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28.10.2022 Aufrufe

10 Zeitung November 2022 Generationen Die vielen Maschen der Betrüger Skrupellos und oft täuschend echt: falsche Polizisten und Handwerker – Experte warnt vor Enkeltrick und Gewinnversprechen Es gibt viele Arten von Kriminalität: Betrug ist eine davon. Und es wird oft besonders raffiniert vorgegangen, um an Geld zu kommen. Beispiele dafür sind der Enkeltrick in vielen Varianten, Gewinnversprechen, gesteuert durch dafür eingerichtete Callcenter, falsche Polizisten oder Handwerker. Kriminalhauptkommissar Arno Helfrich, zuständig für Prävention und Opferschutz in München, gibt VdK- Mitgliedern Tipps, um nicht in die Falle zu tappen. Der Paragraf 263 des Strafgesetzbuchs beschreibt Betrug als die Erlangung eines Vermögensvorteils durch die Täuschung anderer. Dabei sind Betrüger sehr erfinderisch. In jüngster Zeit werden potenzielle Opfer über das Smartphone per WhatsApp angeschrieben – quasi eine neue Form des Enkeltricks. Das kann dann so aussehen: „Hallo Mama, ich habe mein Handy fallen lassen. Ich habe ein neues Handy, und das ist meine neue Nummer.“ Ein Herzchen ist angefügt. „Kannst Du mir helfen? Ich muss heute zwei Rechnungen bezahlen, aber ich kann nicht auf meine Banking-App zugreifen. Kannst Du es mir überweisen? Ich schicke es Dir morgen zurück. Kann ich Deine Kreditkarte zum Bezahlen benutzen?“ Helfrich betont: „Bleiben Sie bei Geldforderungen per Kurznachrichten vorsichtig. Fragen Sie bei Ihren Angehörigen selbst nach. Der Schmuck ist weg: Vielleicht waren Betrüger am Werk, die sich unter einem Vorwand Zugang zur Wohnung verschafft haben? Auch am Telefon (Bild rechts) finden sie immer wieder ihre Opfer.Fotos: www.polizei-beratung.de Löschen Sie die Nachrichten nicht und verständigen Sie umgehend die Polizei über den Notruf 110.“ Bei all den Betrügereien gibt es eine gute Nachricht: Die Täter kommen nur in Ausnahmefällen zum Erfolg. Die schlechte Nachricht: Wenn sie erfolgreich sind, sind die Schäden meist sehr hoch und gehen bundesweit in die Millionen. Der klassische Enkeltrick übers Telefon hat schon viele Opfer um ihre Lebensersparnisse gebracht. Mit den Worten „Rate mal, wer hier spricht“ oder ähnlichen Formulierungen wird bei meist älteren und allein lebenden Personen angerufen und kurzfristig um Bargeld gebeten. Als Grund wird ein finanzieller Engpass oder eine Notlage vorgetäuscht. Sobald das Opfer zahlen will, wird ein Bote angekündigt, der das Geld abholt. Betrug an der Haustür „Sie haben gewonnen!“ Wer freut sich nicht, das zu hören. Wer aber eine solche Nachricht per Telefon, E-Mail oder Post bekommt, sollte vorsichtig sein. Vor einer Gewinnübergabe werden die Opfer dazu aufgefordert, eine Gegenleistung zu erbringen, zum Beispiel „Gebühren“ zu bezahlen, kostenpflichtige Telefonnummern anzurufen oder an Veranstaltungen teilzunehmen. Das Anbieten von vermeintlichen Schnäppchen, um eine Unterschrift unter einen Vertrag zu erhalten, machen Betrüger gerne an der Haustür. Auch der Wohnungszugangstrick – etwa der falsche Polizist und auch der falsche Handwerker – wird von Betrügern immer wieder genutzt. Andere erscheinen bedürftig, bitten um ein Glas Wasser, etwas zum Schreiben oder um die Toilettennutzung, um in private Räume zu gelangen. Helfrich schildert aus der Praxis die Masche mit den falschen Polizisten: „Die Betrüger sind zu zweit unterwegs und sprechen gezielt ältere Menschen an. Es geht um einen angeblichen Einbruch im Haus. Einer der Täter geht mit der jeweiligen Person durch alle Räumlichkeiten, während der andere in einem unbemerkten Augenblick in den Zimmern für Unordnung sorgt, die den Eindruck eines Einbruchs erwecken soll. Gleichzeitig werden Bargeld, Schmuck und andere Wertgegenstände gestohlen.“ Oder: Das Telefon klingelt. Der Anrufer stellt sich als Polizist vor und berichtet von einer Festnahme eines Einbrechers, der Notizen mit Name und Adresse der Angerufenen bei sich hatte. Zur Sicherheit würde die Polizei vorbeischauen. Der Handwerkertrick ist ähnlich angelegt. An der Wohnungstür wird von einem akuten Wasserschaden berichtet, der schnell behoben werden muss. „Die so überrumpelten Bewohner werden hektisch von Wasserhahn zu Wasserhahn geschickt, während meist ein zweiter Täter unbemerkt in die Wohnung gelangt und alles mitnimmt, was ihm von Wert erscheint“, so Helfrich. Der grundsätzliche Rat des Spezialisten: „Sie bestimmen, wer in Ihre Wohnung oder Ihr Haus kommt. Und Sie bestimmen, mit wem Sie telefonieren wollen. Gesundes Misstrauen ist nicht unhöflich. Legen Sie im Zweifel unbedingt auf und wählen Sie den Notruf der Polizei.“ Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.polizei-beratung.de Petra J. Huschke Keine Vorfreude auf die Fußball-WM in Katar Facebook-Umfrage des VdK: Kritik an Menschenrechtsverletzungen Lebenserwartung steigt weniger Angehobenes Rentenalter könnte ein Faktor sein Die Fußball-Weltmeisterschaft vom 20. November bis 18. Dezember im Wüstenstaat Katar steht im Kreuzfeuer der Kritik. Beim Bau der WM-Stadien sind Tausende Gastarbeiter ums Leben gekommen. Während der Spiele sollen riesige Klimaanlagen die Stadien herunterkühlen. Eine Umfrage auf der Facebook-Seite des VdK zeigt: Viele Fans sind ernüchtert, von WM-Fieber ist nichts zu spüren. Viele erinnern sich noch gern an das „Sommermärchen“ von 2006: Die Fußball-WM in Deutschland löste in einem Bilderbuch-Sommer eine riesige Euphorie aus und begeisterte auch Menschen, die nichts mit Fußball anfangen konnten. Auf Fan-Meilen wurde ausgelassen zusammen gefeiert. Die Winter-Weltmeisterschaft in Katar hingegen droht zu einem Mega-Event zu werden, das selbst eingefleischte Fußballfans kalt zu lassen scheint. Bei einer nichtrepräsentativen Umfrage auf der Facebook-Seite des Sozialverbands VdK waren die Kommentare sehr kritisch. Birgit R. schreibt auf die Frage: Fiebert ihr dem Turnier entgegen oder lässt euch die Winter-WM kalt? „Wir haben die Fußball-WM in der Vergangenheit immer angeschaut. Aber die WM in Katar werden wir aufgrund der Menschenrechtsverletzungen und der dort geltenden Gesetze NICHT anschauen! Konsequenz bedeutet oft auch Verzicht, aber Zeichen In deutschen Fußballstadien machen viele Fans in dieser Saison deutlich, was sie von der WM in Katar halten. Foto: picture alliance/Oliver Zimmermann setzen halte ich für wichtig, und das wünsche ich mir auch von anderen.“ Teuerste WM Jasmin S. kritisiert die Kosten des Spektakels, das wohl als teuerste WM in die Geschichte eingehen wird. Schätzungen zufolge sind 150 Milliarden US-Dollar in den Ausbau der Infrastruktur und den Bau der Stadien geflossen. „Das steht alles in keinem Verhältnis zu dem alltäglichen Leben und den Existenzsorgen. Klar, es ist eine tolle Ablenkung von all dem, dennoch geht das alles nicht mit rechten Dingen zu“, schreibt sie. Frank H. teilt einen Link zu einer WM-Boykott-Seite und fragt sich, warum nicht mehr Menschen gegen diese Veranstaltung demonstrieren. „Die WM findet auf Gräbern von Tausenden Arbeitern statt“, schreibt er. Sabine und Stephan E. macht fassungslos, dass bei der Weltmeiserschaft enorm viel Energie genutzt werden muss, um die Fußballstadien zu klimatisieren. „Alle schreien nach Energie sparen, in der Wüste eine WM ... unfassbar.“ Marianne H. kommentiert kurz und knapp: „Die Frauenfußball-EM war für mich interessanter, ich werde nicht schauen.“ Jörg Ciszewski Der Trend, dass Menschen in den Industriestaaten immer älter werden, schwächt sich ab. Die Lebenserwartung steigt zwar, aber nur noch langsam. Deutschland schneidet besonders schlecht ab. Eine Studie der Londoner Bayes Business School hat sich mit den Sterberaten von Menschen im Alter von 50 bis 95 Jahren befasst. Deutschland ist zusammen mit Großbritannien und Taiwan Schlusslicht. Von 21 untersuchten Ländern mit vergleichbaren Lebensverhältnissen belegt Deutschland bei Frauen Platz 18 und bei Männern Platz 20. Vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) gibt es ebenfalls Erhebungen. Und auch hier ist Deutschland Nachzügler. Pavel Grigoriev, Leiter der Forschungsgruppe Mortalität, sieht eine „seit langem bestehende Gesundheitskluft zwischen erfolgreicheren Ländern und Deutschland“. Der „Langlebigkeitsnachteil“ der Deutschen sei vor allem einer Bevölkerungsgruppe geschuldet: der Altersgruppe kurz vor dem Rentenalter (55 bis 64 Jahre). „Diese Gruppe sowie die Gruppe 65+ tragen am höchsten zur Benachteiligung bei“, sagt Grigoriev. Hauptfaktor für den Unterschied zwischen Deutschland und anderen Ländern mit hohem Einkommen sind die Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das lasse sich aus Daten zu Todesursachen und Deutschland hat eine vergleichsweise niedrige Lebenserwartung. demografischen Methoden eindeutig ablesen. Für Steven Haberman, Professor für Versicherungsmathematik an der Bayes Business School, stellen diese negativen Ergebnisse einen „alarmierenden Trend“ dar. „Wurde das Rentenalter zu schnell angehoben? Die Antwort könnte ,Ja‘ lauten“, schreibt er. Im Auftrag des Sozialverbands VdK hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Lebenserwartung der 65-Jährigen untersucht – abhängig von ihrer Beschäftigungsart und ihrem Haushaltseinkommen. Herausgekommen ist, dass die Lebenserwartung von Arbeitern im Vergleich etwa zu Beamten rund vier Jahre geringer ist. Auch eine hohe berufliche Belastung wirkt sich negativ aus. Und: Rentner aus Haushalten mit prekären Einkommen haben eine deutlich geringere Lebenserwartung im Vergleich zu wohlhabenden Haushalten. pet Foto: Sozialverband VdK 10 RHPfalz Allgemein

