Ausbau Eisenbahnachse München - Verona ... - MplusM
Ausbau Eisenbahnachse München - Verona ... - MplusM
Ausbau Eisenbahnachse München - Verona ... - MplusM
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Kurzfassung<br />
<strong>Ausbau</strong> <strong>Eisenbahnachse</strong> <strong>München</strong> – <strong>Verona</strong><br />
Brennerbasistunnel<br />
Martin OBEX, Klaus GILLARDUZZI, Robert WEBER<br />
Die Achse <strong>München</strong> – <strong>Verona</strong> ist eine der wichtigsten europäischen Verkehrsachsen. Aus<br />
diesem Grund hat der Europäische Rat den <strong>Ausbau</strong> der <strong>Eisenbahnachse</strong> Brenner in die Liste<br />
der 14 vorrangigen TEN-Projekte aufgenommen. Als Basis für alle künftigen grenzüberschreitenden<br />
Vermessungsarbeiten waren folgende geodätische Grundlagen zu erbringen:<br />
Die Erhebung bestehender und relevanter vermessungstechnischer Daten im Projektgebiet.<br />
Das Beobachten eines vorgegebenen geodätischen Grundlagennetzes mit GPS. Die Auswertung<br />
der Messdaten und das Bereitstellen von Transformationsparametern zwischen<br />
dem GPS - Referenzrahmen ITRF und den österreichischen (MGI, Bessel, Gauß-Krüger)<br />
und italienischen (Roma 40, Hayford, Gauß-Boaga) Landeskoordinaten.<br />
Das Ermitteln von Höhenkoten aller Punkte des Rahmennetzes im System der österreichischen<br />
und italienischen Gebrauchshöhen.<br />
Das Ermitteln einer allfälligen Niveaudifferenz zwischen den österreichischen und italienischen<br />
Gebrauchshöhen und in der Folge das Beobachten eines Präzisionsnivellements vom<br />
Brenner bis Neustift bei Brixen.<br />
Die GPS-Messung und Auswertung vorgegebener Passpunkte für die Luftbildauswertung<br />
im Projektgebiet.<br />
Die Erhebung, Prüfung und Dokumentation der verfügbaren Geoidmodelle, sowie ihrer<br />
Unterschiede im Grenzbereich.<br />
1 Grundlagendokumentation<br />
Zur Leistungserbringung des gegenständlichen Auftrages und für die Festlegung der künftigen<br />
Detailarbeitsprogramme waren alle relevanten Grundlagen zu erheben und zu dokumentieren.<br />
Es sind das:<br />
1) Die Erhebung und Dokumentation aller bestehenden hochpräzisen GPS-Messpunkte<br />
und Messdaten und deren Einbindung in internationale Netze bzw.<br />
Projekte.<br />
2) Die Erhebung und Dokumentation aller derzeit bestehenden Präzisionsnivellements<br />
und Nivellements 1. Ordnung in Nord- und Südtirol samt deren Einbindung<br />
in internationale Netze bzw. Projekte.
