Einstellungsbereiche<br />

stellt. Sie überlegen zum Beispiel,<br />

welche Leistungen sie diesen Archipelen<br />

von Arbeitnehmern gewähren<br />

sollen, und so entstehen segmentierte<br />

Leistungen: der alleinstehende Arbeitnehmer<br />

erhält ein kostenloses Fitnessstudio.<br />

Die Väter erhalten flexiblere<br />

Arbeitszeiten usw.<br />

Gibt es eine größere Freude an der<br />

zweiten Generation und eine geringere<br />

Bindung an <strong>das</strong> Gefühl, seine Pflicht tun<br />

zu müssen?<br />

Das „Sollen“ weicht dem „Sein“: <strong>das</strong><br />

Sein von dort, und nicht <strong>das</strong> Sein<br />

vom Sollen. Die Richtschnur und der<br />

Bezugspunkt ist nicht <strong>das</strong>, was „sein<br />

sollte“, sondern <strong>das</strong>, was ich sein will,<br />

und es ist mir egal, was <strong>das</strong> „sollte“ ist.<br />

Ein Faktor ist der der Freiheit, und die<br />

Jüngeren sind besser darin geschult, sie<br />

auszuüben.<br />

Wenn ich von „emotionaler Kompetenz“<br />

spreche, meine ich <strong>das</strong> in einem<br />

ziemlich weiten Rahmen, ich meine<br />

die Verbindung zum Verlangen. Es gibt<br />

einen Zusammenhang zwischen diesen<br />

jungen Menschen, die sich fragen,<br />

ob sie sich gut fühlen <strong>oder</strong> nicht. Für<br />

die Älteren hingegen war <strong>das</strong> keine<br />

berechtigte Frage: Sie mussten weitermachen.<br />

Bis die Qualen ... an Ihre Grenzen stoßen<br />

und Sie aufwecken, so <strong>das</strong>s Sie gezwungen<br />

sind, eine Entscheidung zu treffen.<br />

Genau, und <strong>das</strong> ist ein Schlüsselthema,<br />

weil diese Ressource am Ende nicht<br />

mehr nachhaltig ist, und diese jungen<br />

Leute wissen, wie man nachhaltig<br />

handelt. Es ist, als ob sie ein Messgerät<br />

hätten, <strong>das</strong> sagt: „Nein, ich mag die<br />

Feuchtigkeit hier nicht. Ich habe eine<br />

schlechte Zeit“ und sie verlassen zum<br />

Beispiel diesen Job. Die Älteren hingegen<br />

sagen: „Ich mag die Feuchtigkeit<br />

hier nicht, aber ich weiß, wie man unter<br />

der Feuchtigkeit leidet“. Was ich weiß,<br />

ist, <strong>das</strong>s ich leiden muss. Auch hier gilt<br />

<strong>das</strong> Konzept der Anstrengung, und du<br />

wirst im Schweiße deines Angesichts<br />

essen.<br />

Hat dieser „Unzufriedenheitsmesser“ eine<br />

Kehrseite im Lebenslauf? Und bedeutet<br />

es auf einer persönlichen Ebene auch<br />

die Herausforderung, <strong>das</strong>s je größer <strong>das</strong><br />

Bewusstsein ist, desto größer ist auch<br />

der Stress, sich ständig entscheiden zu<br />

müssen – als ob dies eine schwerere Seite<br />

der Freiheit wäre?<br />

18 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Viele Führungskräfte in ihren 40ern, 50ern<br />

sehen sich selbst als eine Art Hippies, wenn sie<br />

sich mit dem verbinden, was sie wollen.<br />

Bäume fällen <strong>oder</strong> Pestizide einsetzen,<br />

entsteht ein neuer Verbraucher, und<br />

<strong>das</strong> müssen wir verstehen. Manchmal<br />

werden sie karikiert. Aber man muss<br />

diesen jungen Menschen verstehen:<br />

Will er sich wirklich nur amüsieren,<br />

<strong>oder</strong> zeigt er uns sein Gleichgewicht<br />

und <strong>das</strong>s er ein höheres Maß an Bewusstsein<br />

hat? Und wir Älteren sehen<br />

ihn als „wie unreif, er will sich amüsieren“,<br />

„er weiß nicht, was Anstrengung<br />

ist“. Deshalb halte ich es für wichtig,<br />

daran zu denken, <strong>das</strong>s unsere Kategorien<br />

untergegangen sind.<br />

<strong>Ist</strong> es ein zutiefst philosophisches<br />

Phänomen?<br />

Ja, und <strong>das</strong> hat viel mit meiner persönlichen<br />

Verbindung und meinem eigenen<br />

kleinen Dorf zu tun, denn oft ist <strong>das</strong><br />

Vergnügen ein Vergnügen mit anderen.<br />

Was wir heute sehen, ist eine größere<br />

Zusammenführung, eine stärkere Verbindung<br />

zwischen den Menschen, um<br />

dieses Vergnügen zu genießen.<br />

Vielen Dank für <strong>das</strong> Gespräch! ■<br />

Ja, du musst dich dafür verantworten,<br />

vor dir selbst! Viele Führungskräfte in<br />

ihren 40ern, 50ern sehen sich selbst als<br />

eine Art Hippies, wenn sie sich mit dem<br />

verbinden, was sie wollen. Denn wenn<br />

sie tun, was sie wollen, hat <strong>das</strong> seinen<br />

Preis, und dieser Preis führt dazu,<br />

<strong>das</strong>s sich viele Menschen nicht ändern<br />

wollen, insbesondere in den oberen<br />

Schichten.<br />

Wir sehen auch, <strong>das</strong>s es Generationen<br />

gibt, die bereit sind, für diese Freiheit<br />

einen Preis in Kauf zu nehmen: den<br />

Preis, nicht eingestellt zu werden, den<br />

Preis, zu sagen: „Das ist nicht <strong>das</strong>, was<br />

ich für mich will“. Die Kosten dafür,<br />

<strong>das</strong>s sie vier Monate in ihrem Job bleiben<br />

und ihr Lebenslauf eine Art Sprung<br />

von einer Seite zur anderen ist.<br />

Sehen die Unternehmen in diesem neuen<br />

Mitarbeiter auch einen neuen Verbraucher?<br />

Ja, die Märkte öffnen sich in Verbindung<br />

mit dieser Freude, mit diesen<br />

neuen Wirtschaftssystemen <strong>oder</strong> neuen<br />

Denkweisen über die Realität. Wenn<br />

sich jemand dafür interessiert, ob Sie<br />

Nicolás José Isola,<br />

Philosoph, Master in Erziehungswissenschaften<br />

(UdeSA) und Doktor<br />

der Sozialwissenschaften (FLACSO).<br />

Er ist Executive Coach, Spezialist für<br />

Storytelling und menschliche Entwicklung.<br />

Er lebt in Barcelona<br />

und ist als Meinungs- und<br />

Managementkolumnist in<br />

internationalen Medien tätig.<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

19


<strong>Purpose</strong><br />

Darum ist <strong>Purpose</strong> wichtig<br />

Geld verdienen alleine reicht nicht. Mit diesem einen Satz lässt sich wahrscheinlich die Frage<br />

nach dem Sinn eines Unternehmens beantworten. „Sinn stiften und Geld verdienen ist die<br />

richtige Formel für Unternehmenslenker“, sagt <strong>Purpose</strong>-Experte Franz-Rudolf Esch.<br />

Foto: Kzenon / fotolia.com<br />

20 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

21


<strong>Purpose</strong><br />

<strong>Purpose</strong><br />

M<strong>oder</strong>ne Führungskräfte müssen<br />

stärken<br />

Grafiken: ink drop / stock.adobe.com<br />

Wie funktioniert Führungskräfteentwicklung<br />

im 21.<br />

Jahrhundert? Nur durch die<br />

Förderung wertebasierter<br />

Führungskompetenzen, die<br />

zur Entwicklung nachhaltiger<br />

Unternehmen beitragen.<br />

Davon ist Klaus Schuler von<br />

Tripl3Leader überzeugt, der<br />

Organisationen in diesem<br />

Bereich coacht. Auch Mitarbeitende<br />

von iPoint haben<br />

eines seiner Programme<br />

besucht. Gemeinsam haben<br />

sie unter anderem ein<br />

<strong>Purpose</strong>-Vision-Mission-<br />

Statement erarbeitet.<br />

Von Sonja Scheferling<br />

Selbstbewusst, aber bescheiden, visionär,<br />

handlungsfreudig, motivierend, fair<br />

und reflexionsfähig: Als Führungskraft<br />

in einem Unternehmen muss man bestimmte<br />

Eigenschaften haben, um andere<br />

erfolgreich anzuleiten und sie von<br />

dem eingeschlagenen Weg zu überzeugen.<br />

Das ist wichtig, weil Führungskräfte<br />

entscheidende Funktionen innerhalb<br />

von Unternehmen erfüllen. Sie sind für<br />

deren Richtung und deren Zukunftsfähigkeit<br />

verantwortlich, indem sie Veränderungsprozesse<br />

begleiten und neue<br />

Ideen fördern. Aber: „Kompetente Chefs<br />

und Vorgesetzte fallen leider nicht vom<br />

Himmel. Es ist notwendig, talentierte<br />

Mitarbeiter und angehende Führungskräfte<br />

auf diese Position vorzubereiten.<br />

Die Führungskräfteentwicklung<br />

soll durch geeignete Maßnahmen und<br />

Instrumente auf die kommenden Aufgaben<br />

vorbereiten“, heißt es dazu bei<br />

der Karrierebibel. Dafür sind dann die<br />

Mitarbeitenden der jeweiligen Personalund<br />

HR-Abteilungen der Unternehmen<br />

verantwortlich. Klassische Maßnahmen<br />

sind dabei etwa Trainee- und Mentoring-Programme.<br />

22 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Wertegetriebene Personalentwicklung<br />

Jemand, der sich in diesem Bereich<br />

bestens auskennt, ist<br />

Klaus Schuler aus Tübingen.<br />

Seit über 30 Jahren ist er in<br />

der Personal- und Organisationsentwicklung<br />

tätig.<br />

Arbeitete er früher für ein<br />

großes Unternehmen, ist<br />

er nunmehr seit neun Jahren<br />

Geschäftsführer von<br />

Tripl3Leader. Gemeinsam<br />

mit seinem Team bietet er<br />

hier Dienstleistungen für<br />

Betriebe rund um die Entwicklung<br />

einer wertegetriebenen,<br />

nachhaltigen Führungskultur<br />

an, wie er sagt:<br />

„Es war schon immer der Anspruch<br />

der Personalentwicklung,<br />

die Menschen ‚besser‘<br />

zu machen“, erklärt Schuler.<br />

Dabei habe er sich aber zunehmend<br />

die Frage gestellt, was<br />

dieses „Besser“ im 21. Jahrhundert<br />

bedeute: „<strong>Ist</strong> es tatsächlich<br />

besser, einen Menschen in einem<br />

Produktbereich zu fördern, den ich<br />

persönlich nicht unterstütze, nur<br />

damit dann noch mehr dieser Produkte<br />

für einen kurzfristigen betriebswirtschaftlichen<br />

Nutzen verkauft werden?<br />

Besser heißt heute wertebasierte<br />

Führung, und die Repositionierung der<br />

Unternehmen als nachhaltige Akteure<br />

in der Gesellschaft zu fördern“.<br />

Für diese Aufgabe hat Schuler sein eigenes<br />

Beratungsunternehmen für Führungskräfteentwicklung<br />

gegründet.<br />

Seine Mitarbeitenden und er verfolgen<br />

in ihren Seminaren einen Ansatz, der<br />

einen nachhaltigen Unternehmenserfolg<br />

der teilnehmenden Betriebe steigern<br />

soll. Alle drei Dimensionen von<br />

Nachhaltigkeit – People, Planet, Profit<br />

– in die Coachings integrierend, ginge<br />

es darum, die persönliche Haltung der<br />

Führungskräfte und ihre jeweiligen<br />

Wertvorstellungen herauszukristallisieren,<br />

auf die Betriebsabläufe zu übertragen<br />

und gemeinsam ein Konzept zu<br />

erarbeiten, <strong>das</strong> die Menschen zu einem<br />

m<strong>oder</strong>nen Führungsverständnis befähigt.<br />

„Unsere Kunden sind die, die in unterschiedlichen<br />

Bereichen für Optimierung<br />

sorgen. Es <strong>kann</strong> sein, <strong>das</strong>s es um<br />

die Reduzierung ökologischer Risiken<br />

geht. Aber viel interessanter ist die Frage,<br />

welchen <strong>Purpose</strong> die Unternehmen<br />

haben und wie sie ihre Einzigartigkeit<br />

in gesellschaftlichen Nutzen und damit<br />

auch in ihre eigene Zukunftsfähigkeit<br />

umsetzen.“<br />

<strong>Purpose</strong> dank SDGs<br />

(Ziele für nachhaltige Entwicklung)<br />

Der Diskurs über den <strong>Purpose</strong> von Unternehmen,<br />

also ihrem Daseinszweck,<br />

kam in den vergangenen Jahren auf,<br />

nachdem CEOs führender Finanzdienstleister<br />

und Großkonzerne auf<br />

die wachsende soziale Ungleichheit in<br />

Gesellschaften hingewiesen haben. „Es<br />

geht darum, <strong>das</strong>s Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit<br />

unter ein Leitmotiv stellen,<br />

<strong>das</strong> allen Stakeholdern eine langfristige<br />

positive Perspektive bietet. Denn<br />

man <strong>kann</strong> ein Unternehmen nur auf<br />

lange Sicht hin<strong>weg</strong> erfolgreich führen,<br />

wenn es neben den Gesellschaftern und<br />

Aktionären auch im Einklang mit Kunden,<br />

Mitarbeitern und der gesamten Gesellschaft<br />

steht“, erklärt etwa Jan-Menko<br />

Grummer von EY Deutschland.<br />

Will sagen: Neben der betriebswirtschaftlichen<br />

Gewinnmaximierung sollen<br />

auch andere Werte, die die ökologische<br />

und soziale Verantwortung von<br />

Unternehmen adressieren, über deren<br />

Erfolg mitentscheiden. Es geht darum,<br />

<strong>das</strong>s künftige Innovationen und die<br />

Geschäftstätigkeit insgesamt einen positiven<br />

Beitrag für die Gesellschaft erbringen.<br />

„Wir integrieren die SDGs in<br />

unsere Produkte und Dienstleistungen,<br />

weil wir davon überzeugt sind, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />

Nachdenken über die SDGs den Mindset-Change<br />

in Unternehmen erhö- >><br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

23


<strong>Purpose</strong><br />

hen <strong>kann</strong>. Durch die Identifikation und<br />

Erhöhung des gesellschaftlichen Unternehmensnutzens<br />

inklusive konkreter<br />

Indikatoren wird nachhaltige Unternehmensführung<br />

greifbar“, führt Schuler<br />

aus. „Mit unseren Tools und Produkten<br />

unterstützen wir Unternehmen, die<br />

Zielvorstellungen der SDGs in alle Prozesse,<br />

Produkte, Dienstleistungen und<br />

Geschäftsmodelle zu verankern und die<br />

Führungskultur insgesamt auf die aktuellen<br />

Herausforderungen auszurichten<br />

und einen positiven Impact für die Gesellschaft<br />

zu erschaffen.“<br />

iPoint von Tripl3Leader überzeugt<br />

Ein Unternehmen, dessen Mitarbeitende<br />

von Schuler und seinem Team gecoacht<br />

wurden, ist iPoint-systems aus<br />

Reutlingen. Der Software-Spezialist für<br />

Produkt-Compliance und Nachhaltigkeit<br />

ermöglicht es seinen Kundinnen und<br />

Kunden, alle notwendigen Daten entlang<br />

der Lieferkette zu sammeln, um die<br />

ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen<br />

Auswirkungen ihrer Produkte und<br />

der damit einhergehenden Prozesse zu<br />

bewerten und darüber zu berichten. Eigenen<br />

Angaben zufolge nutzen sowohl<br />

KMUs als auch Großunternehmen die<br />

Software, um Compliance, Risiken und<br />

Nachhaltigkeit zu managen, indem die<br />

Unternehmen die Produktlebenszyklen<br />

und Lieferkettenbeziehungen digitalisieren.<br />

Denn nur durch diese Transparenz<br />

könnten gesetzeskonforme und nachhaltige<br />

Produkte hergestellt werden, die<br />

kreislauffähig und damit zukunftsfähig<br />

seien.<br />

„Als stolzer Unterzeichner des United<br />

Nations Global Compact – der weltweit<br />

größten freiwilligen Nachhaltigkeitsinitiative<br />

für Unternehmen – sind wir<br />

bestrebt, Nachhaltigkeit auch in unsere<br />

eigene Unternehmensstrategie,<br />

Unternehmenskultur und in unseren<br />

Arbeitsalltag zu integrieren“, sagt Dr.<br />

Katie Böhme, Director People & Communications<br />

bei iPoint. „Wir legen großen<br />

Wert auf eine qualitativ hochwertige<br />

und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete<br />

Bildung und Weiterbildung. Aus diesem<br />

Grund haben uns Konzept und Inhalte<br />

von Tripl3Leader angesprochen, da sie<br />

Kompetenzen von Führungskräften in<br />

nachhaltiger Führung, werteorientierter<br />

Haltung und verantwortungsvollem<br />

Handeln entwickeln und Nachhaltigkeit<br />

holistisch adressieren.“<br />

True Leadership Journey<br />

Böhme und weitere Kolleginnen<br />

und Kollegen von iPoint haben bei<br />

Tripl3Leader <strong>das</strong> sogenannte „True<br />

Leadership Journey“-Programm durchlaufen,<br />

um wertebasierte, nachhaltige<br />

Führungskompetenzen im Unternehmen<br />

weiter zu stärken. Das Programm<br />

umfasst sechs unterschiedliche Kompetenzbereiche<br />

– <strong>Purpose</strong> & Strategy,<br />

Self-Leadership, People Leadership, Problem-Solving<br />

& Change, Innovation und<br />

True Collective Value –, die durch weitere<br />

relevante Kompetenz-Unterpunkte<br />

gegliedert sind. „Tripl3Leader verfolgt<br />

einen ganzheitlichen Lernansatz. Die<br />

auf dem True-Leadership-Capacity-Modell<br />

basierenden, interdisziplinären Inhalte<br />

werden praxis- und anwendungsorientiert<br />

vermittelt, angeeignet und<br />

umgesetzt. Das Face-to-face-Format<br />

wurde gewählt, um eigene Denkmuster<br />

mit denen anderer<br />

im direkten Austausch<br />

zu erleben. Das eLearning<br />

und <strong>das</strong> Lernprojekt<br />

ergänzen diesen<br />

je nach Bedarf“, erklärt<br />

Schuler.<br />

So haben die Mitarbeitenden<br />

von iPoint während des<br />

Seminars ganz konkret <strong>das</strong><br />

„<strong>Purpose</strong>-Vision-Mission-<br />

Statement“ des Unternehmens<br />

erarbeitet und abgestimmt.<br />

Dieses leitet sich aus der<br />

Frage ab, wie heutige Technologien<br />

dazu beitragen<br />

können, eine wirtschaftlich florierende,<br />

gerechte und nachhaltige Welt zu sichern,<br />

in der es sich für zukünftige Generationen<br />

zu leben lohnt. Im Nachgang<br />

wurde <strong>das</strong> Statement auch in den Onboarding-Prozess<br />

für neue Mitarbeiter<br />

integriert. „Mir persönlich hat <strong>das</strong> Training<br />

Mut gemacht, eine Rolle bei iPoint<br />

mit expliziter Führungsverantwortung<br />

zu übernehmen. Außerdem hole ich<br />

immer wieder Inhalte und Instrumente,<br />

die wir bei der True Leadership Journey<br />

kennengelernt und ausprobiert haben,<br />

hervor und verwende sie mit meinen<br />

Teams. Nicht alles davon war und ist<br />

dann komplett neu, aber die Lernkarten<br />

mit den kompakten Visualisierungen<br />

ermöglichen ein einfaches und schnelles<br />

Teilen im Kreis der Kolleginnen und<br />

Kollegen“, so <strong>das</strong> Resümee von Martina<br />

Prox, Director Expert Services bei<br />

iPoint. f<br />

24 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


European Sustainability Reporting Academy<br />

<strong>Ist</strong> Ihr Unternehmen<br />

enkeltauglich?<br />

Der Fachkräftemangel erreicht immer neue Höchststande.<br />

Zugleich steigen die regulatorische Anforderungen. Das gilt<br />

insbesondere für Nachhaltigkeits- und ESG-Themen. Unternehmen<br />

setzen deshalb immer öfter auf Quereinsteiger, um<br />

Pflichten und Forderungen von Banken, Gesetzgeber,<br />

Einkäufern und anderen Stakeholdern nachzukommen.<br />

Die European Sustainability Reporting Academy (ESRA)<br />

unterstützt Sie mit einem maßgeschneiderten Ausbildungsprogramm.<br />

Innerhalb eines Jahres lernen angehende<br />

Führungskräfte in Form von „training on the job“, worauf<br />

es in ihrem Job ankommt.<br />

Training on the Job ist hierbei inzwischen eine willkommene<br />

Ergänzung zur klassischen Ausbildung. Denn aus<br />

der Forschung wissen wir, <strong>das</strong>s Wissen, welches direkt am<br />

Arbeitsplatz erworben wurde, viel besser im Gedächtnis<br />

abgespeichert wird als theoretische Kenntnisse.<br />

ESRA bietet deshalb je nach Vorwissen ein maßgeschneidertes<br />

Lernprogramm in Form von modularen Lerneinheiten,<br />

begleitet von intensivem Coaching und Training<br />

„im Tagesgeschäft“. Coaching und Beratung finden in einem<br />

1:1 Betreuungsverhältnis statt. Die Ausbildung wird mit<br />

einem Zertifikat abgeschlossen.<br />

ESRA richtet sich an Führungs- und Fachkräfte in Unternehmen,<br />

Finanzinstituten, öffentlichen Einrichtungen sowie<br />

Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.<br />

Jetzt anmelden unter<br />

esra-academy.org<br />

NRW-Firmen aufgepasst<br />

öffentliche<br />

40 % Förderung möglich!<br />

macondo publishing GmbH | Dahl<strong>weg</strong> 87 | D — 48153 Münster | Tel. +49 (0) 251 200 782 0 | esra-academy.org


<strong>Purpose</strong><br />

Sinnstiftende<br />

PURPOSE BUSINESS:<br />

MITARBEITER-<br />

Von Julia Bräunig<br />

FÜHRUNG<br />

Im Bereich der ganzheitlichen<br />

Mitarbeiterführung<br />

findet mittlerweile bei vielen<br />

Unternehmen ein längst<br />

überfälliges Umdenken statt.<br />

Mitarbeiter*innen sind nicht<br />

länger nur „Mittel zum Zweck“<br />

beziehungsweise günstige<br />

Arbeitskräfte, die unliebsame<br />

Aufgaben erledigen.<br />

26 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Die hohe Mitarbeiterfluktuation in vielen<br />

Unternehmen weist darauf hin: Werden<br />

Angestellte nicht als vollwertige<br />

Teammitglieder auf Augenhöhe betrachtet<br />

und dazu ermutigt, sich voll und ganz<br />

einzubringen, können sie sich kaum mit<br />

ihrer Arbeit identifizieren, bauen wenig<br />

tiefe Verbindungen zu ihren Kolleg*innen<br />

auf, fühlen sich nicht wertgeschätzt<br />

und geben daher auch nicht ihr Bestes<br />

– sondern machen unmotiviert reinen<br />

Dienst nach Vorschrift. Oder suchen<br />

sich einen neuen Job, in der Hoffnung,<br />

dort besser behandelt zu werden und<br />

sich mehr einbringen zu können. Wie<br />

soll ein Business funktionieren, dessen<br />

Mitarbeiter*innen unglücklich sind?<br />

Wie wirkt sich <strong>das</strong> auf dein Angebot<br />

aus? Welche Botschaft tragen diese Menschen<br />

nach außen, wenn sie über ihre<br />

Arbeit in deinem Business berichten?<br />

Dein Team ist dein Business<br />

Dein Team trägt entscheidend zum Erfolg<br />

deines Business bei. Es macht die<br />

täglich anfallende Arbeit, es IST dein<br />

Unternehmen. Deine Mitarbeiter*innen<br />

haben direkten Kundenkontakt, arbeiten<br />

an deinem Angebot maßgeblich mit,<br />

verpacken Bestellungen, konzipieren<br />

Marketing-Maßnahmen, schreiben Texte,<br />

gestalten die Außenkommunikation<br />

und vieles mehr. Was deine Kund*innen<br />

von dir und deinem Business sehen und<br />

mit deinem Angebot erleben, hängt von<br />

der Arbeit deines Teams ab.<br />

Die gesamte Teamqualität wird sich verbessern,<br />

wenn du als Gründer*in empathisch<br />

bist, dich auf Augenhöhe mit<br />

den Mitarbeiter*innen befindest und dir<br />

wirklich Zeit für ihre Ideen und Herausforderungen<br />

nimmst. Diese Vorbildfunktion<br />

wird dein Team dazu motivieren,<br />

ebenfalls so zu handeln und dadurch ein<br />

gemeinschaftlich orientiertes Miteinander<br />

fördern.<br />

Sorge dafür, <strong>das</strong>s deine Mitarbeiter*innen<br />

genauso begeistert von deinem Business<br />

sind wie du selbst. Dass sie voll hinter<br />

dem Produkt <strong>oder</strong> der Dienstleistung<br />

stehen, sich mit den Unternehmens-<br />

Werten identifizieren können und es als<br />

ihre eigene Mission betrachten, einen<br />

wertvollen Beitrag für den maximalen<br />

Erfolg deines Business (und dem, wofür<br />

es steht!) zu leisten.<br />

Prinzipien eines gemeinschaftlichorientierten<br />

Arbeitens<br />

Autor und Unternehmensberater Frederic<br />

Laloux hat in seinem sehr inspirierenden<br />

Buch „Reinventing organisations“<br />

drei neue Prinzipien des<br />

Arbeitens aufgestellt.<br />

Prinzip 1: Selbstmanagement<br />

Anstatt Hierarchie <strong>oder</strong> Konsens werden<br />

Organisationen durch kollegiale Beziehungen<br />

gesteuert.<br />

Prinzip 2: Ganzheitlichkeit<br />

Jede*r Mitarbeiter*in darf sich authentisch<br />

mit allen Stärken und Schwächen<br />

zeigen und einbringen, anstatt sich zu<br />

verbiegen.<br />

Prinzip 3: Evolutionärer Zweck<br />

Jede*r Mitarbeiter*in ist dazu eingeladen,<br />

seine beziehungsweise ihre persönliche<br />

Mission mit dem Sinn und Zweck<br />

des Unternehmens zusammen zu bringen<br />

und ein stimmiges Gesamtwerk daraus<br />

zu erschaffen.<br />

Daraus lassen sich folgende Kriterien<br />

für eine gemeinschaftliche, faire Zusammenarbeit<br />

ableiten:<br />

▸ Alle Mitarbeiter*innen haben den<br />

gleichen Stellenwert und ein demokratisches<br />

Mitspracherecht.<br />

▸ Jede*r darf sich voll einbringen, Ideen<br />

und Kritik äußern.<br />

▸ Alle Mitarbeiter*innen werden durch<br />

Coaching und Workshops dabei unterstützt,<br />

ihr größtes Potenzial herauszufinden<br />

und ins Unternehmen einzubringen.<br />

▸ Aufgaben werden nicht mehr „von<br />

oben nach unten“ diktiert, sondern<br />

werden gemeinschaftlich besprochen<br />

und an diejenigen mit dem größten<br />

Potenzial in diesem Bereich verteilt.<br />

▸ Jeder darf 100 Prozent er beziehungsweise<br />

sie selbst sein und muss sich<br />

nicht verbiegen. Jeder darf seine Stärken<br />

ausleben und einbringen, aber<br />

auch seine Schwächen zeigen.<br />

▸ Wertschätzende, positive Kommunikation<br />

ist an der Tagesordnung. Wenn es<br />

in diesem Bereich noch Handlungsbedarf<br />

gibt, können Coaches <strong>oder</strong> Mentoren<br />

zum Beispiel für gewaltfreie Kommunikation<br />

zurate gezogen werden.<br />

▸ Alle verdienen ähnlich viel Geld, es<br />

gibt keine große Kluft zwischen „Chef“<br />

und „Mitarbeiter*innen“.<br />

▸ Überschüssige Gewinne werden an<br />

alle gleichermaßen ausgeschüttet <strong>oder</strong><br />

in <strong>das</strong> Wachstum des Unternehmens<br />

<strong>oder</strong> die Verbesserung der Produkte<br />

investiert.<br />

So stellst du dein Team zusammen<br />

Achte beim Einstellungsprozess darauf,<br />

<strong>das</strong>s deine Mitarbeiter*innen die<br />

gleichen Werte vertreten und dadurch<br />

ebenfalls Sinn und Erfüllung in ihrer<br />

Tätigkeit sehen. So arbeiten sie viel >><br />

Grafik: jozefmicic / stock.adobe.com<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

