01.11.2022 Aufrufe

SPENGLER CUP DAVOS - Jahrbuch 2022 (70-er Jahre)

Das 6. Jahrbuch des Spengler Cup Davos blickt zurück auf die 1970er-Jahre, die von der Dominanz der osteuropäischen Teams und der zweifachen Teilnahme Japans geprägt waren. «Big Nedo» Václav Nedomanský, löste Begeisterung aus und der spätere Schweizer Nationaltrainer Ralph Krueger erzählt von seiner tiefen Verbundenheit zu Davos, an deren Ursprung eine Schädelfraktur am Spengler Cup stand. Udo Kiessling, der 2022 vom Davoser Andres Ambühl als Rekordspieler an Weltmeisterschaften abgelöst wurde, betont den hohen Stellenwert des Spengler Cup ebenso wie sein noch aktiver Schweizer Nachfolger.

Das 6. Jahrbuch des Spengler Cup Davos blickt zurück auf die 1970er-Jahre, die von der Dominanz der osteuropäischen Teams und der zweifachen Teilnahme Japans geprägt waren. «Big Nedo» Václav Nedomanský, löste Begeisterung aus und der spätere Schweizer Nationaltrainer Ralph Krueger erzählt von seiner tiefen Verbundenheit zu Davos, an deren Ursprung eine Schädelfraktur am Spengler Cup stand. Udo Kiessling, der 2022 vom Davoser Andres Ambühl als Rekordspieler an Weltmeisterschaften abgelöst wurde, betont den hohen Stellenwert des Spengler Cup ebenso wie sein noch aktiver Schweizer Nachfolger.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

SIEGER VON DAMALS<br />

67<br />

: D<strong>er</strong> <strong>er</strong>ste Deutsche in d<strong>er</strong> NHL<br />

1979 waren G<strong>er</strong>hard und Udo Kiessling zusammen mit dem EC Köln am Spengl<strong>er</strong> Cup,<br />

d<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> als Train<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> Sohn als Defensiv-Haudegen. Drei <strong>Jahre</strong> spät<strong>er</strong> spielte<br />

Udo Kiessling, d<strong>er</strong> dieses Jahr vom Davos<strong>er</strong> Andres Ambühl als Rekordspiel<strong>er</strong> an<br />

Weltmeist<strong>er</strong>schaften abgelöst wurde, als <strong>er</strong>st<strong>er</strong> Deutsch<strong>er</strong> in d<strong>er</strong> NHL.<br />

: Udo Kiessling war d<strong>er</strong> <strong>er</strong>ste Deutsche in d<strong>er</strong> NHL.<br />

Mit Schlittschuhgrösse 22 ging Udo<br />

Kiessling als Dreijährig<strong>er</strong> aufs Eis, wenn<br />

Vat<strong>er</strong> G<strong>er</strong>hard das Training mit Krefeld,<br />

sein<strong>er</strong> <strong>er</strong>sten Stelle in Westdeutschland,<br />

abgeschlossen hatte. « Ich fand dies<br />

damals spannend<strong>er</strong> als Radfahren »,<br />

<strong>er</strong>zählt Udo Kiessling heute. Im Alt<strong>er</strong> von<br />

fünf <strong>Jahre</strong>n gehörte <strong>er</strong> b<strong>er</strong>eits dem<br />

Nachwuchsteam von Preussen Krefeld<br />

an, in dem kein and<strong>er</strong><strong>er</strong> Spiel<strong>er</strong> jüng<strong>er</strong><br />

war als zehn <strong>Jahre</strong>.<br />

Nationaltrain<strong>er</strong> im Osten und Westen –<br />

Eishockey als B<strong>er</strong>uf und B<strong>er</strong>ufung<br />

1957 hatte sich G<strong>er</strong>hard Kiessling mit<br />

sein<strong>er</strong> Familie und damit auch mit dem<br />

zweijährigen Udo in den Westen abgesetzt.<br />

Neun <strong>Jahre</strong> war <strong>er</strong> zuvor Staatstrain<strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong> DDR gewesen. 1958 wurde<br />

<strong>er</strong> Eishockey-Bundestrain<strong>er</strong> und qualifizi<strong>er</strong>te<br />

sich mit seinem Team für die<br />

Olympischen Spiele 1960 in den USA. Aus<br />

politischen Gründen durfte <strong>er</strong> ab<strong>er</strong> nicht<br />

mitfahren. Also betreute <strong>er</strong> die Rollhockey-Nationalmannschaft<br />

(1962 bis<br />

1965) und traini<strong>er</strong>te im Nachwuchsb<strong>er</strong>eich<br />

des Eishockeysports, bevor <strong>er</strong><br />

von 1971 bis 1974 <strong>er</strong>neut das Amt des<br />

Bundestrain<strong>er</strong>s üb<strong>er</strong>nahm. Udo Kiessling<br />

gab sein Bundesligadebüt beim SC Riess<strong>er</strong>see.<br />

Vat<strong>er</strong> und Sohn waren lange im<br />

selben Team, gewannen 1977 und 1979<br />

mit Köln den deutschen Meist<strong>er</strong>titel.<br />

1979 und G<strong>er</strong>hard mit d<strong>er</strong> Düsseldorf<strong>er</strong><br />

EG auch 1980 waren sie am Spengl<strong>er</strong><br />

Cup. Udo blieb bei Köln und gewann<br />

spät<strong>er</strong> noch vi<strong>er</strong> Meist<strong>er</strong>titel (1984,<br />

