flip-Joker_2022-11
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12 KULTUR JOKER VISION<br />
Adolf Riedlin<br />
Fresken suchen neue Heimat<br />
Vor 130 Jahren, am 3. April<br />
1892, wurde der Maler Adolf<br />
Riedlin in Laufen bei Sulzburg<br />
geboren. Er verstarb 1969 in<br />
Freiburg. Die Lebensspanne<br />
umfasste also den Ersten Weltkrieg,<br />
die Weimarer Republik,<br />
die gesamte NS-Zeit sowie die<br />
Nachkriegsjahrzehnte in der<br />
neuen Bundesrepublik. Keine<br />
Überraschung daher, dass diese<br />
Zeitläufte in der Vita des Künstlers<br />
und seinem Oeuvre Spuren<br />
hinterlassen haben. Und, dass<br />
dies nachzuverfolgen und zu<br />
studieren, eine geschichtliche<br />
Lehrstunde sein kann. Zuletzt<br />
richtete das Lörracher Dreiländermuseum<br />
2016/2017 eine Retrospektive<br />
anlässlich des 125.<br />
Geburtstags ein.<br />
Riedlin hat tatsächlich mehrmals<br />
einen ‚Stilwechsel‘ vollzogen:<br />
Seine frühen Bilder bis in<br />
die 1930er Jahre, unter dem Eindruck<br />
seiner Studien bei Adolf<br />
Hölzel an der Stuttgarter Kunstakademie,<br />
sind geprägt von farbenfroher<br />
Abstraktion, kubistischen<br />
Anklängen – weshalb ihm<br />
attestiert wurde, „Vorreiter der<br />
Klassischen Moderne in Baden“<br />
gewesen zu sein. Elemente des<br />
Expressionismus und des Surrealismus<br />
hat er gleichsam aufgesogen.<br />
Dies „avantgardistische<br />
Kunstschaffen des Künstlers“<br />
fiel auch den Nazi-Schergen in<br />
den Blick, fünf seiner Arbeiten<br />
wurden 1937 im Freiburger<br />
FREIBURGER Unikate<br />
Stadtwappen Freiburg 12 cm<br />
Museum als „entartet“ entfernt.<br />
Selbst die realistischen Bilder<br />
bäuerlichen Landlebens entsprachen,<br />
wie bei anderen badischen<br />
Künstlern der Zeit, nun nicht<br />
mehr dem Zeitgeist, zu wenig<br />
ideologisches Pathos schien<br />
ihnen eigen. Zugleich jedoch,<br />
eigentlich schon kurz zuvor, besann<br />
sich Riedlin anders: 1935<br />
bewarb er sich bei einer Ausschreibung<br />
der Stadt Freiburg<br />
… doch davon später.<br />
Zwei Arbeiten Riedlins auf<br />
Freiburger Gemarkung, einst<br />
beide öffentlich, harren künftiger<br />
Aufbewahrung. Den Erzstolleneingang<br />
am Schönberg in<br />
St. Georgen bekrönt ein Fresko<br />
von 1941: Zwei überlebensgroße<br />
behelmte Arbeiter im Profil<br />
agieren dynamisch von links<br />
nach rechts; gemeinsam treiben<br />
sie eine schwere, pneumatische<br />
Bohrmaschine in den anstehenden<br />
Fels. Heroische körperliche<br />
Leistung paart sich mit der<br />
Vorführung neuester Technologie,<br />
wie sie just im Bergbau<br />
Verwendung fand. Die Arbeit,<br />
mehrfach wurde daran schon<br />
erinnert, steht unter Denkmalschutz,<br />
gleichzeitig jedoch unter<br />
freiem Himmel. Also verblassen<br />
die Farben, Risse in der Wand<br />
treten auf, es bröckelt. Eine<br />
wirkliche Sicherung, wohl nur<br />
durch Abnahme und Verbringung<br />
an einen gesicherten Ort<br />
(im Innern?), ist vonnöten.<br />
Stadtwappen Freiburg 13 cm, Entwürfe G. Zoller<br />
Konviktstr. 21-23, 79098 Freriburg, Tel. 0761 37536<br />
www.culinara-freiburg.de<br />
Freiburg Münsterturmuhr12 cm<br />
Prominenter, wenngleich mittlerweile<br />
eher weniger bekannt,<br />
weil nicht mehr offen zugänglich,<br />
ist das ungleich größere<br />
Wandbild, ebenfalls in Fresko-<br />
Technik ausgeführt, das Riedlin<br />
im kommunalen Auftrag 1937<br />
für das neu erbaute Casino des<br />
Freiburger Gaswerks geschaffen<br />
hat, nachdem er den Wettbewerb<br />
gewann. In monumentalen<br />
Maßen, 9,20 m breit und<br />
2,40 m hoch, marschiert hier<br />
eine Kolonne von Landarbeitern<br />
in stolzem Schritt, mit Schaufeln<br />
und Spitzhacken bewehrt,<br />
von links auf zwei offenbar<br />
mittellose Figuren am rechten<br />
Bildrand zu – mit dem Hitlergruß<br />
treffen sie aufeinander (die<br />
erhobenen Arme wurden nach<br />
1945 übermalt). Das bildete den<br />
Geschmack und wurde folglich<br />