2<br />
Martin Obex, Klaus Gillarduzzi, Robert Weber<br />
3) Die Erhebung und Dokumentation aller derzeit verfügbaren Schwereinformationen<br />
in Nord- und Südtirol samt deren Einbindung in internationale Netze bzw.<br />
Projekte.<br />
4) Die Erhebung und Dokumentation aller für künftige Lage- und Höhenvermessungsarbeiten<br />
relevanten Festpunkte, Anschlusspunkte und der zugehörigen<br />
Unterlagen.<br />
2 Geodätisches Grundlagennetz<br />
2.1 Allgemeines<br />
Entsprechend den Normen (z.B. ÖN2203 Untertagebauarbeiten) hat die Bereitstellung des<br />
erforderlichen Festpunktnetzes unabhängig von den übergeordneten Landessystemen<br />
(Netze des BEV und IGM) zu erfolgen. Für die Aktualisierung der Planung des Brennerbasistunnels<br />
musste daher ein spannungsfreies, grenzüberschreitendes, geodätisch homogenes<br />
GPS Rahmennetz erstellt werden, das durch präzisionsnivellitische Höhenmessungen zu<br />
ergänzen war.<br />
Dieses Rahmennetz war die Grundlage zur Ermittlung aller Transformationsparametersätze<br />
zwischen dem gewählten Referenz- und Projektionssystem und den tatsächlichen<br />
Gebrauchsnetzen in Nordtirol und Südtirol. Weiters ist das GPS-Netz die Basis für alle zukünftigen<br />
und notwendigerweise grenzüberschreitenden Vermessungsarbeiten für Erkundung,<br />
Planung und Ausführung des Brennerbasistunnels und der Zwischenangriffe.<br />
2.2 GPS-Messungen – geodätisches Rahmennetz<br />
Auf Grund der Erfahrung vom GPS Rahmennetz der Brenner Eisenbahn GmbH (BEG) im<br />
Unterinntal erkundeten bzw. stabilisierten das Amt der Tiroler Landesregierung (Abteilung<br />
Vermessung und Geologie), das Amt für geodätische Vermessungen (Autonome Region<br />
Trentino- Südtirol) und die Abteilung Forstwirtschaft (Autonome Provinz Bozen- Südtirol)<br />
28 Messpunkte.<br />
In Nordtirol wurde, soweit verfügbar, auf bestehende Scheibensignale zurückgegriffen. In<br />
Südtirol waren - mehrheitlich in der selben Bauart - vorwiegend neue Punkte zu stabilisieren.<br />
Für ausgewählte Messpunkte wurden zusätzlich transportable Pfeileraufsätze zur Verbesserung<br />
der Genauigkeit und Stabilität zur Verfügung gestellt.<br />
Bei der Errichtung des Rahmennetzes wurde versucht eine Basislinienlänge von ca. 10 km<br />
einzuhalten und ein Verhältnis von zwei Neupunkten zu einem hochpräzisen Altpunkt zu<br />
erreichen.<br />
2.3 Bestehende GPS-Messnetze Nordtirol<br />
AREF/AGREF: ist das neue mit GPS im Rahmen internationaler und nationaler Beobachtungskampagnen<br />
realisierte österreichische Netz höchster Homogenität und Genauigkeit. Es<br />
umfasst über 300 Punkte mit einer Genauigkeit von besser als +/-10 mm in der Lage und
<strong>Ausbau</strong> <strong>Eisenbahnachse</strong> <strong>München</strong> – <strong>Verona</strong> Brennerbasistunnel 3<br />
besser als +/-20 mm in der Höhe (ellipsoidische Höhe!). Die Lagerung erfolgte im ITRF94<br />
zur Epoche 1996.45.<br />
Seitens der GPS-ZT-GmbH wird die Erlaubnis zum Gebrauch der AREF-Punktkoordinaten<br />
im Rahmen von Nutzungsverträgen erteilt.<br />
BEG: Das BEG-Netz wurde im Auftrag der Brenner Eisenbahn GmbH von der Arge Obex-<br />
Pfeifer-Augustin 1998 erstellt. Dieses homogene, spannungsfreie GPS-Netz von über 80<br />
Punkten erstreckt sich von Kundl bis Mils bei Hall in Tirol. Die Lagerung erfolgte durch<br />
Anbindung an das österreichische GPS-Grundnetz AREF/AGREF.<br />
TIREF: Das TIREF-Netz stellt eine Verdichtung des bestehenden bundesweiten AREF-<br />
Netzes im Bundesland Tirol dar und wurde in Zusammenarbeit vom Amt der Tiroler Landesregierung,<br />
von Ingenieurkonsulenten und der TIWAG 1999 geschaffen. Es umfasst etwa<br />
100 Punkte.<br />
BBT: Das Rahmennetz Brennerbasistunnel musste ebenfalls in das bestehende AREF-Netz<br />
gelagert werden, um eine möglichst gute Übereinstimmung mit den oben beschriebenen<br />
