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Büchereiperspektiven 2/19: Lesen – Erlesen. Wissen aneignen und Welten erweitern

Egal aus welcher Perspektive man es betrachtet: Lesen bietet ungeheures Potenzial. Ob man nun durch Lektüre Wissen erlangt oder unbekannte Erfahrungen fassbar werden – die eigene Welt wird erweitert. In dieser Ausgabe der Büchereiperspektiven finden Sie Lektüreanregungen und Beispiele, wie Sie NutzerInnen zum Lesen animieren können!

Egal aus welcher Perspektive man es betrachtet: Lesen bietet ungeheures Potenzial. Ob man nun durch Lektüre Wissen erlangt oder unbekannte Erfahrungen fassbar werden – die eigene Welt wird erweitert. In dieser Ausgabe der Büchereiperspektiven finden Sie Lektüreanregungen und Beispiele, wie Sie NutzerInnen zum Lesen animieren können!

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LESEN – ERLESEN I LEKTÜREANREGUNGEN

es Cyprian Broodbank für die „Geburt der mediterranen

Welt“ bei 992 Seiten belässt (C.H. Beck 2018). Dagegen ist

Emmanuel Todds „Traurige Moderne“ (C.H. Beck 2018), die

Geschichte der Menschheit von der Steinzeit bis zum homo

americanus, mit 550 Seiten geradezu asketisch.

Digitalisierung und Demokratie

Naheliegender Weise sind derzeit digitale Themen populär

und gefragt. Dabei gibt es starke düstere Warnungen

wie Jaron Laniers „Anbruch einer neuen Zeit“ (Hoffmann

und Campe 2018) oder Shoshana Zuboffs „Das Zeitalter

des Überwachungskapitalismus“ (Campus 2018). Andere

wie Julia Ebner in „Radikalisierungsmaschinen“ (Suhrkamp

2019) berichten von zutiefst erschreckenden „Abenteuern“

in radikalisierten digitalen Parallelwelten.

Auch das Wanken liberaler Demokratien wird verhandelt,

darüber veröffentlichten die US-Politikwissenschaftler Steven

Levitsky und Daniel Ziblatt „Wie Demokratien sterben“

(Pantheon 2018) und die Sprachwissenschaftlerin Ruth

Wodak „Politik mit der Angst“ (Edition Konturen 2016). Zur

Wirkung rechtspopulistischer Diskurse für eine jugendliche

Leserschaft geschrieben sind Nina Horaczeks und Sebastian

Wieses Bände „Gegen Vorurteile. Wie du dich mit

guten Argumenten gegen dumme Behauptungen wehrst“

und „Informiert euch! Wie du auf dem Laufenden bleibst,

ohne manipuliert zu werden“ sowie „Wehrt euch! Wie du

dich in einer Demokratie engagieren und die Welt verbessern

kannst“ (Czernin 2017, 2018, 2019). Auffällig auch,

dass im Zuge des Auslotens gegenwärtiger Gefährdungen

Gegenwärtige Demokratiegefährdungen und Alte

Geschichte sind gleichermaßen Thema in aktuellen

Sachbüchern

der liberalen Demokratien auch Alter Geschichte neues

Interesse widerfährt.

Historisches und Aktuelles

Mary Beard („SPQR“, Fischer 2016), Tom Holland („Dynastie“,

Klett-Cotta 2016), und Michael Kulikowski („Triumph

der Macht“, wbg Theiss 2018) untersuchen Aufstieg, Glanz

und Verfall des römischen Imperiums. Pedro Barceló offeriert

eine Überschau der gesamten Antike („Die alte Welt“,

Philipp von Zabern 2019), Catherine Nixey legt mit „Heiliger

Zorn“ (DVA 2019) eine sehr kritische Darstellung des frühen

Christentums vor. Während Jürgen Kaube („Die Anfänge von

Allem“, Rowohlt 2017) und James C. Scott („Die Mühlen der

Zivilisation“, Suhrkamp 2019) neue und ungewöhnliche Lesarten

der Ur- und Frühgeschichte des Menschen präsentieren.

Allen gemeinsam die Fragen: Woher kam der Mensch,

wie wurde er, was er ist, moralisch wie lebensphilosophisch,

was lässt sich aus der Historie lernen?

Im Zuge globaler Klimaschutzkampagnen hat Ökologisches

massiv an Boden gut gemacht. Greta Thunbergs

2019 erschienene „Szenen aus dem Herzen. Unser Leben

für das Klima“ (Fischer) lag binnen kurzem in fünfter Auflage

vor, „Wütendes Wetter“ (Ullstein 2019) der Klimawandelforscherin

Friederike Otto ist ein medialer Hit. Behandelt wird

(fast) alles: die Wiese (Jan Haft, Penguin 2019), der Baum

(David Suzuki/Wayne Grady, oekom 2018), Wanderlust

(Rebecca Solnit, Matthes & Seitz Berlin 2018) sowie erzählerische

Abenteuer über und unter der Grasnarbe (Robert

Macfarlane, Penguin 2019).

Im Jahr 2020 wird der zehnte und letzte, selbstredend

dicke Band von Jean-Henri Fabres „Erinnerungen eines

Insektenforschers“ (Matthes & Seitz Berlin) vorliegen. Und

viele werden dem Franzosen (1823–1915) nacheifern wollen.

Der lag einst auf den Knien vor einem Thymianbusch,

eine Lupe in der Hand, auf dem Kopf einen unförmigen Filzhut,

gebannt von den Vorgängen, die sich vor ihm abspielten:

Eine Sandwespe war auf Beutejagd. Sie scharrte am

Strunk des Stocks, steckte ihren Kopf unter Erdkrumen.

Tatsächlich gelang es ihr, einen großen grauen Wurm, der

durch die Aktivitäten rings um sein unterirdisches Versteck

aufgeschreckt war, herauszutreiben. Prompt war es um ihn

geschehen. Hätte er sich zuvor ein Sachbuch ausgeliehen,

wäre ihm das nicht passiert.

Alexander Kluy ist Autor und Literaturkritiker.

Büchereiperspektiven 2/19

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