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flip-Joker_2022-11

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Kultour KULTUR JOKER 23<br />

Kultur <strong>Joker</strong>: Wo ist das<br />

Tanztheater in Deutschland geblieben?<br />

Krisztina Horváth: Ich weiß<br />

es nicht, wo es geblieben ist. Ich<br />

stamme nicht aus dieser Sorte<br />

Tanz, die heute praktiziert wird.<br />

Ich mache meine eigene Art<br />

Tanz, entwickele meinen Stil<br />

immer weiter. Zur Zeit gehe ich<br />

mehr Richtung Schauspiel, zum<br />

Beispiel mit Angelika Neumann<br />

entstehen sehr interessante,<br />

mehr szenische Sachen, wie bei<br />

„Valeska“ oder „Elisabeth I“.<br />

Das nächste Projekt ist schon in<br />

Arbeit.<br />

Kultur <strong>Joker</strong>: Vor zwei Jahren<br />

ist Dein Ehemann Michael<br />

Molnár, mit dem Du alles zusammen<br />

gemacht hast, gestorben<br />

…<br />

Krisztina Horváth: Das ist<br />

etwas, das kam wie aus heiterem<br />

Himmel… Das kann<br />

man nicht verstehen, habe ich<br />

bis heute nicht. Aber ich bin sicher:<br />

das, was ich jetzt mache,<br />

das hätte er gewollt. Es ist absolut<br />

in seinem Sinne, dass ich<br />

weiter mache.<br />

Kultur <strong>Joker</strong>: Was bedeutet<br />

Glück für Dich?<br />

Krisztina Horváth: Gute<br />

Menschen um Dich herum, das<br />

ist Glück. Dass wir gesund sind<br />

– auch, dass wir uns wieder begegnen<br />

können.<br />

Kultur <strong>Joker</strong>: Krisztina, vielen<br />

Dank für das Gespräch!<br />

Tänze der Belle Époque<br />

Internationales Tanztheater-Wochenende im Jagdschlösschen Eutin<br />

Serpentinentänze nach Loïe Fuller“ von und mit: Gunda Gravemann-Kamper Foto: Berend Neumann<br />

Nikolett Gerlitz in der Choreografie von Ildikó Mándy<br />

Foto: Berend Neumann<br />

Anna Pavlova, die wohl<br />

berühmteste Ballerina aller<br />

Zeiten ist Inspiration für den<br />

ersten Teil des Tanztheater<br />

Wochenendes in Eutin. Auf<br />

Einladung von Krisztina Horváth<br />

gastiert die Company von<br />

Ildikó Mándy aus Budapest<br />

und präsentiert mit dem Solo<br />

„Anna Pavlova – Ballerina auf<br />

Reisen“ eine Art Selbstfindung<br />

einer jungen Tänzerin im Angesicht<br />

des großen Idols.<br />

Mal spürt Nikolett Gerlitz<br />

sich hinein in die Schwanenbewegungen<br />

der Pavlova, mal<br />

bietet sie ihren filigranen Körper<br />

im weißen Ganztrikot als<br />

Projektionsfläche für das übergroße<br />

Antlitz der russischen<br />

Ballerina an. Ausschnitte aus<br />

Pavlovas berühmten Solo „Der<br />

sterbende Schwan“ werden<br />

nachgetanzt und verschmelzen<br />

bisweilen mit dem filmischen<br />

Original. Doch schnell legt<br />

Gerlitz die Spitzenschuhe ab,<br />

tauscht sie mit poppigen Gummi-Boots,<br />

die Musik wird von<br />

Techno-Beats unterwandert.<br />

Vom Spitzentanz bis hin zu<br />

trendigem Urban Dance: Nikolett<br />

Gerlitz erweist sich als ungemein<br />

vielseitig und sieht dabei<br />

der jungen Lady Gaga zum<br />

Verwechseln ähnlich. Kapriziös<br />

und romantisch versunken<br />

im Tutu, draufgängerisch und<br />

dynamisch mit Turnschuhen<br />

und Sweater, wird sie begleitet<br />

von zum Teil biografischen<br />

Videoprojektionen, die auf das<br />

Interessanteste mit den analogen<br />

Darstellungen verschmelzen.<br />

Der zweite Teil des Abends<br />

gehört der modernen Antipodin<br />

Loïe Fuller mit ihren<br />

ebenfalls berühmt gewordenen<br />

Serpentinentänzen. Gunda<br />

Gravemann-Kamper widmet<br />

diese Hommage – unterstützt<br />

von Krisztina Horváth in Musikauswahl,<br />

Timing und Kostüm<br />

– der amerikanischen<br />

Tanzpionierin aus der Zeit<br />

der Belle Époque. Sie tanzt in<br />

sechs Abschnitten diese durch<br />

wirbelnde Stoffbahnen geprägten<br />

Tänze mit ausdrucksvoller<br />

Kraft. Man meint diese<br />

Tänze zu kennen - meist aus<br />

Filmen - und ist beim Zusehen<br />

doch überrascht, wie sehr<br />

die Live-Aufführung in ihren<br />

Bann zieht. Gravemann-Kamper<br />

gibt ihnen durch weiche<br />

Bewegungen Atem und Eleganz,<br />

tanzt sich barfuß von<br />

Szene zu Szene: mal lyrisch<br />

ganz in Weiß zu Claude Debussys<br />

„Claire de Lune“, dann<br />

dramatisch zum „Valse Triste“<br />

von Jean Sibelius. In den Pausen<br />

liest Ruth Speidel von Voss<br />

Texte von und über Loïe Fuller,<br />

gibt Einblicke in ihre Auffassung<br />

von Tanz: Fuller interessierte<br />

sich für die im Jugendstil<br />

typischen Übergänge von<br />

Formen in Linien, für eine Art<br />

Entmaterialisierung des Körpers<br />

mit Hilfe von Stoff. – Das<br />

Publikum in Eutin ist in seiner<br />

Begeisterung kaum zurückzuhalten.<br />

Am zweiten Abend dann<br />

Carl Orffs berühmtes Chorund<br />

Orchesterwerk „Carmina<br />

Burana“ von Krisztina<br />

Horváth choreografiert. Sehr<br />

harmonisch und bisweilen an<br />

Ausdruckstanz erinnernd tanzen<br />

die Tänzerinnen des Tanz-<br />

TheaterEutin in lyrischen, bäuerlich<br />

anmutenden Tanzbildern<br />

die Angst vor dem Schicksal,<br />

die Hingabe an das Leben mit<br />

all seinem Auf und Ab. Eine<br />

schöne, nicht herausfordernde<br />

Choreografie, der das Publikum<br />

mit Interesse folgt.<br />

Eutin kann sich glücklich<br />

schätzen, eine so versierte<br />

Künstlerin wie Kristina Horváth<br />

vor Ort zu haben – ein<br />

absolut gelungenes Kulturwochenende<br />

in einer Gegend, in<br />

der sonst nur Urlaub gemacht<br />

wird.<br />

Renate Killmann

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