27


<strong>Purpose</strong><br />

motivierter und zufriedener – was dem<br />

gesamten Betriebsklima zugute kommt.<br />

Frage die Bewerber*innen, was SIE sich<br />

wünschen und bei dir lernen wollen.<br />

Was ihnen wichtig ist und wofür sie sich<br />

einsetzen. Was ihre Stärken sind und<br />

wie beziehungsweise an welcher Stelle<br />

sie diese einbringen wollen.<br />

Natürlich sollte auch die Chemie zwischen<br />

euch stimmen. Ziel ist es, <strong>das</strong>s<br />

alle eine gute Zeit haben und ihre Arbeit<br />

gern machen. Vielleicht möchtest du sogar<br />

jemanden für den Bereich „Arbeitszufriedenheit“<br />

einstellen, der sich um<br />

ein gutes Betriebsklima kümmert?<br />

▸ In dem du ganz du selbst sein darfst<br />

und <strong>das</strong> du 100 Prozent nach deinen<br />

Regeln gestaltest. Du entscheidest, wie<br />

du leben und arbeiten willst!<br />

▸ Das ALLEN zugute kommt – nachhaltig,<br />

sozial, ökologisch und fair.<br />

▸ Mit dem du ein stabiles, krisensicheres<br />

Einkommen erzielen <strong>kann</strong>st,<br />

<strong>das</strong> auf mehreren Säulen ruht und<br />

dir somit finanzielle Unabhängigkeit<br />

bietet. f<br />

Ein sinnstiftendes & nachhaltig<br />

erfolgreiches Business aufbauen<br />

Immer mehr Menschen wollen mit ihrer<br />

täglichen Arbeit etwas Sinnvolles<br />

tun und die Welt ein Stück besser machen.<br />

Klimawandel, politische Unruhen,<br />

Flüchtlingskrise, Pandemie(n) und die<br />

immer größer werdende soziale Ungleichheit<br />

betreffen und beschäftigen<br />

uns alle. Lösungen müssen gefunden<br />

werden. Wie können wir mit unserem<br />

unternehmerischen Handeln positiven<br />

Einfluss auf <strong>das</strong> Weltgeschehen nehmen?<br />

Was benötigen wir, um sinnstiftende<br />

und nachhaltig wirtschaftende<br />

Unternehmen aufzubauen?<br />

Welche Schritte du dafür gehen darfst,<br />

lernst du ganz ausführlich im Buch „Das<br />

<strong>Purpose</strong>-Business-Prinzip“. Um dir Orientierung<br />

und Inspiration zu bieten,<br />

kommen darin unter anderem zehn visionäre<br />

Unternehmer*innen zu Wort,<br />

die bereits ein stabiles nachhaltiges Business<br />

aufgebaut haben. Mit dem einfachen<br />

8-Schritte-Plan im Buch entwerfen<br />

wir dein <strong>Purpose</strong> Business:<br />

▸ Das dich voll erfüllt, in dem du deine<br />

Potenziale einbringen <strong>kann</strong>st und<br />

jeden Tag Freude und Begeisterung<br />

verspürst.<br />

Julia Bräunig:<br />

Das <strong>Purpose</strong>-Business-Prinzip<br />

GrünerSinn-Verlag 2021: 282 Seiten<br />

ISBN 978-3982139715<br />

Preis: 19,90 €<br />

28 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Über die Autorin<br />

Hallo, ich bin Julia! Als Business-Coach und Mentorin unterstütze ich Gründer*innen und Selbstständige beim<br />

Aufbau und Ausbau ihres nachhaltig erfolgreichen und sinnstiftenden Business. Auch wenn ich seit über 15 Jahren<br />

im Onlinebusiness „rein digital“ arbeite, so bin ich mindestens ebenso sehr draußen in der Natur verwurzelt.<br />

Gehe fast täglich in den Wald, um mich zu erden und Klarheit über meinen Weg zu finden. Außerdem beschäftige<br />

ich mich bereits seit vielen Jahren mit den Themen Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Tierschutz, gesundem Lifestyle,<br />

Achtsamkeit und vielen mehr. Als ich Business-Coach wurde, war mir schnell klar, <strong>das</strong>s viele dieser Themen<br />

auch dort mit hineingehören.<br />

Dieses Buch schlummerte seit vielen Jahren in meinem Kopf. Je mehr ich persönlich und in meinem Business<br />

wuchs, desto klarer wurde der Weg, den ich einschlagen wollte. Meine Mission und Botschaft, die ich in die Welt<br />

tragen wollte. Was wollen wir wirklich be<strong>weg</strong>en auf diesem Planeten? Wofür sind wir hier? Wie und womit können<br />

wir bestmöglich wirken und Gutes tun? Wofür stehst du als Unternehmer*in, was sind deine Werte? Und wie<br />

<strong>kann</strong>st du diese in dein Business einfließen lassen? Darum geht es im „<strong>Purpose</strong>-Business-Prinzip“.<br />

Viel Freude beim Lesen!<br />

Olaf Scholz<br />

Bundeskanzler<br />

Bärbel Bas<br />

Bundestagspräsidentin<br />

Dr. Peter Tschentscher<br />

Bundesratspräsident<br />

SD Fürst Albert II<br />

von Monaco<br />

Svenja Schulze<br />

Bundesentwicklungsministerin<br />

Christian Lindner<br />

Bundesfinanzminister<br />

Zaz<br />

Musikerin<br />

Die aktuellen Krisen erschweren den dringend notwendigen<br />

Wandel und bringen Klimaschutz international<br />

zum Stillstand. Dabei bleibt Nachhaltigkeit der<br />

Schlüssel im Wettbewerb um die bessere Zukunft.<br />

Um glaubwürdige Politik, die stärksten Geschäftsmodelle<br />

und um <strong>das</strong> Vertrauen der Menschen.<br />

Beim 15. Deutschen Nachhaltigkeitstag diskutieren<br />

ca. 130 Top-Referent:innen aus Politik, Wirtschaft und<br />

Zivilgesellschaft über Transformation in Krisenzeiten.<br />

Europas größte Auszeichnung für ökologisches und<br />

soziales Engagement zeichnet zum 15. Mal die wirksamsten<br />

Konzepte der Nachhaltigkeit aus.<br />

1. und 2. Dezember 2022<br />

MARITIM Hotel<br />

Düsseldorf<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

>><br />

Infos und Tickets:<br />

29<br />

www.nachhaltigkeitspreis.de


<strong>Purpose</strong><br />

Schöne neue Arbeitswelt<br />

„New Work“ ist ein Schlagwort, <strong>das</strong> durch die Corona-Pandemie noch einmal<br />

deutlich an Gewicht gewonnen hat. Doch was bedeutet „New Work“ eigentlich?<br />

Und wie wird es <strong>das</strong> Leben der berufstätigen Menschen verändern?<br />

Foto: Monster Ztudio / stock.adobe.com; Visual Storytelling: ZEBASTIAN.com<br />

30


<strong>Purpose</strong><br />

Letztlich gibt es keine eindeutige<br />

Definition, was „New Work“ bedeutet.<br />

Es ist eigentlich die Arbeit,<br />

die ein Mensch wirklich will. So erklärte<br />

es Professor Oliver Riedel, Leiter des<br />

Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft<br />

und Organisation IAO, und machte<br />

auf die verschiedenen Dimensionen<br />

des Begriffs aufmerksam: mobiles Arbeiten<br />

jenseits von Organigrammen sowie<br />

festgefügten Hierarchien mit hohen<br />

sinnstiftenden Aspekten.<br />

Riedel: „‚Jenseits der Hierarchie‘ ist so<br />

ein Schlagwort. Das heißt: Was passiert<br />

mit veränderten Führungsstrukturen?<br />

Welche Entscheidungsmechanismen<br />

kommen auf einmal mit dazu und wie<br />

sehen neue selbstorganisierte Organisationsformen<br />

aus? Das <strong>kann</strong> für Unternehmen<br />

eine radikale Veränderung bedeuten“,<br />

betonte der Wissenschaftler die<br />

Folgen der Einführung von „New Work“.<br />

Er geht davon aus, <strong>das</strong>s Firmen zukünftig<br />

Schwierigkeiten bekommen, wenn<br />

sie sich nicht mit diesen neuen Konzepten<br />

des Arbeitens auseinandersetzen.<br />

Durch Pandemie sowie Homeoffice<br />

hätten sich inzwischen Viele daran gewöhnt,<br />

ihre Arbeit flexibel einzuteilen.<br />

Vertrauensarbeitszeit werde wichtiger,<br />

Stechuhrkonzepte seien abgeschafft.<br />

Das Zukunftsinstitut spricht hier von<br />

einem Megatrend und erwartet: Die<br />

Grenzen zwischen Leben und Arbeiten<br />

verschwimmen im Alltag auf produktive<br />

Weise. Als Arbeit gilt künftig die<br />

Summe aller Beschäftigungen zu unterschiedlichen<br />

Lebensphasen.<br />

„Das Leben wird heute nicht mehr so<br />

stark in Arbeit und Freizeit unterteilt,<br />

sondern im Ganzen als die Summe aller<br />

Tätigkeiten betrachtet – ganz gleich, ob<br />

diese bezahlt sind <strong>oder</strong> ehrenamtlich<br />

geschehen, ob sie aus Interesse, Pflicht<br />

<strong>oder</strong> Freude verrichtet werden“, heißt es<br />

dort.<br />

Für Führungskräfte bedeutet <strong>das</strong> eine<br />

grundlegende Umstellung: Nicht mehr<br />

die Anwesenheitsüberprüfung, sondern<br />

der Blick auf die Ergebnisse wird zur<br />

zentralen Kernaufgabe.<br />

Die Grenzen<br />

zwischen Leben<br />

und Arbeiten<br />

verschwimmen<br />

im Alltag auf<br />

produktive Weise.<br />

Auch wenn alte, traditionelle Unternehmen<br />

noch lange mit den altbe<strong>kann</strong>ten<br />

Strukturen weiterlaufen könnten, prognostiziert<br />

Riedel langfristig eine Umstellung<br />

auf zeitgemäße Arbeitskonzepte,<br />

denn der „Geist ist aus der Flasche“.<br />

Speziell die jüngere Generation würde<br />

sich zukünftig weniger vorschreiben<br />

lassen, wie sie ihre Zeit einzuteilen hat.<br />

Überstunden zählen da künftig wohl<br />

nicht unbedingt dazu. Der TV-be<strong>kann</strong>te<br />

Philosoph Richard David Precht meint:<br />

„In einer Sinngesellschaft mehr zu arbeiten,<br />

ist Blödsinn.“<br />

Die Arbeitsgesellschaft, wie wir sie kennen,<br />

werde es bald nicht mehr geben.<br />

Vielmehr wolle jeder Mensch, egal aus<br />

welcher Berufsschicht er komme <strong>oder</strong><br />

was genau er gerade mache, einen Sinn<br />

in seiner Arbeit verspüren. „Man <strong>kann</strong><br />

natürlich sagen: In einer Sinngesellschaft<br />

keinen Sinn zu finden, ist schlimmer,<br />

als in einer Arbeitergesellschaft<br />

keine Arbeit zu finden“, warnt Precht in<br />

der Zeitschrift Capital. Das Problem sei:<br />

„Viele Leute haben eine Vorstellung von<br />

dem, was sie gerne tun möchten. Nur<br />

ist <strong>das</strong> im Zweifelsfall etwas, wofür man<br />

kein Geld bekommt.“<br />

Dass die Tätigkeit Zuhause und allein<br />

auch Tücken hat, darauf machte Professor<br />

Riedel ebenfalls aufmerksam – mit<br />

dem Hinweis auf die stark gesunkenen<br />

Patentanmeldungen sowohl weltweit<br />

als auch in Deutschland. Er sieht darin<br />

ein klares Indiz für eine eingeschränkte<br />

Kreativität mangels persönlicher Kommunikation:<br />

„Diese Art von Informationsaustausch<br />

blockiert Kreativität.“<br />

Denn viele Themen funktionierten über<br />

Telefon <strong>oder</strong> Videokonferenzen nur unzureichend.<br />

Nicht Homeoffice, sondern<br />

mobiles Arbeiten, <strong>das</strong> zugleich auch den<br />

direkten Dialog ermögliche, sei die Lösung.<br />

Das Frankfurter Zukunftsinstitut sieht<br />

vier Trends auf uns zukommen:<br />

1. Die Sinnfrage wird zentral. New Work<br />

bietet die Chance, persönliche Potenziale<br />

und Neigungen zu entfalten.<br />

2. Teilzeit ist die neue Vollzeit. Arbeitszeit<br />

wird nicht mehr als Wochenkontinuum<br />

verstanden, sondern als flexibles<br />

Kontingent, <strong>das</strong> sich individuellen<br />

Situationen und Lebensphasen anpassen<br />

<strong>kann</strong>.<br />

3. Homeoffice macht <strong>das</strong> Büro attraktiv.<br />

Wo viel im Homeoffice gearbeitet<br />

wird, wandelt sich <strong>das</strong> Büro der Zukunft<br />

vom Arbeitsort zum Hub für<br />

Co-Creation und Co-Working, für reale<br />

zwischenmenschliche Beziehungen<br />

und echte Unternehmenskultur.<br />

4. Work-Life-Blending ersetzt Work-<br />

Life-Balance. Wo die Grenze zwischen<br />

Arbeits- und Privatleben verschwindet,<br />

können persönliche Bedürfnisse<br />

im Tagesverlauf besser berücksichtigt<br />

werden. f<br />

Prof. Dr.-Ing.<br />

Oliver Riedel<br />

Foto: Fraunhofer IAO<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

31


<strong>Purpose</strong><br />

In<br />

5<br />

Schritten<br />

zur<br />

<strong>Purpose</strong><br />

Driven<br />

Organization<br />

Wie bekomme ich mehr<br />

<strong>Purpose</strong> in mein<br />

Unternehmen? Was sind<br />

die konkreten Schritte?<br />

Welchen Nutzen habe ich?<br />

Was sind die Hebelpunkte<br />

und was sind Stolperfallen,<br />

die ich vermeiden <strong>kann</strong>?<br />

Was <strong>kann</strong> ich von der<br />

Erfahrung anderer<br />

Unternehmen lernen?<br />

Franziska Fink und<br />

Michael Moeller erklären in<br />

ihrem Buch, wie es geht.<br />

Das Buch „Playbook <strong>Purpose</strong> Driven Organizations“<br />

beschreibt die fünf Phasen,<br />

durch die ein Unternehmen auf dem<br />

Weg zu mehr <strong>Purpose</strong> geht. Anhand von<br />

Beispielfirmen werden verschiedene<br />

Fragestellungen konkret gelöst und witzige<br />

Illustrationen machen Methoden<br />

und Modelle leicht verständlich. Das<br />

Buch eignet sich für Praktiker:innen,<br />

die einen schnellen Überblick und einen<br />

kompakten Leitfaden wollen, mit dem<br />

sie ihr Unternehmen weiterentwickeln<br />

können.<br />

Warum ist <strong>Purpose</strong> für Unternehmen<br />

so relevant geworden?<br />

Fink und Moeller: „Unternehmen haben<br />

mit zunehmend komplexeren Umfeldern<br />

zu tun. Bewährte Managementlogiken<br />

kommen an ihre Grenzen. Agilität ist die<br />

Antwort auf die gestiegene Komplexität.<br />

Ohne <strong>Purpose</strong> führt agile Steuerung ins<br />

Chaos.<br />

Wir treffen auf Krisen, für die es noch<br />

keine Lösungen gibt: Klimakrise, Pandemie.<br />

<strong>Purpose</strong> liefert Orientierung in Krisen<br />

und disruptiven Phasen. Vor dem Hintergrund<br />

heraufziehender Unsicherheit<br />

suchen Menschen noch stärker nach<br />

Sinn und Orientierung und wollen ihren<br />

Beitrag für eine bessere Zukunft<br />

leisten.<br />

Das Zeitalter der Wirkungstransparenz<br />

hat begonnen. Viele Unternehmen verursachen<br />

Umweltkosten, die ihren Gesamtgewinn<br />

übersteigen. Das hat Folgen<br />

auf Kapitalmärkte und Kunden-Verhalten.<br />

<strong>Purpose</strong> beantwortet die Frage nach<br />

der Verantwortung: Zu welchem Beitrag<br />

und welcher Wirkung commitet sich die<br />

Organisation.<br />

Die Bedeutung von Familien, Kirche<br />

und Vereinen für den Einzelnen geht zurück.<br />

Zugehörigkeit, Mitgliedschaft und<br />

Schutz einer Gruppe wird dafür mehr im<br />

Job gesucht. Die Altersstruktur unserer<br />

Gesellschaft bewirkt, <strong>das</strong>s Organisationen<br />

immer weniger Fachkräfte finden.<br />

Potenzielle Mitarbeitende suchen sich<br />

Unternehmen heute auch nach ihrem<br />

Sinnversprechen aus.“<br />

32 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Wie funktionieren <strong>Purpose</strong>-getriebene<br />

Organisationen?<br />

Fink und Moeller: „Wenn Sie Ihr Unternehmen<br />

verändern wollen, brauchen Sie<br />

Klarheit, welche Entscheidungsprämissen<br />

im Unternehmen gelten, wie diese<br />

aufeinander wirken und welche Kultur<br />

sich entwickelt hat. Nur so können Sie<br />

herausfinden, wo die wirkungsvollsten<br />

Hebel sind, um eine Veränderung in die<br />

Organisation zu bringen. Bei Start-ups<br />

kennen Sie <strong>das</strong> vielleicht, die Energie<br />

des <strong>Purpose</strong> treibt <strong>das</strong> Geschehen. Er<br />

schweißt zusammen, überzeugt Investor:innen,<br />

neue Partner:innen und Mitarbeitende.<br />

Im Laufe der Jahre geht der <strong>Purpose</strong> Drive<br />

verloren. Unser Modell der <strong>Purpose</strong><br />

Driven Organization hilft etablierten<br />

Unternehmen, ihren <strong>Purpose</strong> – wieder –<br />

als Motor und „Komplexitätsreduzierer“<br />

zu nutzen.<br />

Wenn Agilität, verteilte Verantwortung,<br />

Flexibilität, Resilienz und Innovation die<br />

Antworten auf steigende Komplexität<br />

sind, dann brauchen Unternehmen ein<br />

neues Set an Entscheidungsprämissen<br />

mit denen sie sich steuern und organisieren.<br />

Matrix <strong>oder</strong> klassische Hierarchie<br />

kommen hier an ihre natürlichen<br />

Grenzen. <strong>Purpose</strong> und Selbstorganisation<br />

treten an ihre Stelle.“ f<br />

Franziska Fink, Michael Moeller<br />

Playbook <strong>Purpose</strong> Driven<br />

Organizations. Der Navigator für<br />

<strong>Purpose</strong> Drive in Ihrem Unternehmen<br />

Schäffer-Poeschel:<br />

1. Auflage 2022, 166 Seiten<br />

ISBN 978-3-7910-5457-5<br />

Preis: 24,95 €<br />

Über die beiden Autor*innen<br />

Franziska Fink ist systemische Unternehmensberaterin und<br />

Lehrtrainerin für systemische Beratung. Sie begleitet international<br />

tätige Unternehmen bei komplexen Change-Projekten.<br />

Ihr Schwerpunkt ist Transformation – wie gelingt etablierten<br />

Unternehmen die nachhaltige Veränderung ihrer Ausrichtung,<br />

Strukturen, Prozesse, Kultur und ihres Ökosystems. Wie lässt<br />

sich „ein großes Schiff auf hoher See umbauen“, um den<br />

VUCA-Wind nicht zu fürchten, sondern ihn zu nutzen.<br />

Michael Moeller ist Unternehmensberater und geschäftsführender<br />

Gesellschafter der Beratergruppe Neuwaldegg in Wien.<br />

In seiner Arbeit mit globalen Konzernen, mittelständischen<br />

Unternehmen und Start-ups leistet er seinen Beitrag, damit<br />

sich Organisationen gesund und lebendig entwickeln und<br />

ihren <strong>Purpose</strong> entfalten können.<br />

Foto: MarekPhotoDesign.com / stock.adobe.com<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

33


<strong>Purpose</strong><br />

DAX-30-Unternehmen<br />

bei <strong>Purpose</strong><br />

nur teilweise überzeugend<br />

Viele deutsche Unternehmen positionieren<br />

sich bereits über einen gesellschaftlich relevanten<br />

Daseinszweck. Rund 80 Prozent der<br />

DAX-30-Unternehmen haben inzwischen ein<br />

<strong>Purpose</strong>-Statement entwickelt und veröffentlicht.<br />

Wie die Formulierungen in der Öffentlichkeit<br />

ankommen, hat eine Studie untersucht.<br />

34 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Die Statements von Covestro, Fresenius<br />

Medical Care, Adi<strong>das</strong>, Merck und Bayer<br />

treffen auf breite Zustimmung. Die<br />

Formulierungen von insgesamt acht<br />

DAX-Konzernen verfehlen dagegen in<br />

der deutschen Öffentlichkeit ihre Wirkung.<br />

Für die repräsentative Studie hat<br />

Globeone über ein unabhängiges Institut<br />

für Meinungsforschung mehr als 3.000<br />

deutsche Konsumentinnen und Konsumenten<br />

zwischen 18 und 65 Jahren<br />

befragen lassen, wie die <strong>Purpose</strong>-Statements<br />

der im DAX-30 notierten Unternehmen<br />

auf sie wirken. Zur Bewertung<br />

der 22 zum Zeitpunkt der Erhebung<br />

veröffentlichten Statements war von den<br />

Befragten die allgemeine Gefälligkeit in<br />

sieben Bewertungsstufen anzugeben,<br />

zudem wurden fünf weitere Kriterien<br />

abgefragt. „Wir wollten beispielsweise<br />

herausfinden, für wie einprägsam,<br />

glaubwürdig und klar formuliert die Be-<br />

„<br />

fragten die Formulierungen halten. Und<br />

ob ein Statement aus ihrer Sicht verständlich<br />

die Frage beantwortet, warum<br />

ein Unternehmen existiert“, erklärt Dr.<br />

Niklas Schaffmeister, Managing Partner<br />

von Globeone. „Außerdem haben die<br />

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der<br />

Umfrage angegeben, inwiefern ein Statement<br />

für sie eine persönliche Relevanz<br />

hat.“<br />

Wir wollten beispielsweise<br />

herausfinden, für wie einprägsam,<br />

glaubwürdig und klar formuliert die<br />

Befragten die Formulierungen halten. Und<br />

ob ein Statement aus ihrer Sicht<br />

verständlich die Frage beantwortet, warum<br />

ein Unternehmen existiert<br />

Dr. Niklas Schaffmeister, Managing Partner von Globeone<br />

Ranking: Covestro auf Platz eins<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

