flip-Joker_2022-11
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THEATER KULTUR JOKER 3<br />
Erstickt im Container, gefangen im Überwachungsstaat<br />
Mit „Escape“ präsentierte das Freiburger Theater zwei Musiktheater-Uraufführungen<br />
das Instrumentalensemble<br />
platziert, im rechten der<br />
schmalen Rechtecke liegen<br />
Kleider, im linken stehen<br />
eng gedrängt gesichtslose<br />
Menschen (Bühnenbild und<br />
Kostüme: Christian Wiehle,<br />
Regie: Thomas Fiedler).<br />
Bei Ying Wangs Musiktheater<br />
„Lorry 39“ treffen gedämpfte<br />
Trompetenklänge<br />
auf Glissandi in den Streichern.<br />
Die Musik sorgt für<br />
permanente Verunsicherung<br />
und setzt von Anfang an die<br />
tragische Geschichte unter<br />
Spannung. Könntest Du<br />
bitte das Licht anschalten?<br />
Wo sind wir? – lauten die<br />
ersten Sätze im englischen<br />
Libretto, die von der Mezzosopranistin<br />
Inga Schäfer<br />
artikuliert werden.<br />
Auf der Leinwand oberhalb<br />
der Bühne erscheint<br />
das Innere eines Containers<br />
(Video: Stefan Bischoff, Kevin<br />
Graber). Am 23. Oktober<br />
2019 fand man in solch<br />
einem Stahlquader in Essex<br />
im Südosten Englands die<br />
Leichen von 39 Migrantinnen<br />
und Migranten aus<br />
Vietnam. Andreas Karl hat<br />
einige ihrer Handynachrichten<br />
in sein Libretto eingearbeitet.<br />
Inga Schäfer spricht,<br />
deklamiert und singt diese<br />
kurzen Sätze in kantablen<br />
Linien. Dazwischen hört<br />
man immer wieder Atemgeräusche,<br />
Herzschlag und<br />
elektronische Beats, zu denen<br />
sich die Statisten des<br />
Theaters beugen und krümmen.<br />
In den Videos wird dieser<br />
Todeskampf noch sichtbarer.<br />
Hier nehmen einige<br />
ihre Maske ab und zeigen<br />
ihre Angst, ihren Schmerz,<br />
ihren Schweiß.<br />
„A Cerebral’s Rhapsody“<br />
von Huihui Cheng (Libretto:<br />
Pat To Yan) fußt auf keiner<br />
realen Geschichte, aber die<br />
darin gezeigte Utopie – oder<br />
Dystopie? – ist in Ländern<br />
wie China schon Realität. Am<br />
Anfang glaubt die Gesellschaft<br />
noch den Verheißungen<br />
des smarten Programmierers<br />
(mit geschmeidigem Tenor:<br />
Hyunhan Hwang), dass mit<br />
dem Sammeln von Daten alles<br />
besser werden würde. Nur ein<br />
Mensch (von kantabel zu Beginn<br />
bis hysterisch am Ende:<br />
der Bariton Lorenz Kauffer)<br />
ist von Beginn an skeptisch.<br />
Er misstraut der neuen Welt,<br />
wenn er von einem beweglichen<br />
Scheinwerfer gescannt<br />
wird, um seine Persönlichkeit<br />
durchleuchten zu lassen.<br />
Faszinierend wird die Musik,<br />
wenn Inga Schäfer als Künstliche<br />
Intelligenz ihre zu Beginn<br />
noch roboterhaft klingende<br />
Stimme nach und nach<br />
mit Emotionen anreichert:<br />
Liebe, Leidenschaft, Begierde.<br />
Das SWR Experimentalstudio<br />
packt hier seinen digitalen<br />
Zauberkasten aus und setzt<br />
Hall hinzu, spaltet Frequenzen<br />
ab und streut glitzernde Partikel<br />
über die Gesangslinie. Die<br />
Künstliche Intelligenz wird<br />
immer menschlicher, was den<br />
Programmierer freut. Nur<br />
der normale Mensch möchte<br />
fliehen aus dieser perfektionierten,<br />
überwachten Welt.<br />
Weitere Vorstellungen:<br />
15./22./30. Oktober, 5./6. November<br />
<strong>2022</strong>. Tickets unter<br />
0761/201 2853 oder unter<br />
www.theater.freiburg.de<br />
Georg Rudiger<br />
Uhren von hier - für hier<br />
made in Germany<br />
handgraviert in Freiburg<br />
Die Mezzosopranistin Inga Schäfer<br />
Foto: Britt Schilling<br />
Die einen sind aus ihrer<br />
Heimat Vietnam geflohen,<br />
weil sie sich in Großbritannien<br />
ein besseres Leben erhofften<br />
– am Ende sind alle<br />
39 Menschen tot. Erstickt in<br />
dem Container, in dem sie ins<br />
ersehnte Land geschmuggelt<br />
wurden. Die anderen werden<br />
nach und nach durch Künstliche<br />
Intelligenz beobachtet<br />
und gesteuert. Die verspro-<br />
chene goldene Zukunft wird<br />
zur Unfreiheit. „Escape“ –<br />
Flucht – heißt der unbequeme<br />
Abend im Kleinen Haus des<br />
Freiburger Theaters, der<br />
gleich zwei Musiktheater-<br />
Uraufführungen präsentierte.<br />
Großer Applaus für die jeweils<br />
rund 45-minütigen Produktionen,<br />
die ein Ensemble<br />
des Philharmonischen Orchesters<br />
Freiburg unter der Leitung<br />
von Detlef Heusinger<br />
mit dem SWR Experimentalstudio<br />
(Klangregie: Maurice<br />
Oeser und Thomas Hummel)<br />
und Gesangssolisten zusammenbrachten.<br />
Die Fläche der drei Räume,<br />
die auf der Bühne durch<br />
einen Rahmen am Boden<br />
markiert sind, entspricht genau<br />
den Maßen eines LKW-<br />
Containers. In der Mitte ist<br />
…..auch mit Ihrem Wunschmotiv<br />
Meistergoldschmiede in der Ölmühle<br />
Insel 1A, 79098 Freiburg, 0761 22969<br />
www.charakterschmuck.de