bestehenden Netzen zu erhalten. Für die Nutzung der AREF-Punktkoordinaten gibt es ein<br />
schriftliches Übereinkommen mit der GPS-ZT-GmbH.<br />
2.4 Bestehendes GPS-Messnetz Südtirol<br />
Das Hauptnetz umfasst neu erstellte Punkte und bereits bestehende Vermarkungen des Katasters<br />
der Region und des I.G.M., davon drei Punkte erster Ordnung. Einige Punkte wurden<br />
mit Nivellementfestpunkten verbunden. Im Laufe der nachfolgenden Messungen fügten<br />
die Techniker der Region stufenweise alle Vermarkungen erster Ordnung in das offizielle<br />
geodätische Aufnahmenetz der Region unter Beachtung des Standards IGM95 ein. Zur Zeit<br />
besteht das Hauptnetz im Gebiet der Region und in den angrenzenden Zonen aus 185<br />
Punkten, von denen 86 Punkte dem IGM95 angehören und 99 Punkte von den Technikern<br />
der Region eingefügt wurden.<br />
Der Vergleich zwischen den Werten der in Bozen berechneten Koordinaten WGS84 und<br />
denen der I.G.M. – Techniker hat nur bei wenigen Punkten Klaffungen ergeben, die zudem<br />
immer unter 5 cm liegen. Weitere unabhängige Kontrollmessungen haben bestätigt, dass<br />
das neue GPS - Netz eine hohe Präzision aufweist.<br />
Ein weiterer Vergleich zwischen den Koordinaten (AGREF und AREF1) mit denen des<br />
regionalen Netzes hat die hohe Präzision desselben bestätigt.<br />
3 Durchführung GPS-Messung<br />
3.1 Technische Spezifikation des GPS-Rahmennetzes<br />
Bei den einzusetzenden GPS-Empfängern war zur Einhaltung der hohen Qualitätsanforderungen<br />
eine Einschränkung auf Zweifrequenzgeräte (L1 und L2) der Firmen Leica oder<br />
Trimble vorgeschrieben. Da seitens der Auftragnehmer selbst vier GPS-Empfänger der Serie<br />
Leica 500 und zwei Sensoren der Serie Leica300 zur Verfügung standen, wurden sämtliche<br />
Beobachtungen mit Leica Geräten durchgeführt. 24 zusätzliche Sensoren ( in Summe
4<br />
Martin Obex, Klaus Gillarduzzi, Robert Weber<br />
wurden 30 Empfänger für 28 Punkte und zwei Reserven benötigt) wurden von verschiedenen<br />
Firmen und Institutionen ausgeliehen. Letztlich waren 10 Geräte der Serie Leica 500<br />
und 20 Geräte der Serie Leica 300 bereitgestellt.<br />
Größte Aufmerksamkeit wurde auch auf die Zentrierung und Horizontierung der GPS Sensoren<br />
auf den Messpfeilern und Stativen, sowie auf die Funktionstüchtigkeit aller eingesetzten<br />
Komponenten gelegt. So wurden vor der Beobachtungsserie folgende Kontrollen<br />
durchgeführt:<br />
• Überprüfung der Dreifüße und deren Lote.<br />
• Überprüfung der Vollständigkeit der GPS-Ausrüstung und des Zubehörs.<br />
• Überprüfung der Funktionstüchtigkeit der GPS-Ausrüstung und des Zubehörs.<br />
• Überprüfung der Funktionstüchtigkeit der Energieversorgung.<br />
• Überprüfung der Funktionstüchtigkeit der Kommunikationsmittel (Mobiltelefone).<br />
• Überprüfung der Funktionstüchtigkeit der Fahrzeuge.<br />
3.2 Beschreibung Messvorgang – 2000<br />
Zur Anwendung kam die Methode der relativ-statischen Punktbestimmung. Bei dieser<br />
Methode bleibt der Empfänger in den Referenzpunkten und in den Neupunkten für die<br />
Dauer der Messung stationär. Zur sicheren Lösung der Phasenmehrdeutigkeiten (Ambiguities)<br />
wird je nach Distanzbereich eine Mindestbeobachtungszeit benötigt, die von der Anzahl<br />
der verfügbaren Satelliten, ihrer Verteilung, sowie den zur Messzeit herrschenden<br />
ionosphärischen und troposphärischen Refraktionsbedingungen abhängt.<br />
Betreffend der Messdauer wurden somit seitens des Auftraggebers BBT-EWIV in der Ausschreibung<br />
genaue Richtlinien vorgegeben. Unter anderem waren Nachtmessungen<br />
verlangt, um den ionosphärischen Fehlereinfluss möglichst gering zu halten.<br />
Für die Beobachtungen selbst wurde ein Geräte- und Personaleinsatzplan erarbeitet. Der<br />