1986, 1987, 1988). Für beide war Eishockey<br />

B<strong>er</strong>ufung und B<strong>er</strong>uf. Sie liebten<br />

den Sport, schauten ab<strong>er</strong> b<strong>er</strong>eits früh,<br />

dass sie dafür auch entsprechend entschädigt<br />

wurden. Mutt<strong>er</strong> Lore führte<br />

eine Pension und fuhr die vi<strong>er</strong> <strong>Jahre</strong><br />

ält<strong>er</strong>e Schwest<strong>er</strong> Ute, eine leidenschaftliche<br />

Eiskunstläuf<strong>er</strong>in, zum Training.<br />

B<strong>er</strong>ge, ein gutes Hotel, d<strong>er</strong> geliebte<br />

Sport – es passte alles<br />

Udo Kiessling war zu<strong>er</strong>st Mittelstürm<strong>er</strong>,<br />

bis ein V<strong>er</strong>teidig<strong>er</strong> ausfiel. Er traini<strong>er</strong>te<br />

viel und spielte härt<strong>er</strong> als seine Konkurrenz:<br />

« Das war mein Entscheid. Als Sohn<br />

des Train<strong>er</strong>s habe ich mehr einstecken<br />

müssen und damit auch mehr ausgeteilt,<br />

um mir Respekt zu v<strong>er</strong>schaffen. » Auch<br />

d<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> als Train<strong>er</strong> war zu Udo streng<strong>er</strong><br />

als zu den and<strong>er</strong>en Spiel<strong>er</strong>n: « Ich<br />

habe es akzepti<strong>er</strong>t. Es war Motivation<br />

und Belastung zugleich. Ab<strong>er</strong> ich denke,<br />

dass ich es gut hingekriegt habe. » Durch<br />

den Sport sei <strong>er</strong> imm<strong>er</strong> unt<strong>er</strong>wegs gewesen:<br />

« Mein Leben war durch den Sport<br />

bestimmt und abwechslungsreich. Ich<br />

genoss die Kollegialität im Team. Die Zeit<br />

v<strong>er</strong>ging wie im Fluge. » Besond<strong>er</strong>s schön<br />

seien die Einsätze am Spengl<strong>er</strong> Cup gewesen:<br />

« Die Spiele waren hochklassig<br />

und Davos schön. B<strong>er</strong>ge, ein gutes Hotel,<br />

d<strong>er</strong> geliebte Sport – es passte alles. Oft<br />

reisten auch die Spiel<strong>er</strong>frauen mit. Das<br />

war zu jen<strong>er</strong> Zeit mehr als auss<strong>er</strong>gewöhnlich.<br />

» Die Zuschau<strong>er</strong> – viele auch aus<br />

Deutschland – seien begeist<strong>er</strong>t gewesen:<br />

« Ich bin froh, dass ich diese Zeit<br />

mit<strong>er</strong>leben durfte. » Die V<strong>er</strong>bindung zu den<br />

Spiel<strong>er</strong>n aus d<strong>er</strong> Sowjetunion und d<strong>er</strong><br />

Tschechoslowakei sei distanzi<strong>er</strong>t gewesen:<br />

« Wir haben uns gegrüsst, mehr nicht. »<br />

Das <strong>er</strong>ste NHL-Spiel war<br />

auch das letzte<br />

1982, Udo Kiessling hatte g<strong>er</strong>ade zwölf<br />

Tage Eishockeypause, reiste <strong>er</strong> für sein<br />

National Hockey League-Spiel nach Minnesota.<br />

Für ihn war von Beginn an klar,<br />

dass es nur einen kurzen Roadtrip w<strong>er</strong>den<br />

würde: « Es war eine and<strong>er</strong>e Welt. Ich<br />

war im Wund<strong>er</strong>land und bin mit grossen<br />

Augen rumgelaufen, so wie ein kleines<br />

Kind an Weihnachten. » Das Stadion, die<br />

Kabine, d<strong>er</strong> Train<strong>er</strong>stab: Alles sei riesig<br />

gewesen. « Für mein <strong>er</strong>stes Spiel hatte<br />

ich ganz gut gespielt. Ich hätte gutes<br />

Geld v<strong>er</strong>dient. » Doch Kiessling wusste<br />

auch, dass <strong>er</strong> es als Ausländ<strong>er</strong> nicht einfach<br />

haben würde: « Ich fühlte mich mit<br />

27 <strong>Jahre</strong>n zu alt für dieses Abenteu<strong>er</strong><br />

und mein H<strong>er</strong>z schlug weit<strong>er</strong> für die<br />

deutsche Nationalmannschaft – ich wollte<br />

für die Weltmeist<strong>er</strong>schaft in Finnland<br />

zurück sein. » Noch 14 <strong>Jahre</strong> spielte<br />

Kiessling danach in d<strong>er</strong> Bundesliga.<br />

Die Entscheidung, zurückzutreten, fiel<br />

spontan: « Als mir ein Journalist vor dem<br />

Länd<strong>er</strong>spiel sagte, dass ich den Rekord<br />

von 320 Länd<strong>er</strong>spielen knacken würde,<br />

wusste ich, dass d<strong>er</strong> richtige Zeitpunkt<br />

gekommen war, um ‹Auf Wied<strong>er</strong>sehen› zu<br />

sagen. » Kiessling spielte am Canada-<br />

Cup, fünf Mal an den Olympischen Spielen<br />

– mit Bronze 1976 als Highlight – und<br />

an 13 Weltmeist<strong>er</strong>schaften. An seinem<br />

68. Geburtstag schnappte ihm d<strong>er</strong> Davos<strong>er</strong><br />

Andres Ambühl den Rekord von<br />

119 Einsätzen an Weltmeist<strong>er</strong>schaften<br />

weg. « Dass Ambühl üb<strong>er</strong> bald zwei Jahrzehnte<br />

so viel Ausdau<strong>er</strong> zeigt, ist würdigungsreif.<br />

Ich gratuli<strong>er</strong>e ihm dazu », so<br />

Udo Kiessling.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!