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Büchereiperspektiven 2/19: Lesen – Erlesen. Wissen aneignen und Welten erweitern

Egal aus welcher Perspektive man es betrachtet: Lesen bietet ungeheures Potenzial. Ob man nun durch Lektüre Wissen erlangt oder unbekannte Erfahrungen fassbar werden – die eigene Welt wird erweitert. In dieser Ausgabe der Büchereiperspektiven finden Sie Lektüreanregungen und Beispiele, wie Sie NutzerInnen zum Lesen animieren können!

Egal aus welcher Perspektive man es betrachtet: Lesen bietet ungeheures Potenzial. Ob man nun durch Lektüre Wissen erlangt oder unbekannte Erfahrungen fassbar werden – die eigene Welt wird erweitert. In dieser Ausgabe der Büchereiperspektiven finden Sie Lektüreanregungen und Beispiele, wie Sie NutzerInnen zum Lesen animieren können!

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LESEN – ERLESEN I LEKTÜREANREGUNGEN

JugendbuchautorInnen wie Angie Thomas, Jason Reynolds

und Elizabeth Acevedo nicht nur rassistisch motivierte Formen

alltäglicher und systemischer Diskriminierung.

Black Lives Matter

Den in dieser Hinsicht wohl einflussreichsten – längst nicht

mehr nur als Jugendroman rezipierten – Text lieferte Angie

Thomas mit ihrem 2017 publizierten, kürzlich verfilmten „The

Hate U Give“. Anlass für ihr Schreiben über Racial Profiling

und jugendliche Identitätsentwürfe zwischen den in sich

geschlossenen Welten des ärmlichen Schwarzen Ghettos

und der reichen Weißen Vorstadt bildeten die Morde an

Schwarzen (jugendlichen) ZivilistInnen wie Trayvon Martin

oder Philando Castile durch kaum strafrechtlich verurteilte

Polizisten. Konsequent erzählt Angie Thomas in ihrem literarischen

Debüt aus der Black Community und Innensicht der

Protagonistin Starr heraus. Ihre durch private und öffentliche,

unscheinbare und unvorstellbare Formen von Rassismus

geprägten Alltagserfahrungen macht sie nicht zuletzt

durch ein dichtes populärkulturelles Referenzsystem nahbar.

Mit ihrem Buch ordnet sich Angie Thomas in die 2013 ins

Leben gerufene, international wirksame Bürgerbewegung

#BlacklLivesMatter ein, die nicht nur die vermehrt sichtbar

werdende rassistische Polizeigewalt und das scheiternde

Justizsystem in den USA kritisiert, sondern auch im Allgemeinen

auf die strukturelle Benachteiligung von people of

color aufmerksam macht. Diese Konflikte verhandelt unter

anderen auch Jason Reynolds in seiner an ein jüngeres

Publikum adressierten Defenders-Buchserie. In vier Prosa-

Bänden erschafft er ein Erzähluniversum, das er rund um ein

junges Laufteam aus den Südstaaten ansiedelt. Nacheinander

reflektieren die ausgeprägten individuellen Stimmen von

Ghost, Patina, Sunny und Lu ihre Suche nach Zugehörigkeit

und Zusammenhalt, aber auch ihren Umgang mit Diskriminierung,

Krankheit und traumatischen Erfahrungen.

Mit dem Finden der eigenen Stimme setzt sich auch Elizabeth

Acevedo in ihrem in Versen verfassten Debütroman

auseinander. In „Poet X“ erzählt sie von einer hispanischen

Familie, die nach New York migriert ist, und von einer jugendlichen

Protagonistin, die sich mit sich selbst nicht identifizieren

kann: Sie ist, wie ihre Mutter zu sagen pflegt, „zuviel

Körper für so ein junges Mädchen“. Differenziert schildert

die junge dominikanisch-amerikanische Autorin jene alltäglichen

sexualisierten Mikroaggressionen, die Xiomara als farbige

junge Frau am eigenen Körper erfährt. Ihr emotionales

Empfinden zeigt sich in und zwischen ihren aufbegehrenden

Literaturtipps

Elizabeth Acevedo: Poet X. Aus dem Amerikan. v. Leticia Wahl

Rowohlt rotfuchs 2019. Ab 14 Jahren

Jason Reynolds: Long Way Down. Aus dem Amerikan. v. Petra Bös

dtv 2019. Ab 15 Jahren

Jason Reynolds: Ghost/Patina/Sunny/Lu. Aus dem Amerikan. v. Anja

Hansen-Schmidt. dtv 2018/2019. Ab 12 Jahren

Angie Thomas: The Hate U Give/On the Come Up. Aus dem Amerikan.

v. Henriette Zeltner. cbj 2017/2019. Ab 14 Jahren

Alex Wheatle: Liccle Bit/Die Ritter von Crongton/Wer braucht ein

Herz, wenn es gebrochen werden kann. Aus dem Engl. v. Conny

Lösch. Kunstmann 2018/2019. Ab 14/15 Jahren

Verszeilen, die sie in ihrem Notizheft niederschreibt. Nur

schrittweise wagt sie ihre Gedanken in einem Spoken Word

Poetry Club laut auszusprechen, der ihrem Körper und ihren

Empfindungen endlich den Raum gibt, den sie brauchen.

Lesen soll neue Welten eröffnen

Bücher wie diese eröffnen nicht nur vielfältige Identifikationspotentiale

für Kinder und Jugendliche of color. Denn

Literatur bildet nicht nur die eigene Welt ab, sondern kann

(und soll!) auch Einblicke in Lebenssituationen und Identitätsentwürfe

anderer bereiten, neue Perspektiven eröffnen und

bislang fremde Welten näherbringen. Demnach können die

genannten Bücher zu einer Akzeptanz kultureller Differenzen

hinführen, die Menschen nicht als „das fremde Andere“

stereotypisieren, sondern ihnen mit Wertschätzung und Verständnis

– auch für die unangenehmen Wahrheiten ihrer

Realitäten – begegnen.

Claudia Sackl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der STUBE – Studien-

und Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur, Leiterin der

Literarischen Kurse in Wien und Herausgeberin deren Fernkurses für

Literatur.

Büchereiperspektiven 2/19

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