Inklusion Zeitung November 2022 11 Hilfe leisten mit System Der Katastrophenschutz muss eng mit den Menschen vor Ort zusammenarbeiten Angesichts des Kriegs in der Ukraine wächst die Sorge vor einem großen Stromausfall. Die Menschen in Berlin-Köpenick kennen die Situation, 31 Stunden keinen Strom zu haben. Ein Blackout betraf 2019 große Teile des Stadtteils. Ein Krisenfall wie dieser hilft Sicherheitsexperten wie Matthias Max vom Deutschen Roten Kreuz (DRK), Krisenkonzepte zu überprüfen und weiterzuentwickeln. An einem Nachmittag im Februar 2019 durchtrennte ein Bagger bei Bauarbeiten an einer Brücke in Berlin zwei zentrale Stromleitungen. Danach hatten 31 500 Haushalte im Stadtteil Köpenick keinen Strom. Die Polizei errichtete mobile Wachen, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk (THW) und DRK halfen, wo und womit sie konnten. Das Chaos blieb zwar aus, doch die Lage war angespannt. So mussten 23 Patientinnen und Patienten aus einer Köpenicker Klinik in die knapp 20 Kilometer entfernte Charité verlegt werden, weil ein Notstromaggregat nicht funktionierte. Menschen erreichen Die Versorgung etwa von Kliniken und Pflegeheimen mit Notstrom sei im Krisenfall zentral, sagt Matthias Max, Teamleiter Sicherheitsforschung und Innovationstransfer im DRK-Generalsekretariat. Die Einrichtungen müssten über funktionierende Aggregate Im Notfall muss bekannt sein, wo Menschen mit besonderem Hilfebedarf wohnen. Foto: picture alliance/Peter Steffen verfügen. Das sei organisatorisch leicht zu lösen. Ihn beschäftige vielmehr die Frage, wie im Katastrophenfall kommuniziert wird: Wie erreicht man die Menschen, die Hilfe dringend benötigen? „Besonders betroffen sind diejenigen, die sich nicht einfach in Sicherheit bringen können. Das sind zum Beispiel ambulant Pflegebedürftige“, erklärt Matthias Max. „Da gilt es, genau hinzuschauen: Wo leben diese Menschen, was brauchen sie im Notfall?“ Organisationen des Katastrophenschutzes müssen sich mit ambulanten Diensten, Pflegeheimen, Krankenhäusern oder Schulen über diese Fragen austauschen – und zwar vor einer Krise. „Es sollte darum gehen, wie Hilfsorganisationen unterstützen können, wenn die Lichter ausgehen oder eine Klinik überflutet wird.“ Der Leitgedanke dabei müsse immer sein, bestehende Systeme so lange aufrechtzuerhalten, wie es geht. „Den Alltag, als etablierte Struktur, kann man nicht ersetzen. Deshalb sollte er so lange wie möglich gestützt werden.“ Der zweite Schritt sei, für den absoluten Notfall Ersatzstrukturen zu schaffen. „Dazu müssen die Katastrophenschützer zum Beispiel wissen, wie ein Betreuungsplatz ausgestattet sein muss, um die Pflege dort auch zu ermöglichen.“ Um bedarfsgerecht helfen zu können, sollte den Behörden und Hilfsorganisationen bekannt sein, welche Vereine und Initiativen vor Ort aktiv sind. Gibt es Netzwerke, die der Katastrophenschutz nutzen kann – zum Beispiel Selbsthilfegruppen? „In der Zivilgesellschaft existiert sehr viel Know-how, angefangen bei vermeintlich Hilfebedürftigen über Kliniken und Unternehmen der verschiedensten Bereiche bis hin zu den Strukturen des Bevölkerungsschutzes. Diese gilt es, für den Bedarfsfall miteinander zu vernetzen. Wenn etwa ein Pflegeheim evakuiert wird, kann dabei vielleicht der Ruderverein von nebenan helfen. Bei der Verteilung von Lebensmitteln gilt es, Einzelhändler vor Ort einzubeziehen“, erklärt der Sicherheitsexperte und spricht von „sozialraumorientiertem Bevölkerungsschutz“. Das Ziel sei, alle Akteure, die den Lebensalltag der Menschen stützen, für den Krisenfall zu sensibilisieren, sagt Max, der sich seit rund zehn Jahren mit Fragen der öffentlichen Sicherheit befasst und Lösungen für die Praxis entwickelt. Er ist davon überzeugt, dass die Aufrechterhaltung von Alltagssystemen eine wachsende Rolle spielen wird. „Wegen des Klimawandels wird es mehr Stürme, Überschwemmungen oder Dürren geben, die uns vor neue Herausforderungen stellen. Dafür brauchen wir Konzepte.