Foto: peterschreiber.media / stock.adobe.com<br />

Spitzenreiter ist Covestro mit dem <strong>Purpose</strong>-Statement<br />

„Wir wollen die Welt<br />

lebenswerter machen“. 75 Prozent der<br />

Deutschen halten die Formulierung des<br />

Werkstoffherstellers für gelungen. „Das<br />

Unternehmen unterstreicht mit seinem<br />

<strong>Purpose</strong> seine Bemühungen, die Kreislaufwirtschaft<br />

voranzubringen und<br />

Kunststoffe nachhaltiger zu machen“, so<br />

Schaffmeister. Auf Platz zwei steht der<br />

Gesundheitskonzern Fresenius Medical<br />

Care mit 70 Prozent Zustimmung<br />

für: „Zukunft lebenswert gestalten. Für<br />

Patienten. Weltweit. Jeden Tag.“ Platz<br />

drei erreicht der Sportartikelhersteller<br />

Adi<strong>das</strong> mit seinem Statement. Immerhin<br />

66 Prozent gefällt die Formulierung der<br />

Herzogenauracher: „Durch Sport können<br />

wir Leben verändern.“<br />

„Fortschritt lebt von neugierigen Köpfen“,<br />

verkündet <strong>das</strong> Wissenschafts- und<br />

Technologieunternehmen Merck und<br />

<strong>kann</strong> damit 63 Prozent der Deut- >><br />

35


Merck<br />

Bayer<br />

...<br />

<strong>Purpose</strong><br />

Telekom<br />

he Börrse<br />

che Bank<br />

Siemens<br />

RWE<br />

DAX 30: Die überzeugendsten<br />

<strong>Purpose</strong>-Statements<br />

Anteil der Befragten, denen <strong>das</strong> Statement gefällt<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

18<br />

20<br />

21<br />

22<br />

Covesto<br />

Wir wollen die Welt lebenswerter machen.<br />

75 %<br />

Fresenius Medical Care<br />

Zukunft lebenswerter gestalten. Für Patienten.<br />

Weltweit. Jeden Tag.<br />

70 %<br />

Adi<strong>das</strong><br />

Durch Sport können wir Leben verändern.<br />

66 %<br />

Merck<br />

Fortschritt lebt von neugierigen Köpfen.<br />

63 %<br />

Bayer<br />

Science für a better life.<br />

63 %<br />

Deutsche Telekom<br />

Wir geben uns erst zurfrieden, wenn alle dabei sind.<br />

34 %<br />

Deutsche Börse<br />

Bei der Deutschen Börse schaffen wir Vertrauen in<br />

die Märkte von heute und morgen.<br />

33 %<br />

Deutsche Bank<br />

Wir sind dazu da, um Wirtschaftswachstum und<br />

gesellschaftlichen Fortschritt zu ermöglichen.<br />

32 %<br />

Simens<br />

Wir dienen der Gesellschaft. Wir schaffen Wert für<br />

alle unsere Stakeholder. Wir verwirklichen,<br />

worauf es ankommt.<br />

29 %<br />

RWE<br />

Our energy for a sustainable life.<br />

25 %<br />

Quelle: Globeone (2021). Alle Rechte vorbehalten.<br />

schen begeistern. Der Chemie- und Pharmakonzern Bayer<br />

sieht „Science for a better life“ als seinen Unternehmensweck<br />

an und <strong>kann</strong> von der Formulierung ebenfalls 63 Prozent überzeugen.<br />

Noch im Bereich der mehrheitlichen Zustimmung sind<br />

die Erklärungen von Henkel (55 Prozent) und der Deutschen<br />

Post (52 Prozent). Das <strong>Purpose</strong>-Statement der Allianz findet<br />

immerhin noch jeder Zweite (50 Prozent) stimmig.<br />

Auf den letzten drei Plätzen der Umfrageergebnisse rangieren<br />

mit relativ wenig Zustimmung die Formulierungen der Deutschen<br />

Bank (32 Prozent), von Siemens (29 Prozent) und von RWE<br />

(25 Prozent). „Im <strong>Purpose</strong> Readiness Index hatte etwa Siemens<br />

mit einem Indexwert von 68,9 noch sehr gut abgeschnitten.<br />

Die dagegen sehr geringe Bewertung des <strong>Purpose</strong>-Statements<br />

zeigt, <strong>das</strong>s der Konzern mit seiner verbalen Erklärung <strong>das</strong> Potenzial<br />

seiner hohen Glaubwürdigkeit nicht voll ausgeschöpft<br />

hat“, meint Simon Aschermann, Manager bei Globeone. „Das<br />

Statement von RWE ist wiederum aus unserer Sicht eigentlich<br />

gelungen, wird aber von der Öffentlichkeit offenbar nicht<br />

geglaubt und daher besonders hart abgestraft.“ Generell sei<br />

zu sehen, <strong>das</strong>s sich die <strong>Purpose</strong>-Formulierung für Unternehmen<br />

oft zu einer Gratwanderung zwischen uninspirierter<br />

Sachlichkeit und ausuferndem Kitsch entwickle. „In Zeiten,<br />

in denen Aktivisten die Nachhaltigkeitsversprechen von Unternehmen<br />

vor Gericht einklagen, ist es allerdings entscheidend,<br />

den richtigen Ton zu treffen.“<br />

Ergebnisse zeigen, was ein gelungenes Statement<br />

auszeichnet<br />

Fast drei Viertel (72 Prozent) der branchenübergreifend untersuchten<br />

96 Unternehmen, darunter auch die DAX-30-Unternehmen,<br />

hatte im diesjährigen <strong>Purpose</strong> Readiness Index<br />

von Globeone gut <strong>oder</strong> sehr gut abgeschnitten. Die Unternehmen<br />

verfügen damit über eine gute Reputationsbasis, um<br />

Themen wie Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit erfolgreich<br />

gegenüber Mitarbeitern, Konsumenten und der kritischen<br />

Öffentlichkeit kommunizieren zu können. „Ein von der<br />

breiten Öffentlichkeit verstandenes und positiv bewertetes<br />

<strong>Purpose</strong>-Statement zu formulieren, ist jedoch nicht trivial,<br />

wie unsere Umfrage zu den Statements der DAX-30-Unternehmen<br />

zeigt“, so Managing Partner Schaffmeister. „Aus den<br />

Bewertungen der breiten Öffentlichkeit lassen sich wertvolle<br />

Rückschlüsse darauf ziehen, was ein gelungenes und positiv<br />

aufgenommenes Statement ausmacht und in welchen Bereichen<br />

Unternehmen durch konkrete Initiativen punkten können.“<br />

Interessierte können ein Whitepaper zu den <strong>Purpose</strong>-Statements<br />

der DAX-30-Unternehmen kostenlos auf der Website<br />

von Globeone herunterladen. ■<br />

36 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Ohne Sinn und Zweck?<br />

Wo deutsche Unternehmen in Sachen <strong>Purpose</strong> stehen<br />

Fast zwei Drittel der deutschen Unternehmen<br />

legen Wert auf <strong>das</strong> Thema<br />

<strong>Purpose</strong>. Doch nur knapp die Hälfe hat<br />

explizit einen <strong>Purpose</strong> definiert. Zu diesem<br />

Ergebnis kommt eine Online-Umfrage<br />

der dpa-Tochter news aktuell und<br />

Faktenkontor. An der Befragung haben<br />

353 Kommunikationsprofis aus Unternehmen<br />

und PR-Agenturen teilgenommen.<br />

Demnach stellen sich deutsche Unternehmen<br />

in Sachen <strong>Purpose</strong> nicht<br />

einheitlich auf. Zwar ist für die Mehrheit<br />

der Unternehmen die Frage nach dem<br />

Sinn und Zweck ihres Tuns wichtig: 63<br />

Prozent legen sehr viel Wert bzw. eher<br />

viel Wert auf <strong>das</strong> Thema. Doch nur<br />

knapp jedes zweite Unternehmen hat<br />

den eigenen <strong>Purpose</strong> klar formuliert<br />

(46 Prozent).<br />

Diese Linie setzt sich in der Kommunikation<br />

des Unternehmenszwecks fort:<br />

Nur 46 Prozent der Unternehmen nutzen<br />

<strong>das</strong> Thema <strong>Purpose</strong> zur Positionierung<br />

in ihrer externen Kommunikation, 47<br />

Prozent für die interne Kommunikation.<br />

In drei von vier Unternehmen, die<br />

überhaupt einen <strong>Purpose</strong> definiert<br />

haben, wird dieser laut den befragten<br />

Kommunikationsprofis auch tatsächlich<br />

gelebt (77 Prozent). Doch inwieweit <strong>das</strong><br />

tatsächlich so ist und <strong>Purpose</strong> nachhaltig<br />

umgesetzt wird, evaluiert bloß eine<br />

Minderheit der Unternehmen: Nur in<br />

jedem dritten Unternehmen, <strong>das</strong> einen<br />

konkreten <strong>Purpose</strong> formuliert hat, findet<br />

eine laufende Erfolgsmessung statt<br />

(32 Prozent).<br />

Auf eine explizite Definition ihres<br />

<strong>Purpose</strong> verzichten wiederum<br />

42 Prozent der Unternehmen. Jeder<br />

zehnte Kommunikationsprofi weiß<br />

allerdings gar nicht, ob es überhaupt<br />

eine konkrete <strong>Purpose</strong>-Definition in<br />

seinem Unternehmen gibt (10 Prozent).<br />

Jeder zweite Befragte bei Unternehmen,<br />

die keinen <strong>Purpose</strong> definiert haben, würde<br />

sich eine solche Definition wünschen<br />

(47 Prozent), jeder Vierte braucht keinen<br />

konkreten Unternehmenspurpose<br />

(26 Prozent) bzw. hat dazu keine Meinung<br />

(weiß nicht: 25 Prozent).<br />

63 % 46 % 77 %<br />

der Unternehmen legen<br />

Wert auf <strong>das</strong> Thema<br />

<strong>Purpose</strong><br />

der Unternehmen<br />

haben ihren <strong>Purpose</strong><br />

definiert<br />

davon leben ihren <strong>Purpose</strong><br />

32 %<br />

davon messen den Erfolg<br />

Quelle: Online-Befragung von news aktuell und Faktenkontor, 353 Kommunikationsprofis aus Unternehmen, Organisationen und PR-Agenturen in Deutschland.<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

37


<strong>Purpose</strong><br />

Darum wird <strong>Purpose</strong> überschätzt<br />

Vertreter der <strong>Purpose</strong>-Idee werden nicht müde zu betonen, <strong>das</strong>s erfolgreiche Unternehmen<br />

für sich geklärt haben, wozu es sie überhaupt gibt. Als großes Vorbild wird dann gern der<br />

legendäre TED-Vortrag von Simon Sinek genannt. Aber stimmt <strong>das</strong> wirklich? Macht ein<br />

<strong>Purpose</strong> Unternehmen erfolgreicher?<br />

38 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Foto: LIGHTFIELD STUDIOS / stock.adobe.com<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

39


<strong>Purpose</strong><br />

Von der<br />

Sinnlosigkeit des<br />

<strong>Purpose</strong><br />

Von Ingo Hamm<br />

Foto: serikbaib / stock.adobe.com<br />

<strong>Ist</strong> der <strong>Purpose</strong> die<br />

coolste Sache seit<br />

Erfindung des<br />

Marketings? Oder ist<br />

er einfach nur<br />

Hochstapelei,<br />

die an intellektuelle<br />

Freiheitsberaubung<br />

grenzt?<br />

Verkauft Starbucks keinen Kaffee mehr?<br />

Das könnte man zumindest meinen,<br />

wenn man deren <strong>Purpose</strong> liest: „To inspire<br />

and nurture the human spirit.“<br />

Den menschlichen Geist inspirieren<br />

und nähren? Bislang machten <strong>das</strong> die<br />

Weltreligionen. Auch Daimler Financial<br />

Services scheint keine Autos mehr zu<br />

verkaufen, sondern behauptet von sich:<br />

„We move you.“ Wenigstens verkauft<br />

Zalando noch Bekleidung, dies jedoch<br />

mit Weltrettungsanspruch. Sie erfinden<br />

Mode neu zum Wohle aller: „We reimagine<br />

fashion for the good of all“.<br />

Stellen wir solche vollmundigen Aussagen<br />

gedanklich neben <strong>das</strong>, was die Unternehmen<br />

tatsächlich produzieren und<br />

anbieten, drängt sich der Verdacht auf,<br />

<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Marketing den Bereich kühner<br />

Behauptungen verlassen hat und <strong>das</strong><br />

Feld der Hochstapelei betritt. Warum<br />

eigentlich?<br />

Die Gründe des Hypes<br />

Viele Human-Resources-(HR)-Verantwortliche<br />

und Führungskräfte haben die Zeichen<br />

der Zeit durchaus treffend er<strong>kann</strong>t:<br />

Immer mehr Menschen suchen eine Erklärung,<br />

einen Sinn in etwas, <strong>das</strong> sie<br />

nicht mehr ganz verstehen und <strong>das</strong> sie<br />

nicht mehr wirklich mit Überzeugung<br />

<strong>oder</strong> gar gerne machen: ihre Arbeit.<br />

Wir erleben eine neue Entfremdung der<br />

Menschen von ihrer Arbeit. Eine Sinnlücke<br />

ist entstanden. Dieses Sinndefizit<br />

soll der <strong>Purpose</strong> beheben. Doch auch für<br />

HR und Unternehmen selbst verspricht<br />

der <strong>Purpose</strong> einiges. Im gnadenlosen<br />

Kampf um Fach- und Führungskräfte<br />

bieten Unternehmen eine Reihe von Benefits<br />

an, locken mit hundefreundlichen<br />

Büros, Smoothie-Bar und einer Kaffeebar.<br />

Sind solche Optionen ausgeschöpft,<br />

greift man eben auch zum Yoga am Arbeitsplatz<br />

<strong>oder</strong> eben zu quasireligiösen<br />

Versprechungen in Form eines <strong>Purpose</strong>.<br />

Wenn man mit Versprechungen Wahlen<br />

gewinnen <strong>kann</strong>, warum dann nicht auch<br />

neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?<br />

<strong>Purpose</strong> statt Tischkicker<br />

Was vor 30 Jahren der Tischkicker im<br />

Aufenthaltsraum war, ist heute der <strong>Purpose</strong>.<br />

Und dieser hat durchaus seine Berechtigung.<br />

In Zeiten der permanenten<br />

Erreich- und Verfügbarkeit von Berufstätigen<br />

und einer immer unklarer werdenden<br />

Grenze zwischen Arbeit und Leben<br />

nehmen die Belastungen zu. Vielen ist<br />

40 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

längst unklar: Was nervt mich mehr –<br />

meine Chefin <strong>oder</strong> meine Familie? Es ist<br />

nur verständlich, wenn sich Menschen<br />

inmitten dieser unglückseligen Vermengung<br />

von Lebensbereichen fragen: Was<br />

soll <strong>das</strong> alles? Was läuft hier falsch? Der<br />

<strong>Purpose</strong> antwortet und tröstet: Nichts<br />

läuft falsch. Du machst alles richtig. Du<br />

folgst einem hehren Anspruch. Die <strong>oder</strong><br />

der CEO erscheint auf der Kanzel des<br />

philosophisch-ökonomischen Überbaus<br />

und predigt eine neue Sinnfülle, auf die<br />

die Welt gewartet hat. Ob <strong>das</strong> nun Hochstapelei<br />

ist <strong>oder</strong> eine neue Art von Motivation<br />

und Retention Management, sei<br />

dahingestellt. Die interessantere Frage<br />

ist doch: Funktioniert <strong>das</strong>?<br />

Um es kurz zu machen: Nein. Zwei für<br />

nichttheologische Sinnfragen zuständige<br />

Wissenschaften, die Philosophie und<br />

die Psychologie, konnten in teils jahrhundertelanger<br />

Forschung nie einen<br />

Sinn finden, der wirken würde, wenn<br />

er – wie der <strong>Purpose</strong> – von außen <strong>oder</strong><br />

von oben vorgegeben wird. Sinn lässt<br />

sich nicht verordnen. Der be<strong>kann</strong>teste<br />

Merkspruch diesbezüglich stammt<br />

von Viktor Frankl, Überlebender eines<br />

Vernichtungslagers der Nazis und Begründer<br />

der Logotherapie: „Sinn <strong>kann</strong><br />

nicht gegeben, sondern muss gefunden<br />

werden.“ Ein qua <strong>Purpose</strong> vorgegebener<br />

Sinn wäre sozusagen eine Einheitslösung<br />

für alle. Doch persönlicher Sinn<br />

ist zu individuell für eine Einheitsgröße.<br />

Sinn muss gefunden werden von<br />

jeder einzelnen Person. Worin sich die<br />

Wissenschaft einig ist: Sinnvolle Arbeit<br />

braucht keinen <strong>Purpose</strong>, sondern<br />

– um zum Beispiel dem Job-Characteristics-Modell<br />

zu folgen – fünf Charakteristika.<br />

Hat bei Ihnen schon<br />

jemals jemand vorgesprochen,<br />

der <strong>oder</strong><br />

die <strong>weg</strong>en mangelndem<br />

<strong>Purpose</strong> kündigen<br />

wollte? Vermutlich<br />

nicht. Doch in<br />

zahlreichen Exit-Gesprächen<br />

sprechen<br />

Mitarbeitende mit<br />

Kündigungsabsicht<br />

Gründe an, die eben dem Fünf-Faktoren-Modell<br />

zugerechnet werden können.<br />

Sie möchten gehen, weil einer <strong>oder</strong> mehrere<br />

der fünf Faktoren ihrem Empfinden<br />

nach bei ihrer Arbeit unzureichend berücksichtigt<br />

werden. Umgekehrt ergibt<br />

wirklich jede Arbeit Sinn, sofern sie als<br />

Ganzes <strong>oder</strong> in wesentlichen Teilen diese<br />

fünf Voraussetzungen erfüllt: Sie ist<br />

vielfältig (1) und bedeutsam (2), <strong>kann</strong><br />

von vorne bis hinten (3) und relativ autonom<br />

(4) ausgeführt werden und sie<br />

bietet Feedback (5). Jeder dieser fünf<br />

Faktoren steigert die Sinnhaftigkeit –<br />

und <strong>das</strong> deutlich mehr als jeder <strong>Purpose</strong>.<br />

Was heißt <strong>das</strong> für HR und Führung?<br />

Arbeit mit Sinn<br />

Die erste Handlungsempfehlung ergibt<br />

sich direkt aus dem Modell: Gestalte einen<br />

konkreten Job so, <strong>das</strong>s dabei die fünf<br />

Faktoren optimal zur Geltung kommen.<br />

Die zweite ist etwas weniger offensichtlich:<br />

Sorge dafür, <strong>das</strong>s Mitarbeitende die<br />

fünf Faktoren auch tatsächlich wahrnehmen.<br />

In heutiger Zeit ist eher <strong>das</strong><br />

Gegenteil der Fall. Dafür sorgt der sogenannte<br />

Korrumpierungseffekt: Zu viele<br />

äußere Anreize, zum Beispiel monetärer<br />

Art, irritieren und zerstören die intrinsische<br />

Motivation, die eigentliche >><br />

Was vor<br />

30 Jahren<br />

der Tischkicker<br />

im<br />

Aufenthaltsraum<br />

war,<br />

ist heute der<br />

<strong>Purpose</strong>.<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

41


<strong>Purpose</strong><br />

Sinn <strong>kann</strong><br />

nicht von<br />

außen<br />

vorgegeben<br />

werden,<br />

sondern<br />

<strong>kann</strong> nur<br />

gefunden<br />

werden – in<br />

der konkreten<br />

Aufgabe<br />

selbst.<br />

Sinngebung bei der Arbeit, die Erfüllung<br />

in der konkreten Tätigkeit. Dazu gibt es<br />

erschütternde Studien, in denen zum<br />

Beispiel Kinder Bilder malen sollten. Die<br />

eine Gruppe bekam dafür eine materielle<br />

Belohnung, die andere nicht. Die belohnte<br />

Gruppe wollte nach einigen Durchgängen<br />

nicht mehr ohne Belohnung malen.<br />

Die unbelohnte Gruppe malte munter<br />

weiter: Die Belohnung hatte die erste<br />

Gruppe einer der beliebtesten Tätigkeiten<br />

von Kindern beraubt. Weil nicht die<br />

Belohnung, sondern die Tätigkeit an sich<br />

sinnstiftend ist. Ergo könnte man mahnen:<br />

Übertreibt es in Unternehmen nicht<br />

mit monetären und materiellen Anreizen.<br />

Leider kommt diese Warnung für<br />

die meisten Unternehmen zu spät. Sie<br />

überschütten die Belegschaft förmlich<br />

mit äußeren Anreizen. Trotzdem ist <strong>das</strong><br />

Paradies nicht verloren.<br />

Zurück ins Paradies<br />

Die Erkenntnis der Kinder-Studie ist<br />

generalisierbar und passt zu Viktor<br />

Frankls Diktum. Sinn <strong>kann</strong> nicht von außen<br />

vorgegeben werden, sondern <strong>kann</strong><br />

nur gefunden werden – in der konkreten<br />

Aufgabe selbst. Anhand der fünf Faktoren.<br />

Oder, um die Suche noch stärker<br />

zu konzentrieren, anhand von nur einer<br />

Schlüsselfrage: Worum geht es beim Malen<br />

und Arbeiten eigentlich? Es geht um<br />

Kompetenz, um Handwerk, darum, aus<br />

eigener Kraft ein Ergebnis zu schaffen.<br />

Das erfüllt, <strong>das</strong> stiftet Arbeitszufriedenheit,<br />

<strong>das</strong> ist sinnvoll. Diese Essenz von<br />

Arbeit und Sinn-Voraussetzung ist so<br />

universell, <strong>das</strong>s sie in wirklich jeder<br />

Aufgabe gefunden werden <strong>kann</strong> – wenn<br />

sie darin gesucht wird. Es gibt keine Aufgabe,<br />

die per se sinnlos ist. Selbst Sisyphos,<br />

der auf ewig einen schweren Stein<br />

einen Berg hochwälzen muss, von dem<br />

er, einmal oben angelangt, stets aufs<br />

Neue wieder auf der anderen Seite herunterrollt,<br />

findet Sinn in seiner Arbeit.<br />

Deshalb sagte der Autor vom Mythos des<br />

Sisyphos, der französische Schriftsteller<br />

und Philosoph Albert Camus: „Wir müssen<br />

uns Sisyphos als einen glücklichen<br />

Menschen vorstellen.“ Sisyphos erzielt<br />

durch seine Kompetenz ein Ergebnis.<br />

Nichts ist sinnvoller.<br />

Unmittelbare Ergebnisse zählen<br />

Führungskräfte, die <strong>das</strong> ungeheure Potenzial<br />

der Sinnhaftigkeit nutzen möchten,<br />

stellen also sicher, <strong>das</strong>s Mitarbeitende<br />

möglichst jene Aufgaben anpacken,<br />

die sie kraft Kompetenz gut bis exzellent<br />

bewältigen können. Aufgaben also, bei<br />

denen sie unmittelbare Ergebnisse sehen.<br />

Bürokratische Zusatzaufgaben <strong>oder</strong><br />

etwa die modische Jobrotation halten sie<br />

jedoch viel zu oft davon ab: Eine sinnstiftende<br />

Führungskraft macht die Arbeit<br />

nicht selbst, sondern verschafft den<br />

Teammitgliedern adäquate Rahmenbedingungen.<br />

Und diese Rahmenbedingungen<br />

sollten zur Persönlichkeit der<br />

jeweiligen Person passen: <strong>Ist</strong> sie eher<br />

Teamworkerin <strong>oder</strong> Solistin? Braucht<br />

er die Spitzenbelastung <strong>oder</strong> eher niederschwellige<br />

stete Belastung? Das sind<br />

Führungsfragen, die im Sinne des Wortes<br />

sinnvoll sind, weil sie den einzelnen<br />

Menschen helfen, den eigenen Sinn zu<br />

finden.<br />

Mehr Sinn für die Welt<br />

Eine Managerin sagte mir einst: „Ich<br />

bin dafür da, meinen Leuten den Rücken<br />

freizuhalten, damit sie in ihrer<br />

konkreten Tätigkeit ungestört aufgehen<br />

können.“ Gelingt ihr <strong>das</strong>, findet der Mitarbeiter<br />

und die Mitarbeiterin dank ihr<br />

Sinn im Job: Was gibt es Besseres? Für<br />

sie, ihre Mitarbeitenden, die Kundschaft<br />

und <strong>das</strong> Unternehmen? Dafür braucht es<br />

keinen hochtrabenden <strong>Purpose</strong>, sondern<br />

schlicht <strong>das</strong> persönliche Kompetenzerleben<br />

in einer konkreten Tätigkeit. Wir<br />

müssen nicht immer gleich die Welt retten,<br />

um Sinn zu finden. Es reicht völlig,<br />

wenn wir gute Produkte und ordentliche<br />

Dienstleistungen anbieten. Wenn<br />

wir <strong>das</strong> nicht nur den Kundinnen und<br />

Kunden, sondern auch den eigenen Mitarbeitenden<br />

vermitteln könnten, würde<br />

uns die Welt um einiges sinnvoller erscheinen.<br />

f<br />

Dieser Beitrag erschien zuerst in der<br />

gedruckten Ausgabe des Magazins<br />

Human Resources Manager.<br />

42 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Job-<br />

Sinn-<br />

Suche<br />

Die ganze Arbeitswelt redet<br />

von Sinn. Jeder sucht ihn,<br />

doch kaum jemand findet<br />

ihn – schon gar nicht bei der<br />

Arbeit. Wieso macht man<br />

den Job eigentlich in einem<br />

Unternehmen, <strong>das</strong> man nicht<br />

richtig kennt, dessen Chef<br />

man nicht mag, in einer<br />

Wirtschaft, die man nicht<br />

mehr versteht?<br />

New-Work-Konzepte mit Sinnstiftung<br />

durch Arbeit, mit „Why“ und „<strong>Purpose</strong>“,<br />

versprechen viel. Aber trotz neuer Freiheiten<br />

bleiben viele Menschen unzufrieden<br />

und jagen immer dem nächsten,<br />

besseren und vor allem sinnvolleren Job<br />

hinterher.<br />

Ingo Hamm entlarvt in seinem neuen<br />

Buch „Sinnlos glücklich. Wie man auch<br />

ohne <strong>Purpose</strong> Erfüllung bei der Arbeit<br />

findet“ die Sinn-Industrie von Berater:innen<br />

und Unternehmen, die vorgeben,<br />

die „Welt zu retten“. Sich auf diese<br />

New-Work-Köder einzulassen, macht<br />

– im Gegenteil – unglücklich. Warum<br />

Sinngebung durch Unternehmen keinen<br />

Sinn macht, und wie man dennoch,<br />

ganz ohne Sinn, Erfüllung durch Arbeit<br />

findet, zeigt dieses Buch.<br />

Dabei spielt Psychologie eine besondere<br />

Rolle. In der Psychologie kommt der<br />

Sinnbegriff, so Ingo Hamm, gar nicht<br />

vor. Sie kenne lediglich Motive, Bedürfnisse,<br />

Triebe und Neurosen. Hamm<br />

muss es wissen, denn er ist im Arbeitsleben<br />

Professor für Wirtschaftspsychologie<br />

an der Hochschule Darmstadt. In<br />

seinem Buch zeigt er daher neue Wege<br />

der Psychologie und Philosophie auf,<br />

um dem Unsinn mit dem Sinn zu entkommen,<br />

und wie man im Arbeitsleben<br />

ohne Sinn auskommt: Es ist die Tätigkeit<br />

an sich, die glücklich macht, wenn<br />

man <strong>das</strong> tut, was man gerne macht und<br />

immer schon gut konnte.<br />

Es sei Zeit für einen „Existenzialismus<br />

der Arbeit“, in dem pures<br />

Erleben, Freiheit und Selbstbestimmung<br />

den Beruf<br />

bestimmen. Es ist Zeit<br />

für einen „Sisyphos<br />

2.0“, wo Arbeit<br />

nicht <strong>das</strong> mühsame<br />

Aufund-Ab<br />

i s t ,<br />

sondern<br />

die Lust, einfach etwas zu be<strong>weg</strong>en.<br />

Mit diesem Buch <strong>kann</strong> jeder eben<br />

einfach sinnlos glücklich werden.<br />

Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber<br />

von Der-Bank-Blog.de und der Finanzbranche<br />

seit über 30 Jahren beruflich<br />

verbunden. Er kennt die Szene, die seit<br />

den entsprechenden Briefen von Blackrock-Chef<br />

Larry Fink besonders eifrig<br />

auf <strong>Purpose</strong>-Suche ist: „Der Kampf um<br />

Talente ist für viele Unternehmen zu einer<br />

wichtigen Aufgabe für die Zukunftssicherung<br />

geworden. Neue Konzepte<br />

und Trends für mehr Mitarbeiterzufriedenheit<br />

sollen dabei unterstützen.“ Ingo<br />

Hamm zeigt in seinem neuen Buch, wie<br />

man auch ohne <strong>Purpose</strong> Erfüllung bei<br />

der Arbeit finden <strong>kann</strong>. f<br />

Ingo Hamm:<br />

Sinnlos glücklich<br />

Wie man auch ohne <strong>Purpose</strong><br />

Erfüllung bei der Arbeit findet<br />

Franz Vahlen 2021: 259 Seiten<br />

ISBN 978-3-8006-6759-8<br />

Preis: 26,90 €<br />

Foto: Vink Fan / stock.adobe.com<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

