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Verbraucher<br />
Zeitung <strong>November</strong> <strong>2022</strong><br />
21<br />
Höhere Gaspreise sind oft nicht zulässig<br />
Verbraucherzentrale rät, Abschlagszahlungen genau zu prüfen – Preisgarantie schützt vor Kostenanstieg<br />
Die Abschlagszahlungen für die<br />
Gasversorgung sind deutlich gestiegen.<br />
Energierechtsberater<br />
Gregor Hermanni von der Verbraucherzentrale<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
rät, die Schreiben zur Preiserhöhung<br />
der Versorger genau zu prüfen<br />
und notfalls vom Sonderkündigungsrecht<br />
Gebrauch zu machen.<br />
In diesen Wochen erreichen den<br />
Sozialverband VdK viele Zuschriften<br />
von verzweifelten Mitgliedern,<br />
die ihre erhöhten Abschlagszahlungen<br />
nicht bezahlen können.<br />
Einem 79-jährigen VdK-Mitglied<br />
aus Hessen wurde kürzlich von<br />
seinem Gasversorger mitgeteilt,<br />
dass sein Abschlag am 1. <strong>November</strong><br />
von 288 Euro auf 1734 Euro erhöht<br />
wird. Der Brutto-Arbeitspreis für<br />
eine Kilowattstunde steigt somit<br />
von 12,17 auf 43,40 Cent. Der Rentner<br />
wohnt mit seiner Frau in einem<br />
Haus aus dem Jahr 1956 auf 140<br />
Quadratmetern Wohnfläche. Sie<br />
heizen keinen Pool im Keller und<br />
haben auch keine Sauna.<br />
Bestimmte Kriterien<br />
Bei einer Änderung des Abschlags<br />
lohne sich immer ein genauer<br />
Blick auf das Schreiben, sagt<br />
Energierechtsberater Gregor Hermanni.<br />
Er weist darauf hin, dass<br />
Preisänderungen nur rechtswirksam<br />
sind, wenn bestimmte Kriterien<br />
erfüllt sind. So muss der Versorger<br />
den Kunden bei selbst geschlossenen<br />
Verträgen außerhalb<br />
Viele fürchten die hohen Energiekosten und heizen deshalb ihre Wohnung nicht. <br />
der Grundversorgung spätestens<br />
einen Monat vor der Änderung<br />
schriftlich informieren.<br />
Der Kunde sollte außerdem prüfen,<br />
ob in seinem Vertrag eine<br />
Preisgarantie festgelegt ist. Steht<br />
eine eingeschränkte Preisgarantie<br />
im Vertrag, kann der Versorger<br />
gestiegene Abgaben, Steuern und<br />
Umlagen weitergeben. Es ist aber<br />
nicht zulässig, die Abschläge anzupassen,<br />
weil die Gasbeschaffungskosten<br />
gestiegen sind.<br />
In einer vollständigen Preisgarantie<br />
sind hingegen auch Umlagen<br />
und Abgaben enthalten. Nur Änderungen<br />
der Mehrwert- und der<br />
Stromsteuer dürfen in diesem Fall<br />
noch weitergegeben werden.<br />
Höhere Gasbeschaffungskosten<br />
sind derzeit der Hauptgrund für<br />
die enormen Preissteigerungen.<br />
„Ob der Kostenanstieg im Einzelfall<br />
den neuen Abschlag rechtfertigt,<br />
lässt sich schwer überprüfen.<br />
Jeder Versorger verfolgt eine eigene<br />
Einkaufsstrategie, deshalb können<br />
sich Beschaffungskosten stark<br />
voneinander unterscheiden“, erklärt<br />
Hermanni.<br />
Foto: picture alliance/Christin Klose<br />
In der Preisänderungsmitteilung<br />
muss der Versorger den Kunden<br />
auch auf das Sonderkündigungsrecht<br />
hinweisen. Das gilt im Regelfall<br />
immer, wenn der Anbieter den<br />
Preis erhöht. Wichtig ist hierbei,<br />
dass die Kündigung per Einschreiben<br />
