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4 Zeitung <strong>November</strong> <strong>2022</strong><br />

Politik<br />

Neue Regelungen zum Hinzuverdienst<br />

Bezieherinnen und Bezieher kleiner Erwerbsminderungsrenten werden nicht davon profitieren<br />

Ab dem kommenden Jahr können<br />

Rentnerinnen und Rentner einfacher<br />

dazuverdienen: Die sogenannten<br />

Hinzuverdienstgrenzen für<br />

Früh- und Erwerbsminderungsrentner<br />

entfallen ersatzlos. Der<br />

Sozialverband VdK fasst die wichtigsten<br />

Fragen und Antworten<br />

zusammen.<br />

Welche Änderungen sind geplant?<br />

Seit 2020 ist es erheblich leichter,<br />

neben einer vorgezogenen Altersrente<br />

weiterzuarbeiten. Die Hinzuverdienstgrenze<br />

wurde in voller<br />

Höhe von 6 300 Euro auf das<br />

14-Fache der monatlichen Bezugsgröße<br />

angehoben. Damit blieb ein<br />

Hinzuverdienst für 2020 von<br />

44 590 Euro anrechnungsfrei.<br />

Für die Jahre 2021 und <strong>2022</strong> galten<br />

Hinzuverdienste von bis zu 46 060<br />

Euro anrechnungsfrei. Ab dem<br />

1. Januar 2023 soll die Hinzuverdienstgrenze<br />

bei Altersrenten vor<br />

der Regelaltersgrenze ersatzlos<br />

entfallen.<br />

Lediglich die Hinzuverdienstgrenze<br />

bei der Hinterbliebenenrente<br />

ändert sich künftig nicht.<br />

Bei der vollen Erwerbsminderungsrente<br />

(EM-Rente) wird die<br />

Hinzuverdienstgrenze von 6300<br />

Euro zum 1. Januar 2023 abgeschafft.<br />

Stattdessen gilt eine jährliche Hinzuverdienstgrenze<br />

von drei Achtel<br />

der 14-fachen monatlichen Bezugsgröße,<br />

solange das Leistungsvermögen<br />

von weniger als drei<br />

Rentnerinnnen und Rentner können ab 2023 einfacher hinzuverdienen. <br />

Stunden täglich beachtet wird.<br />

Dies entspricht einer Hinzuverdienstgrenze<br />

von 17 823,75 Euro ab<br />

dem kommenden Jahr.<br />

Bei der Rente wegen teilweiser<br />

Erwerbsminderung wird die Hinzuverdienstgrenze<br />

sechs Achtel<br />

der 14-fachen monatlichen Bezugsgröße<br />

betragen.<br />

Hier gilt es, das Leistungsvermögen<br />

von täglich unter sechs Stunden<br />

zu beachten. Dies entspricht<br />

den vorläufigen Werten von<br />

35 647,50 Euro. Falls vor Eintritt<br />

der Erwerbsminderung ein höheres<br />

Einkommen erzielt wurde, gilt<br />

hier die höhere individuelldynamische<br />

Grenze.<br />

Was bleibt gleich?<br />

Die Hinzuverdienstgrenze bei der<br />

Hinterbliebenenrente verändert<br />

Foto: picture alliance/dpa/Wolfram Steinberg<br />

sich nicht. Aktuell ist in Westdeutschland<br />

ein Nettoeinkommen<br />

von 950,93 Euro anrechnungsfrei,<br />

in Ostdeutschland ein Einkommen<br />

von 937,72 Euro. Der Freibetrag<br />

steigt für jedes Kind, das Anspruch<br />

auf Waisenrente hat.<br />

Übersteigt das Nettoeinkommen<br />

den Freibetrag, werden 40 Prozent<br />

des übersteigenden Betrages auf<br />

die Rente angerechnet.<br />

Wie bewertet der VdK den Gesetzentwurf?<br />

VdK-Präsidentin Verena Bentele<br />

erklärt dazu: „Mit den neuen Regelungen<br />

wird ein flexiblerer Übergang<br />

vom Erwerbsleben in den<br />

Ruhestand für einkommensstärkere<br />

Rentner ermöglicht. Gleichzeitig<br />

muss jedem klar sein, dass von<br />

dieser Regelung einkommensschwache<br />

Frührentner kaum profitieren.<br />

Sie können es sich mit ihren niedrigen<br />

Ansprüchen überhaupt nicht<br />

leisten, vorzeitig Rente zu beziehen,<br />

da diese mit Abschlägen auf<br />

die Altersrente verbunden ist.“<br />

Die höhere Hinzuverdienstgrenze<br />

verbessert die finanzielle Situation<br />

all derjenigen, die trotz ihrer<br />

EM-Rente arbeiten können. Allerdings<br />

beantragen die Menschen<br />

die EM-Rente, weil sie aus gesundheitlichen<br />

Gründen nicht mehr<br />

arbeiten können. VdK-Präsidentin<br />