43


<strong>Purpose</strong><br />

Spende und werde ein Teil von uns.<br />

seenotretter.de<br />

Bei jedem Wetter. Auf Nord- und Ostsee. Seit 1865.<br />

Einsatzberichte, Fotos, Videos und<br />

Geschichten von der rauen See erleben:<br />

44 #TeamSeenotretter<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

Spendenfinanziert


<strong>Purpose</strong><br />

Grafik: storyset / freepik.com<br />

Quiz:<br />

Wer hat’s gesagt<br />

„We are in business to save our home<br />

planet”. Befinden sich die marvel avengers<br />

auf erneuter Rettungsmission unserer<br />

Erde? Nein, aber Patagonia hat darin<br />

seinen Unternehmenssinn gefunden.<br />

Und wer glaubt, <strong>das</strong>s Cornflakes einfach<br />

nur schmecken sollen, der irrt sich gewaltig.<br />

Denn Kellogg´s stellt nicht nur<br />

leckere Frühstücksflocken her, sondern<br />

kreiert „better days and a place at the<br />

table for everyone.“<br />

Bei vielen <strong>Purpose</strong>-Statements <strong>kann</strong><br />

man sich ein Stirnrunzeln nicht verkneifen.<br />

Denn wie man mit dem Produzieren<br />

von Snowboardhosen und Funktionswäsche<br />

die Welt retten <strong>kann</strong>, verstehe wer<br />

will. Aber in jedem Fall macht es Spaß<br />

zu raten, welches Unternehmen <strong>oder</strong><br />

welche Marke sich welchen Sinn gegeben<br />

hat.<br />

>><br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

45


<strong>Purpose</strong><br />

First Move<br />

the World<br />

Reimage fashion for<br />

the good of all<br />

We save people money so<br />

they can live better.<br />

Menschen verbinden,<br />

Leben verbessern<br />

Bringing health through food to<br />

as many people as possible<br />

Care for Human Touch to<br />

Inspire Togetherness<br />

To refresh the world and<br />

make a difference<br />

To celebrate integrity in its<br />

most humble and true form.<br />

To inspire the limitless<br />

potential in every girl<br />

46 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Das sind die korrekten Lösungen: Mercedes Benz: “First Move the World”; Coca-Cola: “To refresh the world and make a difference“; Deutsche Post: „Menschen verbinden,<br />

Leben verbessern“; The Ordinary: To celebrate integrity in its most humble and true form.; Walmart: „We save people money so they can live better.“; Barbie: “To inspire the<br />

limitless potential in every girl“; Danone: “Bringing health through food to as many people as possible”; NIVEA: “Care for Human Touch to Inspire Togetherness”; Zalando:<br />

“Reimage fashion for the good of all”<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

47


<strong>Purpose</strong><br />

Maß und Mitte reloaded:<br />

Eine visionslose<br />

Vision<br />

Von Prof. Dr. Timo Meynhardt<br />

Fotos: SVLuma / fotolia.com<br />

48 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Der Kapitalismus wird überleben,<br />

wenn er es schafft, Gemeinschaft<br />

und Gesellschaft immer wieder<br />

in eine für Mehrheiten erträgliche<br />

Balance zu bringen. Ansonsten nicht.<br />

Wenn die einen nicht mehr können und<br />

die anderen nicht mehr wollen, kommt<br />

– in Anlehnung an Lenin – etwas Neues.<br />

Menschen leben zuallererst in ihren<br />

Familien, Beziehungen und sozialen<br />

Strukturen – kurz in ihren „Verbundenheiten“,<br />

die durch eine Wirtschaftsordnung<br />

geprägt, aber niemals vollständig<br />

determiniert werden können. Es ist die<br />

Qualität der „Verbundenheiten“ zwischen<br />

den Menschen, auf der jede Wirtschaftsordnung<br />

aufbaut und aus der sie<br />

ihre legitimierende Kraft bezieht. Von<br />

dort kommt der notwendige Rückhalt,<br />

der eine gesellschaftliche Ordnung erst<br />

überlebensfähig macht.<br />

Natürlich setzen die Sozialverhältnisse<br />

den Rahmen für individuelle Entwicklung,<br />

aber diese sind selbst <strong>das</strong> Resultat<br />

psychischer Realitäten. Erstmals formuliert<br />

von Ferdinand Tönnies, einem der<br />

Gründungsväter der m<strong>oder</strong>nen Soziologie,<br />

<strong>kann</strong> dieser Gedanke nicht hoch<br />

genug geschätzt werden: „Alle sozialen<br />

Gebilde sind Artefakte von psychischer<br />

Substanz, ihr soziologischer Begriff<br />

muss zugleich psychologischer Begriff<br />

sein.“<br />

Für die heutige Soziologie „kommt dies<br />

der Aufdeckung einer vergessenen Problemsphäre<br />

gleich – der Fundierung<br />

der Sozialverhältnisse in Bewusstseinsdispositionen,<br />

welche als Verkörperung<br />

der „Gefühle, Triebe, Begierden“ dem<br />

vernunftorientierten Handeln nicht nur<br />

genetisch vorausgehen, sondern dieses<br />

selbst erst aus sich entlassen.“<br />

Mit dieser sozialtheoretisch inspirierten<br />

Perspektive ist auf den Punkt gebracht:<br />

Die Zukunft des Kapitalismus in all seinen<br />

Spielarten (mindestens: amerikanisch,<br />

chinesisch, europäisch) wird davon<br />

abhängen, inwieweit die Umsetzung<br />

seiner Grundprinzipien, insbesondere<br />

der freie Wettbewerb, <strong>das</strong> Privateigentum<br />

und die Steigerungslogik der >><br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

49


<strong>Purpose</strong><br />

Die Zukunft des<br />

Kapitalismus<br />

wird davon<br />

abhängen, ob es<br />

gelingt, jene<br />

anthropologischen<br />

Grundkonstanten<br />

des<br />

Menschen zur<br />

Geltung kommen<br />

zu lassen, die auf<br />

<strong>das</strong> Miteinander,<br />

Solidarität und<br />

Mitgefühl<br />

ausgerichtet<br />

sind.<br />

Kapitalakkumulation positiv auf die Erfüllung<br />

menschlicher Grundbedürfnisse<br />

einwirkt und damit nachweislich einen<br />

Gemeinwohlbeitrag erbringt. Jede ambitionierte<br />

Kapitalismustheorie benötigt<br />

eine Vorstellung zum Wesen des Menschen,<br />

seinen „Gefühlen, Trieben, Begierden“<br />

und davon, wie auf dieser Basis<br />

ein Gemeinwesen funktionieren <strong>kann</strong>.<br />

Es ist, ob man es will <strong>oder</strong> nicht, der psychologisch-subjektive<br />

Faktor, der darüber<br />

entscheidet, ob und in welchem Ausmaß<br />

jede Art von Systemtransformation<br />

stattfindet <strong>oder</strong> nicht. Oder anders formuliert:<br />

Die Zukunft des Kapitalismus<br />

entscheidet sich gerade nicht primär in<br />

der ökonomischen Sphäre, sondern in<br />

seiner Fähigkeit, soziale Bindungen innerhalb<br />

und zwischen Gruppen zu stärken<br />

bzw. immer wieder in eine erträgliche<br />

Balance zu bringen.<br />

Das wissen auch andere: Im Januar<br />

2018 hat Larry Fink, der Gründer, Aufsichtsrats-<br />

und Vorstandsvorsitzende<br />

des weltgrößten Vermögensverwalters<br />

BlackRock, die Unternehmen aufgefordert,<br />

einen „Sense of <strong>Purpose</strong>“ zu entwickeln<br />

und ihr Geschäft stärker am<br />

gesellschaftlichen Nutzen auszurichten.<br />

So vielfältig die Motive für diesen Aufruf<br />

sein mögen, in jedem Fall verweist<br />

er auf die gesellschaftlich zunehmend<br />

lauter gestellte Frage nach der Akzeptanz<br />

der kapitalistischen Wirtschaftsordnung<br />

bzw. auf die wiedererwachte<br />

Einsicht des gesellschaftlichen Eingebundenseins<br />

jedes unternehmerischen<br />

Handelns.<br />

Zum Beispiel erhalten die immer wieder<br />

diskursdominierenden Fragen nach<br />

mehr / weniger Markt, mehr / weniger<br />

Digitalisierung <strong>oder</strong> mehr / weniger Globalisierung<br />

ihre eigentliche systemische<br />

Relevanz durch ihren Einfluss auf die<br />

Qualität gemeinschaftlicher bzw. gesellschaftlicher<br />

Verbundenheiten. Anders<br />

formuliert: Die Zukunft des Kapitalismus<br />

wird davon abhängen, ob es gelingt,<br />

jene anthropologischen Grundkonstanten<br />

des Menschen zur Geltung kommen<br />

zu lassen, die auf <strong>das</strong> Miteinander, Solidarität<br />

und Mitgefühl ausgerichtet sind.<br />

Die Jahrhundertidee von<br />

Gemeinschaft und Gesellschaft<br />

Sozialverhältnisse ermöglichen unterschiedliche<br />

Ausprägungsformen von Individualität<br />

und Sozialität. Wer etwa <strong>das</strong><br />

Wechselspiel von „Ich“ und „Wir“, <strong>das</strong><br />

„Wir im Ich“ verstehen möchte, findet in<br />

den Sozialwissenschaften unterschiedlichste<br />

Anknüpfungspunkte. Am Anfang<br />

soziologisch-psychologischer Theoriebildung<br />

stehen Ferdinand Tönnies’<br />

Überlegungen, welche im 20. Jahrhundert<br />

so gut wie alle bedeutsamen Soziologen<br />

in diesem Feld geprägt haben.<br />

Er hat dabei ein Gedankengebäude<br />

errichtet, welches zwar Fragment geblieben<br />

ist, für die Frage zur Überlebensfähigkeit<br />

des Kapitalismus jedoch<br />

durchaus reizvoll und <strong>weg</strong>weisend ist.<br />

Dies vor allem deshalb, weil Tönnies<br />

sich einer einseitigen Parteinahme für<br />

eine rationalistische Sicht des vernunftbegabten<br />

Menschen („Gesellschaft“)<br />

genauso verweigert wie dem anderen<br />

Extrem einer aufklärungsfeindlichen,<br />

fortschritts-skeptischen Haltung („Gemeinschaft“).<br />

Mit seiner Unterscheidung<br />

zwischen „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“<br />

hat Tönnies in erster Linie<br />

fundamentale Mechanismen menschlichen<br />

Zusammenlebens in einem Gemeinwesen<br />

beschrieben, die uns heute<br />

helfen können, Phänomene wie „soziale<br />

Spaltung“, „Filterblasen“ <strong>oder</strong> „Entfremdung“,<br />

aber auch <strong>das</strong> Aufkommen neuer<br />

sozialer Bindungsformen zu verstehen.<br />

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen,<br />

<strong>das</strong>s jeweils auch der Plural gemeint ist:<br />

Gemeinschaften und Gesellschaften. Die<br />

Substantivierungen dienen Tönnies primär<br />

zur prägnanten Benennung unterschiedlicher<br />

Bindungsformen zwischen<br />

Menschen.<br />

Eines ist für Tönnies dabei sehr klar:<br />

Bindungsrelevant sind nicht allein rationale<br />

Gesichtspunkte <strong>oder</strong> logisch<br />

bessere Argumente, sondern vor allem<br />

auch rational nicht fassbare Emotionen<br />

und Motivationen. Diese lassen sich<br />

nicht mit Argumenten „überzeugen“.<br />

In der damaligen Sprache von Tönnies<br />

ist es immer „ein bestimmtes Verhält-<br />

50 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

niß, in welches der empfundene innere<br />

Gesammtzustand zu diesen besonderen<br />

Empfindungen sich setzt. Denn jener ist<br />

<strong>das</strong> absolute A priori, und er <strong>kann</strong> nur<br />

gedacht werden als die Existenz der gesammten<br />

Natur durch allgemeine und<br />

dunkle Beziehungen auf sich involvirend,<br />

von welchen dann einige durch<br />

Entwicklung und Actionen des Gehirnes<br />

und der Sinnesorgane, d. h. des verstehenden<br />

(davorstehenden) Geistes, allmählich<br />

klarer und deutlicher werden.“<br />

Für Tönnies sind soziale Gebilde (wie<br />

auch unsere Wirtschaft eines ist) ganz<br />

wesentlich durch unsere biologisch-psychologische<br />

Entwicklung mitbestimmt.<br />

Aus der Einheit der psychischen Realität<br />

von „Gefühlen, Trieben und Begierden“<br />

und dem darin eingeschlossenen<br />

Denken bilden sich zunehmend differenziertere<br />

Erfahrungswelten (Tönnies<br />

spricht von „Willensformen“) heraus.<br />

Diese sind die eigentliche Grundlage<br />

für die Formen sozialer Beziehungen<br />

(„Verbundenheiten“). Es wirken dann<br />

zwei antreibende, komplementäre Mechanismen,<br />

die eben nicht einfach ein<br />

Ganzes bilden, sondern in einem spannungsgeladenen<br />

Verhältnis zueinander<br />

stehen. Der erste wird mit dem Begriff<br />

der Gemeinschaft umschrieben und zielt<br />

auf <strong>das</strong> „reale und organische Leben“<br />

und damit auf sinnliche Erkenntnis,<br />

leibliche Erfahrung und emotionale Verbundenheit.<br />

Aus dieser wächst die ideelle mechanische<br />

Bildung heraus – mit dem Begriff<br />

der Gesellschaft beschrieben. Bei Tönnies<br />

heißt es: „In Gemeinschaft mit den<br />

Seinen befindet man sich, von Geburt<br />

an, mit allem Wohl und Wehe daran gebunden.<br />

Man geht in die Gesellschaft<br />

wie in die Fremde.“ Es ist natürlich ein<br />

großer Fortschritt, sich aus den Bindungen<br />

des unmittelbaren Umfelds zu<br />

lösen. Die „Fremde“ muss auch nichts<br />

Bedrohliches darstellen (zum Beispiel<br />

„Stadtluft macht frei“). Vielmehr speist<br />

sich daraus die Kraft für Neues.<br />

Die ordnende Kraft in der Gemeinschaft<br />

erwächst aus den „Verbundenheiten“,<br />

die in unmittelbaren menschlichen >><br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

51


<strong>Purpose</strong><br />

Beziehungen (Verwandtschaft, Nachbarschaft,<br />

Freundschaft) wirken. Entscheidend<br />

ist hier die erfahrungsmäßige<br />

Einheit von Verstand und Gefühl. In<br />

der Gemeinschaft sind Menschen durch<br />

gute / schlechte Sitten, Alltagsvernunft<br />

<strong>oder</strong> auch durch den „gesunden Menschenverstand“<br />

miteinander wesentlich<br />

verbunden. Gemeinsam ist diesen Bindungsformen,<br />

<strong>das</strong>s sie auch ganz ohne<br />

von außen herangetragene Vorschriften<br />

<strong>oder</strong> Regelungen funktionieren.<br />

Der menschliche Geist besitzt jedoch<br />

die Fähigkeit, aus der unmittelbaren<br />

sinnlichen Erfahrung herauszutreten.<br />

Mit zunehmender Ausdifferenzierung<br />

und Reflexivität entstehen so neue Formen<br />

der „Verbundenheit“. Diese lösen<br />

sich aus der ursprünglichen instinkthaft-natürlichen,<br />

später auch aus der<br />

verstandesmäßigen Einheit von Denken<br />

und Fühlen. In der bio-psycho-sozialen<br />

Entwicklung schieben sich immer neue<br />

komplexere Ebenen der Reflexion und<br />

geistige Operationen zwischen die Erscheinungsweisen<br />

sinnlich geprägter<br />

Natürlichkeit. Die gedankliche Bildung<br />

von „Begriffen“, die Entwicklung von<br />

„Absichten“, <strong>das</strong> Setzen von „Zwecken“<br />

sind Ergebnis dieser neuen psychischen<br />

Realitäten und erschließen einen<br />

weiteren, neuen Mechanismus der<br />

„Verbundenheit“, nämlich den der verstandesmäßig<br />

bewusst geschlossenen<br />

Kontrakte.<br />

Es entstehen so immer neue mentale<br />

Strukturen, mit deren Hilfe sich neue<br />

Erkenntnisformen herausbilden. Das<br />

Element des Abstrakten entfaltet dabei<br />

eine eigen- ständige Wirkmacht und<br />

eröffnet neue Handlungsmöglichkeiten.<br />

Wir können Konsequenzen unseres<br />

Handelns vor<strong>weg</strong>nehmen und durchspielen;<br />

wir können bisher unverbundene<br />

Tatsachen ins Verhältnis setzen <strong>oder</strong><br />

neu verbinden. Diese geistigen Leistungen<br />

sind gleichzeitig Voraussetzung für<br />

die Etablierung neuer Sozialformen und<br />

werden umgekehrt zugleich von diesen<br />

getragen.<br />

Das Wesen von Gesellschaft (im Gegensatz<br />

zur Gemeinschaft) liegt damit in<br />

der von Subjektivität und Emotionalität<br />

entkoppelten abstrakten Regelwelt.<br />

Eine damit ermöglichte Formalisierung<br />

der Tauschbeziehungen im Wirtschaftsleben<br />

ist die Grundlage von Handelsbeziehungen.<br />

Insofern ist gerade auch<br />

die kapitalistische, d. h. auf den Kapitalfluss<br />

angewiesene, Wirtschaftswelt<br />

auf Vergesellschaftungsprozesse<br />

(z. B. in Form eines funktionierenden<br />

Rechtsstaates) im Sinne von Tönnies<br />

angewiesen. Erst die Herausbildung von<br />

formalisierten gesellschaftlichen Sozialformen<br />

(Privatrecht: Tausch, Vertrag,<br />

Handel; Öffentliches Recht: Bewilligungen,<br />

Verbote, Abgaben etc.) und ihren<br />

wirtschaftlichen Institutionen (bis hin<br />

zu anonymen Kapitalgesellschaften und<br />

staatlichen Interventionen in den Wirtschaftsprozess)<br />

ermöglicht verlässliche<br />

Rahmenbedingungen für die Wirtschaft<br />

über die Grenzen der Gemeinschaft<br />

hinaus. Aber auch jede Zweckrationalität<br />

ökonomischen Handelns und <strong>das</strong><br />

Kalkül des Tauschwertes müssen auf<br />

die sie tragenden menschlichen Motivationen<br />

bauen können. Sonst bröckeln<br />

Glaubwürdigkeit und Legitimation.<br />

Wirtschaftssysteme und ihre Abläufe<br />

sind eben nicht aus sich selbst heraus<br />

und objektiv erklärbar, sondern immer<br />

Resultat „menschlichen Willens“ und<br />

insofern gewollt.<br />

Folgt man dem Gedanken, <strong>das</strong>s Sozialverhältnisse<br />

durch Bewusstseinsdispositionen<br />

fundiert sind, durch diese<br />

angetrieben und überhaupt erst ermöglicht<br />

werden, dann kommt man einem<br />

etwaigen Krisenmechanismus auf die<br />

Spur: Je weiter die beiden Sphären von<br />

Gemeinschaft und Gesellschaft aufgrund<br />

zunehmender ökonomischer,<br />

sozialer und technischer Komplexität<br />

auseinanderdriften, desto schwieriger<br />

wird es, zu „verstehen“, um was es eigentlich<br />

geht. Mehr Komplexität <strong>kann</strong><br />

nicht allein durch besseres „Erklären“<br />

bewältigt werden, sondern sie erzwingt<br />

zwangsläufig eine Sinnstiftung über<br />

emotional-motivational verankerte Werte.<br />

Diesen kommt dann eine Ordnungsfunktion<br />

zu, weil sie eine unabdingbare<br />

Vereinfachung von Komplexität und damit<br />

Orientierung ermöglichen.<br />

52


<strong>Purpose</strong><br />

Fahren im Nebel<br />

In mancher Hinsicht müssen Entscheidungsträger<br />

in der Wirtschaft oftmals<br />

wie Autofahrer im dichtesten Nebel agieren<br />

– nicht wissend, ob sie auf der richtigen<br />

Spur sind, riskierend, <strong>das</strong>s es zum<br />

Frontalzusammenstoß mit dem Gegenverkehr<br />

kommt – und trotz allem weiterfahrend.<br />

Im Gegensatz zum tatsächlichen<br />

Straßenverkehr ist es hier gerade<br />

kein verlässlicher Indikator, auf der falschen<br />

Spur zu sein, wenn einem mehrere<br />

hundert Fahrzeuge entgegenkommen.<br />

Dies ist an sich kein neues Phänomen;<br />

neuartig sind jedoch Hebelwirkung und<br />

Geschwindigkeit in technisch hoch entwickelten<br />

und integrierten Handelssystemen<br />

und Wirtschaftskreisläufen.<br />

Wir sehen uns heute mit einer Ansammlung<br />

komplexer Situationen konfrontiert,<br />

und im Feld der Komplexität gilt,<br />

<strong>das</strong>s so mancher Lenkungseingriff dem<br />

Tanz der Regenmacher gleicht. Wir hören<br />

und sagen es nicht gerne, und doch<br />

lässt es sich nicht bestreiten: Egal, ob<br />

Ökonomen, Soziologen <strong>oder</strong> Psychologen,<br />

wir sind gnadenlos überfordert. Die<br />

gute Nachricht ist, <strong>das</strong>s die Überforderung<br />

chronisch ist. In der Krise sehen<br />

wir dies besonders deutlich. Und deshalb<br />

tun wir gut daran, in unseren Überlegungen<br />

und Entscheidungen ebenso<br />

bescheiden wie differenziert vorzugehen.<br />

Dass wir im Dunkeln tappen, ist mithin<br />

nicht nur unserem Unvermögen zuzuschreiben,<br />

sondern hat seine Ursache<br />

in der Weise der (Dys-)Funktion unserer<br />

m<strong>oder</strong>nen Gesellschaften. Es handelt<br />

sich dabei um den Trend der Überführung<br />

von Sachverhalten, Geschäftsbeziehungen,<br />

Risikoabwägungen <strong>oder</strong><br />

Produktideen in anspruchsvolle geistig-abstrakte<br />

Zusammenhänge, die wir<br />

nicht mehr durchschauen, in rechtliche<br />

Normierungen, unnötig komplizierte<br />

Modelle und Theoriengebäude, deren<br />

Rückübersetzung in die Welt des gesunden<br />

Menschenverstandes oft kaum<br />

mehr möglich ist. Die großartige Fähigkeit<br />

des menschlichen Geistes, durch<br />

Abstraktion aus der unmittelbaren Erfahrungswelt<br />

herauszutreten, schlägt<br />

schnell in Unübersichtlichkeit um, weil<br />

die emotional-motivationale (Re-)Integration<br />

immer schwerer gelingt.<br />

Ich hatte eingangs vollmundig von einem<br />

„Jahrhundertgedanken“ gesprochen.<br />

Die nur in der oberflächlichen Betrachtung<br />

schematisch wirkende Trennung<br />

von Gemeinschaft und Gesellschaft ist<br />

deshalb fundamental, weil sie eine zentrale<br />

ambivalente Erfahrung zwischenmenschlichen<br />

Zusammenlebens in der<br />

M<strong>oder</strong>ne in origineller Weise aufgreift.<br />

Auf der einen Seite stehen unmittelbar<br />

persönliche Beziehungen, in denen der<br />

Einzelne sich emotional-motivational<br />

eingebunden und verwurzelt fühlt. Auf<br />

der anderen Seite finden sich als äußerlich,<br />

nicht überschaubar und fremd erlebte<br />

gesellschaftlich-anonyme Abläufe<br />

– Verhältnisse, die nicht beeinflussbar<br />

scheinen. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit<br />

sind beide „Verbundenheiten“ Ergebnis<br />

von realen Entwicklungen mit<br />

den ihnen innewohnenden psychologischen<br />

Prozessen und beide müssen sich<br />

stets aufs Neue gegenüber einer ganzheitlichen<br />

Bewertung („empfundener<br />

innerer Gesammtzustand“) bewähren.<br />

Es war schon für Tönnies völlig klar,<br />

<strong>das</strong>s es nicht die Gesellschaft / Gemeinschaft<br />

gibt, sondern viele Gemeinschaften<br />

und Gesellschaften. Im Gegensatz<br />

zu den unterschiedlichsten Etiketten der<br />

Gegenwartsbeschreibung, z. B. Risiko-,<br />

Freizeit-, Multioptions- <strong>oder</strong> Wissensgesellschaft,<br />

geht es bei Tönnies um Antworten<br />

auf die Frage, wie unterschiedliche<br />

Arten von „Verbundenheiten“ in<br />

einem Sozialverband entstehen und sich<br />

wie chemische Elemente immer neu<br />

zusammensetzen. Dabei ist es unerheblich,<br />

ob man diese Fragen etwa in einzelnen<br />

„Parallelgesellschaften“ <strong>oder</strong> „virtuellen<br />

Gemeinschaften“ untersucht. Im<br />

Kern steht immer die Frage im Mittelpunkt,<br />

wie Verbindlichkeit in zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen entsteht.<br />

