Nr. 85 - Winter 2022-2023
Flusstourismus, Canal du Rhône à Sète, Pays de Gex, Astrotourismus, Notre-Dame de Paris, Picasso, Gâteau aux noix, Wein ... und viel mehr!
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ART DE VIVRE Wein<br />
Chenonceau: Einsatz<br />
für die Appellation<br />
Schloss Chenonceau (Indre-et-Loire) hatte bekanntlich<br />
schon immer eine besonders enge Beziehung zu Frauen<br />
(siehe Frankreich erleben <strong>Nr</strong>. 80: Château de Chenonceau,<br />
florale Kunst im Schloss). Der Ruf des Schlosses kommt<br />
nicht von ungefähr, denn es hatte in der Vergangenheit<br />
mehrere berühmte Besitzerinnen: Diana von Poitiers<br />
(1499-1566), Katharina von Medici (1519-1589) und<br />
Louise Guillaume de Fontaine (1706-1799) – genannt<br />
Madame Dupin –, eine Frau mit Esprit und eine frühe<br />
Feministin, die im Schloss einen glanzvollen literarischen<br />
Salon einrichtete. Diese Frauen spielten alle eine entscheidende<br />
Rolle für den Weinbau auf Schloss Chenonceau und<br />
in der Umgebung. Diana von Poitiers interessierte sich<br />
sehr für Wein und war die Erste, die Rebstöcke namens<br />
Plant d’Anjou in die Touraine holte. Im 16. Jahrhundert<br />
machte der Schriftsteller der Renaissance Rabelais (1483-<br />
1553), der geistige Vater von Gargantua, die Reben unter<br />
der Bezeichnung Chenin populär, einen Namen, den diese<br />
Sorte noch heute trägt. Die Italienerin Katharina von<br />
Medici wiederum ließ alles Mögliche nach Chenonceau<br />
importieren, was dazu geeignet war, in ihrer neuen Heimat<br />
im Loire-Tal die Erinnerung an die Toskana beziehungsweise<br />
den Süden generell wachzuhalten. Sie brachte<br />
ihre ausgesprochene Vorliebe für mediterranes Obst und<br />
Gemüse dadurch zum Ausdruck, dass sie im Gemüsegarten<br />
des Schlosses Artischocken, Spargel, Brokkoli, Bohnen<br />
und vieles andere anpflanzen ließ. Zur Pflege holte<br />
sie eigens Gärtner aus Kalabrien und Sizilien, die – unter<br />
den neugierigen Blicken der lokalen Gärtner – bis dato<br />
in der Region unbekannte Oliven-, Zitronen- und Orangenbäume<br />
pflegten. Auch in Bezug auf den Wein hegte<br />
Katharina von Medici einen « südlichen Geschmack » und<br />
ließ 1550 « exotische » Rebstöcke aus dem Rhone-Tal an<br />
die Loire bringen. Laut Informationen aus Archiven waren<br />
es « Stöcke aus Tournon », man geht heute davon aus,<br />
dass es sich vermutlich um die Sorte Grenache handelte,<br />
deren Trauben kräftige Rotweine ergeben. Was die dritte<br />
berühmte Eigentümerin von Chenonceau angeht, Madame<br />
Dupin, so soll diese historischen Überlieferungen<br />
zufolge keine Gelegenheit ausgelassen haben, den Wein<br />
und den Weinanbau gegenüber ihren zahlreichen Gästen<br />
anzupreisen … Man kann also sagen, dass die Frauen auf<br />
Schloss Chenonceau schon immer Reben und Wein zugetan<br />
waren und sich mit Kräften dafür einsetzten!<br />
Daher ist es auch nicht erstaunlich, dass sich diese<br />
Tradition heute noch fortsetzt. Und zwar nicht nur auf<br />
dem Gut von Schloss Chenonceau selbst, sondern auch<br />
im Umfeld des Schlosses, wo seit 2011 die Appellation<br />
d’origine contrôlée Touraine-Chenonceaux existiert. Der<br />
Name leitet sich jedoch von der Gemeinde Chenonceaux<br />
ab, die sich, im Gegensatz zum Schloss, mit einem « x »<br />
am Ende schreibt. Die Herkunftsbezeichnung umfasst<br />
rund 50 Produzenten in 27 Gemeinden zu beiden Ufern<br />
des Flusses Cher, den das Schloss so elegant überspannt.<br />
Knapp die Hälfte dieser Winzer sind Frauen! In der AOC<br />
werden hauptsächlich zwei Weinsorten produziert: der<br />
Touraine-Chenonceaux blanc, ein rebsortenreiner Weißwein<br />
(100 % Sauvignon) und der Touraine-Chenonceaux<br />
rouge, ein Rotwein, eine Assemblage aus Côt (die lokale<br />
Bezeichnung für Malbec, der mindestens einen Anteil von<br />
50 % haben muss) und Cabernet Franc (mindestens 35 %).<br />
Auch aus der 10 Hektar großen Rebfläche, die zu Schloss<br />
Chenonceau gehört, werden zwei Weine der Appellation<br />
Touraine-Chenonceaux erzeugt. Produziert werden die<br />
beiden Cuvées (ein Weißwein und ein Rotwein), die den<br />
Namen des Schlosses tragen, von einem lokalen Winzer<br />
(Caves du Père Auguste) im nahe gelegenen Dorf Civrayde-Touraine<br />
(Indre-et-Loire).<br />
Dass der Wein auf Chenonceau immer noch einen<br />
hohen Stellenwert hat und man sich für die Vermarktung<br />
der Herkunftsbezeichnung Touraine-Chenon-<br />
84 · Frankreich erleben · Herbst <strong>2022</strong>