als „Kunstwerk völkischer<br />
Selbstbestimmung“ gefeiert.<br />
Auch dies Bild existiert noch.<br />
Für die Freiburger Fresken<br />
sollten tragfähige Lösungen der<br />
Aufbewahrung gefunden werden.<br />
Sie sind allemal von kunsthistorisch-pädagogischem<br />
Wert<br />
und insofern (im Wortsinn) erhaltenswerte<br />
Denkmale, auch<br />
weil Thematik und Bildsprache<br />
im NS-Kontext beheimatet sind.<br />
Martin Flashar<br />
Reinhold Schneider<br />
Der Preis ist heiß<br />
Bergarbeiter in St. Georgen, Detail<br />
Foto: Flashar<br />
Landarbeiter beim Energieversorger, Detail Foto: Michael Klant<br />
Vor 62 Jahren richtete die<br />
Stadt Freiburg einen Kunst-<br />
Preis ein und benannte ihn nach<br />
dem damals beachteten Literaten.<br />
Der Schriftsteller Reinhold<br />
Schneider (1903–1958)<br />
ist heute indes wenig bekannt,<br />
schlicht weil man seine Texte<br />
nicht mehr liest und er auch kein<br />
Autor des Curriculums in den<br />
Schulen blieb – was er einst war.<br />
Sein ehemaliges Wohnhaus<br />
in der Mercystraße 2 am Fuße<br />
des Lorettobergs konnte nach<br />
breitem bürgerschaftlichem<br />
Protest 2014, der bundesweit<br />
Kreise zog, zwar bestehen, aber<br />
der Erhalt des großen, parkähnlichen<br />
Grundstücks, von dem er<br />
seit 1938 wirkte und tatsächlich<br />
durch die hohe Mauer, die das<br />
Anwesen umgab, vor Gestapo<br />
und NS-Spitzeln wenigstens<br />
halbwegs sicher war, wurde<br />
nicht erreicht: die Treubau Freiburg<br />
hatte das Objekt erworben,<br />
die Stadt erteilte die Baugenehmigung,<br />
im Zuge derer der vormals<br />
auf das gesamte Ensemble<br />
ausgesprochene Denkmalschutz<br />
dann ganz fix fiel.<br />
Immerhin trägt der Kunst-<br />
Preis der Stadt Freiburg Schneiders<br />
Namen, seit 1960. Viele<br />
Jahrzehnte ging das gut vonstatten<br />
– und verschuf auch über die<br />
Stadtgrenzen hinaus positives<br />
Image. Bedeutende Preisträger<br />
stehen in der Liste: von Walter<br />
Schelenz und Jürgen Brodwolf,<br />
über Christoph Meckel, Peter<br />
Dreher, Wolfgang Rihm, Peter<br />
Huchel, Walter Mossmann,<br />
Swetlana Geier, Peter Staechelin<br />
und Annette Pehnt bis Klaus<br />
Theweleit und Susi Juvan. Die<br />
Genres gelangten im Wechsel<br />
zum Zug: alle zwei Jahre Literatur,<br />
Musik und Bildende Kunst;<br />
der Hauptpreis war mit 15.000<br />
Euro dotiert, dazu gab es eine<br />
Ehrengabe bzw. ein Stipendium,<br />
dotiert mit 6.000 Euro.<br />
2018 beschloss der Gemeinderat<br />
die Erweiterung um die<br />
Bereiche: Fotografie / Film /<br />
Neue Medien sowie Darstellende<br />
Kunst. An sich positiv.<br />
Aber wie ist das organisatorisch<br />
zu bewerkstelligen? 2020 erfolgte<br />
die Vergabe erstmals in<br />
zwei Sparten parallel. So soll es<br />
auch künftig sein. Wie aus gut<br />
unterrichteten Kreisen verlautet,<br />
hat das neue Procedere in diesem<br />
Jahr zu Reibungsverlusten<br />
im Rahmen der jüngsten Jury-<br />
Sitzung und -entscheidung vor<br />
der Sommerpause geführt. Kein<br />
Wunder: eine 15-köpfige Jury,<br />
bestückt mit GemeinderätInnen<br />
nach Proporz und Fachleuten<br />
aus der Kultur, ist ohnedies viel<br />
zu groß – zumal wenn beide<br />
ausgelobten Sparten jeweils von<br />
Allen, ob fachlich kundig oder<br />
nicht, diskutiert und entschieden<br />
werden. Die Zeit war zu knapp<br />
für ernstliche Diskussion, so<br />
heißt es. Eine Teilung des Gremiums<br />
ist daher angesagt. Vielleicht<br />
sogar der Entschluss einer<br />
jährlichen Auslobung und Verleihung<br />
fortan, mit dann eben<br />
doch wieder nur je einer Sparte.<br />
Denn auch die Gestaltung und<br />
Durchführung des Festakts im<br />
Dezember mit diesmal sieben zu<br />
belobigenden Preisträgern kann<br />
zur Herkules-Aufgabe werden<br />
und für die Gäste als Martyrium<br />
enden.<br />
Da sollte also für die Zukunft<br />
nachgebessert werden. Um Profil<br />
und Image zu schärfen – und<br />
den Künsten besser gerecht zu<br />
sein.<br />
Martin Flashar