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14 KULTUR JOKER kunst<br />

Kontinuitäten und Kontaktzonen<br />

Das Archäologische Museum bricht mit dem Mythos des Zusammenbruchs nach Ende des Weströmischen Reiches<br />

„Untergang und Aufbruch“ titelt die neue Ausstellung im Archäologischen<br />

Museum Colombischlössle in Freiburg © Patrick Seeger<br />

Man kann sich der Ausstellung<br />

„Untergang und Aufbruch.<br />

Frühmittelalter am<br />

südlichen Oberrhein“ auch nähern,<br />

indem man sie erst einmal<br />

verfehlt. Denn dann landet<br />

man in der Präsentation, mit<br />

der sich das Archäologische<br />

Museum Colombischlössle an<br />

den kürzlich stattgefundenen<br />

Freiburg Fashion Days beteiligt<br />

hat. Die Figuren präsentieren<br />

Römer und Germanen<br />

in ihrer typischen Kleidung.<br />

Mode ist ja meist mehr als<br />

nur die Anpassung an die lokalen<br />

Wetterverhältnisse. Daher<br />

wundert es zwar nicht,<br />

dass Römer in der Provinz<br />

die Vorteile von Beinkleidern<br />

und Oberteilen mit Ärmeln<br />

erkannten. Aber es zeigt sich<br />

eben auch, das Fremde oder<br />

Andere war durchaus cool,<br />

so dass es modische Annäherungen<br />

sowohl von den Germanen<br />

als auch von den Provinzialrömern<br />

gab. Dass man<br />

am Hinweis auf die Schau so<br />

einfach vorbeilaufen kann, hat<br />

aber auch damit zu tun, dass es<br />

sich mehr um eine Neupräsentation<br />

des Frühmittelalters am<br />

Oberrhein handelt, als um eine<br />

eigentliche Sonderausstellung.<br />

Sie passt sich jedenfalls übergangslos<br />

in die anderen Räume<br />

des ersten Stocks ein.<br />

Nicht grundlos heißt die Präsentation<br />

„Untergang und Aufbruch“,<br />

betont der Titel doch<br />

den Charakter des Übergangs<br />

zwischen Antike und Mittelalter.<br />

Die Archäologie schaut<br />

heute differenzierter auf diese<br />

Zeit, auch auf die Menschen,<br />

die hier siedelten. Als das Römische<br />

Reich zusammenbrach,<br />

fiel der südliche Oberrhein<br />

nicht in das sprichwörtliche<br />

dunkle Mittelalter. Die Präsentation<br />

beleuchtet die Zeit<br />

zwischen dem 3. und 8. Jahrhundert,<br />

zeigt Funde, interpretiert<br />

sie und gibt durch Videos<br />

Einblick in die Herstellung von<br />

Waffen und Glasperlen. Und<br />

wirklich lässt die Kunstfertigkeit<br />

der Handwerker – wie die<br />

gefundenen Waffen oder die<br />

vergoldete Silberfibel aus Hüfingen<br />

aus dem 6. Jahrhundert<br />

zeigen – nicht einfach nach.<br />

Wie ein solcher Übergang sich<br />

vollzogen haben kann, zeigt<br />

beispielhaft die Grenzregion<br />

am Limes. Als mehr und mehr<br />

Truppenkontingente vom Wall<br />

abgezogen wurden, nutzten die<br />

Germanen die Situation für<br />

Überfälle und Plünderungen<br />

in den römisch besiedelten<br />

Gebieten. Anstatt sich zurückzuziehen,<br />

begannen sie sich in<br />

den eroberten Regionen anzusiedeln,<br />

aus der Grenze wurde<br />

eine römisch-germanische<br />

Kontaktzone. Wo Menschen<br />

zusammenlebten, beeinflussen<br />

sie einander. Das hatte<br />

bereits früher selbst Konsequenzen<br />

auf die Götterwelt.<br />

So wird die Diana Abnoba<br />

als eine Verschmelzung von<br />

römischen und keltischen Vorstellungen<br />

interpretiert. Die römische<br />

Göttin der Jagd vertrug<br />

sich mit der keltischen Göttin<br />