In der Ausgestaltung der Idee thematisiert<br />

Tönnies dabei – teilweise in Vor<strong>weg</strong>nahme<br />

späterer Erkenntnisse der<br />

Psychologie – die oftmals getrenn- >><br />

53


<strong>Purpose</strong><br />

ten Sphären von ganzheitlicher Erfahrung<br />

und (re)integrationsbedürftigem<br />

Wissen. Deren erlebnismäßiges Auseinandertreten<br />

und der daraus stets aufs<br />

Neue erwachsende Integrationsbedarf<br />

werden bei Tönnies nicht nur als individuelles,<br />

sondern als soziales Problem<br />

formuliert.<br />

Das Auseinandertreten von Gemeinschaft<br />

und Gesellschaft bewirkt dann<br />

Entfremdungserfahrungen („sich nicht<br />

mehr verstanden fühlen“, „soziale Fragmentierung“,<br />

„die Welt antwortet nicht<br />

mehr“ usw.). Für den Soziologen Hartmut<br />

Rosa besteht eine Lösung darin, neue<br />

Resonanzerfahrungen zu suchen. Der<br />

Soziologe Armin Nassehi dagegen wirbt<br />

für einen besseren „Umgang mit und die<br />

Nutzung von Perspektivendifferenz“. Gerade<br />

Letzteres dürfte sich allerdings vor<br />

dem Hintergrund einer neuen Balanceanforderung<br />

zugunsten von Gemeinschaftserfahrungen<br />

in überschaubaren<br />

Gruppen als naiv erweisen. Wenn <strong>das</strong><br />

Pendel zu weit in Richtung von komplexitätssteigernder<br />

Vergesellschaftung<br />

ausgeschlagen hat, <strong>kann</strong> eine weitere<br />

Steigerung von Perspektivenakzeptanz<br />

kaum – so wünschbar dies sein mag –<br />

ein Erfolgsrezept sein. Das aktuelle Erstarken<br />

populistischer Strömungen, bei<br />

denen die Gemeinschaftsorientierung<br />

(aktuell besonders über Konzepte wie<br />

nationale Identität <strong>oder</strong> Heimat) betont<br />

wird, spricht da eine klare Sprache. Die<br />

Herausforderung besteht darin, legitimationsfähige<br />

Angebote zu machen, wie<br />

die Balance zwischen Gemeinschaft und<br />

Gesellschaft in einer produktiven und<br />

letztlich für Mehrheiten erträglichen<br />

Spannung gehalten werden <strong>kann</strong>.<br />

Vielleicht kommen aber auch tragfähige<br />

Antworten aus der im Kapitalismus<br />

angelegten Innovationsorientierung.<br />

Der unternehmerische Ansatz, stärker<br />

gemeinschaftsorientierte Produkte<br />

und Dienstleistungen anzubieten, führt<br />

schon heute zu erfolgreichen Geschäftsmodellen<br />

– seien es die Aufwertung von<br />

Regionalität im Lebensmittelhandel,<br />

Community-orientierte Marketingansätze<br />

und nicht zuletzt Ideen der Sharing<br />

Economy. Es liegt durchaus auch im<br />

Geschäftsinteresse der Unternehmen,<br />

durch ihre Produkte und Dienstleistungen<br />

an tragfähigen „Verbundenheiten“<br />

mitzuwirken. Dies betrifft aber auch<br />

die interne Unternehmensorganisation<br />

selbst. Auch dort ist sinnvolle Vereinfachung<br />

<strong>das</strong> Gebot der Stunde, um neue<br />

Formen der Verbundenheit auf Gemeinschaftsebene<br />

zu ermöglichen. Insofern<br />

sind neue Arbeitsformen (agil, holokratisch<br />

usw.) als Versuche zu interpretieren,<br />

die kapitalistische Produktionslogik<br />

in immer neue Vergemeinschaftungsformen<br />

einzubinden bzw. soziale Bedürfnisse<br />

damit zu verbinden. Erinnert sei<br />

hier auch noch einmal an die eingangs<br />

zitierte Forderung nach einem social<br />

purpose von Larry Fink, die eben auch<br />

als Aufruf zur Entwicklung innovativer<br />

Ansätze zur Stärkung von „Verbundenheiten“<br />

gelesen werden <strong>kann</strong>. Längst<br />

zeigt die Praxis, wie Unternehmer versuchen,<br />

die Steigerungslogik der Kapitalakkumulation<br />

in den Dienst neuer<br />

gemeinwohldienlicher Wertschöpfung<br />

zu stellen.<br />

Allerdings: Inwieweit eine dadurch an<br />

verschiedensten Stellen in Gang gesetzte<br />

Selbsttransformation des Kapitalismus<br />

zur Überwindung von Widersprüchen,<br />

Lösung von Konflikten und<br />

nicht zuletzt sozialer Stabilität beiträgt,<br />

bleibt abzuwarten. Es ist auch Vorsicht<br />

geboten, in einem komplexen, nicht<br />

überschaubaren Wirtschaftssystem Einzelbeispiele<br />

zu verallgemeinern bzw.<br />

einer Steuerungsphantasie Vorschub<br />

zu leisten. Selbst Wolfgang Streeck, ein<br />

prominenter und sehr fundierter Kapitalismuskritiker,<br />

gesteht ein, <strong>das</strong>s der<br />

gegenwärtige Zustand des Kapitalismus<br />

ein emergenter ist, d. h. „von den beteiligten<br />

Akteuren weder geplant noch gewollt<br />

werden muss“. In einem selbstorganisierenden<br />

System (und anders <strong>kann</strong><br />

man heute kaum noch sinnvoll über die<br />

kapitalistische Ordnung sprechen), haben<br />

wir keinen Überblick mehr.<br />

Lob der kleinen Schritte in Richtung<br />

Gemeinwohl<br />

Nicht allein vom Wohlwollen der lokalen<br />

Gemeinschaft abhängig zu sein,<br />

Es ist nur eine<br />

Frage der Zeit,<br />

bis in der<br />

vernetzten<br />

Dynamik einer<br />

globalen<br />

Wirtschaft<br />

der Motor<br />

aufgrund der<br />

hochabstrakten<br />

Finanzströme<br />

wieder ins<br />

Stottern gerät.<br />

54 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

sondern sich auf rechtliche Verbindlichkeiten<br />

berufen zu können und mit<br />

Hilfe des abstrakten Mediums „Geld“<br />

auch andernorts sich etwas aufzubauen,<br />

ist Teil dessen, was Tönnies mit Vergesellschaftung<br />

meint. Das Element des<br />

Abstrakten, <strong>das</strong> von der unmittelbaren<br />

emotionalen Beziehung Losgelöste, war<br />

ursprünglich ein großer Freiheitsgewinn<br />

und Fortschrittsmotor. Die aktuellen<br />

Krisenerscheinungen zeigen uns<br />

jedoch, <strong>das</strong>s die alte Balance zwischen<br />

dem Konkreten (Gemeinschaft) und dem<br />

Abstrakten (Gesellschaft) verlorengegangen<br />

ist.<br />

Dieses Auseinanderklaffen scheint<br />

auch der entscheidende Nährboden für<br />

künftige Krisen und wiederkehrende<br />

Störungen unseres Wirtschaftssystems<br />

zu sein. Es ist nur eine Frage der Zeit,<br />

bis in der vernetzten Dynamik einer<br />

globalen Wirtschaft der Motor aufgrund<br />

der hochabstrakten Finanzströme wieder<br />

ins Stottern gerät. Wer sich dieser<br />

Perspektive befleißigt, kommt zu dem<br />

Schluss: Wir leiden nicht unter zu viel<br />

freier Marktwirtschaft <strong>oder</strong> unter zu<br />

viel Sozialstaat. Wir leiden vielmehr<br />

unter der Logik einer exzessiven Vergesellschaftung,<br />

die dem gesamten Wirtschaften,<br />

mithin auch dem m<strong>oder</strong>nen<br />

Finanzkapitalismus, eigen ist und durch<br />

ihn weiter forciert wird. Es ist also weniger<br />

<strong>das</strong> Profitstreben als die systemisch<br />

eingebaute Abstrahierung, Objektivierung<br />

und Verdinglichung menschlichen<br />

Zusammenlebens, der wir bisher keine<br />

wirkungsvollen Konzepte entgegenzustellen<br />

haben. Denn klar ist: Ein Zurück<br />

in „alte Zeiten“ gibt es nicht.<br />

Drei Schlüsse bieten sich hier an. Erstens<br />

müssen wir die Kraft aufbringen,<br />

durch klare, aber einfache Regeln im<br />

politischen Bereich den Grad der „Vergesellschaftung“<br />

im hier besprochenen<br />

Sinne nicht weiter voranzutreiben. Oder<br />

besser: wir müssen Anreize zur Vereinfachung<br />

setzen. Wir dürfen die Dinge<br />

nicht trivialisieren, aber eine weitere<br />

Komplexitätssteigerung wird die Probleme<br />

nicht lösen. Folgen wir dem vorgetragenen<br />

psychologisch-soziologischen<br />

Argument, so können auch techni- >><br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

55


<strong>Purpose</strong><br />

sche Innovationen (aktuell die Digitalisierung)<br />

uns kaum weiterhelfen, solange<br />

wir im abstrakten Raum agieren,<br />

welchen wir nicht emotional besetzen<br />

können. Zweitens müssen wir unser Bedürfnis<br />

zügeln, große Visionen zu entwerfen.<br />

Der Verlauf der Geschichte zeigt,<br />

<strong>das</strong>s wenige Dinge wirklich vorhersagbar<br />

sind – auch nicht in einem halb<strong>weg</strong>s<br />

übersichtlichen System. Wir tun deshalb<br />

gut daran, dem „Piecemeal-Approach“<br />

im Sinne des Philosophen Karl Popper<br />

wieder mehr Wertschätzung entgegenzubringen<br />

– kleine Schritte, im tastenden<br />

Verfahren, stets bereit zur Umkehr.<br />

Wir müssen auch unsere Erwartungen<br />

an die Politik zurückschrauben – niemand<br />

<strong>kann</strong> so einfach einen <strong>oder</strong> zwei<br />

Hebel umlegen. Unser Wirtschaftssystem<br />

ist in all seinen gesellschaftlichen<br />

Verflechtungen viel zu vernetzt, als <strong>das</strong>s<br />

kraftvolle monokausale Interventionen<br />

nicht sogleich die Gesamtstabilität bedrohen<br />

könnten – die unbeabsichtigten<br />

Nebenwirkungen fallen mittlerweile<br />

stärker ins Gewicht als die beabsichtigten.<br />

Woran sollen sich Entscheidungsträger<br />

denn nun orientieren, wenn alles<br />

so schrecklich kompliziert und komplex<br />

ist?<br />

Als dritte und wesentlichste Konsequenz<br />

folgt: Orientiere dich am Gemeinwohl<br />

und prüfe dein Handeln am Maßstab<br />

der Gemeinwohlverträglichkeit! Allein<br />

schon aus Gründen der wechselseitigen<br />

Abhängigkeit in einem gemeinschaftlich-gesellschaftlichen<br />

Zusammenhang<br />

ist dieser Imperativ rational. Es ist nur<br />

ein schwaches Gegenargument, <strong>das</strong>s<br />

die Idee des Gemeinwohls antiquiert<br />

sei, weil darunter alle etwas anderes<br />

verstünden. Sicher bedarf es der ständigen<br />

Vorsicht, <strong>das</strong>s mit einer solchen<br />

Rhetorik nicht – wie historisch geschehen<br />

– autoritärer Missbrauch getrieben<br />

wird. Doch ist der aktive Beitrag zur<br />

Stärkung des Gemeinwesens bzw. die<br />

Verhinderung von dessen Schädigung<br />

die entscheidende Legitimation für unsere<br />

freiheitliche Ordnung. Nichts ist<br />

kurzsichtiger als ein Freiheitsgedanke,<br />

der nicht erkennt, <strong>das</strong>s es keine voraussetzungslose<br />

menschliche Existenz gibt.<br />

Gemeinwohl ist als eine Bedingung der<br />

56 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Möglichkeit gelingenden Lebens zu betrachten<br />

– <strong>oder</strong> etwas plakativer: „Ohne<br />

Gemeinwohl keine Freiheit“. Gemeinwohl<br />

wird zur Grundbedingung menschlicher<br />

Selbstentfaltung.<br />

Auch wenn es schwer zu ertragen ist: Unser<br />

Verstand steht uns im Wege, und wir<br />

tun gut daran, sein Scheitern in Rechnung<br />

zu stellen. Wenn wir also eine freie<br />

Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung<br />

erhalten wollen, bedarf die Tendenz zur<br />

Abstrahierung der Geschäftsabläufe<br />

und -beziehungen aus den unmittelbaren<br />

Lebensverhältnissen einer kulturell<br />

akzeptierten, emotional-motivationalen<br />

Rückbindung. Das Gemeinwohl scheint<br />

mir da die sinnvollste, historisch gewachsene<br />

regulative Idee zu sein. Um<br />

es maximal simpel zu sagen: Der „gesunde<br />

Menschenverstand“ muss als<br />

Richtschnur für menschliches Entscheiden<br />

und Handeln neu entdeckt werden.<br />

Kritik ist immer da angebracht, wo der<br />

„gesunde Menschenverstand“ nicht in<br />

der Lage ist, <strong>das</strong> Argument <strong>oder</strong> die Lösung<br />

nachzuvollziehen.<br />

Die Beschäftigung mit entscheidungsunterstützenden<br />

guten Gefühlen (ich sage<br />

bewusst nicht: mit guten Gründen) sollte<br />

nicht nur im Berufsleben, sondern auch<br />

in den primären und sekundären Bildungsinstitutionen<br />

zu einem wichtigen<br />

Gut werden. Denn damit lässt sich die<br />

Bereitschaft stärken, sich mit dem damit<br />

verbundenen liberalen Menschenbild zu<br />

beschäftigen, und lassen sich Anreize<br />

setzen, die dies honorieren. Was man<br />

nicht <strong>kann</strong>, ist, Werte zu diktieren <strong>oder</strong><br />

mit Zwang durchzusetzen.<br />

Halten wir also fest: Das Funktionieren<br />

einer kapitalistisch geprägten Wirtschaftsordnung,<br />

in der „Kapital“ und<br />

„Risiko“ eine entscheidende Rolle spielen,<br />

ist zwingend auf eine Orientierung<br />

am Gemeinwohl angewiesen. Ein solches<br />

Prüfkriterium zwingt zu einem Abgleich<br />

zwischen allen produktiven und<br />

destruktiven Kräften der Abstraktion,<br />

welche die Errungenschaften der einzelnen<br />

Varianten des Kapitalismus erst<br />

möglich machen. Gefragt sind eine Gangart<br />

der kleinen Schritte und der Mut<br />

zur Vereinfachung. Ohne eine solche Besinnung<br />

auf „Maß und Mitte“ (Wilhelm<br />

Röpke) steht die Lebensfähigkeit der gesellschaftlichen<br />

Ordnung auf dem Spiel.<br />

Die Gemeinwohlorientierung stellt dabei<br />

einen Kompass bereit, die Gemeinschaftserfahrung<br />

nie einseitig zu Lasten<br />

der Gesellschaftserfahrung aufzugeben<br />

und umgekehrt, immer wieder nach der<br />

produktiven Kopplung zwischen beiden<br />

zu suchen. Es ist hierbei von zentraler<br />

Bedeutung, nicht auf eine Harmonie zu<br />

setzen, sondern den Dualismus anzuerkennen<br />

und <strong>das</strong> unauflösbare Spannungsverhältnis<br />

kreativ zu nutzen.<br />

Auf dem Weg zu einer visionslosen<br />

Vision<br />

Die formulierte „Überlebensbedingung“<br />

für den Kapitalismus ist zutiefst am<br />

Gedanken der Gemeinwohlverträglichkeit<br />

orientiert. Hier sind immer wieder<br />

Innovationen gefragt, um die Balance<br />

zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft<br />

stets neu auszutarieren. Mit den<br />

Ideen von Ferdinand Tönnies verfügen<br />

wir dabei über einen Erklärungsansatz,<br />

der die Abhängigkeit der kapitalistischen<br />

Produktionsweise von einer Gemeinwohlorientierung<br />

auf den Punkt<br />

bringt. Vor allem aber zeigt er auf, wo<br />

Unternehmen heute ansetzen können,<br />

um ihre Akzeptanz in der Bevölkerung<br />

zu erhalten bzw. zu steigern.<br />

Angesichts des selbstorganisierenden<br />

Charakters komplexer Systeme ist allerdings<br />

jede Art von Vision von Anbeginn<br />

zum Scheitern verurteilt, wenn sie sich<br />

den großen Wurf vornimmt. Ganz im Sinne<br />

des erwähnten „Piecemeal-Approaches“<br />

kommt es darauf an, neue Formen<br />

der Verbundenheiten im Experiment<br />

zu wagen und tragfähige Lösungen<br />

zu entdecken. Das damit verbundene<br />

„Durchwursteln“ ist eben gerade keine<br />

Schwäche, sondern ein Eingeständnis<br />

an die durch uns Menschen erzeugte<br />

Komplexität.<br />

Dies bedeutet nicht eine Absage an individuelle<br />

Ziele und Zukunftsvorstellungen,<br />

die dem Einzelnen Kraft und<br />

Richtung geben und ihm als Lebensantrieb<br />

dienen. Visionslose Vision meint<br />

auch nicht keine Vision. Eher zielt der<br />

Begriff auf die Bereitschaft, sich schonungslos<br />

der Begrenztheit individueller<br />

Handlungsmacht zu stellen und sich<br />

gleichzeitig immer wieder am größeren<br />

Ganzen auszurichten. Diesen scheinbaren<br />

Widerspruch zu leben, dürfte damit<br />

beginnen, ihn zunächst überhaupt als<br />

echte Herausforderung zu erkennen und<br />

anzunehmen.<br />

Der einhergehende Gestaltungs- und<br />

Wirkungsanspruch einzelner Akteure<br />

ist dann von Bescheidenheit und von<br />

Demut gekennzeichnet, wie es seit den<br />

Stoikern empfohlen wird: sich gelassen<br />

nur auf jene Dinge zu konzentrieren, die<br />

man wirklich ändern <strong>kann</strong> und diese<br />

mutig anzupacken. Das ist dann vielleicht<br />

auch der Kern einer visionslosen<br />

Vision, die tragfähige Verbundenheiten<br />

zugunsten des Gemeinwohls im Blick<br />

hat und sich nicht verführen lässt von<br />

uneinlösbaren Zukunftsversprechen.<br />

Indem sich der Kapitalismus in dieser<br />

Weise zu sich selbst bekennt, hat er eine<br />

Überlebenschance. f<br />

Quelle: Meynhardt, Timo (2019). Maß und Mitte<br />

reloaded: Eine visionslose Vision. In: Flick, Corinne<br />

Michaela (Hrsg.): Die Zukunft des Kapitalismus.<br />

Göttingen Wallstein Verlag, S. 255–273.<br />

Prof. Dr. Timo Meynhardts<br />

Forschungsschwerpunkt ist Public<br />

Value, also die Wertschöpfung<br />

für <strong>das</strong> Gemeinwohl. Er verbindet<br />

psychologische und betriebswirtschaftliche<br />

Themen wie Public Value<br />

Management, Leadership<br />

und Kompetenzdiagnostik.<br />

Foto: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hhl-prof-meynhardt-0217.jpg<br />

https://ticket.wikimedia.org/otrs/index.pl?Action=AgentTicketZoom&TicketNumber=2017022110018461<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

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<strong>Purpose</strong><br />

Retten Unternehmen die Welt?<br />

„Muss nur noch kurz die Welt retten, danach flieg' ich zu dir.“ Dieser Satz aus dem Song von<br />

Tim Bendzko beschreibt die tiefe Sehnsucht von uns allen: Die Welt ist nicht in Ordnung,<br />

einer muss <strong>das</strong> geraderücken. Vor allem gegenüber Unternehmen ist die Erwartung<br />

gewachsen. Unternehmerische Verantwortung bedeutet heutzutage, Verantwortung für<br />

und in der Gesellschaft zu übernehmen. Aber nur, wer einen klaren Kompass, einen <strong>Purpose</strong><br />

hat, <strong>kann</strong> <strong>das</strong> auch leisten.<br />

58 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Foto: Melinda Nagy / stock.adobe.com<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

59


<strong>Purpose</strong><br />

Nachhaltigkeit<br />

steht unter<br />

Leistungsdruck.<br />

Wer <strong>das</strong> als<br />

Chance erkennt,<br />

wird belohnt.<br />

Von Valentina Daiber<br />

Brüssel stuft Atomenergie und Gas als „grün“<br />

ein. Die Versorgung mit Gas, also die Brücke,<br />

die Deutschland durch die Energiewende<br />

führen sollte, bricht. Dafür werden nun Kohlekraftwerke<br />

reaktiviert und neue Lieferanten für<br />

fossile Energieträger gesucht. Wer sein Haus<br />

auf Wärmepumpe und Photovoltaik umrüsten<br />

will, muss lange Lieferzeiten und enorme<br />

Preisanstiege hinnehmen. Hielten im Frühjahr<br />

2021 laut Statista noch 34 Prozent der Bevölkerung<br />

die Umwelt und den Klimawandel für<br />

die drängendsten Probleme in Deutschland,<br />

so sind nun Inflation und steigende Lebenshaltungskosten<br />

für 45 Prozent die größte Herausforderung.<br />

Eine Veränderung, die in dem<br />

Ukraine-Krieg, geopolitischen Umwälzungen<br />

und gestörten Lieferketten ihre Ursache hat.<br />

Verlieren klima- und umweltbezogene Maßnahmen von Unternehmen<br />

nun an Bedeutung? Stehen die Nachhaltigkeit und<br />

insbesondere die Klimaschonung unter Druck? Dazu habe<br />

ich eine klare Meinung: Ja, Nachhaltigkeit steht unter Druck.<br />

Aber es ist weniger ein Leidensdruck, sondern viel mehr ein<br />

Leistungsdruck. Denn wir müssen eine gewaltige Schippe<br />

drauflegen, um wenigstens noch die Chance zu haben, die Erderwärmung<br />

auf ein erträgliches Maß zu begrenzen. Wir haben<br />

nur noch dieses Jahrzehnt, um die CO 2<br />

-Wende zu schaffen.<br />

Spätestens seit dem sechsten Bericht des Weltklimarats IPCC<br />

wissen wir, <strong>das</strong>s nur eine schnelle, umfassende und nachhaltige<br />

Reduzierung von Treibhausgasen die globale Erderwärmung<br />

auf 1,5 <strong>oder</strong> wenigstens zwei Grad Celsius gegenüber<br />

dem vorindustriellen Zeitalter begrenzen <strong>kann</strong>. Machen wir<br />

so weiter wie bisher, wird sich die Erde bereits in den frühen<br />

2030er-Jahren um 1,5 Grad Celsius erwärmen. Und eines ist<br />

sicher: Mit jedem Zehntelgrad Erderwärmung werden auch<br />

die Umweltschäden größer.<br />

Wirtschaftlich und politisch schwierige Zeiten verleihen<br />

neue Kräfte<br />

Die aktuelle wirtschaftliche und geopolitische Situation birgt<br />

die Gefahr, <strong>das</strong>s Klimafragen in den Hintergrund treten. Wer<br />

akut um seine Existenzgrundlage bangt, denkt nicht an <strong>das</strong><br />

zukünftige Klima. Das ist nur menschlich. Ich sehe aber auch,<br />

60 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Foto: yoh4nn / istockphoto.com<br />