verschickt wird, damit der<br />
Kunde den Zeitpunkt später belegen<br />
kann. Denn der muss vor dem<br />
Eintritt der Preiserhöhung liegen.<br />
Hermanni rät dazu, sich eine<br />
Kündigung gut zu überlegen und<br />
zu prüfen, ob es einen günstigeren<br />
Anbieter gibt. Dabei lohne es sich,<br />
den Grundversorger vor Ort in die<br />
Suche mit einzubeziehen. Mittlerweile<br />
liegen deren Tarife häufig<br />
unter denen anderer Anbieter.<br />
Das erwähnte VdK-Mitglied hat<br />
vom Sonderkündigungsrecht Gebrauch<br />
gemacht. Der 79-Jährige<br />
hatte zuvor ein gutes Angebot bei<br />
seinem Grundversorger gefunden.<br />
Dort kostet eine Kilowattstunde 16<br />
Cent, statt 43,40 Cent. Sein Abschlag<br />
liegt nun bei 398 Euro.<br />
Jahresabrechnung prüfen<br />
In seinem alten wie im neuen<br />
Abschlagspreis sind noch die Gasbeschaffungsumlage,<br />
die mittlerweile<br />
vom Gesetzgeber gekippt<br />
worden ist, und die alte Mehrwertsteuer<br />
von 19 Prozent einberechnet.<br />
Hermanni rät, spätestens anhand<br />
der Jahresabrechnung zu prüfen, ob<br />
dort diese Umlage noch auftaucht<br />
und ob der korrekte Satz von sieben<br />
Prozent Mehrwertsteuer ab Oktober<br />
berechnet ist. Jörg Ciszewski<br />
Energiepreis-Rechner<br />
Mit dem Rechner der Verbraucherzentrale<br />
können Sie prüfen,<br />
ob ein angepasster Abschlag für<br />
Gas oder Strom die angemessene<br />
Höhe hat. Sie finden den<br />
Rechner auf der Webseite der<br />
Verbraucherzentrale, wenn Sie<br />
den Begriff „Energiepreis-Rechner“<br />
in das Suchfeld eingeben.<br />
www.verbraucherzentrale.de<br />
Wärme wird zum Luxusgut<br />
Nebenkosten – Was Mieterinnen und Mieter jetzt wissen müssen<br />
Die derzeitigen Gas- und Ölpreise<br />
sorgen dafür, dass Heizung und<br />
Warmwasser teurer werden. Vielen<br />
Mieterinnen und Mietern stehen<br />
deshalb hohe Nachzahlungen bevor.<br />
Dr. Jutta Hartmann, Pressesprecherin<br />
des Deutschen Mieterbunds,<br />
beantwortet Fragen dazu.<br />
Worauf müssen sich Mieterinnen<br />
und Mieter jetzt einstellen?<br />
Derzeit ist von Nachzahlungen in<br />
Höhe von bis zu zwei Monatskaltmieten<br />
die Rede. Aber belastbare<br />
Zahlen liegen noch nicht vor. Zu<br />
Beginn des Jahres <strong>2022</strong> hat sich laut<br />
Bundesverband der Energie- und<br />
Wasserwirtschaft (BDEW) der Gaspreis<br />
für Haushalte in Mehrfamilienhäusern<br />
fast verdoppelt – von<br />
6,47 auf durchschnittlich 11,84 Cent<br />
pro Kilowattstunde. Inzwischen<br />
sind die Preise weiter gestiegen.<br />
Kann der Vermieter die Vorauszahlung<br />
für die Nebenkosten einfach<br />
so erhöhen?<br />
Nein. Das darf er nur, wenn sich<br />
aus einer formal und inhaltlich<br />
korrekten Nebenkostenabrechnung<br />
ergibt, dass die bisherige<br />
Vorauszahlung nicht ausreicht.<br />
Eine Art Sicherheitszuschlag ist<br />
nicht möglich. Zeichnet sich jedoch<br />
– wie in der aktuellen Situation<br />
– klar und nachweisbar ab,<br />
dass die Energiekosten steigen<br />
oder bereits gestiegen sind, kann<br />
er die aktuelle Steigerung in die<br />
künftige monatliche Vorauszahlung<br />
mit einrechnen. Begründen<br />
muss er dies nicht. Weitere Zuschläge<br />
