Werkstofftechnik Praktikum-Versuch Nr.10 "Festigkeit ...
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<strong>Werkstofftechnik</strong><br />
Prof. Dr.-Ing. G. Kötting<br />
Prof. Dr. J. Peterseim<br />
Dipl.-Ing. J. Schifter<br />
Schifter-VERS-10.DOC 09.03<br />
1. Grundlagen<br />
<strong>Praktikum</strong>-<strong>Versuch</strong> <strong>Nr.10</strong><br />
"<strong>Festigkeit</strong> ausscheidungshärtbarer Aluminiumlegierungen"<br />
Möglichkeiten der <strong>Festigkeit</strong>ssteigerung, Legierungssysteme des Aluminiums<br />
Die breite Nutzung der Vorteile des Aluminiums, nämlich seine geringe Dichte und große<br />
Korrosionsbeständigkeit, für den Maschinen-, Flugzeug-, Fahrzeugbau und das Bauwesen wurde wesentlich<br />
erweitert durch die Möglichkeiten zur Verbesserung der <strong>Festigkeit</strong>seigenschaften.<br />
Um die <strong>Festigkeit</strong> eines Metalls zu erhöhen müssen bekanntlich die Versetzungen als Träger der plastischen<br />
Verformungsmechanismen in ihrer Bewegung behindert bzw. blockiert werden. Wie bei allen Metallen<br />
können dazu auch bei Aluminiumwerkstoffen die Verfestigung durch Mischkristallbildung, sowie die<br />
Kaltverfestigung ausgenutzt werden (siehe Kap 3.4.3 der Vorlesung). Darüber hinaus kommt der <strong>Festigkeit</strong>ssteigerung<br />
durch Ausscheidungshärtung für die technische Anwendung der Aluminiumwerkstoffe eine<br />
große Bedeutung zu.<br />
Die Ausscheidungshärtung ist an bestimmte Legierungselemente gebunden. Ausscheidungshärtbar sind<br />
Werk-stoffe der folgenden Legierungsgruppen, die durch die angegebenen Hauptlegierungselemente<br />
gekennzeichnet werden:<br />
- AlCuMg - Legierungen (2000-er Reihe)<br />
- AlMgSi - Legierungen (6000-er Reihe)<br />
- AlZnMg - Legierungen (7000-er Reihe)<br />
Bei aushärtbaren Legierung kann selbstverständlich eine <strong>Festigkeit</strong>serhöhung durch Kaltverfestigen<br />
überlagert werden.<br />
Folgende Legierungen sind technisch nicht aushärtbar:<br />
- Al - Legierungen mit Al-Gehalt >99% (1000-er Reihe)<br />
- AlMn - Legierungen (3000-er Reihe)<br />
- AlMg- bzw. AlMgMn - Legierungen (5000-er Reihe)<br />
Eine <strong>Festigkeit</strong>serhöhung kann in diesen Fällen nur über Mischkristall- und Kaltverfestigung erzielt werden.<br />
Legierungen vom Typ AlSi (4000-er Reihe) sind teilweise aushärtbar.<br />
Prinzip der <strong>Festigkeit</strong>ssteigerung durch Ausscheidungshärtung<br />
Zur <strong>Festigkeit</strong>ssteigerung sind Ausscheidungen ganz bestimmter Teilchendurchmesser und in einer definierten<br />
Anzahl erforderlich. Größe und Menge müssen darauf abgestimmt sein, daß Versetzungen, die<br />
Träger der Gleitprozesse während der Verformung sind, in ihrer Fortbewegung effektiv behindert werden. Dadurch<br />
wird die Fließgrenze oder allgemein die <strong>Festigkeit</strong> des Metalles erhöht. Typische Teilchendurchmesser<br />
bei aushärtbaren Aluminiumlegierungen sind ca. 1nm und typische Teilchenabstände 10 nm bis 20 nm.<br />
Somit befinden sich in einem Kubikmillimeter Legierung etwa 10 10 bis 10 20 solcher Teilchen. Kohärente<br />
Phasengrenzen zwischen ausgeschiedenen Verbindungskristallen und Al-Matrix wirken sich positiv aus.<br />
Wärmebehandlung und Ausscheidungshärtung<br />
Der Ablauf der Ausscheidungshärtung gliedert sich in folgende Teilschritte:<br />
Lösungsglühen Erwärmen auf eine Temperatur, bei der möglichst alle von den zur Aushärtung führenden<br />
Legierungsatome im Mischkristall gelöst sind.<br />
Abkühlen Durch rasches Abkühlen von Glühtemperatur auf Raumtemperatur sollen die<br />
Legierungsatome bei hinreichend geringer Beweglichkeit (also im<br />
thermodynamischen Ungleichgewicht) über- sättigt im Mischkristall in Lösung<br />
bleiben. Bei vielen Legierungen ist dazu eine schnelle Ab- kühlung<br />
(Abschrecken mit Wasser) erforderlich.