Bedarf an Personal und Fahrzeugen konnte innerhalb der Arge abgedeckt werden. Es waren<br />
mit den Punkten des Rahmennetzes und der großräumigen Einbindung in Ost-Westrichtung<br />
28 Stationen zweimal gleichzeitig zu beobachten. Die durchgehende Messdauer war mit 2 x<br />
16 Stunden für die Mehrzahl der Rahmennetzpunkte, und mit 2 x 23 ± 0,5 Stunden für vier<br />
Hauptpunkte (Obergurgl, Stallersattel, Schmuders, Spinges) anzusetzen.<br />
Bei der Einsatzplanung wurden folgende zentrale Beobachtungsfenster (MESZ) festgelegt:<br />
Für die Hauptpunkte:<br />
11.9.2000, 10:00 Uhr bis 12.9.2000 10:00 Uhr und<br />
13.9.2000, 10:00 Uhr bis 14.9.2000 10:00 Uhr.<br />
Für die weiteren Rahmennetzpunkte:<br />
11.9.2000, 18:00 Uhr bis 12.9.2000 10:00 Uhr und<br />
13.9.2000, 18:00 Uhr bis 14.9.2000 10:00 Uhr.<br />
Die Empfänger wurden dreimal (eine halbe Stunde nach dem Einschalten, zwischen 22:00<br />
und 24:00 Uhr und am Folgetag zwischen 6:00 und 7:00 ) kontrolliert. Es wurde eine
<strong>Ausbau</strong> <strong>Eisenbahnachse</strong> <strong>München</strong> – <strong>Verona</strong> Brennerbasistunnel 5<br />
Messdokumentation nach den Vorgaben des Auftraggebers angelegt. Die Update Rate der<br />
Messdaten betrug 15 Sekunden.<br />
Die nach jeder Messperiode ausgelesen Daten wurden mit der Auswertesoftware Leica<br />
SKI-PRO einer ersten Plausibilitäts- und Vollständigkeitsüberprüfungen unterzogen. Nach<br />
den Prüfungen wurden sämtliche Daten im RINEX-Format auf CD gebrannt und somit<br />
gesichert.<br />
In beiden Messperioden wurde das gleiche Beobachtungsschema mit den jeweils selben<br />
Geräten und Aufstellungsarten auf den einzelnen Punkten eingehalten. Insgesamt wurde auf<br />
allen Punkten die vorgesehene Mindesteinsatzdauer erreicht. Es hat keine Ausfälle gegeben<br />
und sämtliche Daten waren, wie anlässlich der Auswertung an der TU Wien später auch<br />
festgestellt wurde, in Ordnung.<br />
4 Auswertung GPS-Messung<br />
4.1 Beschreibung Auswertevorgang – Rahmennetz 2000<br />
Die Messdaten aller Messpunkte (29 Messpunkte/57 Aufstellungen; davon 7 AREF Punkte<br />
und die Referenzstation Bozen) wurden im RINEX 2 Format noch am 14.09.2000 an die<br />
Technische Universität nach Wien (Abteilung Höhere Geodäsie) gebracht. Am Abend des<br />
selben Tages begann gemeinsam mit Dr. Weber die Auswertung mit der Berner-Software.<br />
Die Auswertung der Satellitendaten erfolgte vorerst im geozentrischen, kartesischen System<br />
ITRF94 zur Epoche 1996,45. Diese Wahl des Referenzrahmens erlaubte eine<br />
spannungsfreie Anbindung an das österreichische GPS-Grundnetz AREF/AGREF.<br />
Die erste Berechnungstätigkeit umfasste somit die Prüfung der aus dem AREF-Grundnetz<br />
bekannten Koordinaten der Referenzpunkte zur Aufdeckung etwaiger Verschiebungen. Es<br />
wurden schlussendlich die AREF-Grundnetzkoordinaten der Punkte A125 (30-147-A1) und<br />
A128 (21-148-B1) als Fixpunkte für die weiteren Berechnungen übernommen, während die<br />
restlichen AREF-Punkte mit starken Koordinatenzwängen (constraints) in die Auswertung<br />
eingeführt wurden. Die Koordinaten des Punktes Bozen wurden aus den Beobachtungen<br />
übergeordneter IGS Stationen neu bestimmt und ebenfalls festgehalten.<br />
Die Berechnung der Massenpunkte erfolgte in 2 Tagessessionen und weist folgende<br />
Charakteristika auf:<br />
a) Satellitenbahndaten: IGS präzise Ephemeriden<br />
b) minimaler Höhenwinkel (cut-off): 15 Grad. Die Wahl von 15 Grad stellt eine Optimierung<br />
des Problems der Phasenexzentrizitäten dar. Ein geringerer cut-off Winkel<br />
verbessert einerseits den mittleren Fehler der errechneten Höhenkomponenten,<br />
führt dagegen andererseits zu systematischen Höhendifferenzen zwischen Punktbestimmungen<br />
mit verschiedenen Antennentypen. Die Phasenexzentrizitäten<br />
wurden der offiziellen IGS-Datei entnommen.