Bentele fordert daher: „Die ungerechten<br />

Abschläge von bis zu 10,8<br />

Prozent auf die Erwerbsminderungsrenten<br />

müssen endlich abgeschafft<br />

werden. Sie dürfen keine<br />

Armutsrenten sein.“<br />

Sind noch Änderungen bei diesem<br />

Gesetzentwurf möglich?<br />

Bei dem Gesetzentwurf handelt es<br />

sich um einen Kabinettsentwurf,<br />

der noch im Bundestag und im<br />

zuständigen Ausschuss beraten<br />

werden muss. Änderungen am<br />

Gesetzentwurf sind daher noch<br />

möglich. Julia Frediani<br />

Patienten in großer Sorge<br />

Lieferengpässe bei Medikamenten können fatale Auswirkungen haben<br />

Doppelbesteuerung vermeiden<br />

VdK: Alterseinkünfte erst ab 2070 voll besteuern<br />

Einige Medikamente sind aufgrund<br />

von Lieferengpässen oder Lieferstopps<br />

zurzeit nicht oder nur in<br />

geringen Mengen verfügbar. Werden<br />

die Ursachen dafür nicht bald<br />

gelöst, stehen Patientinnen und<br />

Patienten, die auf eines dieser Arzneimittel<br />

angewiesen sind, vor einem<br />

großen, häufig sogar lebensbedrohenden<br />

Problem.<br />

Arzneimittel in einer Apotheke.<br />

Bei VdK-Mitglied Petra Porz aus<br />

Bad Laasphe (Nordrhein-Westfalen)<br />

wurde 2014 ein schweres angeborenes<br />

Antikörpermangelsyndrom<br />

CVID diagnostiziert. Der<br />

Immundefekt zieht bei ihr weitere<br />

Organe in Mitleidenschaft, Leukämie<br />

wurde als Vorstufe benannt.<br />

Um ihren Immun globulinspiegel zu<br />

stabilisieren und ihr Infektionsrisiko<br />

zu senken, spritzt sie sich<br />

wöchentlich 48 Milliliter Immunglobuline<br />

aus Blutplasma unter die<br />

Haut. Ihr Medikament heißt Cutaquig.<br />

Doch im Juni dieses Jahres<br />

hat das Schweizer Herstellerunternehmen<br />

Octapharma den Verkauf<br />

des für Petra Porz alternativ losen<br />

Präparats urplötzlich gestoppt.<br />

Seitdem schmilzt ihr Vorrat dahin.<br />

„Leider habe ich nur noch bis Januar<br />

Immun globuline“, klagt sie.<br />

„Und dann? Ich habe wahnsinnige<br />

Angst, dass der Krebs dann doch<br />

ausbrechen wird.“<br />

Laut Octapharma sind mindestens<br />

20 000 Kinder, Jugendliche und<br />

Erwachsene in Deutschland von<br />

dem Lieferstopp betroffen. Auslöser<br />

sind Rabattforderungen des Spitzenverbands<br />

Bund der Krankenkassen<br />

(GKV-Spitzenverband).<br />

Dieser erklärt auf VdK- Anfrage,<br />

dass Cutaquig 2020 als Nachfolger<br />

des Immunglobulins Gammanorm<br />

zu einem deutlich höheren Preis auf<br />

den Markt gebracht wurde.<br />

Rabattpflicht oder nicht?<br />

Streitpunkt ist, ob Octapharma<br />

gesetzlichen und privaten Krankenkassen<br />

Rabatte einräumen<br />

muss, die sich am Preisniveau von<br />

2009 orientieren. Dieser sogenannte<br />

Herstellerrabatt wurde vom Gesetzgeber<br />

eingeführt, um Preiserhöhungen<br />

einzudämmen. Für Octapharma<br />

würde ein solcher Rabatt<br />

nach eigener Aussage dazu führen,<br />

dass das Medikament unter den<br />

Herstellungskosten vertrieben werden<br />

muss. Daher reagierte das Unternehmen<br />

mit einem vorläufigen<br />

Foto: picture alliance/dpa/Andreas Arnold<br />

Lieferstopp – zulasten von Patientinnen<br />

und Patienten wie Petra<br />

Porz. Aus Sicht des GKV-Spitzenverbands<br />

muss Octapharma „pharmakologisch<br />

nachweisen, dass<br />

Gründe bestehen, dass der gesetzlich<br />

vorgeschriebene Abschlag<br />

nicht zum Tragen kommt“. Im Klartext:<br />

dass Cutaquig im Vergleich zu<br />

Gammanorm eine Neuentwicklung<br />

ist und kein wirkstoffgleiches Präparat.<br />

Nur dies würde einen höheren<br />

Preis rechtfertigen. Einen entsprechenden<br />

Nachweis habe das<br />

Pharmaunternehmen bisher jedoch<br />

nicht geliefert.<br />

Probleme mit Lieferengpässen<br />

bestehen aber auch bei anderen<br />

Medikamenten. Beispielsweise waren<br />