- 2 -<br />
Auslagern Längeres Lagern bei Raumtemperatur (Kaltauslagern) oder erhöhten Temperaturen<br />
(Warmaus- lagern) führt zur diffusionsgesteuerten Ausscheidung der<br />
Legierungsatome unter Bildung von<br />
Verbindungskristallen entsprechender Teilchengröße und -verteilung.<br />
Temperaturen und Zeiten, die bei der Auslagerung eingehalten werden müssen, hängen von<br />
den einzelnen Legierungen ab und werden von den Aluminiumherstellern<br />
angegeben.<br />
Der Aushärtungsablauf und die dabei auftretenden Vorgänge sollen am Beispiel des Legierungstyps Al-Mg-Si<br />
dargestellt werden. In diesem Dreistoffsystem bildet Magnesium mit Silizium eine intermediäre Phase Mg2Si.<br />
Diese Verbindung kann man als selbstständige Legierungskomponente betrachten. Man kann dann mit<br />
dieser Verbindung und dem Aluminium ein Zweistoff-Zustanddiagramm aufstellen, wie es in Bild 1a<br />
schematisch für die Al-reiche Seite des Diagramms dargestellt ist. Der erste Schritt der Wärmebehandlung,<br />
das Lösungsglühen, erfolgt bei Temperaturen um ca. 500°C (Punkt 1 in Bild 1a). Die Dauer des<br />
Lösungsglühens ist derart zu bemessen, daß alle evtl. vorhandenen Ausscheidungen an Mg 2Si, die vom<br />
Gußzustand oder von vorausge-gangenen Wärmebehandlungen noch vorhanden sein können, mit Sicherheit<br />
im α -Mischkristall gelöst werden. Das ist je nach konkreter Legierung nach einer Zeit von 1/2 bis 2 Stunden<br />
abgeschlossen.<br />
Anschließend wird der Werkstoff auf Raumtemperatur abgeschreckt. Die Diffusionsvorgänge laufen jetzt<br />
nicht mehr oder nur noch sehr träge ab. Die <strong>Festigkeit</strong> ist im abgeschreckten Zustand gering und entspricht<br />
in etwa der Mischkristallverfestigung. Erforderliche Kaltverformungen werden zwechmäßig in diesem Zustand<br />
geringer <strong>Festigkeit</strong> vorgenommen. In Bild 1a und b entspricht der jetzt vorliegende Zustand dem Punkt 2.<br />
Aus Bild 1a wird deutlich, daß dies kein Gleichgewichtszustand ist. Der homogene α-Mischkristall wurde auf<br />
Raumtemperatur eingefroren. Es liegt eine instabile, übersättigte Lösung vor. Das abschließende Aushärten<br />
erfolgt bei Tem-peraturen, die bei Legierungen des Systems AlMgSi zwischen 150 und 250°C liegen können<br />
und nimmt je nach Temperatur Zeiten zwischen einer halben Stunde und mehreren Stunden in Anspruch.<br />
Die höheren Temperaturen bewirken günstigere Diffusionbedingungen für die Legierungsatome, so daß die<br />
Ausbildung feinst ver-teilter Ausscheidungen ermöglicht wird. Die <strong>Festigkeit</strong> des Werkstoffs steigt damit an,<br />
siehe Skizze in Bild 1c.<br />
a)<br />
+ S<br />
S<br />
Mg2Si - Gehalt<br />
1 Lösungsglühen<br />
2 Abschrecken<br />
3 Auslagern<br />
(aushärten<br />
\WT-MB\PRAKT\BILDER.DRW<br />
1<br />
2<br />
b)<br />
3<br />
Zeit t<br />
Zeit t<br />
c)<br />
Bild 1:<br />
Ausscheidungshärtung<br />
einer Aluminiumlegierung<br />
(schematisch)<br />
a) Zustandsdiagramm<br />
des Systems<br />
Mg2Si - Al<br />
b) Temperatur-Zeit-Verlauf<br />
c) zeitlicher Verlauf der<br />
<strong>Festigkeit</strong><br />
Legierungen des Typs AlMgSi erfordern nach dem Lösungsglühen immer eine Abschreckung (Mindestabkühlgeschwindigkeit)<br />