6<br />
Martin Obex, Klaus Gillarduzzi, Robert Weber<br />
c) Mehrdeutigkeiten: Lösung über Wide- und Narrow-Lane L5 / L3(N1). Die Einrechnung<br />
erfolgte über jeweils alle in der Session zur Verfügung stehenden<br />
Referenzpunkte des AREF-Rahmens.<br />
d) Troposphärische Zenitkorrekturen wurden relativ zum Neupunkt in 2-Stunden-intervallen<br />
in der Berechnung bestimmt. Für sehr kurze Distanzen wurden dagegen<br />
zur Vermeidung systematischer Maßstabsfehler keine troposphärischen Zenitkorrekturen<br />
geschätzt.<br />
Die Genauigkeit der Lagekomponenten der berechneten Punkte liegt nach einer Multiplikation<br />
der ausgewiesenen formalen Fehler der GPS-Auswertung mit dem Faktor 10 bei<br />
+/- 3 mm. Die Genauigkeit der Höhenkomponente bei +/- 7 mm. Eine Erweiterung der<br />
formalen Fehler von GPS-Auswertungen mit Faktoren 5-10 ist international durchaus üblich<br />
und basiert auf der derzeit noch inadäquat modellierten hohen Korrelation benachbarter<br />
GPS-Epochenmessungen.<br />
4.2 Transformation in das Landessystem, Geoidundulationen<br />
Die Transformation der ITRF-Koordinaten in ein dem Landessystem naheliegendes spannungsfreies<br />
Netz erfolgte mittels einer 7-Parameter Ähnlichkeitstransformation über den<br />
aus AREF-Punkten bestimmten Projektparametersatz (Transformationsmodell von Bursa-<br />
Wolf). An die ellipsoidischen Höhen wurden zur Umrechnung in orthometrische Höhen<br />
vorerst die dem europäischen Geoid EGG97 entnommenen Geoidundulationen angebracht.<br />
Dieses an der Universität Hannover berechnete europäische Geoidmodell stützt sich im<br />
langwelligen Bereich auf das Geopotentialmodell EGM96 (NASA/NIMA; Grad und Ordnung<br />
360). Die kurzwelligen Anteile wurden durch verfügbare Schweremessungen und digitalen<br />
Geländemodelle eingebracht. EGG97 liefert vorerst Quasigeoidhöhen im von der<br />
IAG empfohlenen ‚Zero-Tide’ System (man beachte: die ITRF-Koordinaten entsprechen<br />
nicht exakt dieser Empfehlung) bezogen auf das geozentrisch gelagerte GRS80 Ellipsoid.<br />
Daraus können bei Kenntnis der orthometrischen Punkthöhe und der Lotlinienmittelwerte<br />
der theoretischen und wahren Schwere genähert Undulation errechnet werden. Die Urheber<br />
des EGG97 sprechen von einer Genauigkeit des Undulationsmodells von +/-1-5cm über<br />
10km in Gebieten mit ausreichend verfügbarer lokaler Schwerefeldinformation. In Österreich<br />
dürfte die Genauigkeit auf Grund der, in Europa fast einzigartigen, restriktiven Politik<br />
in der Veröffentlichung von g-Messungen allerdings etwas darunter anzusiedeln sein.<br />
Nichtsdestotrotz stellte das EGG97 Modell die zur Zeit der Auftragsabwicklung genaueste<br />
verfügbare Geoidinfomation dar.<br />
5 GPS Messung und Auswertung der Passpunkte<br />
Für eine Befliegung im Bereich Innsbruck – Brixen wurden an den Rändern der vorgesehenen<br />
Längsstreifen Doppelpasspunkte ausgewählt und signalisiert.<br />
Die Planung der Punktverteilung erfolgte durch das Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung<br />
für Vermessung und Geologie, die Signalisierung der Punkte durch das selbe Amt<br />
und durch das Forstamt der Provinz Bozen.