gängige Mittel gegen Bluthochdruck<br />

und Diabetes oder<br />

Schmerzmittel wie Ibuprofen phasenweise<br />

bereits nicht erhältlich.<br />

Laut dem Deutschen Apothekerverband<br />

(DAV) ist der Kostendruck<br />

im Gesundheitswesen eine der<br />

Ursachen dafür. Mittlerweile findet<br />

die Wirkstoffproduktion überwiegend<br />

in Fernost statt. Steht die<br />

Produktion corona bedingt still,<br />

können auch große europäische<br />

Hersteller ihre Fertigarzneimittel<br />

nicht liefern. Und nicht zuletzt haben<br />

die Corona-Pandemie und der<br />

Krieg in der Ukraine zu einer erhöhten<br />

Nachfrage geführt, was die<br />

Versorgungssituation zeitweise<br />

verschärft hat. Der DAV fordert<br />

daher unter anderem, die Wirkstoffproduktion<br />

nach Europa zurückzuverlagern.<br />

Mirko Besch<br />

Steuerzahlende sollen ab 2023<br />

ihre Rentenbeiträge komplett absetzen<br />

können. Im Gegenzug müssen<br />

Rentnerinnen und Rentner<br />

nach aktueller Gesetzeslage ihre<br />

Alterseinkünfte ab 2040 voll versteuern.<br />

Um Fälle von Doppelbesteuerung<br />

zu vermeiden, hat das<br />

Finanzministerium angekündigt,<br />

den Zeitpunkt der vollen Besteuerung<br />

zu verschieben. Der Sozialverband<br />

VdK fordert, erst im Jahr 2070<br />

damit zu beginnen.<br />

Die Reform der Rentenbesteuerung<br />

geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

zurück. Es<br />

hatte 2002 entschieden, dass die<br />

unterschiedliche Besteuerung von<br />

Renten und Pensionen gegen das<br />

Gleichbehandlungsgebot verstößt.<br />

Deshalb werden Renten künftig<br />

wie Pensionen komplett versteuert.<br />

Auf die Rentenversicherungsbeiträge<br />

müssen hingegen bald keine<br />

Steuern mehr gezahlt werden.<br />

Das Alterseinkünftegesetz regelt<br />

diesen Übergang zur sogenannten<br />

nachgelagerten Besteuerung. Der<br />

ursprüngliche Stufenplan sah vor,<br />

die Rentenbeiträge seit 2005<br />

schrittweise aus der Steuerpflicht<br />

herauszunehmen – bis 2025. Dann<br />

sollten die Beiträge komplett absetzbar<br />

sein. Auf der anderen Seite<br />

sollten die Renten zunehmend<br />

besteuert werden – bis zur Vollbesteuerung<br />

ab dem Jahr 2040.<br />

Der Bundesfinanzhof (BFH) sah<br />

in diesem Gesetz jedoch für bestimmte<br />

Fälle die Gefahr einer<br />

verfassungswidrigen Doppelbesteuerung.<br />

Betroffen wären vor<br />

allem jüngere Menschen, die heute<br />

noch keine Rente erhalten. Mit<br />

seinem Urteil vom 19. Mai 2021<br />

hatte der BFH die Regierung aufgefordert,<br />

das Gesetz zu ändern.<br />

Längere Übergangsphase<br />

Um dem Urteil Rechnung zu<br />

tragen, hat Bundesfinanzminister<br />

Christian Lindner angekündigt,<br />

die volle Steuerfreiheit der Beiträge<br />

zur gesetzlichen Rentenversicherung<br />

von 2025 auf 2023 vorzuziehen.<br />

So würden Beitragszahlende<br />

2023 um rund 3,2 Milliarden<br />

Euro und 2024 um rund 1,8 Milliarden<br />

Euro entlastet. Das Gesetz<br />

war bei Redaktionsschluss noch<br />

nicht verabschiedet.<br />

Das Finanzministerium plant<br />

außerdem, den Zeitpunkt der vollständigen<br />

Besteuerung der Renten<br />

noch zu verschieben – und zwar<br />

nach hinten, um die Übergangsphase<br />

zu verlängern. Demnach soll<br />

der steuerpflichtige Anteil der<br />

Renten langsamer steigen als vorgesehen,<br />

sodass die Vollbesteuerung<br />

erst 2060 erreicht wird.<br />

VdK-Präsidentin Verena Bentele<br />

geht das nicht weit genug: „Damit<br />

niemand vom Fiskus unrechtmäßig<br />

doppelt zur Kasse gebeten<br />

wird, muss die Vollbesteuerung der<br />

Renten aus unserer Sicht bis ins<br />

Jahr 2070 gestreckt werden. Nur so<br />

lassen sich Einzelfälle von Doppelbesteuerung<br />

vermeiden.“ cis<br />

4 RHPfalz<br />

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