PT-Magazin - Ausgabe 6 2022
PT-Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft Die Top-Themen: • Premiers, Preisträger, Finalisten - Mittelstandswettbewerb 2022 abgeschlossen • Neuausschreibung 2023 - Jahresmotto: "Gemeinsam Zukunft sichern!" • Nachhaltig sein kann jeder - Auch eine grüne Wirtschaft darf satte Gewinne machen • Industrie 5.0 neu denken - Der Mittelstand braucht keinen erhobenen Zeigefinger
PT-Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft
Die Top-Themen:
• Premiers, Preisträger, Finalisten - Mittelstandswettbewerb 2022 abgeschlossen
• Neuausschreibung 2023 - Jahresmotto: "Gemeinsam Zukunft sichern!"
• Nachhaltig sein kann jeder - Auch eine grüne Wirtschaft darf satte Gewinne machen
• Industrie 5.0 neu denken - Der Mittelstand braucht keinen erhobenen Zeigefinger
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08 Gesellschaft<br />
09<br />
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24/7 – Alles im grünen Bereich<br />
#GREEN CLEANING<br />
Dieses Zitat stammt von Friedrich Nietzsche<br />
5 . Man kann den kurzen Text auf<br />
viele Arten lesen oder verstehen. Sehr<br />
martialisch, dass man nicht leicht umgehauen<br />
werden kann und der Feind einen<br />
nicht niedergerungen habe. Aber auch<br />
sehr ermutigend oder kämpferisch, dass<br />
man es schafft jeder Krise zu trotzen und<br />
sich immer wieder aufzuraffen, man hat<br />
aus der Situation gelernt und ist nun<br />
schlauer als zuvor. Ich bin durch die Krise<br />
selbst gestärkt worden. Das wäre meine<br />
Übersetzung.<br />
Eine schöne philosophische Debatte, die<br />
sich – auch um diesen Satz rankt – ist der<br />
Begriff „Antifragilität“. 6<br />
Was ist antifragil? Im gleichnamigen<br />
Buch wird das folgendermaßen erklärt:<br />
Etwas, was nicht fragil oder robust ist.<br />
Was ist fragil? Etwas, was leicht zerbricht.<br />
Was ist robust? Etwas, was schwer zu<br />
zerstören ist. Antifragil? Das wäre etwas,<br />
was stärker wird, nach einer Krise oder<br />
einer Fremdeinwirkung. Etwas, was noch<br />
größer oder widerstandsfähiger wird, etwas<br />
was neue Fähigkeiten hervorbringt.<br />
Das Buch strotzt nur so vor Beispielen<br />
sowie Erklärungen und nimmt unter<br />
anderem die mythologische Figur der<br />
Hydra in den Fokus: Die Hydra ist ein<br />
merkwürdiges Fabelwesen, welches drei<br />
schlangenartige Köpfe hat. Schlägt man<br />
ihr einen Kopf ab, dann wachsen an dieser<br />
Stelle gleich zwei neue Köpfe nach. 7<br />
Man bringt die Hydra nicht um, man<br />
macht sie nur stärker. Eine andere Erklärung?<br />
Der Philosoph und Autor des<br />
Buches Antifragilität mit dem Namen<br />
Taleb nennt die Natur und die Evolution<br />
als andere Beispiele. Die Arten, die sich<br />
am besten anpassen konnten, haben<br />
sich durchgesetzt. Auch unsere Muskelbildung<br />
funktioniert auf diese Weise.<br />
Ein paar Mikrorisse nach dem Training<br />
sorgen dafür, dass der Muskel stärker<br />
zusammenwächst als zuvor. Man selbst<br />
wird ebenfalls stärker.<br />
Wollen wir einmal das Corona-Zeitalter<br />
auf uns in antifragiler Weise anwenden:<br />
Was wäre, wenn wir ein Buch schreiben<br />
würden, dass den Namen tragen würde:<br />
„Be everywhere now“.<br />
Ich sitze gerade auf meinem Stuhl vor<br />
dem Laptop, ich kann viele Tage im Homeoffice<br />
verbringen und in meiner Mittagspause<br />
dennoch mit meiner Familie<br />
essen. Ich kann eine Pause einlegen und<br />
dann für eine Konferenz virtuell nach<br />
„China reisen“, um beispielsweise über<br />
Schriftzeichen zu diskutieren. Notfalls<br />
stelle ich mehrere Laptops auf meinen<br />
Schreibtisch und „reise“ dann von links<br />
nach rechts in andere Ecken der Welt.<br />
In der modernen Technikphilosophie<br />
nennt man diesen Vorgang auch „Organprojektion“.<br />
Mein Körper wird in die digitale<br />
Welt transportiert oder projiziert. 8<br />
Ich bin nicht mehr nur an meinem<br />