“ Jörg Ciszewski Buchtipp Matthias Max und sein Mitautor Matthias Schulze haben viele Jahre zum Thema Sicherheit geforscht und ihre Erkenntnisse für das DRK in einem Buch zusammengefasst: „Hilfeleistungssysteme der Zukunft“ ist im Transcript-Verlag erschienen, kostet 36 Euro und umfasst 196 Seiten. Das Buch lässt sich auf der Webseite des Verlags kostenlos herunterladen. www.transcript-verlag.de Kindergeld für Erwachsene Für viele Kinder mit Schwerbehinderung gilt die Altersbegrenzung nicht Kindergeld wird in der Regel bis zum vollendeten 17. Lebensjahr gewährt, bei einem Studium oder einer Berufsausbildung sogar bis zum 25. Lebensjahr. Ist ein Kind aufgrund einer Behinderung nicht in der Lage, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, können Eltern auch über die Altersgrenze hinaus Kindergeld beziehen. Das Kindergeld ist keine Sozialleistung, sondern eine steuerliche Ausgleichszahlung für Menschen, die sich um ein Kind kümmern. Einen Anspruch haben die Eltern von leiblichen Kindern, Pflegeund Adoptivkindern, in manchen Fällen aber auch die Geschwister, wenn zu ihnen ein sogenanntes Pflegekindschaftsverhältnis besteht. Um Anspruch auf Kindergeld ohne Altersbegrenzung zu haben, muss die Behinderung des Kindes vor dessen 25. Geburtstag (bis 2007: vor dem 27. Geburtstag) eingetreten sein. Ein hoher Grad der Behinderung (GdB) allein reicht nicht aus. Die Behinderung muss die Ursache dafür sein, dass das Kind nicht in der Lage ist, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. GdB allein reicht nicht aus Die Betreuung eines Kindes mit Behinderung kann sehr beglückend sein, ist aber oft auch anstrengend. Foto: imago images/MASKOT Ein Zusammenhang zwischen der Behinderung und der dauerhaften Unfähigkeit, ein selbstständiges Leben zu führen, kann beispielsweise angenommen werden, wenn der GdB des Kindes 50 oder mehr beträgt und im Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen „H“ für hilflos eingetragen ist. Auch wenn das Kind Grundsicherung erhält, in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung arbeitet, oder wenn es eine Lernbehinderung hat, aufgrund derer es auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelt werden kann, besteht fast immer Anspruch auf unbefristeten Bezug von Kindergeld. Der Antrag wird schriftlich bei der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit gestellt. Neben dem Antragsformular und der „Anlage Kind“ müssen Erklärungen zu den Lebensverhältnissen sowie zum verfügbaren Nettoeinkommen des Kindes mit Behinderung abgegeben werden. In manchen Fällen sind weitere Angaben notwendig. Außerdem muss die Behinderung nachgewiesen werden. In der Regel geht das mit dem Schwerbehindertenausweis sowie einem ärztlichen Gutachten, aus dem hervorgeht, wie sich die Behinderung auf die Erwerbstätigkeit auswirkt. Grundsätzlich wird jährlich geprüft, ob die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kindergeld noch bestehen – je nach Schwere der Behinderung auch in größeren Zeitabständen. Wer vergessen hat, den Antrag auf Kindergeld zu stellen, kann dies nachholen. Kindergeld kann bis zu vier Jahre rückwirkend beantragt werden. Annette Liebmann Bitte weitergeben Werfen Sie die VdK-ZEITUNG nach dem Lesen nicht weg. Geben Sie dieses Exemplar bitte an Ihre Nachbarin oder Ihren Nachbarn, Ihre Freunde und Bekannten weiter, die sicherlich an sozialpolitischen Informationen Interesse haben – und sich vielleicht entschlie ßen, dem VdK beizutreten. – Anzeige – 11 RHPfalz Allgemein