muss er jedoch erläutern.<br />
Wichtig ist, dass er die Anpassung<br />
der Nebenkosten nur einmal pro<br />
Abrechnungsjahr vornehmen darf.<br />
Was muss man beachten, wenn<br />
die Nebenkostenabrechnung im<br />
Briefkasten liegt?<br />
Die Abrechnungen sind oft fehlerhaft.<br />
Deshalb ist es immer sinnvoll,<br />
sie zu überprüfen. Wenn man die<br />
Zahlen nicht nachvollziehen kann,<br />
kann man sich auch an die Mietervereine<br />
vor Ort wenden.<br />
Was sollten Mieterinnen und Mieter<br />
jetzt konkret tun?<br />
Wenn sie wirtschaftlich dazu in<br />
der Lage sind, können sie Geld<br />
zurücklegen oder freiwillig höhere<br />
Vorauszahlungen an den Vermieter<br />
leisten. Wer selbst spart, ist<br />
vorbereitet, behält das Geld aber<br />
in der eigenen Hand. Wer lieber die<br />
Vorauszahlung erhöht, kann so die<br />
große Nachzahlung vermeiden.<br />
Doch Vorsicht: Wer zuviel überwiesen<br />
hat, muss sich im schlimmsten<br />
Fall später mit dem Vermieter<br />
um das Guthaben streiten.<br />
Was raten Sie all jenen, die weder<br />
die Nachzahlung noch höhere Vorauszahlungen<br />
leisten können?<br />
Wir empfehlen, frühzeitig das Gespräch<br />
mit dem Vermieter zu suchen<br />
und Ratenzahlung zu vereinbaren,<br />
um eine drohende Kündigung<br />
zu vermeiden. Es gibt auch<br />
staatliche Hilfen, wie Wohngeld<br />
oder andere Zuschüsse. Dazu beraten<br />
die Mietervereine vor Ort.<br />
Interview: Kristin Enge<br />
Die Heizkosten treiben die Nebenkosten für viele Mieterinnen und Mieter<br />
in die Höhe.<br />
Foto: picture alliance/Bildagentur online/McPhoto-Bilde<br />
Stromkosten für<br />
elektrische Hilfsmittel<br />
Die gesetzliche Krankenkasse<br />
muss die Stromkosten übernehmen,<br />
die für den Betrieb von Hilfsmitteln<br />
anfallen. Dazu zählen etwa<br />
Elektrorollstühle oder Beatmungsgeräte.<br />
Die Krankenkasse übernimmt<br />
entweder den tatsächlichen<br />
Verbrauch oder rechnet über eine<br />
Pauschale ab.<br />
Die wichtigste Voraussetzung<br />
für die Kostenübernahme ist, dass<br />
die Ärztin oder der Arzt das Hilfsmittel<br />
verordnet hat. Zudem muss<br />
es die gesetzliche Krankenkasse<br />
vorab bewilligt haben. Wer sich<br />
selbst ein Hilfsmittel kauft, muss<br />
auch für die Stromkosten selbst<br />
aufkommen. Das Gleiche gilt für<br />
Pflegehilfsmittel.<br />
Wenn die Krankenkasse eine<br />
Pauschale zahlt, reicht diese möglicherweise<br />
wegen der derzeitigen<br />
hohen Strompreise nicht aus.<br />
Dann können Versicherte den tatsächlichen<br />
Stromverbrauch geltend<br />
machen. Diesen müssen sie<br />
allerdings genau dokumentieren<br />
und auch ihre Stromrechnung mit<br />
einreichen.<br />
Wollen gesetzlich Versicherte die<br />
krankheitsbedingte Übernahme<br />
der Stromkosten bei ihrer Krankenkasse<br />
beantragen, sollten sie<br />
vorher mit dieser klären, wie sie<br />
am besten vorgehen. Das Prozedere<br />
ist nicht einheitlich geregelt.<br />
Weigert sich die Krankenkasse,<br />
die Stromkosten zu übernehmen,<br />
kann sich ein Widerspruch lohnen.<br />
Hier beraten die VdK-Geschäftsstellen<br />
vor Ort.<br />
ken<br />
21 RHPfalz<br />
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