flip-Joker_2022-11
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18 KULTUR JOKER KUNST<br />
Von Rastern und anderen Systemen<br />
Die Katholische Akademie zeigt Arbeiten des Münchner Künstlers Thomas Bechinger<br />
Thomas Bechinger gehört<br />
nicht zu jenen Künstlern, die<br />
Titel für sich sprechen lassen.<br />
So ungegenständlich wie seine<br />
Arbeiten sind, so titellos bleiben<br />
sie. In der Katholischen<br />
Akademie in Freiburg sind nun<br />
Bilder und Grafiken des 1960<br />
geborenen Künstlers unter<br />
dem Titel „Schichtungen“ zu<br />
sehen. Und dieses Schichten,<br />
dieses Auseinanderdividieren<br />
verschiedener Arbeitsschritte<br />
verbindet tatsächlich die Grafik<br />
mit der Malerei. Bechinger<br />
hat in München, am Londoner<br />
Royal College of Arts und an<br />
der Kunstakademie Düsseldorf<br />
studiert. Heute lebt er wieder<br />
in München sowie in Stuttgart,<br />
wo er seit 2010 eine Professur<br />
für Glasgestaltung an der Akademie<br />
der bildenden Künste<br />
innehat.<br />
Das Erdgeschoss der Katholischen<br />
Akademie vereint in<br />
der Ausstellung gut zehn Jahre<br />
alte Kaltnadelradierungen<br />
mit sehr farbigen Arbeiten in<br />
Acryl, die zwischen 2019 und<br />
2021 entstanden sind. Manchmal<br />
sind diese Radierungen<br />
derart reduziert als läge ihnen<br />
das Raster eines Notenpapiers<br />
oder von Spalten zugrunde,<br />
nur, dass die senkrech-<br />
ten Striche nicht konsequent<br />
durchgezogen sind und mal<br />
in abgerundeten Horizontalen<br />
enden. Doch meist meint<br />
„Schichtungen“ ein dichteres<br />
System. So legt Bechinger<br />
etwa auf eine bestehende Netzstruktur<br />
eine fast rechteckige<br />
Fläche, die aus lauter Linien zu<br />
bestehen scheint, wodurch der<br />
Charakter von etwas Textilem<br />
noch verstärkt wird. Bechinger<br />
verbindet in diesen Papierarbeiten<br />
meist die Kaltnadelradierung<br />
mit der Aquatinta, wobei<br />
es scheint, als ständen beide<br />
Techniken ganz im Dienst<br />
der Linie. Denn diese Grafiken<br />
wirken sehr zeichnerisch durch<br />
die Gitter- und Netzstrukturen.<br />
Und wenn man überhaupt<br />
an etwas Konkretes denken<br />
wollte, dann sind es die Konstruktionsskelette<br />
beim Bau<br />
oder beim Abbruch eines Gebäudes.<br />
Im obersten Stockwerk<br />
zeigt Thomas Bechinger<br />
eine Reihe von Lithografien,<br />
die stärker mit Flächen arbeiten<br />
und bei denen der Münchner<br />
Künstler sein Formrepertoire<br />
um sattschwarze Kreise<br />
erweitert hat.<br />
Die Malerei, die Bechinger<br />
in Freiburg zeigt, bildet hierzu<br />
– allein durch die Kraft der<br />
Werk aus der Ausstellung Thomas Bechingers in der Katholischen Akademie Freiburg © Thomas Bechinger<br />
Farbe – ein eindeutiges Gegengewicht.<br />
Das kontrollierte<br />
Arbeiten an einer Druckgrafik<br />
ist einem freieren Duktus<br />
gewichen. Und hier spielt der<br />
Zufall eine größere Rolle, etwa<br />
wenn Bechinger die Farbe aufs<br />
Papier tropfen lässt oder wenn<br />
an den Rändern verschiedener<br />
Farbfelder es zu Reaktionen<br />
kommt. Die Schichtungen sind<br />
dann eher Experimentierfelder.<br />
Thomas Bechinger, Schichtungen.<br />
Katholische Akademie,<br />
Wintererstr. 1, Freiburg.<br />
Mo-Fr 8.30-18.45 Uhr. Bis 16.<br />
Dezember <strong>2022</strong>.<br />
Annette Hoffmann