Inklusion<br />

Zeitung <strong>November</strong> <strong>2022</strong><br />

11<br />

Hilfe leisten mit System<br />

Der Katastrophenschutz muss eng mit den Menschen vor Ort zusammenarbeiten<br />

Angesichts des Kriegs in der Ukraine<br />

wächst die Sorge vor einem<br />

großen Stromausfall. Die Menschen<br />

in Berlin-Köpenick kennen<br />

die Situation, 31 Stunden keinen<br />

Strom zu haben. Ein Blackout betraf<br />

2019 große Teile des Stadtteils.<br />

Ein Krisenfall wie dieser hilft Sicherheitsexperten<br />

wie Matthias<br />

Max vom Deutschen Roten Kreuz<br />

(DRK), Krisenkonzepte zu überprüfen<br />

und weiterzuentwickeln.<br />

An einem Nachmittag im Februar<br />

2019 durchtrennte ein Bagger<br />

bei Bauarbeiten an einer Brücke in<br />

Berlin zwei zentrale Stromleitungen.<br />

Danach hatten 31 500 Haushalte<br />

im Stadtteil Köpenick keinen<br />

Strom. Die Polizei errichtete mobile<br />

Wachen, Feuerwehr, Technisches<br />

Hilfswerk (THW) und DRK<br />

halfen, wo und womit sie konnten.<br />

Das Chaos blieb zwar aus, doch<br />

die Lage war angespannt. So mussten<br />

23 Patientinnen und Patienten<br />

aus einer Köpenicker Klinik in die<br />

knapp 20 Kilometer entfernte Charité<br />

verlegt werden, weil ein Notstromaggregat<br />

nicht funktionierte.<br />

Menschen erreichen<br />

Die Versorgung etwa von Kliniken<br />

und Pflegeheimen mit Notstrom<br />

sei im Krisenfall zentral, sagt<br />

Matthias Max, Teamleiter Sicherheitsforschung<br />

und Innovationstransfer<br />

im DRK-Generalsekretariat.<br />

Die Einrichtungen müssten<br />

über funktionierende Aggregate<br />

Im Notfall muss bekannt sein, wo Menschen mit besonderem Hilfebedarf wohnen. Foto: picture alliance/Peter Steffen<br />

