flip-Joker_2022-11
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
FRAUEN-Gesundheit KULTUR JOKER 35<br />
entwickelten Mikrofon reale<br />
Situationen aufgenommen<br />
und können diese direkt auf<br />
das Testhörgerät streamen.<br />
Nur so können wir das ideale<br />
Gerät mit der perfekten<br />
Feinjustierung finden und die<br />
Kundin an die Nutzung heranführen.<br />
Kultur <strong>Joker</strong>: Wie unterscheidet<br />
sich das weibliche Gehör<br />
vom männlichen?<br />
Ihre Apothekerin<br />
Marianne Nägele e.K.<br />
Habsburgerstraße <strong>11</strong>4<br />
79104 Freiburg<br />
Telefon: 0761/3 98 28<br />
Öffnungszeiten<br />
Montag bis Freitag<br />
8.30 Uhr – 18.30 Uhr<br />
Samstag<br />
8.30 Uhr – 13.00 Uhr<br />
Gute Gesundheit!<br />
Dr. Anja Johnen: Die Wahrnehmungsempfindlichkeit<br />
für<br />
Sprache, Sprachkompetenz<br />
und die Erfassung emotionaler<br />
Zwischentöne ist bei Frauen<br />
höher. Frauen haben z.B. auch<br />
ein Leben lang ein besseres<br />
Wortgedächtnis. Insbesondere<br />
die unterschiedliche Statur<br />
von Frauen und Männern<br />
wirkt sich auf das Hören aus.<br />
Die Köpfe von Frauen sind<br />
statistisch kleiner, was für<br />
das Richtungshören, also die<br />
Schallortung, einen großen<br />
Unterschied macht.<br />
Kultur <strong>Joker</strong>: Wo macht sich<br />
das erkenntlich?<br />
Dr. Anja Johnen: Frauen<br />
berichten in Situationen, in<br />
denen die Schallortung eine<br />
Rolle spielt, also in kommunikativen<br />
oder geräuschvollen<br />
Situationen, von Problemen.<br />
Das hat einfach damit zu tun,<br />
dass der Kopf kleiner und die<br />
Ohren näher beieinander sind.<br />
Kultur <strong>Joker</strong>: Unterscheidet<br />
sich auch die Form?<br />
Dr. Anja Johnen: Ja, die Form<br />
des Hörorgans bei Frauen und<br />
Männern unterscheidet sich<br />
stark – und zwar so sehr, dass<br />
man bereits im Mutterleib nur<br />
an der Form des Hörorgans<br />
erkennen könnte, ob es ein<br />
Mädchen oder Junge wird.<br />
Das Hörorgan ist unter einem<br />
dicken Knochen, dem Mastoid,<br />
hinter der Ohrmuschel<br />
gebettet.<br />
Kultur <strong>Joker</strong>: Wirken sich<br />
diese Unterschiede auch auf<br />
die Wahrnehmung aus?<br />
Dr. Anja Johnen: Man würde<br />
sagen, dass Frauen hohe<br />
und leise Töne und Männer<br />
tieffrequentierte Töne besser<br />
auswerten können. Das führt<br />
auch zu Wahrnehmungsunterschieden,<br />
z.B. beim Musikhören.<br />
Kultur <strong>Joker</strong>: Nehmen Hormone<br />
ebenfalls Einfluss auf<br />
das weibliche Hören?<br />
Reinhard Sorg: Ja, ein einfaches<br />
Beispiel. Junge Mädchen<br />
sind gegenüber lauten<br />
Geräuschen weniger schreckhaft,<br />
mit dem Eintritt in die<br />
Pubertät nimmt die Schreckhaftigkeit<br />
dann zu. Bei Erwachsenen<br />
Frauen stabilisiert<br />
sich diese Empfindlichkeit.<br />
Mit dem Alter tritt das gleiche<br />
Phänomen dann wieder<br />
auf. Die Schreckhaftigkeit<br />
gegenüber lauten Geräuschen<br />
steigt, der Östrogenspiegel<br />
sinkt und das Gehör verändert<br />