<strong>Ausbau</strong> <strong>Eisenbahnachse</strong> <strong>München</strong> – <strong>Verona</strong> Brennerbasistunnel 7<br />
Es waren in einem Bereich von 63 x 40 km zwischen Innsbruck, Brixen und Meran 72<br />
Passpunktgruppen mit zwei Punkten, 2 Passpunktgruppen mit vier Punkten und eine Passpunktgruppe<br />
mit drei Punkten mit GPS einzumessen. Für die Beobachtungen wurden Passpunktgruppen<br />
so zusammengestellt, dass im Abstand von maximal 10 km zumindest ein<br />
besetzter Netzpunkt als Referenzpunkt zur Verfügung stand.<br />
Die Punkte wurden nach der Methode der schnellen relativ-statischen Bestimmung beobachtet.<br />
Die Messdauer war mit mindestens 20 Minuten je Punkt festgelegt. Aus Gründen<br />
der Sicherheit wurde eine Aufzeichnungsrate von 10 Sekunden gewählt.<br />
Die Auswertung der Messungen erfolgte mit dem Softwarepaket Leica SKI-PRO. Aus der<br />
Berechnung resultieren kartesische Punktkoordinaten, bezogen auf das GPS-Rahmennetz.<br />
Für die Transformation der WGS84-Koordinaten in die lokalen Gebrauchskoordinaten<br />
wurde eine strenge 7-Parameter Transformation (Helmert-Transformation) angewendet.<br />
Der Übergang von ellipsoidischen Höhen auf quasi-orthometrische Höhen erfolgte wieder<br />
über das europäische Geoidmodell.<br />
6 Höhenmessungen<br />
Die Ermittlung der Höhen aller Triangulierungspunkte des Rahmennetzes und der Netzerweiterung<br />
- zusätzlich zu den Punkten der bestehenden Nivellements - war zur Berechnung<br />
eines präzisen Projektgeoides gefordert. Das Rückgrat zu dieser Arbeit bildeten die Präzisionsnivellements<br />
des BEV von Innsbruck bis Brenner und jenes des IGM vom Brenner bis<br />
Neustift bei Brixen.<br />
6.1 Nivellitische Höhenmessungen<br />
Für den Abschnitt in Südtirol hat sich die Projektleitung der BBT zu einer Neubestimmung<br />
der nivellitischen Höhen entschlossen, weil einerseits in dieser Zone tektonische Veränderungen<br />
vermutet werden und anderseits von der Linie des IGM seit der letzten Revision im<br />
Jahre 1960 viele Punkte verloren gingen und damit für die vorgesehenen Schweremessungen<br />
die gegebene Punktdichte zu gering war. Die noch vorhandenen Punkte des IGM wurden<br />
gesucht und freigelegt, sowie dazwischen weitere Vermarkungen im Abstand von etwa<br />
1000 m stabilisiert. Miteinbezogen wurden die letzten vier österreichischen Punkte vor der<br />
Grenze.<br />
Zum Einsatz kamen zwei Messtrupps, jeweils mit Leica Präzisionsnivellieren und Invar-<br />
Codelatten ausgerüstet. Die Hin- und Rückmessungen als fliegender Höhenzug wurden mit<br />
einem Ausgleichsverfahren mit den österreichischen Punkten als Passpunkte ausgewertet<br />
und die Ergebnisse mit den gegebenen Höhen des IGM verglichen. Somit war es möglich,<br />
die Differenz der Höhenniveaus zwischen Österreich und Italien zu ermitteln.<br />
Die Linie hat eine Länge von 47 km und eine Höhendifferenz von 780 m.<br />
Der letzte Punkt weist eine Signifikanz von s = ± 3,3 mm auf.<br />
Der Niveauunterschied zwischen den österreichischen und italienischen Gebrauchshöhen<br />
wurde mit 125 mm ermittelt.