verfügen. Das sei organisatorisch<br />

leicht zu lösen. Ihn beschäftige<br />

vielmehr die Frage, wie im Katastrophenfall<br />

kommuniziert wird:<br />

Wie erreicht man die Menschen,<br />

die Hilfe dringend benötigen? „Besonders<br />

betroffen sind diejenigen,<br />

die sich nicht einfach in Sicherheit<br />

bringen können. Das sind zum<br />

Beispiel ambulant Pflegebedürftige“,<br />

erklärt Matthias Max. „Da gilt<br />

es, genau hinzuschauen: Wo leben<br />

diese Menschen, was brauchen sie<br />

im Notfall?“<br />

Organisationen des Katastrophenschutzes<br />

müssen sich mit<br />

ambulanten Diensten, Pflegeheimen,<br />

Krankenhäusern oder Schulen<br />

über diese Fragen austauschen<br />

– und zwar vor einer Krise. „Es<br />

sollte darum gehen, wie Hilfsorganisationen<br />

unterstützen können,<br />

wenn die Lichter ausgehen oder<br />

eine Klinik überflutet wird.“<br />

Der Leitgedanke dabei müsse<br />

immer sein, bestehende Systeme so<br />

lange aufrechtzuerhalten, wie es<br />

geht. „Den Alltag, als etablierte<br />

Struktur, kann man nicht ersetzen.<br />

Deshalb sollte er so lange wie möglich<br />

gestützt werden.“<br />

Der zweite Schritt sei, für den<br />

absoluten Notfall Ersatzstrukturen<br />

zu schaffen. „Dazu müssen die<br />

Katastrophenschützer zum Beispiel<br />

wissen, wie ein Betreuungsplatz<br />

ausgestattet sein muss, um die<br />

Pflege dort auch zu ermöglichen.“<br />

Um bedarfsgerecht helfen zu<br />

können, sollte den Behörden und<br />

Hilfsorganisationen bekannt sein,<br />

welche Vereine und Initiativen vor<br />

Ort aktiv sind. Gibt es Netzwerke,<br />

die der Katastrophenschutz nutzen<br />

kann – zum Beispiel Selbsthilfegruppen?<br />

„In der Zivilgesellschaft<br />

existiert sehr viel Know-how, angefangen<br />

bei vermeintlich Hilfebedürftigen<br />

über Kliniken und Unternehmen<br />

der verschiedensten Bereiche<br />

bis hin zu den Strukturen des<br />

Bevölkerungsschutzes. Diese gilt<br />

es, für den Bedarfsfall miteinander<br />

zu vernetzen. Wenn etwa ein Pflegeheim<br />

evakuiert wird, kann dabei<br />

vielleicht der Ruderverein von nebenan<br />

helfen. Bei der Verteilung<br />

von Lebensmitteln gilt es, Einzelhändler<br />

vor Ort einzubeziehen“,<br />

erklärt der Sicherheitsexperte und<br />

spricht von „sozialraumorientiertem<br />

Bevölkerungsschutz“.<br />

Das Ziel sei, alle Akteure, die den<br />

Lebensalltag der Menschen stützen,<br />

für den Krisenfall zu sensibilisieren,<br />

sagt Max, der sich seit rund<br />

zehn Jahren mit Fragen der öffentlichen<br />

Sicherheit befasst und Lösungen<br />

für die Praxis entwickelt. Er<br />

ist davon überzeugt, dass die Aufrechterhaltung<br />

von Alltagssystemen<br />

eine wachsende Rolle spielen<br />

wird. „Wegen des Klimawandels<br />

wird es mehr Stürme, Überschwemmungen<br />

oder Dürren geben, die uns<br />

vor neue Herausforderungen stellen.<br />

Dafür brauchen wir Konzepte.“<br />

<br />

Jörg Ciszewski<br />

Buchtipp<br />

Matthias Max und sein Mitautor<br />

Matthias Schulze haben viele<br />

Jahre zum Thema Sicherheit<br />

geforscht und ihre Erkenntnisse<br />

für das DRK in einem Buch zusammengefasst:<br />

„Hilfeleistungssysteme<br />

der Zukunft“ ist im<br />

Transcript-Verlag erschienen,<br />

kostet 36 Euro und umfasst 196<br />

Seiten. Das Buch lässt sich auf<br />

der Webseite des Verlags kostenlos<br />

herunterladen.<br />

www.transcript-verlag.de<br />

Kindergeld für Erwachsene<br />