sich. Deshalb wissen wir, dass<br />
wir bei der Einstellung von<br />
Hörgeräten auf diese Details<br />
besonders achten müssen.<br />
Dr. Anja Johnen: Das wurde<br />
bereits in vielen wissenschaftlichen<br />
Zusammenfassungen<br />
bestätigt. Es gibt im<br />
weiblichen Ohr Östrogenrezeptoren,<br />
wo das Hormon<br />
andockt. Man hat herausgefunden,<br />
dass es im Ohr einen<br />
Signalweg für Östrogen gibt,<br />
der den Schutz vor Hörveränderungen<br />
steuert. Bis es zu<br />
Hörakustikermeister Reinhard Sorg hat für die „Mona&Lisa“-Methode den Freiburger Innovationspreis<br />
2021 und den VR-Innovationspreis <strong>2022</strong> gewonnen<br />
©Mona&Lisa<br />
dem Punkt kommt, wo die<br />
Hormonumstellung stattfindet.<br />
Kultur <strong>Joker</strong>: Welchen Einfluss<br />
hat diese auf das weibliche<br />
Hören?<br />
Dr. Anja Johnen: In der Menopause<br />
beschleunigt sich die<br />
Veränderung des Gehörs. Das<br />
wird von Frauen in der Regel<br />
auch unmittelbar wahrgenommen,<br />
denn es wirkt sich<br />
natürlich auf die Lebensqualität<br />
aus.<br />
Reinhard Sorg: Genau. Der<br />
Hörverlust bei Männern verläuft<br />
anders, denn ihre Hörfähigkeit<br />
nimmt ab circa 30 Jahren<br />
kontinuierlich in kleinen<br />
Schritten ab. Frauen erleben<br />
diesen Hörverlust dagegen<br />
in kürzester Zeit. So gibt es<br />
Kundinnen, die uns davon<br />
berichten, dass sie vor einem<br />
Jahr noch wunderbar gehört<br />
haben und heute bereits Orientierungsschwierigkeiten<br />
haben.<br />
Kultur <strong>Joker</strong>: Lange Zeit war<br />
es so, dass es in der medizinischen<br />
Forschung hauptsächlich<br />
männliche Probanden<br />
gab und die Forschungsergebnisse<br />
auf den weiblichen<br />
Körper übertragen wurden;<br />
mit katastrophalen Folgen,<br />
die unterschiedlichen Symptome<br />
eines Herzinfarktes<br />
sind ein bekanntes Beispiel.<br />
Nehmen Sie eine Veränderung<br />
in der Forschung wahr?<br />
Reinhard Sorg: Da sprechen<br />
Sie einen wichtigen Punkt an.<br />
In der Medizin ist das noch<br />
immer nicht selbstverständlich<br />
und wir kommen gerade<br />
dazu, uns die genderspezifischen<br />
Unterschiede anzusehen.<br />
Das ist wahnsinnig wichtig,<br />
damit die Gesundheit von<br />
Frauen nicht darunter leidet.<br />
Dr. Anja Johnen: In meinen<br />
Vorträgen weise ich gerne<br />
darauf hin, dass 2008 in der<br />
European Health Policy fest<br />
verankert wurde, dass die geschlechtsspezifische<br />
Diagnose<br />
und Therapie miteinbezogen<br />
werden muss. Seither hat auch<br />
die Forschung in diesem Bereich<br />
zugenommen und ich<br />
denke, dass wir auf einem guten<br />
Weg sind. Jetzt ist es wichtig,<br />
dass diese Forschung auch<br />
in geschlechtsspezifischen<br />
Konzepten und Therapien umgesetzt<br />
wird.<br />
Kultur <strong>Joker</strong>: Herzlichen<br />
Dank für das Gespräch.<br />
*Erwähnte Studie: McFadden D,<br />
Martin GK, Stagner BB, Maloney<br />
MM (2009) Sex differences in distortion-product<br />
and transient-evoked<br />
optoacoustic emissions compared