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Nr. 85 - Winter 2022-2023

Flusstourismus, Canal du Rhône à Sète, Pays de Gex, Astrotourismus, Notre-Dame de Paris, Picasso, Gâteau aux noix, Wein ... und viel mehr!

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einzigartiges Material. Selbst in verkohltem Zustand stellt<br />

es für Forscher eine wahre Fundgrube an Informationen<br />

dar. So hat man zum Beispiel an einigen Balken Spuren<br />

vom Behauen entdeckt, sogar an solchen, die durch das<br />

Feuer stark beschädigt waren. Das gibt Aufschluss über<br />

die Bautechniken von früher. Darüber hinaus ist vor allem<br />

die Dendrochronologie eine wertvolle Hilfe. Dabei geht<br />

es um die Jahresringe, die jeder Baum im Laufe seines<br />

Lebens bildet. Man weiß, dass das Holz eines Baumes<br />

dann wächst, wenn er Blätter hat und wenn Fotosynthese<br />

abläuft. Das ist im Frühjahr und im Sommer der Fall. Auf<br />

diese Weise kann man mithilfe der Ringe<br />

das Alter eines Baumes präzise bestimmen.<br />

In Bezug auf Notre-Dame lassen sich daraus<br />

sehr interessante Erkenntnisse ableiten:<br />

Jahresringe an Splintholz, das unversehrt<br />

in den Trümmern gefunden wurde, zeigen,<br />

dass diese Bäume viel später gefällt wurden,<br />

als man bislang angenommen hatte. Für den<br />

Bau von Notre-Dame wurde relativ frisch<br />

geschlagenes Holz verwendet. Aus diesem<br />

Grund werden die 2021 in Frankreich gefällten<br />

Eichen bereits <strong>2023</strong> für die Restaurierung<br />

eingesetzt ... Doch selbst die wissenschaftliche<br />

Untersuchung von Holz, das nur<br />

teilweise « gerettet » werden konnte, liefert<br />

noch interessante Informationen für die<br />

Zukunft. Die Jahresringe machen wertvolle<br />

Aussagen darüber, welche Temperaturen und<br />

welches Klima während des Wachstums eines<br />

jeden Baumes herrschte. Das verbessert<br />

unser Wissen über die klimatischen Bedingungen<br />

im Mittelalter. Bislang wusste man<br />

nur, dass es in dieser Zeit zu einer leichten<br />

Klimaerwärmung kam, ohne dass dies für<br />

den Großraum Paris näher spezifiziert werden<br />

konnte ... Also viele wichtige Daten!<br />

Würden Sie abschließend sagen, dass die Wissenschaft<br />

sich den Herausforderungen stellen konnte,<br />

die durch den Brand entstanden sind?<br />

Ganz ehrlich ja. Für mich als Wissenschaftlerin<br />

konnten die größten Herausforderungen<br />

bewältigt werden. Diese waren<br />

zuallererst menschlicher Natur. Es musste<br />

uns gelingen zusammenzuarbeiten, und zwar<br />

auch mit Nicht-Wissenschaftlern. Insofern<br />

ist nicht von der Hand zu weisen, dass aus<br />

dieser Tragödie eine Art kollektive Intelligenz<br />

ungeheuren Ausmaßes entstanden ist.<br />

Ich weiß aus Erfahrung, dass es bei solchen<br />

Projekten oft das Schwierigste ist, diese zwischenmenschliche<br />

Synergie zu schaffen – abgesehen<br />

von der Beschaffung der finanziellen<br />

Mittel, die die Grundlage für alles darstellen.<br />

Das ist hier ebenfalls gelungen. Forschungsprojekte<br />

ziehen sich jedoch über acht, zehn Jahre hin,<br />

das sollten wir nicht vergessen. Nach dieser Zeit werden<br />

wir beispielsweise das Ergebnis von zehn Doktorarbeiten<br />

kennen, die sich derzeit mit Notre-Dame beschäftigen.<br />

Und wir werden einen umfassenden Überblick über die<br />

Entdeckungen erhalten haben. All das sind großartige<br />

Informationsquellen für die Zukunft. Zudem ist die entwickelte<br />

Methodik vermutlich bei ähnlich dramatischen<br />

Ereignissen hilfreich. Die Zukunft liegt vor uns!<br />

Martine Regert, wir danken Ihnen für das Gespräch.<br />

Für alle, die noch tiefer<br />

einsteigen möchten:<br />

Lesetipp<br />

Notre-Dame de Paris, la science à<br />

l’œuvre, herausgegeben von Philippe<br />

Dillmann, Pascal Liévaux, Aline<br />

Magnien und Martine Regert, Le<br />

Cherche Midi, 178 Seiten, 35 €, ISBN<br />

978-2749174310.<br />

Dieses kollektive Werk, das von<br />

Martine Regert mitherausgegeben<br />

wurde, ist eine formidable<br />

Informationsquelle und<br />

außergewöhnlich illustriert. Es geht<br />

nicht nur auf den verheerenden<br />

Brand ein, sondern Sie erfahren auch,<br />

in welchem Umfang dieser zu einer unvergleichlichen Mobilisierung<br />

– unter anderem in wissenschaftlicher Hinsicht – auf nationaler und<br />

internationaler Ebene geführt hat. Auf spannende und für Laien<br />

ausgesprochen klare Art fasst es Beiträge herausragender Spezialisten<br />

des CNRS, des Kulturministeriums und der staatlichen Einrichtung für<br />

den Wiederaufbau der Kathedrale zusammen. Ein Buch, das konkret<br />

über das wissenschaftliche Abenteuer berichtet, das bereits kurz nach<br />

dem Feuer im Jahr 2019 begonnen hat.<br />

Quellen im Internet<br />

• Das französische Kulturministerium publiziert umfangreiche<br />

Informationen und Daten im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau<br />

von Notre-Dame. Dafür wurde eine Website ins Leben gerufen, die<br />

beispielsweise einen chronologischen Abriss über die Arbeiten sowie<br />

zahlreiche Fotos und Videos enthält. (notre-dame-de-paris.culture.<br />

gouv.fr)<br />

• Die staatliche Einrichtung für den Wiederaufbau von Notre-Dame<br />

besitzt ebenfalls eine eigene Website. Darauf finden Sie Fotos<br />

und Videos der Bauarbeiten. Weiterhin kann man sich mit einem<br />

Obolus den 360 000 Spendern aus aller Welt anschließen, die<br />

bereits die Restaurierung der Kathedrale unterstützen. (www.<br />

rebatirnotredamedeparis.fr)<br />

• Zu den zahlreichen internationalen Universitäten und<br />

Forschungszentren, die konkret in die wissenschaftlichen Arbeiten für<br />

die Restaurierung von Notre-Dame eingebunden sind, gehören auch<br />

deutsche Einrichtungen. Sie sind ein deutliches Beispiel dafür, dass<br />

die deutsch-französische Kooperation lebt! Besonders die Universität<br />

Bamberg und Prof. Dr. Stephan Albrecht, der persönlich in drei der<br />

genannten Arbeitsgruppen mitarbeitet, leisten eine wichtige Arbeit.<br />

(Nähere Informationen: www.uni-bamberg.de/presse/pm/artikel/<br />

notre-dame-kooperationsvertrag-wiederaufbau/)<br />

Frankreich erleben · Herbst <strong>2022</strong> · 67

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