Für viele Kinder mit Schwerbehinderung gilt die Altersbegrenzung nicht<br />

Kindergeld wird in der Regel bis<br />

zum vollendeten 17. Lebensjahr<br />

gewährt, bei einem Studium oder<br />

einer Berufsausbildung sogar bis<br />

zum 25. Lebensjahr. Ist ein Kind<br />

aufgrund einer Behinderung nicht<br />

in der Lage, für seinen Lebensunterhalt<br />

zu sorgen, können Eltern<br />

auch über die Altersgrenze hinaus<br />

Kindergeld beziehen.<br />

Das Kindergeld ist keine Sozialleistung,<br />

sondern eine steuerliche<br />

Ausgleichszahlung für Menschen,<br />

die sich um ein Kind kümmern.<br />

Einen Anspruch haben die Eltern<br />

von leiblichen Kindern, Pflegeund<br />

Adoptivkindern, in manchen<br />

Fällen aber auch die Geschwister,<br />

wenn zu ihnen ein sogenanntes<br />

Pflegekindschaftsverhältnis besteht.<br />

Um Anspruch auf Kindergeld<br />

ohne Altersbegrenzung zu haben,<br />

muss die Behinderung des Kindes<br />

vor dessen 25. Geburtstag (bis<br />

2007: vor dem 27. Geburtstag)<br />

eingetreten sein. Ein hoher Grad<br />

der Behinderung (GdB) allein<br />

reicht nicht aus. Die Behinderung<br />

muss die Ursache dafür sein, dass<br />

das Kind nicht in der Lage ist,<br />

selbst für seinen Lebensunterhalt<br />

zu sorgen.<br />

GdB allein reicht nicht aus<br />

Die Betreuung eines Kindes mit Behinderung kann sehr beglückend sein,<br />

ist aber oft auch anstrengend. <br />

Foto: imago images/MASKOT<br />

Ein Zusammenhang zwischen<br />

der Behinderung und der dauerhaften<br />

Unfähigkeit, ein selbstständiges<br />

Leben zu führen, kann beispielsweise<br />

angenommen werden,<br />

wenn der GdB des Kindes 50 oder<br />

mehr beträgt und im Schwerbehindertenausweis<br />

das Merkzeichen<br />

„H“ für hilflos eingetragen ist.<br />

Auch wenn das Kind Grundsicherung<br />

erhält, in einer Werkstatt für<br />

Menschen mit Behinderung arbeitet,<br />

oder wenn es eine Lernbehinderung<br />

hat, aufgrund derer es auf<br />

dem Arbeitsmarkt nicht vermittelt<br />

werden kann, besteht fast immer<br />

Anspruch auf unbefristeten Bezug<br />

von Kindergeld.<br />

Der Antrag wird schriftlich bei<br />

der Familienkasse der Bundesagentur<br />

für Arbeit gestellt. Neben<br />

dem Antragsformular und der<br />

„Anlage Kind“ müssen Erklärungen<br />

zu den Lebensverhältnissen<br />

sowie zum verfügbaren Nettoeinkommen<br />

des Kindes mit Behinderung<br />

abgegeben werden. In manchen<br />

Fällen sind weitere Angaben<br />

notwendig.<br />

Außerdem muss die Behinderung<br />

nachgewiesen werden. In der<br />

Regel geht das mit dem Schwerbehindertenausweis<br />

sowie einem<br />

ärztlichen Gutachten, aus dem<br />

hervorgeht, wie sich die Behinderung<br />

auf die Erwerbstätigkeit auswirkt.<br />

Grundsätzlich wird jährlich<br />

geprüft, ob die Voraussetzungen<br />

für einen Anspruch auf Kindergeld<br />

noch bestehen – je nach Schwere<br />

der Behinderung auch in größeren<br />

Zeitabständen.<br />

Wer vergessen hat, den Antrag<br />

auf Kindergeld zu stellen, kann<br />

dies nachholen. Kindergeld kann<br />

bis zu vier Jahre rückwirkend beantragt<br />

werden.<br />

<br />

Annette Liebmann<br />

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oder Ihren Nachbarn, Ihre Freunde und Bekannten weiter,<br />

die sicherlich an sozialpolitischen Informationen Interesse<br />

haben – und sich vielleicht entschlie ßen, dem VdK beizutreten.<br />

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