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8 UNIversalis-Zeitung Sommer 2022<br />
Forscher:innen des Max-Planck-<br />
Instituts untersuchten in Folge der<br />
Corona Krise die Immunresistenz<br />
von drei weiblichen Alpakas, indem<br />
sie den Tieren Spikeproteine<br />
induzierten - im Blut der Tiere fand<br />
man keine Infektion mit dem Virus,<br />
sondern einen reichlichen Gehalt<br />
an Nanobodies und dadurch eine<br />
äußerst starke Resistenz gegenüber<br />
dem Corona Virus<br />
Foto: Pixabay<br />
Nacktmulle, Alpakas und das ewige Leben<br />
Ein Appell zwischen Arterhalt und der Ausnutzung tierischer Potentiale. Renè Anours Buch „Das Arche<br />
Noah Prinzip”<br />
W<br />
ieviel können wir der<br />
Natur noch abverlangen?<br />
Und wieviel<br />
könnte man aus der<br />
Natur noch potentiell nutzen?<br />
Diesen Spagat versucht Renè Anour<br />
in seinem Buch „Das Arche<br />
Noah Prinzip. Heilung aus dem<br />
Tierreich” seinen Leser:innen<br />
näher zu bringen. Aber ist dies<br />
überhaupt möglich?<br />
Noch so ein Artikel zur Aufklärung<br />
von Zoonosen, den Verlust der Biodiversität<br />
und der nicht artgerechten<br />
Haltung von Masttieren, denken sie<br />
jetzt. Doch es ist nicht ganz wie es<br />
scheint.<br />
„Das Arche Noah Prinzip” ermöglicht<br />
den Leser:innen einen einfachen<br />
und emotionalen Einstieg<br />
in ein Thema, welches auch die<br />
Verschwörungstheoretiker:innen<br />
unter Ihnen aufhorchen lassen<br />
wird. Wie ermöglicht uns die Tierwelt<br />
die Tumorbekämpfung, die<br />
Krebsheilung oder gar das ewige<br />
Leben. Laut Anour gibt es nämlich<br />
bereits seit längerer Zeit Forschungen<br />
zu außergewöhnlichen Tieren,<br />
deren Eigenschaften von höchstem<br />
Interesse für eben diese Ziele sind.<br />
Und das alles ohne Jungfrauenoder<br />
Kinderblut. Ob mit dem Gen<br />
Kloth, Hydren, arktischen Tiefseeschwämmen<br />
oder dem nicht zu<br />
unterschätzenden Nacktmull, um<br />
den laut Anour ein ganzes Buch<br />
hätte geschrieben werden können.<br />
Sie alle haben außergewöhnliche<br />
Fähigkeiten, die wir mit unserem<br />
bisherigen Forschungsstand schwer<br />
einordnen können, aber verzweifelt<br />
gerne würden. Insgesamt ist das<br />
Buch ein weit gefasster Überblick<br />
über die Möglichkeiten, ob bereits<br />
entdeckt oder noch unentdeckt,<br />
die die Vielfalt der Natur uns bieten<br />
kann. Durch viele verschiedene<br />
wissenschaftliche Beispiele und<br />
persönliche Geschichten hangelt<br />
sich Renè Anour in 200 Seiten von<br />
Tier zu Tier und zeigt so die Potentiale<br />
der Problem- und Krankheitsbekämpfungen,<br />
welche sich durch<br />
diese ergeben auf. Auch wenn diese<br />
Themenfelder komplex klingen<br />
mögen, „Das Arche Noah Prinzip”<br />
ist wie ein Schulbuch, mit kursiven<br />
zusammengefassten Wissensständen<br />
am Ende jedes Kapitels, sei es<br />
noch so kurz, sehr gut bekömmlich.<br />
Biblische Wahrheit?<br />
Warum aber der Name Arche Noah<br />
Prinzip? In einer anfänglichen Geschichte<br />
beschreibt der Autor die<br />
Geschichte Noahs, wie er eine Taube<br />
auf den Weg für die Suche nach<br />
Land geschickt haben soll. Nach<br />
einer Ausführung warum genau<br />
die Taube durch ihre Muskelkraft<br />
der beste Vogel für diese Aufgabe<br />
ist, endet die Geschichte mit einem<br />
wiedergebrachten Olivenzweig im<br />
Schnabel des Tieres. Der Olivenzweig<br />
stellt in der biblischen Geschichte<br />
das nahende Land dar. In<br />
unserer Geschichte allerdings soll<br />
er sinnbildlich sein für die nicht zu<br />
unterschätzenden Potentiale, die<br />
die Tierwelt immer noch für uns<br />
bereithält. So gab es beispielsweise<br />
auch bei der Suche nach einem<br />
Heilmittel für den Corona Virus<br />
eine erstaunliche Wiederentdeckung<br />
der Antikörper von Kamelen.<br />
Im Gegensatz zu menschlichen<br />
Antikörpern, sind diese viel kleiner<br />
und leichter und erhielten deswegen<br />
den Namen Nanobodies. Trotz<br />
ihrer Größe und ihres Gewichts<br />
haben sie die gleiche Wirksamkeit<br />
und Forschende vermuten, dass<br />
sie sogar die Blut-Hirn-Schranke<br />
überwinden könnten. Nanobodies<br />
könnten also auch in der Heilung<br />
von Hirntumoren eine größere Rolle<br />
spielen. Einige Forscher:innen<br />
des Max-Planck-Instituts brachten<br />
die 1989 entdeckten, doch lange<br />
beiseite gelegten Antikörper wieder<br />
ans Tageslicht. Ihr Ziel war es<br />
in Folge der Corona Krise die Immunresistenz<br />
