Büchereiperspektiven 2/19: Lesen – Erlesen. Wissen aneignen und Welten erweitern
Egal aus welcher Perspektive man es betrachtet: Lesen bietet ungeheures Potenzial. Ob man nun durch Lektüre Wissen erlangt oder unbekannte Erfahrungen fassbar werden – die eigene Welt wird erweitert. In dieser Ausgabe der Büchereiperspektiven finden Sie Lektüreanregungen und Beispiele, wie Sie NutzerInnen zum Lesen animieren können!
Egal aus welcher Perspektive man es betrachtet: Lesen bietet ungeheures Potenzial. Ob man nun durch Lektüre Wissen erlangt oder unbekannte Erfahrungen fassbar werden – die eigene Welt wird erweitert. In dieser Ausgabe der Büchereiperspektiven finden Sie Lektüreanregungen und Beispiele, wie Sie NutzerInnen zum Lesen animieren können!
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LESEN – ERLESEN I AUS DER PRAXIS
FOTO: GERASIMOV_FOTO_174/SHUTTERSTOCK.COM
im Mai 2017 starten. Als Kooperationspartner wurden das
Quartiermanagement Hohenstücken, die Otto-Tschirch-
Oberschule und das Tonstudio Forensic-Music gewonnen.
Zusammen sollten Märchen mit SchülerInnen aus einer
Willkommensklasse gelesen, einstudiert und aufgenommen
werden. 20 Jugendliche aus Syrien, Afghanistan, Eritrea,
Tschetschenien, Venezuela, Iran und der Republik Moldau
ließen sich auf das Abenteuer ein. Ziel des Projektes war es,
Spaß am Erlernen der deutschen Sprache zu vermitteln, die
Lese- und Sprachkompetenz zu erhöhen, die Integration und
das Gemeinschaftsgefühl zu fördern, Kulturaustausch und
Zusammenarbeit anzuregen und die Bibliothek als Erlebnisort
zu etablieren.
Zu Beginn des Projektes waren bei den Jugendlichen keine
oder sehr wenige Sprach- und Lesefähigkeiten in der deutschen
Sprache vorhanden. Zusammen mit der Lehrerin der
Willkommensklasse, Ulrike Schwanitz, wurden den Jugendlichen
Märchen vorgelesen und erläutert. Die Jugendlichen
konnten sich für zwei ihrer Lieblingsmärchen entscheiden.
Die Entscheidung fiel auf „Die Bambusprinzessin“ von Vladislav
Stanovsky ´ und Jan Vladislav und auf „Wie der Hase
den Löwen überlistete“ von Michaela Bindernagel. Diese
beiden Märchen wurden von Ulrike Schwanitz und mir in
Einfache Sprache umgeschrieben, um das Erlernen der Texte
den vorhandenen Kenntnissen anzupassen. Die Textpassagen
wurden verteilt und in der Bibliothek einstudiert. Für
die Auswahl der Märchen und das Einstudieren der Texte
haben die Jugendlichen und die Initiatorinnen neun Monate
regelmäßig gearbeitet. Im Februar 2018 konnte mit den Tonaufnahmen
im Tonstudio begonnen werden. Vorab bekamen
die Jugendlichen einen Einblick hinter die Kulissen eines Tonstudios
und durften sich im Aufnahmeraum ausprobieren.
Die Tonaufnahmen waren ein besonderes Erlebnis für alle
Beteiligten. Anfängliche Scheu und Unsicherheit wurden
schnell abgelegt. Und als Überraschung für alle zukünftigen
HörerInnen wurde das Lied „Bruder Jakob“ in mehreren Sprachen
aufgenommen.
Im Oktober 2018 wurde das Hörbuch in der Stadtteilbibliothek
Hohenstücken im Beisein des Oberbürgermeisters mit
allen Beteiligten der Öffentlichkeit vorgestellt. Presse und
Stadtfernsehen berichteten ausführlich.
FOTO: OTTO-TSCHIRCH-OBERSCHULE
eines Booklets. Zusammen mit den Jugendlichen, die die
Märchen eingelesen haben, und einem Street-Art-Künstler
der Stadt Brandenburg an der Havel wird ein Booklet für die
CD erstellt. Darin werden die Märchen abgedruckt und das
Lied „Bruder Jakob“ wird in den aufgenommenen Sprachen
zu lesen sein. Weiteres Ziel wird es sein, die Märchen in
den Muttersprachen der teilnehmenden Jugendlichen aufzunehmen
und die CD durch folgende Sprachen zu ergänzen:
Tigrinya, Persisch, Tschetschenisch, Spanisch und Arabisch.
Durch die Vielseitigkeit des Projektes ist es für viele Bibliotheken
umsetzbar. Die technische Entwicklung ermöglicht
es heute mit einem Handy oder Tablet gute Tonaufzeichnungen
aufzunehmen und zu verarbeiten. Es ist nicht zwingend
nötig, eine Kooperation mit einem Tonstudio einzugehen.
Die Stadtteilbibliothek Hohenstücken hat bisher mit einer
Willkommensklasse am Projekt Hör(t)bücher gearbeitet,
möglich sind aber auch die Zielgruppen SchülerInnen mit
Förderbedarf, GrundschülerInnen (bis 10 Jahre) oder SeniorInnen,
die ihre Lieblingsmärchen vorlesen.
Stolz präsentierten die Jugendlichen das fertige Hörbuch
Das Projekt hat allen Beteiligten viel Spaß gemacht, den
kulturellen Austausch gefördert und die Bibliothek als einen
Erlebnisort bekräftigt. Das Ergebnis ist erstaunlich, fand viel
Aufmerksamkeit, wird noch künstlerisch erweitert – und findet
im nächsten Jahr mit neuen Märchen seine Ergänzung.
Erst der Anfang
Die erste Phase des Hörbuches war mit der Aufnahme und
der Erstellung der CD abgeschlossen. Bis Ende 2019 soll die
zweite Phase des Projekts abgeschlossen sein: die Erstellung
Nadin Sternberg ist Leiterin der Stadtteilbibliothek Hohenstücken.
Büchereiperspektiven 2/19
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