Die Weichen für mehr Nachhaltigkeit<br />

sind gestellt. Die Rahmenbedingungen<br />

zur Erbringung von noch mehr Leistung<br />

im Nachhaltigkeitsbereich haben sich<br />

trotz aller akuten Herausforderungen sogar<br />

verbessert. Politik und Gesellschaft<br />

treiben Umwelt- und Sozialfragen weiter<br />

voran. So einigten sich die G7-Umweltminister<br />

im Frühjahr auf die Forcierung des<br />

Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen. Sie<br />

wollen dabei arme Länder bei Klimaschäden<br />

finanziell stärker unterstützen. Die<br />

EU will bis zum Jahr 2030 300 Milliarden<br />

Euro investieren, um von russischem<br />

Gas unabhängig zu werden, und stärker<br />

auf erneuerbare Energien setzen. Der<br />

europäische Green Deal, in dem Nachhaltigkeit<br />

und Digitalisierung zusammengedacht<br />

werden, wird vorangetrieben. Im<br />

Sommer hat die UN-Vollversammlung<br />

<strong>das</strong> Recht auf eine saubere, gesunde und<br />

nachhaltige Umwelt als ein eigenständiges<br />

Menschenrecht aner<strong>kann</strong>t.<br />

Aktivitäten einen wesentlichen Beitrag<br />

zu den Zielen des Green Deals leisten.<br />

Der Telekommunikationssektor stellt<br />

sich diesen Anforderungen. Seine Netze<br />

sind die Lebensadern der Digitalisierung<br />

und ermöglichen smarte Mobilität,<br />

vernetzte Produktion, digitale Dienstleistungen<br />

und nicht zuletzt auch die<br />

Energiewende. Mit diesen Anwendungen<br />

lassen sich Klimaziele erreichen.<br />

Weltweit können digitale Technologien<br />

und Dienstleistungen die CO 2<br />

-Emissionen<br />

bis 2030 um 15 bis 35 Prozent<br />

senken, wie <strong>das</strong> Weltwirtschaftsforum<br />

(WEF) analysiert hat. Kern der Digitalisierung<br />

ist die Vernetzung und Steuerung<br />

von Geräten über ultraschnelle<br />

Telekommunikationsnetze. Allein der<br />

energieeffiziente Mobilfunkstandard 5G<br />

erlaubt die Vernetzung und Verwaltung<br />

von einer Million Geräte auf einem Quadratkilometer.<br />

<strong>das</strong>s gerade die aktuelle Situation einen<br />

Nachhaltigkeitsschub auslösen <strong>kann</strong>.<br />

Denn unsere Gesellschaft will von den<br />

Ländern unabhängiger werden, die<br />

Menschenrechte und westliche Werte<br />

missachten. Von Ländern, die die Störung<br />

von Nahrungsmittel- und Gaslieferungen<br />

als Druckmittel verwenden.<br />

Dieses schädliche Verhalten einzelner<br />

Nationen <strong>kann</strong> Menschen in Deutschland<br />

und Europa zusammenschweißen.<br />

So war beispielsweise <strong>das</strong> Interesse<br />

an einer schnellen und erfolgreichen<br />

Energiewende nie größer als heute.<br />

Und was wir auch wieder einmal sehen:<br />

Wenn es darauf ankommt, dann packen<br />

wir in Europa gemeinsam an. Wir erleben<br />

eine beispiellose Solidarität von Menschen<br />

und Unternehmen im Ukraine-<br />

Krieg. Unternehmen, die ihre wirtschaftlichen<br />

Interessen am russischen Markt<br />

hintenanstellen. Menschen, die anpacken,<br />

unterstützen und spenden. Auch<br />

<strong>das</strong> macht eine nachhaltige, an sozialen<br />

Werten orientierte Gesellschaft aus.<br />

Das sind gute Beispiele, die mich insbesondere<br />

auf mehr Klimaschonung hoffen<br />

lassen. Gefragt sind nun vor allem<br />

Unternehmen. Sie müssen und wollen<br />

ihre Bemühungen um Klima, Umwelt<br />

und Soziales noch weiter intensivieren.<br />

Im eigenen Haus, beim Einkauf von Gütern<br />

und Dienstleistungen und durch<br />

nachhaltige Angebote für Verbraucherinnen<br />

und Verbraucher.<br />

Nachhaltige Leistungen werden<br />

belohnt<br />

Finanzielle Förderung, wie sie unter<br />

anderem die EU bietet, ist wichtig. Klar<br />

ist aber auch: Allein mit Geld heilen wir<br />

unseren Planeten nicht. Wir müssen Kapital<br />

in die richtigen Kanäle lenken. Dahin,<br />

wo Ideen, Innovationen und der Wille<br />

zur Klimarettung sind. Und <strong>das</strong> ist für<br />

mich vor allem die Wirtschaft. Der europäische<br />

Sustainable-Finance-Action-<br />

Plan, mit dem private und öffentliche<br />

Kapitalströme in nachhaltige Sektoren<br />

gelenkt werden sollen, sowie die Klassifizierung<br />

von Investitionen anhand<br />

der EU-Taxonomie spielen dabei eine<br />

entscheidende Rolle. Die EU-Taxonomie<br />

führt klare Leistungskriterien ein, um<br />

zu bestimmen, welche wirtschaftlichen<br />

Ohne Telekommunikation ist eine digitale<br />

und nachhaltige Welt nicht möglich.<br />

Die Branche übernimmt damit eine<br />

große Verantwortung und stellt sich der<br />

Herausforderung, noch schneller netto-<br />

CO 2<br />

-neutral zu werden, immer weniger<br />

Strom pro Byte zu verbrauchen, einen<br />

Beitrag zum nachhaltigen Lebensstil der<br />

Menschen zu leisten und ihnen die digitale<br />

Teilhabe zu erleichtern. Denn unser<br />

Planet braucht Nachhaltigkeit. Die Politik<br />

fördert Nachhaltigkeit. Der Kapitalmarkt<br />

belohnt Nachhaltigkeit. Und uns<br />

nachfolgende Generationen werden es<br />

uns danken. f<br />

Valentina Daiber ist Vorstand<br />

Recht und Corporate Affairs<br />

bei Telefónica<br />

Deutschland.<br />

Foto: bernhardhuber.com<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

61


Advertorial<br />

Umweltschutz bei toom:<br />

Mehr als nur ein<br />

Handelsunternehmen<br />

Ein erfolgreicher <strong>Purpose</strong> drückt komprimiert aus, wie Unternehmen Positives für die Gesellschaft<br />

leisten und dazu beitragen, eine lebenswerte Zukunft für nachfolgende Generationen zu<br />

sichern. Für toom Baumarkt gehört dazu auch, sich vielfältig für Umwelt- und Naturschutz<br />

zu engagieren, erklärt Dominique Rotondi, Geschäftsführer der Baumarktkette.<br />

Foto: MICHAEL ROEHRIG / toom<br />

Dominique Rotondi, Geschäftsführer,<br />

toom Baumarkt GmbH<br />

Herr Rotondi, Sie wollen die<br />

Umweltauswirkungen Ihrer<br />

Geschäftstätigkeit konsequent<br />

reduzieren. Was sind die<br />

wesentlichen Ziele Ihrer Klima- und<br />

Umweltstrategie?<br />

Als Teil der REWE Group arbeiten wir<br />

einerseits auf <strong>das</strong> Group-weite Klimaziel<br />

hin, bis 2040 auf Unternehmensebene<br />

klimaneutral zu sein. Um dieses<br />

ambitionierte Ziel zu erreichen, hat die<br />

REWE Group wichtige Weichen gestellt.<br />

Neben dem energieeffizienten Betrieb<br />

der Gebäude wird zukünftig Grünstrom<br />

aus einem Offshore-Windpark in der<br />

Nordsee bezogen.<br />

Andererseits haben wir auch auf<br />

Produktebene viele Hebel, um Umwelteffekte<br />

zu reduzieren. Innerhalb<br />

des Lebenszyklus unserer Produkte<br />

bedeutet dies in erster Linie die Reduktion<br />

der Treibhausgasemissionen,<br />

welche wir durch die Optimierung von<br />

Verpackungen und <strong>das</strong> Schließen von<br />

Stoffkreisläufen erreichen können.<br />

Ein weiterer wesentlicher Teil unserer<br />

Klimastrategie ist der Verzicht von Torf<br />

in Blumenerden, um die klimarelevanten<br />

Moore zu schützen. Unser Ziel ist,<br />

bis 2025 keine torfhaltigen Produkte<br />

mehr im Sortiment zu führen.<br />

Energetische Sanierungen von Bestandsimmobilien<br />

und die Eröffnung neuer<br />

Baumärkte nach dem Green-Building-<br />

Standard der Deutschen Gesellschaft für<br />

Nachhaltiges Bauen (DGNB) in „Gold“<br />

sind dabei wichtige Maßnahmen. Führen<br />

Sie <strong>das</strong> bitte aus.<br />

Beim Bau und Betrieb von Gebäuden<br />

gibt es viele Möglichkeiten, den<br />

Ressourcen- und Energieverbrauch<br />

signifikant zu reduzieren. Von hocheffizienten<br />

Beleuchtungseinheiten,<br />

individuell angepassten Tageslichtsteuerungen,<br />

eigenen Zisternen bis hin<br />

zu der Rückgewinnung von Abluftwärme.<br />

Bei Neubauten achten wir von<br />

vornherein auf ein ausgeklügeltes Baukonzept,<br />

<strong>das</strong> zum einen den ressourcenund<br />

energiesparenden Betrieb in den<br />

Fokus rückt, sich aber ebenfalls durch<br />

Maßnahmen auszeichnet, die <strong>das</strong> individuelle<br />

Wohlbefinden unserer Kunden<br />

und Mitarbeiter berücksichtigen.<br />

Bereits 15 toom Märkte wurden mit<br />

dem Green-Building-Gütesiegel „Gold“<br />

62<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


„<br />

Beim Bau und Betrieb von Gebäuden<br />

gibt es viele Möglichkeiten, den<br />

Ressourcen- und Energieverbrauch<br />

signifikant zu reduzieren.<br />

der DGNB zertifiziert, <strong>das</strong> nur an<br />

Immobilien mit besonders energieeffizienter<br />

und nachhaltiger Bauweise<br />

vergeben wird.<br />

Durch Ihr Angebot an „grünen“ Produkten<br />

helfen Sie Ihren Kundinnen und Kunden,<br />

umweltfreundlicher einzukaufen<br />

und zu leben. So haben Sie etwa schon<br />

lange besonders bienengefährdende<br />

Pestizide aus Ihrem Sortiment verbannt.<br />

Wie unterstützen Sie Ihre Kundinnen und<br />

Kunden noch?<br />

Als Baumarkt verstehen wir uns in<br />

vielerlei Hinsicht nicht nur als Handelsunternehmen,<br />

sondern möchten<br />

unseren Kundinnen und Kunden auch<br />

Hilfestellung geben – so auch im Hinblick<br />

auf einen nachhaltigeren Einkauf.<br />

Zum Beispiel wissen viele Verbraucherinnen<br />

und Verbraucher nicht, <strong>das</strong>s<br />

herkömmliche Blumenerde bis zu 50<br />

Prozent aus Torf besteht. Für <strong>das</strong> Klima<br />

ist der Torfabbau sehr schädlich, da bei<br />

der Trockenlegung der Moore CO 2<br />

in<br />

die Atmosphäre entweicht.<br />

Als erste Baumarktkette in Deutschland<br />

haben wir uns deshalb bereits 2016<br />

dazu entschieden, sowohl in der toom<br />

Eigenmarke als auch in den<br />

Markenprodukten spätestens<br />

ab 2025 vollständig auf Torf zu<br />

verzichten. Viele Blumen- und<br />

Spezialerden bieten wir bereits<br />

torffrei und torfreduziert an.<br />

Auch in der Pflanzenanzucht<br />

arbeiten wir gemeinsam mit<br />

den Gärtnereien stetig daran,<br />

den Anteil torfreduziert bzw.<br />

torffrei gezüchteter Pflanzen zu erhöhen.<br />

Doch auch die Sensibilisierung<br />

für dieses Thema ist uns sehr wichtig.<br />

Dazu klären wir nicht nur Verbraucherinnen<br />

und Verbraucher über die<br />

Bedeutung von Mooren im Zusammenhang<br />

mit Blumenerden auf, sondern<br />

setzen uns auch in Fachforen für die<br />

Reduktion und den Verzicht von Torf<br />

im Gartenbau ein.<br />

Auch bei Ihrer Pflanzenanzucht spielen<br />

Umweltschutz und Artenvielfalt eine entscheidende<br />

Rolle. Wie gehen Sie hier vor?<br />

Für uns sind der Schutz der Biodiversität<br />

und im Speziellen die Förderung der<br />

Artenvielfalt handlungsleitende Ziele<br />

im Bereich Pflanze. Die Reduktion der<br />

Pflanzschutzmittelbelastung bei der<br />

Pflanzenanzucht ist uns daher ein<br />

zentrales Anliegen. Bereits seit 2017<br />

bieten wir nur noch Zierpflanzen an,<br />

die ohne die als besonders bienengefährlich<br />

eingestuften Pestizide (zum<br />

Beispiel Neonicotinoide) kultiviert<br />

wurden. Um hier noch mehr zu leisten,<br />

arbeiten wir eng mit wissenschaftlichen<br />

Partnern zusammen. Neben<br />

einem kontinuierlichen Rückstandsmonitoring<br />

und Pflanzenschutzmittelanforderungen,<br />

die weit über die<br />

gesetzlichen Vorgaben<br />

hinausgehen, kooperieren wir im<br />

Bereich Pestizidmanagement mit Global<br />

2000 und erweitern stetig die Negativliste,<br />

die für nützlingsfreundliche<br />

Pflanzen Anwendung findet. Im Fokus<br />

der Kooperation steht die Senkung der<br />

Pflanzenschutzmittelbelastung bei sogenannten<br />

Nützlingsfreunden. Hierbei<br />

handelt es sich um Pflanzen, die nachweislich<br />

besonders gut für bestäubende<br />

Insekten geeignet sind.<br />

Vielen Dank für <strong>das</strong> Gespräch! f<br />

Fotos: Lars Wilhelm / toom<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


Advertorial<br />

Faire<br />

Weihnachtsbäume<br />

Dekorierte Weihnachtsbäume<br />

gehören in Deutschland zur<br />

Weihnachtstradition. Bevor<br />

die Nordmanntannen aber<br />

unsere Wohnzimmer schmücken,<br />

haben ihre Samen einen<br />

weiten Weg hinter sich. Dabei<br />

birgt die Zapfenernte im<br />

fernen Georgien große Sicherheitsrisiken<br />

für die Arbeiter.<br />

toom Baumarkt sorgt dafür,<br />

<strong>das</strong>s sich die Arbeits- und<br />

Lebenssituation der Männer<br />

und ihrer Familien nachhaltig<br />

verbessert.<br />

dank<br />

toom<br />

Plätzchen backen, die letzten Geschenke<br />

für die Liebsten einkaufen<br />

und <strong>das</strong> Festessen planen:<br />

Der Advent steht vor der Tür und damit<br />

gibt es zahlreiche Aufgaben, die noch<br />

bis Heiligabend zu erledigen sind. Dazu<br />

gehört für viele auch der Kauf des passenden<br />

Weihnachtsbaums. Wie wichtig<br />

diese Tradition für deutsche Haushalte<br />

ist, verdeutlichen die jährlichen Absatzzahlen:<br />

So werden hierzulande pro Jahr<br />

über 30 Millionen Weihnachtsbäume<br />

verkauft. Dabei erfreut sich insbesondere<br />

die hochgewachsene Nordmanntanne<br />

großer Beliebtheit bei Kundinnen und<br />

Kunden, machen sie doch rund 75 Prozent<br />

der Weihnachtsbäume aus.<br />

Auch toom Baumarkt hat die Nordmanntannen<br />

ab November wieder in seinem<br />

Sortiment und bietet diese online <strong>oder</strong><br />

in den Baumärkten an. Das Besondere:<br />

Alle Bäume tragen <strong>das</strong> „Fair Trees“- und<br />

<strong>das</strong> „Pro Planet“-Label. „Seit Jahren verfolgen<br />

wir einen ökologisch wie sozial<br />

nachhaltigeren Ansatz, um unsere Pro-<br />

dukte und Services auf umweltfreundlichere<br />

Alternativen umzustellen <strong>oder</strong> die<br />

entsprechenden Arbeitsbedingungen zu<br />

verbessern. Da hört unser Engagement<br />

zur Weihnachtszeit natürlich nicht auf“,<br />

erklärt Kai Battenberg, Senior Manager<br />

Sustainability bei toom. „Bereits seit<br />

2018 arbeiten wir mit der dänischen<br />

Fair Trees Stiftung zusammen, um die<br />

Arbeits- und Lebensbedingungen der<br />

Menschen in der Ernteregion zu verbessern.<br />

Unsere fairen Bäume bedeuten für<br />

uns, <strong>das</strong>s sie fair zum Menschen, fair<br />

zur Umwelt und fair im Preis sind.“<br />

Nordmanntannen: toom bekämpft soziale<br />

Risiken am Anfang der Lieferkette<br />

Wie bei den meisten Produkten, die wir<br />

kaufen, sind auch bei den Nordmanntannen<br />

die größten Nachhaltigkeitsrisiken<br />

am Anfang der Lieferkette zu finden.<br />

Denn ihren Ursprung haben die beliebten<br />

Weihnachtsbäume oftmals in der georgischen<br />

Region Racha. Dort wachsen<br />

in einem Naturwald die weltweit besten<br />

Nordmanntannen, von denen 80 Prozent<br />

der Samen für die hiesigen Christbäume<br />

stammen. Das Problem: Um an die Samen<br />

heranzukommen, müssen Arbeiter<br />

im September die Zapfen aus den bis zu<br />

30 Meter hohen Baumwipfeln pflücken.<br />

Die Arbeiter sind für die gefährliche Tätigkeit<br />

kaum ausgebildet, Sicherheitsstandards<br />

bei der Ernte sind zumeist<br />

unzureichend.<br />

„Vor Beginn der Ernte machen wir ein<br />

fünftägiges Klettertraining mit abschließendem<br />

Test. Dabei geht es uns darum<br />

64<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


sicherzustellen, <strong>das</strong>s die Arbeiter alle<br />

fit sind für die Saison“, erklärt Michael<br />

Kraus, Klettertrainer bei Fair Trees. Die<br />

Stiftung Fair Trees hat sich zum Ziel<br />

gesetzt, die Arbeitsbedingungen bei<br />

der Zapfenernte und die Lebensbedingungen<br />

in Racha insgesamt nachhaltig<br />

zu verbessern. Zu diesem Engagement,<br />

<strong>das</strong> toom unterstützt, zählen neben dem<br />

Klettertraining nach deutschen Standards<br />

noch viele weitere Aspekte:<br />

▸ Die Zapfenpflücker erhalten ein professionelles<br />

Kletter-Equipment und<br />

eine doppelte Sicherung bei der Ernte<br />

Fotos: MICHAEL HECK / toom<br />

▸ sowie eine Unfallversicherung während<br />

der Erntesaison<br />

▸ und eine ganzjährige Krankenversicherung<br />

für die Familie der Zapfenpflücker.<br />

▸ Mit dazu gehören ebenfalls <strong>das</strong> Proben<br />

von Verhalten bei Unfällen in einem<br />

Erste-Hilfe-Kurs des Roten Kreuzes,<br />

▸ <strong>das</strong> Anlegen von Rettungsrouten im<br />

Wald und die Entwicklung von Notfallstrategien,<br />

um eine schnelle Hilfe bei<br />

Unfällen zu gewährleisten.<br />

Neues Projekt mit Fairtrade Deutschland<br />

Nicht nur <strong>das</strong> nachhaltigere Pflanzen Weihnachtssortiment bei toom – bestehend<br />

aus Nordmanntannen, nachhaltigeren Adventskränzen und -gestecken<br />

sowie Fairtrade-Weihnachtssternen – <strong>kann</strong> sich sehen lassen: Aktuell haben<br />

Fairtrade Deutschland und die Baumarktkette ein Pilotprojekt für mehr Jungpflanzen<br />

mit Fairtrade-Siegel gestartet. Denn um die positive Wirkung von<br />

Fairtrade auf Stecklingsfarmen zu erhöhen, müssen mehr Pflanzen mit dem<br />

Fairtrade-Siegel verkauft werden. Der Hintergrund: Die meisten Jungpflanzen,<br />

die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland kaufen, haben ihren<br />

Ursprung in Lateinamerika <strong>oder</strong> Afrika. Für die Arbeiterinnen und Arbeiter dort<br />

bringt eine Fairtrade-Zertifizierung neben einer fest definierten Lohnuntergrenze<br />

weitere Vorteile. Dazu gehören feste Arbeitsverträge, Mutterschutz, Schutzbekleidung<br />

und Arbeitsschutztrainings.<br />

Das neue Projekt soll die Fairtrade-Prämieneinnahmen der Arbeiterinnen und<br />

Arbeiter im Süden erhöhen, die Kosten im Norden verringern und Fairtrade-Jungpflanzen<br />

so für eine Vielzahl an Beet-, Balkon- und Zimmerpflanzen zu einer echten,<br />

nachhaltigeren Alternative zu herkömmlichen Stecklingen machen.<br />

Damit sich die Lebenssituation der Menschen<br />

in Racha, einer wirtschaftlich<br />

schwachen Region, verbessert, bezahlen<br />

Fair Trees und toom faire Löhne an die<br />

Erntehelfer und initiieren zahlreiche soziale<br />

Projekte in der Region. Dazu gehören<br />

etwa die Anschaffung hochwertiger<br />

Materialien für den Chemie-, Physik- und<br />

Sportunterricht <strong>oder</strong> die Gründung eines<br />

Mädchenfußballclubs. Die Baumarktkette<br />

und die Stiftung machen sich außerdem<br />

für die allgemeine Vorsorge der Menschen<br />

stark: „Gemeinsam mit dem Georgischen<br />

Roten Kreuz bietet die Stiftung regelmäßige<br />

Krebsvorsorgescreenings, Gesundheits-Checkups,<br />

psychosoziale Unterstützung<br />

sowie Katastrophenschulungen für<br />

Familien an“, so Battenberg. „Des Weiteren<br />

konnte mit unserer Unterstützung<br />

eine Zahnarztpraxis eröffnet werden, die<br />

allen Grundschülern und Grundschülerinnen<br />

in der Region kostenfreie Behandlungen<br />

ermöglicht.“ ■<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de 65


<strong>Purpose</strong><br />

Fotos: Klar Seifen<br />

66 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

DER<br />

Manufakturen-<br />

SAMMLER<br />

Traditionelles Handwerk<br />

erhalten und die Betriebe<br />

dahinter zukunftsfähig<br />

machen: Diese Aufgabe<br />

begeistert Jan Heipcke.<br />

Der 40-Jährige übernimmt<br />

Unternehmen, in der Produkte<br />

größtenteils noch per Hand<br />

gefertigt werden. Sein Antrieb<br />

ist es, Manufakturwissen und<br />

traditionelle Fertigkeiten zu<br />

erhalten, um damit<br />

langlebige Produkte<br />

herzustellen.<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

67


<strong>Purpose</strong><br />

„<br />

Nachhaltigkeit<br />

ist uns ein<br />

besonderes<br />

Anliegen, deshalb<br />

sind die Produkte<br />

plastikfrei<br />

verpackt und<br />

besonders<br />

langlebig. Jan Heipcke<br />

Dass einige Familienunternehmen<br />

den Schritt<br />

in die Zukunft nicht aus<br />

eigener Kraft schaffen,<br />

erlebte Jan Heipcke bereits während<br />

seines BWL-Studiums: „Ich habe Betriebe<br />

kennengelernt, die in ihrer Historie<br />

steckenbleiben und ihre Produkte nicht<br />

weiterentwickeln, dadurch verlieren<br />

sie ihre Marktnähe und damit enormes<br />

Potential.“ Doch <strong>das</strong> traditionelle<br />

Handwerk, <strong>das</strong> viele Betriebe zu bieten<br />

hatten, faszinierte Heipcke, die Wertigkeit<br />

und Langlebigkeit handgefertigter<br />

Produkte ließen ihn nicht mehr los. Zusammen<br />

mit einem Freund gründete er<br />

die Unternehmenspension, eine GmbH,<br />

die kleine und mittelständische Betriebe<br />

mehrheitlich übernimmt und in die<br />

Zukunft führt. Mittlerweile gehören<br />

drei Unternehmen dazu: Klar Seifen,<br />

Edel Naturwaren und Strunkmann &<br />

Meister.<br />

Mit Seifen fing alles an<br />

Vor mehr als zehn Jahren übernimmt<br />

Jan Heipcke die älteste Seifenmanufaktur<br />

Deutschlands, Klar Seifen aus Heidelberg.<br />

Er sah Potenzial in dem Unternehmen<br />

von 1840. Klar Seifen hat bis<br />

2009 größtenteils in der Lohnherstellung<br />

für andere Unternehmen gefertigt<br />

und kaum in die eigene Marke investiert,<br />

weshalb es für <strong>das</strong> Unternehmen<br />

schwierig war, den Markt mitzuentwickeln.<br />

Genau <strong>das</strong> ging Jan Heipcke an:<br />

„Heute setzen wir vor allem auf unsere<br />

eigenen kundennahen Produkte, welche<br />

wir stetig weiterentwickeln.“ Genau zur<br />

richtigen Zeit, denn <strong>das</strong> Image der festen<br />

Seife wandelte sich bald.<br />

Der Klassiker aus bunt gekachelten<br />

70er-Jahre-Bädern, den die Flüssigseife<br />

rasch verdrängte, ist heute angesagtes<br />

Zero-waste-Produkt für Haut und Haar.<br />

68 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Doch für Heipcke umfasst <strong>das</strong> Thema<br />