von drei weiblichen<br />
Alpakas zu untersuchen. Dafür induzierten<br />
sie den Tieren Spikeproteine<br />
und nahmen wenig später eine<br />
Blutprobe. In dieser fand man nicht<br />
etwa eine Infektion mit dem Virus,<br />
sondern einen reichlichen Gehalt<br />
an Nanobodies und dadurch eine<br />
äußerst starke Resistenz gegenüber<br />
dem Corona Virus. Diese Erkenntnis<br />
führt heute zu vielen weiteren<br />
Forschungen an diesen ganz besonderen<br />
und vielversprechenden<br />
Antikörpern.<br />
Das Geheimnis der Nacktmulle<br />
Aber auch in anderen, existenziellen<br />
Bereichen hält die Tierwelt<br />
etwas für uns bereit. Beispielsweise<br />
ist ja relativ bekannt, dass wir alle<br />
einmal sterben werden. Manche<br />
Lebewesen früher, manche später.<br />
Das liegt, wie auch Dr. René Anour<br />
beschreibt, an der Stoffwechselrate<br />
eines jeden Lebewesens. Ist diese<br />
hoch, also schlägt das Herz pro<br />
Minute öfter, so hat man eine geringere<br />
Lebenserwartung. Während<br />
beispielsweise Blauwale mit sechs<br />
Herzschlägen pro Minute auskommen<br />
und bekanntlich recht alt werden,<br />
hat die Etruskerspitzmaus mit<br />
tausend Herzschlägen in der Minute<br />
nur wenige Jahre zu leben. Ein<br />
besonderes Säugetier macht dieser<br />
These aber einen Strich durch die<br />
Rechnung: der Nacktmull. Die<br />
Erforschung dieses kleinen Tiers<br />
wird heute bereits von Megakonzernen<br />
gesponsert. Und dabei traf<br />
man auf ganz erstaunliche Erkenntnisse.<br />
Während bei uns Menschen<br />
im Erwachsenenalter das Risiko zu<br />
sterben exponentiell steigt, ist das<br />
Sterberisiko für einen sechsjährigen<br />
Nacktmull genauso hoch wie das<br />
für einen zwanzigjährigen Nacktmull.<br />
Also verständlicher ausgedrückt<br />
hätte der Nacktmull in Menschenalter<br />
umgerechnet im Alter<br />
von sechzig noch die gleiche Agilität<br />
wie mit zwanzig Jahren. Und<br />
sogar die Fruchtbarkeit des Nackmulls<br />
nimmt mit dessen Lebenszeit<br />
eher zu. Das größte Potential aber,<br />
dass die Nacktmulle bereithalten,<br />
ist ihre Resistenz gegenüber Tumoren.<br />
Nacktmulle bekommen<br />
keinen Krebs und das macht sie als<br />
Säugetiere weitgehend einzigartig.<br />
Ganz konkret hat dieses Phänomen<br />
mit Hyaluronsäure zu tun, von der<br />
ein Gramm bereits 6 Liter Wasser<br />
binden kann. Dies hat viele positive<br />
Vorteile, wie zum Beispiel unsere<br />
Zellen vor Druckeinwirkungen zu<br />
schützen oder Immunzellen leichter<br />
durch den Körper bewegen zu<br />
lassen. Damit der Nacktmulll in<br />
seinem Bau in den engen Gängen<br />
an Artgenosse:innen vorbeikommt<br />
braucht er für die Flexibilität und<br />
Elastizität seines Körpers eben das:<br />
Hyaluronsäure. Und diese wird<br />
sogar schon in der Wissenschaft<br />
ganz unverhohlen als Super-Hyaluronsäre<br />
bezeichnet. Der Zauberstoff<br />
der Nacktmulle schützt nämlich<br />
nicht nur die Zellen vor Stress und<br />
Zelltod, sondern aktiviert auch ein<br />
Frühwarnsystem vor Tumoren, welche<br />
dann sogleich auch bekämpft<br />
werden. Und das beste ist: Sie<br />
funktioniert auch bei menschlichen<br />
Zellen. Erneut also eine mögliche<br />
Lösung für ein Problem, das die<br />
Menschheit schon lange umtreibt.<br />
Nicht aus dem Labor, sondern von<br />
Lebewesen wortwörtlich direkt zu<br />
unseren Füßen. Tragisch dabei ist<br />
nur, dass Menschen anscheinend<br />
erst solche Selbsterhaltungsnutzen<br />
erfahren müssen, um den Erhalt der<br />
Vielfalt gewährleisten oder umsetzen<br />
zu wollen. Nicht etwa der Vielfalt<br />
wegen, sondern des Nutzens<br />
für die Menschheit wegen. Aber so<br />
ist der Mensch leider nun mal, behauptet<br />
auch Anour. Erst wenn etwas<br />
in nächster Nähe sichtbar wird,<br />
können wir damit umgehen. Wenn<br />
die Menschheit es schon nicht<br />
schafft, in den eigenen Reihen auf<br />
Diskriminierung, Vertreibung oder<br />
sogar Genozid zu verzichten, wie<br />
sollen wir dann andere Arten vor<br />
uns schützen? Um diesem Problem<br />
entgegenzuwirken betont Anour,<br />
wie wichtig es ist, sich mit der<br />
Artenvielfalt auseinanderzusetzen<br />
oder wie er schreibt: „sie zu erleben,<br />
so oft es geht.”. Und das muss,<br />
laut Anour nicht in der Savanne bei<br />
einer Safaritour in Südafrika sein,<br />
sondern kann bereits im Vorgarten<br />
beginnen. Vögel, Ameisen, Marienkäfer,<br />
Bienen und Hummeln. So<br />
einiges ist da direkt vor der Haustür<br />
zu finden. Aber auch wenn Sie