um die Legierungsatome zunächst zwangsgelöst zu halten. Bei langsamerer Abkühlung<br />
erfolgen die Ausscheidungen in grober und damit bezogen auf die <strong>Festigkeit</strong> in weniger wirksamer<br />
Form. Grundsätzlich gibt es für jede konkrete Legierung bestimmte Temperaturen und Haltezeiten, die bei<br />
der nachfolgenden Warmauslagerung zu optimalen <strong>Festigkeit</strong>swerten führen. Zu lange Haltezeiten führen<br />
beispiels-weise zur Vergröberung und Koagulation der Ausscheidungen und damit zu <strong>Festigkeit</strong>seinbußen.<br />
Davon abweichend ist das Verhalten der Legierungen der Gattung AlZnMg. Auch bei relativ geringen<br />
Abkühlge-schwindigkeiten kann nach dem Lösungsglühen eine Zwangslösung der Legierungsatome erzielt<br />
werden. Durch Auslagern bei Raumtemperatur (Kaltauslagerung) stellt sich (allerdings erst nach Wochen)<br />
diffusionsgesteuert eine <strong>Festigkeit</strong>ssteigerung infolge Ausscheidungsbildung ein.<br />
- 3 -
2 Aufgaben und Durchführung des <strong>Praktikum</strong>-<strong>Versuch</strong>s<br />
Es sind Zugproben einer Legierung des Typs AlMgSi zu untersuchen. In Zugversuchen sind die Dehngrenze,<br />
die Zugfestigkeit und die Bruchdehnung für folgende Werkstoffzustände zu ermitteln:<br />
A Anlieferungszustand, d.h., lösungsgeglüht, abgeschreckt und warmausgelagert<br />
B lösungsgeglüht und abgeschreckt, ohne Warmauslagerung<br />
C-E lösungsgeglüht und abgeschreckt, bei bestimmter Temperatur über vier verschiedene Zeiten<br />
warmausgelagert<br />
Durchführung<br />
a Die Werkstoffzustände sind in Tabelle 1 eingetragen.<br />
b Anfangsprobenquerschnitt So berechnen, sowie Anfangsmeßlänge Lo= [5 x d0] anreißen,<br />
sehr genau ausmessen und in Tabelle 2 eintragen.<br />
c Dehngrenzkraft Fp0,2, maximale Zugkraft Fm und Meßlänge Lu nach dem Bruch aus dem<br />
Meßschrieb der Prüfmaschine bzw. an der Probe ermitteln und in Tabelle 2 eintragen.<br />
d Werte für Dehngrenze, Zugfestigkeit und Bruchdehnung errechnen und in Tabelle 2 eintragen.<br />
e Werte für Dehngrenze, Zugfestigkeit und Bruchdehnung in Diagramm 1 als Funktion der<br />
Warmauslagerzeit eintragen und Ausgleichslinien durch die Meßpunkte zeichnen.<br />
Tabelle 1: Werkstoffzustände der Proben aus der Legierung: . . . . . .AlMgSi1. . . . .<br />
Probe Temperatur<br />
[°C]<br />
Lösungsglühen Warmauslagerung<br />
Zeit<br />
[Min]<br />
abgeschreckt<br />
mit<br />
Temperatur<br />
[°C]<br />
Zeit<br />
[Min]<br />
A Lieferzustand ----- ----- ----- -----<br />
B 540 30 H2O ----- -----<br />
C 540 30 H2O 180 15<br />
D 540 30 H2O 180 30<br />
E 540 30 H2O 180 45<br />
- 4 -
Tabelle 2: Abmessungen und Kennwerte der Proben<br />
Nr:<br />
A<br />
B<br />
C<br />
D<br />
E<br />
Querschnitt<br />
[mm 2 ]<br />
Dehngrenzkraft<br />
Fp0,2<br />
[N]<br />
Dehngrenze<br />
Rp0,2<br />
[MPa]<br />
max.<br />
Zugkraft<br />
Fm<br />
[N]<br />
Zugfestigkeit<br />
Rm<br />
[MPa]<br />
Anfangsmeßlänge<br />
Lo<br />
[mm]<br />
Meßlänge<br />
nach<br />
Bruch Lu<br />
[mm]<br />
Diagramm 1: Dehngrenze, Zugfestigkeit Bruchdehnung in Abhängigkeit von der<br />
Warmauslagerungszeit<br />
Verlängerung<br />
∆L<br />
[mm]<br />
↑ ↑<br />
MPa %<br />
0 15 30<br />
→<br />
45<br />
t [min]<br />
Bruch-<br />
Dehnung<br />
A5<br />
[%]