mehr: „Nachhaltigkeit ist uns ein besonderes<br />

Anliegen, deshalb sind die<br />

Produkte plastikfrei verpackt und besonders<br />

langlebig“, sagt er. „Wir möchten<br />

den Trend des umweltbewussten<br />

Konsums unterstützen.“ Das Unternehmen<br />

kommuniziert die eigenen Nachhaltigkeitsziele<br />

und deren Fortschritte<br />

transparent auf der Website. Die festen<br />

Seifen für Hand, Körper und Haare bestehen<br />

aus rein natürlichen Inhaltsstoffen<br />

und werden in der Region >><br />

>><br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

69


Heidelberg gefertigt. Zudem sind sie<br />

frei von jeglichen tierischen Bestandteilen<br />

und damit vegan. Darüber hinaus<br />

hat <strong>das</strong> Unternehmen die Umstellung<br />

aller Produkte auf palmölfreie Inhaltsstoffe<br />

zu großen Teilen abgeschlossen.<br />

Unternehmen zukunftsfähig machen<br />

Nicht jeder Traditionsbetrieb <strong>kann</strong> erhalten<br />

bleiben: „Das funktioniert natürlich<br />

nur, wenn Produkte angeboten<br />

werden, die ein Markt abnehmen möchte“,<br />

sagt Heipcke. Bei Unternehmen mit<br />

dieser Voraussetzung gebe es, je nach<br />

Situation, unterschiedliche Meilensteine,<br />

um zukunftsfähig zu werden. Das<br />

können interne Prozesse wie Digitalisierung,<br />

Besetzungen <strong>oder</strong> auch eine<br />

bessere Ausrichtung des Produktsortiments<br />

sowie Schärfung der Marketingmaßnahmen<br />

sein.<br />

Auf dem Weg vom Traditionsbetrieb zu<br />

einem zukunftsfähigen Unternehmen<br />

funktioniert jedoch nicht immer alles<br />

gleich so reibungslos, wie man sich <strong>das</strong><br />

vorher vorstellt. Das weiß Jan Heipcke<br />

mittlerweile aus Erfahrung: „Es ist beispielsweise<br />

nie leicht, innerbetriebliche,<br />

festgefahrene Strukturen aus der<br />

Vergangenheit aufzubrechen.“ Doch<br />

die Arbeit lohne sich allemal: „Wenn<br />

man es schafft, eine Manufaktur nicht<br />

einstauben zu lassen und den Markt im<br />

Blick behält, ist es möglich, hochwertige<br />

Produkte aus Traditionsbetrieben zu<br />

erhalten“, sagt Heipcke. Das nachhaltige<br />

Wirtschaften sei dabei kein Widerspruch<br />

in sich, im Gegenteil: „Für einige<br />

Marktbegleiter ist der Fokus auf Nachhaltigkeit<br />

sogar der einzige Grund zur<br />

Wirtschaftlichkeit.“ Auch für die Unternehmenspension<br />

steht Nachhaltigkeit<br />

an erster Stelle.<br />

70


<strong>Purpose</strong><br />

„<br />

Wenn man es<br />

schafft, eine<br />

Manufaktur<br />

nicht einstauben<br />

zu lassen und<br />

den Markt im Blick<br />

behält, ist es möglich,<br />

hochwertige Produkte<br />

aus Traditionsbetrieben<br />

Jan Heipcke zu erhalten.<br />

Lebenslange Zufriedenheitsgarantie<br />

Das gilt auch für Strunkmann & Meister<br />

mit der Textil-Marke seit1832. Umweltverträglich<br />

und vegan sind bei Heimtextilien<br />

wie Bettwäsche keine selbstverständlichen<br />

Eigenschaften. Viele der zur<br />

Herstellung verwendeten Stoffe werden<br />

aus tierischen Produkten gewonnen.<br />

So besteht Seide aus Fasern von Raupenkokons<br />

und Perlmuttknöpfe aus<br />

der Innenschale von Muscheln. Vegane<br />

Bettwäsche hingegen wird zum Beispiel<br />

aus Stoffen wie Leinen, Satin, Flanell<br />

<strong>oder</strong> Hanf hergestellt und verwendet<br />

Textilknöpfe. Alle Produkte der Marke<br />

seit1832 sind vegan und zudem plastikfrei.<br />

„Uns ist <strong>das</strong> Thema so wichtig, <strong>das</strong>s<br />

wir bei unserer Bettwäschemarke ein<br />

lebenslanges Versprechen geben“, so<br />

Jan Heipcke, „sollte irgendwas an dem<br />

Produkt nicht mehr in Ordnung sein,<br />

sich also eine Naht <strong>oder</strong> ein Knopf lösen,<br />

bessern wir es kostenfrei aus.“<br />

Mit Strunkmann & Meister, Klar Seifen<br />

und Edel Naturwaren setzt Jan Heipcke<br />

auf nachhaltige Bettwäsche, Seifen und<br />

Naturkosmetik. Und er schließt weitere<br />

Investitionen in Traditionsbetriebe nicht<br />

aus: „Es gibt noch freie Plätze in der Unternehmenspension.“<br />

f<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

71


<strong>Purpose</strong><br />

Braven<br />

verhilft<br />

Hochschulabsolventen<br />

zu einem<br />

guten Start<br />

in die<br />

Arbeitswelt<br />

Von Gabriela Ensinck<br />

Bildung ist einer der bedeutsamsten<br />

Prädiktoren für die Perspektiven für unseren<br />

Lebensverlauf. Der Zugang zu Bildung ist<br />

jedoch ungleich verteilt und die Chancen<br />

darauf stehen nicht allen gleichermaßen<br />

offen. Fast 1,3 Millionen Menschen aus<br />

Familien mit niedrigem Einkommen<br />

beginnen jedes Jahr in den Vereinigten<br />

Staaten ein Studium in der Hoffnung, <strong>das</strong>s<br />

ihnen der Abschluss den Weg zu<br />

wirtschaftlicher Mobilität ebnen wird.<br />

Die Realität sieht jedoch anders aus:<br />

Nur drei von zehn Absolventinnen und<br />

Absolventen erwartet nach der Universität<br />

ein guter erster Job.<br />

„Rasse, Geschlecht und Einkommenshintergrund sollten nicht<br />

ausschlaggebend dafür sein, ob man gleich bezahlt wird <strong>oder</strong><br />

nicht und ob man die gleichen Möglichkeiten hat, seine Karriere<br />

voranzutreiben“, sagt Aimée Eubank Davies, CEO und<br />

Gründerin von Braven. Die Nichtregierungsorganisation hat<br />

sich darauf konzentriert, farbige Studierende und solche aus<br />

einkommensschwachen Schichten für <strong>das</strong> Arbeitsleben zu<br />

stärken. „Unsere Mission ist einfach: Wir wollen sicherstellen,<br />

<strong>das</strong>s Studierende, die als erste in ihrer Familie ein College besuchen,<br />

nach ihrem Abschluss einen guten ersten Job bekommen.<br />

Das eröffnet ihnen ein Leben voller Möglichkeiten“, sagt<br />

Aimée Eubank Davies.<br />

Ihr leiblicher Vater starb an Krebs, als sie zwei Jahre alt war.<br />

Daraufhin musste sie mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern<br />

in ein benachteiligtes Viertel in Chicago ziehen. Dank eines<br />

Stipendiums konnte sie die Universität besuchen. Nach ihrem<br />

Abschluss schloss sie sich dem Netzwerk Teach For America<br />

in New Orleans an und wurde Lehrerin in einer sechsten<br />

Klasse. Viele Jahre später stellte sie fest, <strong>das</strong>s es ihren ehemaligen<br />

Schülern und Schülerinnen zwar nicht an Talent <strong>oder</strong><br />

Entschlossenheit mangelte, es ihnen aber an Selbstvertrauen,<br />

praktischen Fähigkeiten, Erfahrungen und Netzwerken fehlte<br />

als Voraussetzung dafür, um nach dem College eine gute erste<br />

Arbeitsstelle zu finden. Diese Erkenntnis veranlasste Aimée<br />

Eubank Davies 2013 zur Gründung von Braven, um benachteiligten<br />

Menschen den Weg von der Ausbildung in den Beruf<br />

zu ebnen.<br />

Die Lücken füllen<br />

Nach Angaben des Economic Policy Institute verdienen lateinamerikanische<br />

Hochschulabsolvent:innen nur etwa 85 Cent<br />

für jeden Dollar, den ihre weißen Kollegen und Kolleginnen<br />

72 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


„<br />

<strong>Purpose</strong><br />

Foto: Braven<br />

in den Vereinigten Staaten verdienen.<br />

Schwarze Hochschulabsolvent:innen<br />

verdienen im Durchschnitt nur 78 Cent.<br />

Bei Afroamerikaner:innen mit einem<br />

Bachelor of Arts ist die Wahrscheinlichkeit<br />

doppelt so hoch wie bei ihren<br />

weißen Kommilitonen und Kommilitoninnen,<br />

<strong>das</strong>s sie nicht <strong>oder</strong> unterbeschäftigt<br />

sind. Einkommensschwache Studierende<br />

mit einem College-Abschluss<br />

verdienen 66 Prozent dessen, was ihre<br />

wohlhabenderen Kommilitonen und<br />

Kommilitoninnen in ihrem ersten Job<br />

nach dem College verdienen, während<br />

sie in der Mitte ihrer Laufbahn nur<br />

50 Prozent verdienen.<br />

Auch <strong>das</strong> Geschlechtergefälle ist besorgniserregend.<br />

Forscher:innen des Center<br />

on Education and the Workforce der<br />

Georgetown University fanden heraus,<br />

<strong>das</strong>s weiße männliche College-Absolventen<br />

zu einer um mehr als zehn Prozent<br />

höheren Wahrscheinlichkeit einen<br />

guten Job haben werden – sprich: mit<br />

einem familiengerechten Gehalt – als<br />

schwarze <strong>oder</strong> hispanische Männer mit<br />

einem vierjährigen College-Abschluss.<br />

Während die Kluft zwischen weißen<br />

und schwarzen Frauen mit Hochschulabschluss<br />

geringer ist, sind hispanische<br />

Frauen mit Hochschulabschluss ähnlich<br />

benachteiligt wie ihre männlichen Kollegen.<br />

Es ist sehr wichtig,<br />

wen man kennt.<br />

Tatsächlich<br />

haben Personen<br />

mit größeren<br />

Netzwerken<br />

Zugang zu<br />

besseren<br />

Möglichkeiten.<br />

Aimée Eubank Davies.<br />

CEO und Gründerin von Braven<br />

Diese anhaltende Ungleichheit könnte<br />

die Idee untergraben, <strong>das</strong>s die Hochschulbildung<br />

ein Motor für sozioökonomische<br />

Mobilität ist. Die Daten zeigen,<br />

<strong>das</strong>s unterrepräsentierte Studierende<br />

und Studierende der ersten Generation<br />

seltener an Aktivitäten wie Praktika und<br />

Networking teilnehmen, die den Bewerber:innen<br />

helfen, sich von anderen Bewerber:innen<br />

abzuheben.<br />

Die Gründe dafür sind vielschichtig: So<br />

haben diese Studierenden etwa nur wenige<br />

Vorbilder, an denen sie sich orientieren<br />

können; zudem sind unbezahlte<br />

Praktika für diejenigen, die finanzielle<br />

Unterstützung erhalten, keine Option;<br />

und aktuelle berufliche und familiäre<br />

Verpflichtungen lassen ihnen wenig<br />

Zeit, sich auf die Zukunft vorzubereiten.<br />

Aber nicht nur die akademische Ausbildung<br />

ist wichtig, sondern auch die Erfahrungen,<br />

die Studierende außerhalb<br />

des Hörsaals machen, haben einen großen<br />

Einfluss. Eine Umfrage der National<br />

Association of Colleges and Employers<br />

aus dem Jahr 2021 unter Arbeitgebern<br />

ergab, <strong>das</strong>s ein Praktikum, ob bei einer<br />

bestimmten Organisation <strong>oder</strong> innerhalb<br />

einer Branche, bei Einstellungsentscheidungen<br />

mehr zählt als <strong>das</strong><br />

Hauptfach <strong>oder</strong> der Notendurchschnitt<br />

der Hochschulabsolvent:innen. Doch die<br />

Studierenden, die am meisten von Praktika<br />

profitieren könnten, absolvieren<br />

seltener welche. Schwarze und hispanische<br />

Studierende absolvieren zu 16 bzw.<br />

18 Prozent seltener ein Praktikum als<br />

ihre weißen Kommilitoninnen und Kommilitonen.<br />

Eine Erfahrung, von der alle<br />

profitieren<br />

In Zusammenarbeit mit Universitäten,<br />

Arbeitgebern und philanthropischen<br />

Organisationen unterstützt Braven Studierende<br />

auf ihrem Weg vom College<br />

zum Beruf. Im Rahmen eines zweiteiligen<br />

Prozesses nehmen sie an einem anrechenbaren<br />

College-Kurs teil, dem ein<br />

zweiter Programmteil folgt, der bis zum<br />

Abschluss andauert.<br />

„Es ist sehr wichtig, wen man kennt. Tatsächlich<br />

haben Personen mit größeren<br />

Netzwerken Zugang zu besseren Möglichkeiten“,<br />

sagt Aimée Eubank Davies.<br />

„Wenn Sie ein Student der ersten Generation<br />

sind, denken Sie vielleicht, <strong>das</strong>s<br />

Ihr College-Abschluss allein ausreicht,<br />

aber <strong>das</strong> ist einfach nicht der Fall.“<br />

Partnerschaften mit Arbeitgebern, die<br />

einen gemeinsamen Nutzen haben,<br />

spielen eine Schlüsselrolle. „Für die<br />

Arbeitgeber“, so fährt sie fort, „bieten<br />

diese Partnerschaften Zugang zu neuen<br />

Quellen für künftige Talente sowie eine<br />

praxisnahe und integrative Führungsentwicklung<br />

für die derzeitigen Talente.<br />

Für die Fellows bauen diese Partnerschaften<br />

starke berufliche Netzwerke<br />

auf und öffnen Türen zu guten Jobs und<br />

Praktika.“<br />

Bis heute hat Braven mit 4.500 Studierenden<br />

an fünf Universitäten in den<br />

USA gearbeitet: Rutgers University-Newark,<br />

San José State, Lehman College,<br />

National Louis University und Spelman<br />

College. „Mehr denn je“, erklärt Aimée<br />

Eubank Davies, „müssen College-Studenten<br />

aus bescheidenen Verhältnissen<br />

darauf vorbereitet werden, in der m<strong>oder</strong>nen<br />

Wirtschaft zu bestehen, und Braven<br />

hilft dabei, die Wohlstands- und Gerechtigkeitslücke<br />

zu schließen.“ f<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

73


<strong>Purpose</strong><br />

Próspera<br />

Eine private Stadt für Reiche<br />

Von Gabriela Ensinck<br />

Foto: Doug Miles / stock.adobe.com<br />

Wir erwarten von Unternehmen, <strong>das</strong>s sie gesellschaftliche<br />

Verantwortung übernehmen. Aber was ist, wenn sie gleich den<br />

ganzen Staat stellen? In Honduras entwickeln reiche Investoren<br />

autonome Enklaven mit eigenen Gesetzen. In einem Land, <strong>das</strong> in<br />

Korruption, Drogensumpf und Verelendung versinkt, ist <strong>das</strong> für<br />

manche ein Hoffnungsschimmer, für andere eine Dystopie.<br />

74 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Die Sonderwirtschaftszonen (kurz:<br />