des Schwarzwaldes. Und auch<br />

die Begräbnissitten verändern<br />

sich. Da die germanische<br />

Oberschicht die Alltagskultur<br />

der Römer zu schätzen wusste,<br />

werden deren Gefäße zu<br />

Prestigeobjekten und so auch<br />

von den Archäologen in den<br />

Gräbern gefunden.<br />

Höhensiedlungen sind charakteristisch<br />

für diese Zeit des<br />

Frühmittelalters am Oberrhein,<br />

wie etwa auf dem Zähringer<br />

Burgberg, dem Geißkopf bei<br />

Berghaupten, dem Kügeleskopf<br />

bei Ortenberg. Die beiden<br />

letzteren Siedlungen waren<br />

auch hinsichtlich der alten<br />

Römerstraße zwischen Straßburg<br />

und dem Schwarzwald<br />

nach Rottweil wichtig. Neben<br />

diesen Höhensiedlungen gab<br />

es auch eher bäuerliche Dörfer<br />

und größere Reihengrabfelder.<br />

Doch von den Dörfern hat sich<br />

aufgrund der Holzbauweise<br />

nur wenig erhalten.<br />

Archäologisches Museum<br />

Colombischlössle, Rotteckring<br />

5, Freiburg. Di, Do-So 10-17<br />

Uhr, Mi 10-19 Uhr.<br />

Annette Hoffmann<br />

Der Rhein/Le Rhin 12.<strong>11</strong>.<strong>2022</strong> - 02.07.2023<br />

38 Ausstellungen beleuchten aus europäischer Perspektive die Geschichte<br />

des Oberrheins – Überblicksausstellung im Dreiländermuseum Lörrach<br />

Der Oberrhein und seine Ebene prägt die Landschaft zwischen Schwarzwald, Vogesen und Schweizer Jura. Seinen Charakter änderte der Fluss im<br />

Laufe der Jahrhunderte fundamental. Aber immer blieb er eine wichtige Lebensader und Verkehrsachse. Grenzen und Kriege um den Fluss trennten<br />

Menschen, meist aber verband der Rhein die Bevölkerung auf beiden Seiten seines Ufers. Die Leitausstellung in Lörrach gibt einen Überblick zum<br />

Oberrhein, seiner Geschichte und seiner Bedeutung für das Leben und die Kultur der<br />

Menschen. Ein Schwerpunkt gilt dem national unterschiedlichen Blick: In Deutschland entwickelte<br />

sich „Vater Rhein“ zur Personifikation eines urdeutschen Flusses, die „Wacht am<br />

Rhein“ wurde als nationale Aufgabe stilisiert. Frankreich sah seit dem 17. Jahrhundert im<br />

Flusslauf eine Linie, die die natürliche Ostgrenze des Landes bilden müsse. Das schweizerische<br />

Basel mit seiner alten Rheinbrücke entwickelte sich zu beiden Seiten des Flusses.<br />

Die Ausstellung im Dreiländermuseum ist Teil des mit Interreg-Mitteln geförderten Netzwerks<br />

Museen mit insgesamt 38 Ausstellungen zwischen Laufenburg in der Schweiz und Bingen<br />

in Rheinland-Pfalz. Große Museen in Mannheim, Karlsruhe, Straßburg oder Basel sind<br />

ebenso mit dabei wie viele mittlere und kleinere Häuser. Das garantiert einen umfassenden<br />

Blick auf den Fluss und seine Geschichte in unterschiedlichen Epochen. Die Ausstellungen<br />

widmen sich der Kunst und Ökologie, der Schifffahrt und Wasserkraft, der Archäologie<br />

und Literatur, vielen Kriegen und neuen Brücken. Zur Ausstellungsreihe – zugleich Teil des<br />

Interreg-Projektes ‚Die Dreiländersammlung‘ - ist auch ein zweisprachiger Begleitband zum<br />

Oberrhein mit zahlreichen Abbildungen erschienen.<br />

Einen Überblick über alle<br />

38 Ausstellungen unter:<br />

www.netzwerk-museen.de<br />

www.dreilaendermuseum.eu<br />

Instagram: 3lm_loerrach<br />

Eduard Tenner, Der Isteiner Klotz, 1875,<br />

Öl auf Leinwand.<br />

Sammlung Dreiländermuseum Lörrach

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