8<br />
Martin Obex, Klaus Gillarduzzi, Robert Weber<br />
6.2 Trigonometrische Höhenmessungen<br />
Für die zum Teil weit ab der Nivellementlinien stabilisierten Punkte des GPS-Rahmennetzes<br />
und der Netzverdichtung waren, wie erwähnt, orthometrische oder genähert orthometrische<br />
Höhen zu bestimmen. Bei den gegebenen großen Distanzen und Höhenunterschieden,<br />
man denke nur an den Punkt in Aberstückel im hinteren Sarntal oder jenem bei der<br />
Seapenalm in Navis auf etwa 2200 m, stellt das trigonometrische Nivellement eine sehr<br />
wirtschaftliche und hinreichend verlässliche Messmethode dar.<br />
Die unberechenbarste Fehlerquelle, die Refraktion, wird üblicherweise mit Standardmodellen<br />
über den Aufbau der Atmosphäre eliminiert. Allerdings bleiben dabei Einflüsse, wie<br />
z.B. die Temperaturinversion oder über den Tagesverlauf wechselnde Bedingungen, wie sie<br />
im Hochgebirge auftreten, nicht berücksichtigt. Es ist deshalb unerlässlich, nicht nur<br />
zwangszentriert aufzustellen, sondern quasisimultan, d.h. in möglichst kurzen zeitlichen<br />
Abständen mit zwei Theodoliten die Distanzmessung und die Beobachtung der Zenitdistanzen<br />
einer Teilstrecke auszuführen.<br />
Mit modernen digitalen Ingenieurtheodoliten ist bei der zwei- bis dreifachen Wiederholung<br />
der Beobachtung, jeweils in zwei Lagen, eine Signifikanz des Mittels des gewonnenen<br />
wahrscheinlichsten Wertes für die Zenitdistanz von ± 0,3 mGon ohne weiteres erreichbar.<br />
Damit ergibt sich für die einseitig ermittelte Höhendifferenz eine Signifikanz von σT = ±<br />
4,7 mm je km und für die gegengleich ermittelte Höhendifferenz, wie im vorliegenden Fall,<br />
eine Signifikanz von σTkm = ± 3,3 mm je km. Die endgültige, von der gesamten Streckenlänge<br />
der Höhenübertragung abhängige, Signifikanz der Punkthöhe errechnet sich nach<br />
dem Fehlerfortpflanzungsgesetz mit σP = σTkm n km .<br />
Ein weiterer Einfluss auf die Signifikanz der Höhendifferenz ist durch die Unsicherheit der<br />
Streckenmessung gegeben. Mit den eingesetzten zertifizierten Tachymetern Leica<br />
TCA1800 wird eine Signifikanz der doppelt beobachteten Strecke von σ S = ± 0,6 + 0,6 mm<br />
für einen km erreicht. Auch bei steilen Strecken beeinflussen davon maximal ± 0,5 mm die<br />
Höhe und sind damit vernachlässigbar.<br />
Diese theoretischen Überlegungen sind keineswegs zu optimistisch angesetzt, sondern decken<br />
sich mit Ergebnissen aus Dreiecks- und somit überbestimmten Beobachtungen verschiedenster<br />
Distanzen und der langjährigen positiven Erfahrung.<br />
Die Auswertung der Messdaten erfolgte mit der Software „Geosi“. Um ein dem geometrischen<br />
Nivellement vergleichbares Ergebnis zu erhalten, wurden die gemessenen EDM Strecken<br />
dabei lediglich bezüglich der atmosphärischen Einflüsse, nicht jedoch bezüglich der<br />
Seehöhe und der Projektionsverzerrung korrigiert.<br />
Es wurden insgesamt Höhenübertragungen über 131 km durchgeführt.<br />
7 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Die Brennerbasistunnel EWIV verfügt mit dem Rahmennetz, den Verdichtungspunkten und<br />
den Höhenpunkten über ein dichtes Gerüst an Punkten für die weitere Projektierung.