ZEDEs) wurden in Honduras<br />

unter der Prämisse geschaffen,<br />

ausländische Investitionen anzuziehen.<br />

Ihre Gegner warnen davor, <strong>das</strong>s sie die<br />

Schaffung eines Staates im Staat bedeuten<br />

und die territoriale Integrität und<br />

die Menschenrechte gefährden. Utopie<br />

<strong>oder</strong> Albtraum angesichts eines gescheiterten<br />

Staates?<br />

„Próspera fördert ein nachhaltiges,<br />

marktorientiertes Unternehmenswachstum<br />

und gewährleistet gleichzeitig<br />

ökologische Verantwortung und<br />

soziale Integration.“ Mit diesen Worten<br />

wirbt ein privates Entwicklungsprojekt<br />

auf dem honduranischen Inselparadies<br />

Roatán.<br />

Das Projekt ist in den Rahmen der ZEDE<br />

eingebettet, die durch eine Verfassungsreform<br />

im Jahr 2013 während der Präsidentschaft<br />

von Porfirio Lobo geschaffen<br />

und während der Amtszeit seines<br />

Nachfolgers Juan Orlando Hernández<br />

in Kraft gesetzt wurde. Letzterer wurde<br />

zwischenzeitlich <strong>weg</strong>en Drogenhandels<br />

an die Vereinigten Staaten ausgeliefert.<br />

Die ZEDEs versprechen, „Modellstädte“<br />

zu sein, um Investitionen in ein Land zu<br />

locken, <strong>das</strong> angesichts von 70 Prozent<br />

unterhalb der Armutsgrenze lebenden<br />

Menschen geradezu danach lechzt.<br />

Dennoch warnt auch die UN in einem<br />

Dokument vom Juni 2021 davor, <strong>das</strong>s<br />

„ihre Umsetzung ernsthafte Risiken für<br />

die Gewährleistung der Menschenrechte<br />

mit sich bringen könnte“.<br />

Daraufhin hat der honduranische Nationalkongress<br />

im April dieses Jahres <strong>das</strong><br />

ZEDE-Gesetz – <strong>das</strong> neun Jahre zuvor<br />

verabschiedet wurde – mit der Begründung<br />

aufgehoben, es bedeute eine Abtretung<br />

der Souveränität an ausländische<br />

Unternehmen. Andere vermuten eher<br />

Rache als Motivation, denn die Abschaffung<br />

dieser Sonderzonen war eines der<br />

Wahlkampfversprechen der derzeitigen<br />

honduranischen Präsidentin Xiomara<br />

Castro, Ehefrau des ehemaligen Präsidenten<br />

Manuel Zelaya, der 2009 durch<br />

einen Staatsstreich gestürzt wurde und<br />

so den Weg für Porfirio Lobo frei machte.<br />

Da die ZEDE jedoch durch eine Verfassungsreform<br />

geschaffen wurde, könnte<br />

ihre Abschaffung die gesamte Verfassung<br />

des mittelamerikanischen Staates<br />

für ungültig erklären. Die Investoren von<br />

Próspera und zwei weiteren Projekten<br />

auf honduranischem Territorium bereiten<br />

zudem millionenschwere Klagen vor.<br />

Koloniale Enklaven<br />

Einem Bericht des CESPAD (Centro de<br />

Estudios para la Democracia) zufolge<br />

werden derzeit drei Projekte im Rahmen<br />

der ZEDE-Regelung durchgeführt:<br />

Orquídea, ein agroindustrielles Exportunternehmen<br />

in der Gemeinde San Marcos<br />

de Colón im Südwesten des Landes;<br />

Morazán als Industriepark in Choloma<br />

am Karibischen Meer; und eben Próspera<br />

auf der Insel Roatán, <strong>das</strong> zur Finanz-,<br />

Bildungs-, Gesundheits- und Tourismusenklave<br />

ausgebaut werden soll.<br />

Die Anfänge dieser Art von Unternehmen<br />

in Lateinamerika gehen auf <strong>das</strong><br />

Ende des 19. Jahrhunderts zurück, als<br />

die ersten Bananengesellschaften gegründet<br />

wurden, von denen United Fruit<br />

die be<strong>kann</strong>teste war. Im Jahr 1928 versuchte<br />

Henry Ford, im brasilianischen<br />

Amazonasgebiet eine Industriestadt<br />

mit eigenen Gesetzen und einer eigenen<br />

Währung zu errichten. Doch die<br />

Idee wurde zehn Jahre später zunichte<br />

gemacht, als die Gummibäume, die er<br />

zur Selbstversorgung aus Asien mitgebracht<br />

hatte, sich nicht an die Umweltbedingungen<br />

des Amazonas anpassen<br />

konnten.<br />

In Argentinien ließ sich <strong>das</strong> englische<br />

Unternehmen „La Forestal“ in einem<br />

großen Gebiet des Chaqueño-Waldes<br />

nieder und beanspruchte zwei Millionen<br />

Hektar auf dem Gebiet der heutigen Provinzen<br />

Chaco, Santiago del Estero und<br />

Santa Fe. Es gründete dort 40 Dörfer<br />

und 30 Fabriken, verfügte über 400 Kilometer<br />

Eisenbahnstrecke und einen eigenen<br />

Exporthafen. La Forestal wurde >><br />

75


<strong>Purpose</strong><br />

Foto: SCStock / stock.adobe.com<br />

zwischen 1920 und 1950 zum weltweit<br />

führenden Hersteller und Exporteur von<br />

Tannin, <strong>das</strong> aus dem Quebracho-Baum<br />

gewonnen wird. Schlechte Arbeitsbedingungen<br />

und Misshandlungen durch die<br />

Chefs (die die Arbeiter mit Gutscheinen<br />

bezahlten, die sie in ihren eigenen Vorratskammern<br />

kaufen konnten) führten<br />

1921 zu einem Aufstand, der mit dem<br />

Tod von fast 500 Arbeitern endete. Als<br />

La Forestal 1960 <strong>das</strong> Land verließ, hinterließ<br />

es einen Wald inmitten eines<br />

Waldes und verursachte eine Umweltkatastrophe,<br />

die die Landschaft und die<br />

Produktionsmöglichkeiten in der Region<br />

für immer veränderte.<br />

Souveränität als Gegenleistung für<br />

Investitionen<br />

„Die genehmigten ZEDEs stellen ein<br />

neues Modell der Kolonialisierung im<br />

21. Jahrhundert dar“, argumentiert die<br />

honduranische Juristin und Kongressabgeordnete<br />

Maribel Espinoza im Gespräch<br />

mit UmweltDialog. „Es ist eine<br />

Sache, Erleichterungen für ausländische<br />

Investitionen zu schaffen, und eine andere,<br />

die Souveränität aufzugeben und<br />

ausländischen Unternehmen zu erlauben,<br />

ihre eigenen Gesetze zu diktieren.“<br />

Ein nicht unwichtiges Detail ist, <strong>das</strong>s<br />

die ZEDEs gemäß Artikel 329 der Verfassung<br />

den Status einer autonomen<br />

Gemeinde des Staates Honduras haben<br />

und befugt sind, alle für die Förderung<br />

von Investitionen <strong>oder</strong> Projekten erforderlichen<br />

Genehmigungen und Lizenzen<br />

zu erteilen. Für ihre Einrichtung ist<br />

keine Bürgerbeteiligung erforderlich. Es<br />

genügt, ein Projektprofil, einen Finanzplan<br />

und eine Umweltverträglichkeitsstudie<br />

vorzulegen, die vom CAMP (Committee<br />

for the Adoption of Best Practices)<br />

genehmigt werden müssen. Dieses Gremium<br />

besteht aus 21 Mitgliedern, davon<br />

17 Ausländer und vier Honduraner, die<br />

2013 direkt vom ehemaligen Präsidenten<br />

Porfirio Lobo ausgewählt wurden.<br />

Der Wirtschaftswissenschaftler und<br />

Vizepräsident des Nationalkongresses<br />

Hugo Noé Pino erklärt: „Die ZEDEs wurden<br />

entwickelt, um die Entwicklung in<br />

Gebieten mit geringer Bevölkerungsdichte<br />

und fehlender Infrastruktur zu<br />

fördern. Aber hier wurden sie auf der<br />

Insel Roatán installiert, wo die Infrastruktur<br />

bereits vorhanden war, und wo<br />

es Tourismus- und Hotelanlagen von internationalem<br />

Standard gibt“. Pino weiter:<br />

„Mit dem Mythos, <strong>das</strong>s ausländische<br />

Investitionen <strong>das</strong> Land entwickeln würden,<br />

ist Honduras seit Jahrhunderten<br />

ein konzessionärer Staat. Land, Steuervergünstigungen<br />

und die Nutzung von<br />

Flüssen wurden an Bananenunternehmen,<br />

Bergbauunternehmen und heute<br />

an die ZEDEs vergeben.“<br />

Träume vom Wohlstand<br />

Die 2013 von dem venezolanisch-amerikanischen<br />

Unternehmer Erick Brimen<br />

und dem Guatemalteken Gabriel Delgado<br />

Ayau gegründete Honduras Próspera<br />

Inc. ist Träger und Organisator der<br />

Próspera ZEDE, deren selbsternannter<br />

<strong>Purpose</strong> darin besteht, „Governance-<br />

Dienstleistungen auf hohem Niveau zu<br />

erbringen, um den Wohlstand der Gesellschaften<br />

zu fördern“, erklärt Jorge<br />

Constantino Colindres, technischer Sekretär<br />

der Próspera ZEDE. „Diese Governance-Dienstleistung<br />

bietet ein Common-Law-Rechtssystem,<br />

den Schutz von<br />

Privateigentum, Vertragsfreiheit und<br />

Menschenrechten, ein wettbewerbsfähiges<br />

Steuersystem, eine transparente<br />

Verwaltung und die Übernahme von<br />

Best Practices <strong>oder</strong> Regulierungsstandards<br />

in den Bereichen Gesundheit,<br />

Finanzen, Bildung und Umwelt“, so<br />

Colindres weiter.<br />

„Auf unserer Plattform werden Wohn-,<br />

Gewerbe- und Büroimmobilien, der Export<br />

professioneller Dienstleistungen,<br />

Bitcoin-Entwicklung, Hotel und Tourismus,<br />

eine fortschrittliche Schreinerei,<br />

eine Montessori-Schule, eine Online-Universität,<br />

Arbeitsvermittlungen,<br />

landwirtschaftliche Plantagen, Anwaltskanzleien,<br />

Buchhalter, Marketing, Investmentfonds,<br />

Banken, Unternehmen<br />

für die Tokenisierung von Vermögenswerten,<br />

Fintech-Zahlungsabwickler, Fit-<br />

76 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

nessstudios, Schönheitssalons und medizinische<br />

Kliniken entwickelt“, zählt<br />

Colindres auf und betont, <strong>das</strong>s „nicht<br />

alle Projekte von Honduras Próspera,<br />

Inc. betrieben werden. Im Gegenteil: die<br />

meisten stammen von Dritten, die sich<br />

entschieden haben, ihre Geschäfte über<br />

unsere Plattform abzuwickeln“.<br />

Die derzeitigen Investitionen von Honduras<br />

Próspera, Inc. belaufen sich auf<br />

über 80 Millionen US-Dollar und sollen<br />

bis 2025 rund 500 Millionen US-Dollar<br />

erreichen. „Das meiste davon kommt<br />

aus den Vereinigten Staaten. Darüber hinaus<br />

hat Próspera ZEDE Investoren unter<br />

anderem aus Kanada, Deutschland,<br />

Honduras, Guatemala und der Slowakei<br />

angezogen“, sagt Colindres.<br />

Die Geschäftsführung weist darauf hin,<br />

<strong>das</strong>s derzeit rund 1.000 Personen in<br />

etwa 100 Unternehmen arbeiten; etwa<br />

500 sind im Baugewerbe tätig, 300 im<br />

Bereich der Exportdienstleistungen, 120<br />

im Tourismus, im Hotel- und Gaststättengewerbe<br />

und der Rest in anderen Bereichen<br />

des Finanzwesens, des Handels<br />

und der Dienstleistungen.<br />

„Mit Próspera ZEDE geben wir den<br />

Honduranern die Möglichkeit, in einem<br />

Umfeld mit klaren und wettbewerbsfähigen<br />

Regeln, Sicherheit und effizienten<br />

Dienstleistungen zu arbeiten, zu leben<br />

und Geschäfte zu machen. Darüber hinaus<br />

haben wir die Wirtschaft und die Art<br />

der ausländischen Direktinvestitionen,<br />

die nach Honduras kommen, diversifiziert.<br />

Traditionell waren ausländische<br />

Direktinvestitionen auf <strong>das</strong> verarbeitende<br />

Gewerbe ausgerichtet, aber Próspera<br />

stärkt den Bereich der Unternehmensdienstleistungen,<br />

Technologie, Immobilienentwicklung<br />

und Finanzdienstleistungen“,<br />

sagt er.<br />

Klinische Experimente am Rande der<br />

Legalität<br />

Mehrere Organisationen, Aktivisten<br />

und Abgeordnete wie Maribel Espinoza<br />

prangerten im Kongress und in den sozialen<br />

Medien an, <strong>das</strong>s in einer Klinik<br />

in Prospera Gentherapieversuche durchgeführt<br />

werden, die in anderen Ländern<br />

nicht zugelassen sind.<br />

Es handelt sich um die Mini Circle Clinic,<br />

die klinische Versuche zur Gentherapie<br />

für die Regeneration von Muskelgewebe,<br />

zur Behandlung von HIV, ALS<br />

(Amyotrophe Lateralsklerose), Fettleibigkeit<br />

und Zellverjüngung sowie andere<br />

Forschungsbereiche durchführt.<br />

Die Klinik selbst weist auf ihrer Website<br />

darauf hin, <strong>das</strong>s diese Versuche in Honduras<br />

tausendmal weniger kosten als in<br />

den Vereinigten Staaten.<br />

Próspera argumentiert in diesem Zusammenhang,<br />

<strong>das</strong>s „jedes Land seine<br />

eigenen Verfahren für die Genehmigung<br />

dieser Versuche hat. Es ist nicht so, <strong>das</strong>s<br />

sie verboten sind, aber Próspera ZEDE<br />

bietet sehr wichtige regulatorische Möglichkeiten<br />

im Bereich der medizinischen<br />

Dienstleistungen, die verschiedene Projekte<br />

in diesem Bereich anziehen“.<br />

„Die Gesundheitsunternehmen können<br />

sich den Rechtsrahmen aussuchen, in<br />

dem sie arbeiten wollen, solange es sich<br />

um eines der 31 Länder handelt, mit<br />

denen Gegenseitigkeit besteht“, erklärt<br />

Jorge Colindres, technischer Sekretär<br />

von Próspera ZEDE. „Ein medizinisches<br />

Unternehmen <strong>kann</strong> in Próspera nach den<br />

Vorschriften von Honduras, den Vereinigten<br />

Staaten, Australien, Frankreich,<br />

Spanien <strong>oder</strong> anderen Ländern arbeiten.“<br />

Eine Stadt mit Mietern<br />

Auch beim Projekt Morazán sparen die<br />

Investoren nicht an <strong>Purpose</strong>-Formulierungen:<br />

„Ciudad Morazán steht nicht<br />

zum Verkauf. Um die Sicherheit und<br />

Ordnung zu gewährleisten, werden wir<br />

nur Gewerbeflächen und Wohnhäuser<br />

vermieten. Wenn ein Bewohner die<br />

Sicherheit <strong>oder</strong> Ordnung anderer gefährdet,<br />

werden wir den Mietvertrag<br />

kündigen“. Mit dieser besonderen Philosophie<br />

präsentiert sich <strong>das</strong> Industrieund<br />

Wohnungsbauprojekt Ciudad Morazán<br />

in seinem „Offenen Brief an die<br />

Honduraner“. >>


<strong>Purpose</strong><br />

Foto: Zaha Hadid Architects / https://prospera.hn/residences<br />

Eigentümer dieses Unternehmens ist der<br />

italienische Geschäftsmann Massimo<br />

Mazzone, Gründer eines Firmenkonglomerats,<br />

zu dem ein Arzneimittelvertrieb<br />

und fünf Apothekenketten mit 400 Filialen<br />

in Honduras gehören sowie Investitionen<br />

im Immobilien- und Bildungssektor.<br />

Ciudad Morazán liegt am Rande von<br />

Choloma, einem traditionell landwirtschaftlich-industriellen<br />

Gebiet, und ist<br />

<strong>das</strong> neue Vorzeigeprojekt der von<br />

Mazzone geleiteten Gruppe 3C (Centroamerican<br />

Consulting & Capital). „Ich<br />

habe <strong>das</strong> Projekt 2018 bei CAMP eingereicht.<br />

Im Jahr 2019 habe ich die ersten<br />

Grundstücke gekauft, und 2020 habe ich<br />

die Genehmigung erhalten“, antwortet<br />

Mazzone per E-Mail auf unsere Anfrage.<br />

Der Stadtplan sieht rund 15.000 Einwohner,<br />

100.000 Quadratmeter Industrieund<br />

30.000 Quadratmeter Bürofläche<br />

sowie kommerzielle und zivilgesellschaftliche<br />

Flächen vor: Schule, Wachgebäude,<br />

Sportinfrastruktur, Parks, Kirche<br />

und Zoll, erklärt der Unternehmer. „Die<br />

Arbeitsplätze werden von den Unternehmen<br />

abhängen, die die Flächen mieten.<br />

Wenn es die sind, die jetzt im Sula-Tal<br />

sind (hauptsächlich Textilien), vielleicht<br />

20.000 Beschäftigte“, sagt er.<br />

„Ich habe etwa 12 Millionen US-Dollar<br />

eines Vierjahresplans von 150 Millionen<br />

US-Dollar mit eigenen Mitteln investiert.<br />

Tatsächlich gab es bis April dieses<br />

Jahres (als <strong>das</strong> ZEDE-Gesetz aufgehoben<br />

wurde) großes Interesse von Investoren<br />

aus dem Silicon Valley. Ich denke, in ein<br />

paar Jahren könnte ich meine Investition<br />

mit Kapital von Dritten aufstocken und<br />

auf 500 Millionen Dollar erhöhen, um<br />

<strong>das</strong> Projekt zu erweitern, vorausgesetzt,<br />

es gibt keinen aktiven Widerstand seitens<br />

der Regierung“, sagt er.<br />

Libertäre Rezepte für verarmte Länder<br />

Mit 268 Hektar in der Landwirtschaftszone<br />

von San Marcos de Colón, Departement<br />

Choluteca, ist Orquídea die größte<br />

ZEDE in Honduras. Es ist größer als die<br />

184 Hektar von Próspera <strong>oder</strong> die 36<br />

Hektar von Ciudad Morazán. Das Unternehmen<br />

hat auf die Anfragen von<br />

UmweltDialog nicht reagiert. Lokale<br />

Medien berichten jedoch, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Unternehmen<br />

plant, rund 3.000 Arbeitsplätze<br />

für den Export von Gemüse in<br />

die USA zu schaffen. Zu diesem Zweck<br />

hat <strong>das</strong> Unternehmen 16 Gewächshäuser<br />

gebaut, die die sengende Hitze der<br />

Region noch verstärken und auf 34 Hektar,<br />

einer Fläche, die 47 Fußballfeldern<br />

entspricht, mit Paprika und Tomaten<br />

bepflanzt sind.<br />

Im ersten Jahr beschäftigte <strong>das</strong> Unternehmen<br />

rund 500 Mitarbeiter. Für die<br />

Mehrheit der erwerbstätigen Bevölkerung<br />

der Gemeinde – etwa 18.000<br />

Menschen – ist dies eine willkommene<br />

Erwerbsmöglichkeit, auch wenn viele<br />

der Kleinbauern zugleich auch Angst<br />

vor der übermächtigen Konkurrenz<br />

haben. Hinter dem Orquídea-Projekt<br />

stehen der Geschäftsmann Victor Wilson<br />

Canessa (ehemaliger Direktor von<br />

Chiquita Brands in Honduras, dem<br />

Nachfolger von United Fruit), der Agrarwissenschaftler<br />

Ricardo Lardizábal<br />

und der Rechtsanwalt Mort Taylor. Ihr<br />

leitender Ingenieur Guillermo Peña Panting<br />

ist ein bekennender Bewunderer<br />

des ehemaligen Vizepräsidenten der<br />

Weltbank und Nobelpreisträgers 2018<br />

Paul Romer, Ideologe der „Modellstädte“<br />

<strong>oder</strong> „Charter Cities“. Romers Rezept für<br />

wirtschaftliches Wachstum besteht darin,<br />

<strong>das</strong>s der Staat dünn besiedelte Gebiete<br />

abgibt, um Gemeinden <strong>oder</strong> autonome<br />

Städte zu schaffen, die von privatem Kapital<br />

nach den Regeln der entwickelten<br />

Länder verwaltet werden.<br />

Als extreme Variante des Freihandels<br />

postuliert der ehemalige Nobelpreisträger,<br />

<strong>das</strong>s arme Länder ihre Gesetze<br />

lockern sollten, um Korruption und<br />

Hindernisse für privates Kapital zu vermeiden.<br />

Romer war Berater der honduranischen<br />

Regierung bei der Umsetzung<br />

des ZEDE-Gesetzes. Später distanzierte<br />

er sich jedoch von diesen Projekten, da<br />

er der Meinung war, <strong>das</strong>s sie sich von<br />

ihrem ursprünglichen Geist entfernt<br />

hatten.


<strong>Purpose</strong><br />

Regulatorisches Labyrinth<br />

Trotz des Parlamentsbeschlusses zur<br />

Aufhebung der ZEDEs ist noch nichts<br />

weiter passiert, da der Beschluss im Januar<br />

2023 durch eine Abstimmung im<br />

Kongress ratifiziert werden muss. Dass<br />

auch die Senatoren dem folgen, gilt als<br />

unwahrscheinlich.<br />

Alle für diesen Artikel befragten Quellen<br />

stimmten darin überein, <strong>das</strong>s sich<br />

die Investitionen in neue Projekte zwar<br />

verlangsamt haben, die bestehenden<br />

ZEDEs aber weiterhin in Betrieb sind<br />

und wohl auch bleiben.<br />

„Die Alternative, die ihnen angeboten<br />

wird, ist der Beitritt zu einer anderen<br />

zugelassenen Regelung im Land, wie<br />

etwa anderer Freizonen-Systeme (ZOLI),<br />

die jedoch keine eigenen Gesetze und<br />

keine eigene Währung beinhalten. Unternehmen,<br />

die unter dem ZEDE-Regime<br />

gegründet wurden, sind deshalb weiterhin<br />

tätig. Was wir nicht kennen, sind die<br />

Mechanismen, die der honduranische<br />

Staat einsetzt, um sie zu kontrollieren“,<br />

sagt Lucía Vijil Saybe, Beraterin von<br />

CESPAD für Umweltgerechtigkeit und<br />

Transparenz.<br />

„Der honduranische Staat muss die<br />

rechtliche Stabilität und die Rechte von<br />

Próspera ZEDE respektieren. Andernfalls<br />

droht uns eine illegale Enteignung<br />

in- und ausländischer Investitionen,<br />

vor allem solchen aus den Vereinigten<br />

Staaten“, warnt Colindres von Próspera.<br />

„Investoren könnten sich dann an ein<br />

internationales Schiedsgericht wenden,<br />

um von Honduras eine Entschädigung<br />

zu erhalten.<br />

Die Entscheidung liegt jedoch bei jedem<br />

einzelnen von ihnen und nicht bei der<br />

ZEDE selbst“, sagt er. Victor Wilson, einer<br />

der Partner von Orquídea, erklärte<br />

gegenüber lokalen Medien, <strong>das</strong>s sein Projekt<br />

„ohne <strong>das</strong> ZEDE-Gesetz nicht existieren<br />

würde, und selbst wenn <strong>das</strong> Gesetz<br />

aufgehoben werden sollte, seine bisherigen<br />

Vorteile um weitere zehn Jahre<br />

garantiert sind.“<br />

Ungewisse Zukunft<br />

„Aus Sicht der ZEDE-Projektträger<br />

schaffen diese Projekte Arbeitsplätze,<br />

Entwicklungsmöglichkeiten und fördern<br />

ausländische Investitionen“, analysiert<br />

Lucía Vijil Saybe, Beraterin für Umweltgerechtigkeit<br />

und Transparenz bei<br />

CESPAD. „Aus der Sicht der Gemeinschaften<br />

sind jedoch die Vertreibung<br />

und die Zwangsenteignung ihrer Gebiete<br />

eine Bedrohung, ebenso wie Umweltschäden,<br />

die Landnahme durch<br />

transnationale Unternehmen und die<br />

Verfolgung und Diskreditierung sozialer<br />

Führer, die sich diesen Projekten widersetzen“,<br />

betont sie.<br />

„Es geht nicht darum, ausländische<br />

Investitionen abzulehnen, sondern zu<br />

verhindern, <strong>das</strong>s ein Staat im Staat entsteht,<br />

wie es bei der Anwendung von<br />

Gewohnheitsrecht in den Sonderzonen<br />

der Fall wäre“, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler<br />

Hugo Pino. „Nicht nur<br />

Aktivisten, sondern auch der Wirtschaftsrat,<br />

die autonome Universität<br />

und der honduranische Ökonomenverband<br />

haben sich dagegen ausgesprochen“,<br />

warnt er.<br />

Als Spiegelbild Lateinamerikas steht<br />

Honduras heute vor einer schwierigen<br />

Entscheidung: die endgültige Aufhebung<br />

der Sonderzonen, die seine Souveränität<br />

verletzen und möglicherweise<br />

millionenschwere Klagen vor internationalen<br />

Gerichten nach sich ziehen, <strong>oder</strong><br />

die Beibehaltung der „erworbenen Rechte“<br />

mächtiger Unternehmensgruppen,<br />

um „Rechtsunsicherheit“ und „Investitionsflucht“<br />

zu vermeiden.<br />

Es lohnt sich zu fragen, ob die Utopie<br />

privater Städte die Alternative zu einem<br />

gescheiterten Staat ist, der nicht in der<br />

Lage ist, Armut, Gewalt, fehlende Arbeitsplätze<br />

und Chancen zu lösen.<br />

In der Zwischenzeit sind die von diesen<br />

Entscheidungen wirklich betroffenen<br />

Bevölkerungsgruppen nur Zaungäste an<br />

einem Tisch, den sie bedienen, an dem<br />

sie aber nicht sitzen dürfen. f<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

79


<strong>Purpose</strong><br />

BÜCHER-<br />

TIPPS<br />

Distinguished Harvard Business<br />

School Professor Ranjay Gulati<br />

takes readers inside some of the<br />

world's most purposeful companies to<br />

understand the secrets to their success.<br />

Few business topics have aroused more<br />

skepticism in recent years than the notion<br />

of corporate purpose, and for good<br />

reason. Too many companies deploy purpose<br />

as a promotional vehicle to make<br />

themselves feel virtuous and to look<br />

good to the outside world. Some have<br />

only foggy ideas about what purpose is<br />

and conflate it with strategy and other<br />

concepts like ‘mission’, ‘vision’ and ‘values’.<br />

Even well-intentioned leaders don't<br />

understand purpose's full potential and<br />

engage with it half-heartedly and superficially.<br />

Having conducted extensive field research<br />

and interviewed leadership at<br />

purpose-oriented companies including<br />

Etsy, Lego and Microsoft, Ranjay Gulati<br />

reveals the fatal mistakes leaders<br />

unwittingly make when attempting to<br />

implement a reason for being. Moreover,<br />

he shows how companies can embed<br />

purpose much more deeply, delivering<br />

impressive performance benefits that<br />

reward customers, suppliers, employees,<br />

shareholders and communities alike. To<br />

get this right, leaders must fundamentally<br />

change not only how they execute<br />

purpose but also how they conceive of<br />

and relate to it. They must practice what<br />

Gulati calls deep purpose, furthering<br />

each organisation's reason for being<br />

more intensely, thoughtfully and comprehensively<br />

than ever before.<br />

Grafik: ngupakarti / stock.adobe.com<br />

As he argues, a deeper engagement with<br />

purpose can serve as a radically new operating<br />

system, enhancing performance<br />

while also delivering meaningful benefits<br />

to society. It’s the kind of inspired<br />

thinking that businesses - and the rest<br />

of us - urgently need.<br />

Ranjay Gulati<br />

Deep <strong>Purpose</strong>: The Heart and Soul<br />

of High-Performance Companies<br />

Penguin Business Verlag 2022:<br />

304 Seiten<br />

ISBN 978-0-241-51339-2<br />

Preis: 24,70 €<br />

80 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


<strong>Purpose</strong><br />

Die wahre Kraft eines Brand <strong>Purpose</strong><br />

liegt im unternehmerischen<br />

Willen und der Fähigkeit, eine<br />

er<strong>kann</strong>te kulturelle und soziale Verantwortung<br />

für die Entwicklung innovativer,<br />

nachhaltiger Kerngeschäfte zu nutzen.<br />

Auch wenn ein <strong>Purpose</strong> innerhalb<br />

von vielen Unternehmen etabliert ist,<br />

lässt <strong>das</strong> Konzept etliche Fragen offen,<br />

die in diesem Buch behandelt werden.<br />

Dieses Werk ist ein Plädoyer für mehr<br />

Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit im<br />

Umgang mit dem Thema <strong>Purpose</strong>. Denn<br />

nicht wenige Unternehmen reiten auf<br />

dem Thema wie auf einer Welle. Dabei<br />

ist die Welle in Wirklichkeit eine Wende,<br />

die ein Umsteuern verlangt. Neben aktuellen<br />

Theorien, Tools, Prozessen und<br />

Managementkonzepten hält <strong>das</strong> Buch<br />

auch viele Beispiele bereit, wie Marken<br />

mit Haltung Wert schaffen. Darunter<br />

sind viele be<strong>kann</strong>te Benchmarks wie Patagonia,<br />

P&G <strong>oder</strong> Apple.<br />

Seit Simon Sineks TED-Talk treibt<br />

<strong>das</strong> Thema <strong>Purpose</strong> kuriose Blüten.<br />

Der Unternehmenszweck wird<br />

vielfach zur Basis aller Strategien, Ziele,<br />

Maßnahmen und KPIs erklärt. Für<br />

Franz-Rudolf Esch greift <strong>das</strong> zu kurz.<br />

Kein Unternehmen ist nur durch seinen<br />

Zweck dauerhaft erfolgreich. Es bedarf<br />

weiterer Zutaten, wie klarer Unternehmensgrundsätze,<br />

einer ambitionierten<br />

Vision und einer starken Marke. Diese<br />

fasst Esch im Haltungs- und Visionshaus<br />

zusammen, einem Tool, <strong>das</strong> auf ein<br />

DIN-A3-Blatt passt.<br />

Wie Unternehmenslenker und Führungskräfte<br />

<strong>Purpose</strong> und Vision definieren,<br />

kommunizieren und ins tägliche<br />

Handeln übersetzen, erfahren Sie in<br />

diesem Buch. Hermann Simon, Gründer<br />

und Honorary Chairman von Simon-Kucher<br />

& Partners sagt über <strong>das</strong> Buch: „Die<br />

aktuelle Diskussion um <strong>Purpose</strong> und<br />

Sinn von Unternehmen ist notwendig,<br />

weil sie ein gesamtgesellschaftliches Bedürfnis<br />

adressiert. Dieses Buch vermittelt<br />

einen ausgezeichneten Überblick zu<br />

den vielen Facetten des Problems und ist<br />

für Interessierte aus Wissenschaft wie<br />

Praxis gleichermaßen zu empfehlen.“<br />

In diesem Buch erfahren Sie, wie Sie<br />

eine fundierte Nachhaltigkeitsstrategie<br />

für Ihre Marke und Ihr Unternehmen<br />

entwickeln, durchsetzen und<br />

im Alltag Ihrer Kunden, Mitarbeiter<br />

und Stakeholder immer wieder neu beweisen<br />

können. Mittels der seit vielen<br />

Jahren erfolgreich angewandten Relevanzmethode<br />

erläutert Kai Platschke,<br />

wie <strong>das</strong> für Ihr Business aussehen <strong>kann</strong>.<br />

Nachhaltigkeit ist KEIN Buzzword! Im<br />

Gegenteil: Es macht sehr viel Sinn, <strong>das</strong>s<br />

wir uns – und zwar alle – überlegen,<br />

was unser positiver Beitrag in der Gesellschaft<br />

und für die Umwelt sein <strong>kann</strong>.<br />

Für Marketingprofis ist <strong>das</strong> nicht leicht<br />

umzusetzen, denn schnell sieht man<br />

sich dem Vorwurf des Greenwashings<br />

ausgesetzt, oft zu Recht! Es gibt einen<br />

Weg, einen Marken-<strong>Purpose</strong> zu finden,<br />

der sowohl den Ansprüchen des Unternehmens,<br />

der Menschen und unseres<br />

Planeten gerecht wird, und der zudem<br />

allen Beteiligten / Stakeholdern hilft,<br />

ihre jeweilige Reise zu mehr Nachhaltigkeit<br />

zu gestalten.Was Sie am Ende der<br />

Lektüre dieses Buches gewonnen haben:<br />

Sie können die Rolle Ihrer Marke beim<br />

Thema Nachhaltigkeit definieren.<br />

Andreas Baetzgen<br />

Brand <strong>Purpose</strong>. Wie Marken<br />

nachhaltig Wert schaffen<br />

Schäffer-Pöschel-Verlag 2022:<br />

300 Seiten<br />

ISBN 978-3-7910-5441-4<br />

Preis: 49,95 €<br />

Franz-Rudolf Esch<br />

<strong>Purpose</strong> und Vision:<br />

Wie Unternehmen Zweck und Ziel<br />

erfolgreich umsetzen<br />

Campus Verlag 2021: 221 Seiten<br />

ISBN 9783593513676<br />

Preis: 32,95 €<br />

Kai Platschke<br />

Nachhaltigkeit als Marken-<strong>Purpose</strong><br />

Verlag Springer 2020:<br />

219 Seiten<br />

ISBN 978-3-658-28050-5<br />

Preis: 54,99 €<br />

Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de<br />

81


<strong>Purpose</strong><br />

guter<br />

Letzt<br />

Zu<br />

Grünstreifen<br />

machen Arme gesünder<br />

IMPRESSUM<br />

UmweltDialog ist ein unabhängiger Nachrichtendienst<br />

rund um die Themen Nachhaltigkeit und Corporate Social<br />

Responsibility. Die Redaktion von UmweltDialog berichtet<br />

unabhängig, auch von den Interessen der eigenen Gesellschafter,<br />

über alle relevanten Themen und Ereignisse aus<br />

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.<br />

Grafik: strichfiguren.de / stock.adobe.com<br />

Die Erhöhung des Naturraums und privater Gärten<br />

schließt die Lücke, die zwischen Menschen besteht, die in<br />

den am stärksten und am wenigsten benachteiligten Gebieten<br />

leben. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie unter<br />

der Leitung der University of Glasgow. Demnach steht jede<br />

Zunahme des Naturraums um zehn Prozent mit einem<br />

Rückgang um sieben Prozent des Auftretens eines frühen<br />

Todes bei Personen unter 65 Jahren in Zusammenhang.<br />

Bereiche mit dem höchsten Einkommensverlusten haben<br />

der Studie zufolge den geringsten durchschnittlichen<br />

Prozentsatz an natürlichen Flächen und Gärten. Die Prozentsätze<br />

liegen hier bei 58,5 und 49 bis 65 Prozent. Menschen,<br />

die in diesen Bereichen leben, verfügten über <strong>das</strong><br />

größte Ausmaß an Krankheiten. Ein verbesserter Zugang<br />

zu Naturräumen im lokalen Umfeld steht auch mit einer<br />

Verringerung der Ungleichheit bei den verlorenen Lebensjahren<br />

zwischen den am meisten und am wenigsten benachteiligten<br />

Bereichen in Zusammenhang. Bereits m<strong>oder</strong>ate<br />

Mengen an Naturräumen scheinen einen Unterschied<br />

zu machen.<br />

Garantieren mehr Bäume und Büsche also sozial benachteiligten<br />

mehr Lebensqualität? Leider nein. Die Forscher<br />

räumen auch ein, <strong>das</strong>s sie keine Infos über <strong>das</strong> individuelle<br />

Verhalten und die Finanzsituation haben <strong>oder</strong> darüber,<br />

wie sehr die lokalen Naturräume genutzt werden, respektive,<br />

über welche Qualität sie verfügen. ■<br />

Herausgeber:<br />

macondo publishing GmbH<br />

Dahl<strong>weg</strong> 87<br />

48153 Münster<br />

Tel.: 0251 / 200782-0<br />

Fax: 0251 / 200782-22<br />

E-Mail: redaktion@umweltdialog.de<br />

Redaktion dieser Ausgabe:<br />

Dr. Elmer Lenzen (V.i.S.d.P.), Sonja Scheferling,<br />

Monica Vallejos, Gabriela Ensinck<br />

Bildredaktion:<br />

Marion Lenzen, Gesa Weber<br />

Gestaltung:<br />

Gesa Weber<br />

Lektorat:<br />

Marion Lenzen, Milena Knoop<br />

Klimaneutraler Druck, FSC ® -zertifiziertes<br />

Papier, CO 2<br />

-neutrale Server<br />

© 2022 macondo publishing GmbH<br />

© Titelbild: absent84 / stock.adobe.com<br />

ISSN<br />

Digital: 2199-1626<br />

Print: 2367-4113<br />

82 Ausgabe 18 | November 2022 | Umweltdialog.de


Bisherige Ausgaben<br />

Das nächste<br />

UmweltDialog-Magazin<br />

erscheint am 17.05.2023.


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