Schreibtisch, ich kann virtuell überall da<br />
sein, wo mich das WLAN hinträgt.<br />
Meine digitale Kamera erweitert mein<br />
menschliches Auge und ich komme mit<br />
meinem Blick auf die andere Seite der<br />
Welt, wenn ich will. Ein Hammer stellt<br />
eine geballte Faust dar oder eine Säge<br />
funktioniert ähnlich wie das Schneiden<br />
meiner Zähne. 9 Auch Wörter wie<br />
„Staatsorgan“ oder „Verkehrsader“ entlarven<br />
– nach dem Philosophen Kapp – die<br />
Technik als eine Erweiterung meines eigenen<br />
Körpers. Ich finde mich selber in<br />
der Technik wieder.<br />
Ich kann jetzt virtuell und digital überall<br />
sein, ich bin – durch die Krise, die das<br />
Virus COVID ausgelöst hat, in der Lage<br />
mich selber und meinen Geist an verschiedene<br />
Orte zu transportieren. 10<br />
Es steckt so viel in diesem Gedanken<br />
drin: Die Wichtigkeit unserer Vernetzung<br />
untereinander, die Chancen, die man<br />
Menschen in entlegenen Winkeln der<br />
Welt geben kann, die Potentiale, die noch<br />
ungenutzt sind und die entstehen, wenn<br />
Gedanken oder Ideen zwischen Personen<br />
freier fließen können.<br />
„Be everywhere now“, wäre dann das<br />
Buch, welches erscheinen würde, mit<br />
viel Technik, vielen Möglichkeiten und<br />
einer Projektion meiner selbst in einem<br />
Internet oder einem Metaversum, voller<br />
antifragiler Chancen, das würde mich<br />
sehr freuen; Ein Buch allerdings ohne<br />
den Aspekt von bunten Spruchseiten in<br />
der Buchmitte. •<br />
Fußnoten:<br />
Dass, Ram: Be here now, Harmony Verlag, New York,<br />
1971.<br />
2 Er führt mit Timothy Leary und Studenten verschiedene<br />
Experimente durch, die sie Bewusstseinserweiterung<br />
nennen, auch mit Hilfe der Droge LSD. Beide<br />
werden aus Harvard entlassen.<br />
3 Die Bandbreite reicht von Zitaten in der modernen<br />
Popkultur, bis hin zu wüsten Beschimpfungen „not<br />
worth a penny“, vergleiche auch https://www.reddit.<br />
com/r/ramdass/comments/g6ug1d/this_felt_good_<br />
do_watch_the_midnight_gospel/ (Abruf 29.08.<strong>2022</strong>)<br />
4 Das ist zugegebenermaßen nicht trivial zu erkennen,<br />
es benötigt ein paar Verschiebungen, vergleiche<br />
hier: https://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/chinesische-schrift-die-richtige-deutungder-krise-seite-2/3342980-2.html<br />
(Abruf 29.08.<strong>2022</strong>)<br />
5 Siehe Nietzsche, Friedrich: Götzendämmerung KSA<br />
(Kritische Studienausgabe nach Colli Montinari),<br />
Band 6 de Gruyter, Berlin und New York 1982.<br />
6 Taleb, Nassim Nicholas: Antifragilität. Albrecht<br />
Knaus Verlag, München, 2013.<br />
7 Das musste Herkules auch erst verstehen, denn<br />
einer seiner berühmten Aufgaben war es einer seiner<br />
12 Aufgaben dieses Wesen zu besiegen, das findet<br />
man auch hier: Bibliotheke des Apollodor 2,5,2; Diodor<br />
4,11.<br />
8 Vergleiche Kapp, Ernst: Grundlinien einer Philosophie<br />
der Technik, Meiner Verlag, Leipzig, 2015.<br />
9 Das merkt man, man kann auch „Zersägen“ anstatt<br />
„Essen“ sagen, ist gar nicht so abwegig.<br />
10 Eine ähnliche Diskussion findet vor dem Hintergrund<br />
des Begriffes „Metaverse“ statt, siehe https://<br />
www.handelsblatt.com/technik/metaverse-washinter-dem-metaverse-hype-steckt/28073180.html<br />
(Abruf 29.08.<strong>2022</strong>)<br />
Patrick Hedfeld studierte<br />
Theoretische Physik<br />
und Philosophie an der TU<br />
Darmstadt und an der Universidad<br />
de Salamanca und<br />
promovierte über Kognitionspositionen<br />
bei Hegel. Der<br />
Publizist ist Freier Dozent an<br />
der FOM Hochschule und<br />
Senior IT Projektleiter bei<br />
der Deutschen Leasing AG<br />
in Bad Homburg.<br />
Über den Autor<br />
<strong>PT</strong>-MAGAZIN 6 <strong>2022</strong><br />
<strong>PT</strong>-MAGAZIN 6 <strong>2022</strong><br />
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