<strong>Ausbau</strong> <strong>Eisenbahnachse</strong> <strong>München</strong> – <strong>Verona</strong> Brennerbasistunnel 9<br />
Die Schwereverhältnisse im Zusammenhang mit der enormen Gebirgsüberdeckung erfordern<br />
eine sorgfältige Abklärung der geodätischen Maßnahmen für eine fachmännische Höhenübertragung<br />
im Tunnel. Weiters gehört der mediterrane Teil Europas zu den geotektonisch<br />
aktivsten Zonen der Erde und es scheint das Projektgebiet von der sich nordwärts<br />
bewegenden afrikanischen Platte betroffen zu sein.<br />
Sowohl die aktive Alpenhebung von etwa 1mm/a als auch die von der Kontinentaldrift verursachte<br />
jährliche Bewegung der eurasischen Platte von 2.5 cm im ITRF-Rahmen erreichen<br />
eine Größenordnung, die bezogen auf die lange Projektierungs- und Lebensdauer dieses<br />
Bauwerkes, nicht zu vernachlässigen ist.<br />
Mit der Beschreibung eines eigenen Projektgeoides wurden die beiden Institute TU Graz<br />
und Politecnico Milano in einem eigenem Arbeitsprogramm beauftragt. Für das Geoid ist<br />
eine Präzision von ungefähr 5 cm vorgesehen, die eine gute Ermittlung der orthometrischen<br />
Höhen aus den elliptischen Höhen der GPS-Messung erlaubt.<br />
Literatur<br />
Brunner F.K., R.Weber,Konzept der hierarchischen Netzstruktur für AREF<br />
ÖZf Vermessung & Geoinformation; Heft 2/1998 ; pp. 78-83<br />
Denker H., D. Behrend, W. Torge, The European Gravimetric Quasigeoid EGG96,<br />
IAG Symposia, Proceed.of GraGeoMar96, Tokyo, 1996, Springer Verlag<br />
Albert Grimm Pitzinger, Vergleichende Untersuchungen zur Genauigkeit und Wirtschaftlichkeit<br />
der Präzisionshöhenmessung im Gebirge. Dissertation 1984<br />
Abschlussbericht, <strong>Ausbau</strong> <strong>Eisenbahnachse</strong> <strong>München</strong> – <strong>Verona</strong>, Brennerbasistunnel Geodätische<br />
Grundlagenvermessung, Arge Obex-Pfeifer-Tiwag, 2001.<br />
Weber R., G.Walter, St.Klotz, GPS-relevante Koordinatensysteme und deren Bezug zum<br />
Österreichischen Festpunktfeld, ÖZf Vermessung & Geoinformation;<br />
Heft 4/1995 ; pp. 190-199
10<br />
0125-030-<br />
147<br />
Martin Obex, Klaus Gillarduzzi, Robert Weber<br />
1121-2105-<br />
148<br />
1116-296-<br />
148<br />
1122 MAIE<br />
Geodätisches<br />
Rahmennetz<br />
Rete geodetica di<br />
riferimento<br />
0128-021-<br />
148<br />
1108 JAUF<br />
1110 ABER<br />
Auszug aus der Österreichischen Karte des BEV<br />
0960-107-148<br />
1101 GIGG<br />
Abb. 1: Geodätisches Rahmennetz ( s. auch Farbtafel #, S. # )<br />
0760-0000-118<br />
0129-071-118<br />
1112 PFON<br />
1102 SCHM<br />
1109 PENS<br />
1113 NANO<br />
1114 NASU<br />
1104 NIED<br />
1115 NAVI<br />
1119-265-148<br />
1117-315-148<br />
1118-308-148<br />
1103 GROS<br />
1105 PLAN<br />
1106 SPIN<br />
1107 MILL
Abb. 2: Präzissionsnivellement<br />
<strong>Ausbau</strong> <strong>Eisenbahnachse</strong> <strong>München</strong> – <strong>Verona</strong> Brennerbasistunnel 11<br />
Auszug aus der Österreichischen Karte des<br />
BEV<br />
Präzisionsnivellement<br />
der BBT<br />
Livellazione di alta<br />
precisione della BBT