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6 UNIversalis-Zeitung Sommer 2022<br />
Zukunftstechnologie 3D-Druck<br />
Ein Konzept zum nachhaltigen Einsatz von 3D-Drucktechnologien im Bildungsbereich<br />
U<br />
nterschiedlichste Anwendungen<br />
der 3D-<br />
Drucktechnologie<br />
führten in den letzten<br />
Jahren in vielen Bereichen der Industrie<br />
und Forschung zu enormen<br />
Fortschritten. Die stetige Weiterentwicklung<br />
zukünftiger Anwendungsmöglichkeiten<br />
wie beispielsweise<br />
der 3D-Druck von Häusern oder<br />
das sogenannte Bioprinting (der<br />
Druck von Gewebe strukturen oder<br />
Organen) lässt darauf schließen,<br />
dass die Bedeutung des 3D-Drucks<br />
in Industrie und Forschung auch<br />
weiterhin stark zunehmen wird.<br />
Häufig werden 3D-Drucktechnologien<br />
in Bereichen eingesetzt,<br />
in denen Bauteile mit komplexen<br />
Geometrien verwendet oder kleine<br />
Stückzahlen produziert werden.<br />
Bereits jetzt verwenden namhafte<br />
Hersteller im Fahrzeug- und Flugzeugbau<br />
3D-Drucktechnologien in<br />
der Serienfertigung zur Erzeugung<br />
besonders leichter und stabiler Bauteile.<br />
In der Medizin werden erste<br />
Prototypen menschlicher Organe<br />
(z. B. die Miniaturversion einer<br />
Bauchspeicheldrüse) erzeugt, mit<br />
deren Hilfe Medikamententests an<br />
Menschen und Tieren zukünftig<br />
vermieden werden könnten. In der<br />
Medizinindustrie können durch<br />
3D-Druck Arm- und Beinprothesen<br />
passgenau und kostengünstig hergestellt<br />
werden.<br />
Diese Vielzahl an Anwendungsbeispielen<br />
verdeutlicht nicht nur die<br />
Bedeutung der Technologie und<br />
damit deren gesellschaftliche Relevanz,<br />
sondern zeigt auch, dass 3D-<br />
Druck in immer mehr Berufen, auch<br />
außerhalb des MINT-Bereichs (Mathematik,<br />
Informatik, Naturwissenschaften,<br />
Technik), eine zunehmend<br />
wichtige Rolle spielt.<br />
3D-Druck im Bildungsbereich<br />
Vor dem Hintergrund einer immer<br />
komplexer werdenden und zunehmend<br />
technisierten Gesellschaft<br />
werden Medienbildung und digitales<br />
Lernen auch im Bildungsbereich<br />
unabdingbar. Es gibt mehr<br />
und mehr hochspezialisierte Berufsbilder,<br />
für welche Kompetenzen<br />
wie digitale Affinität, vernetztes<br />
Denken und Problemlösefähigkeit<br />
eine zentrale Rolle spielen. Gleichzeitig<br />
ist im Hinblick auf aktuelle<br />
gesamtgesellschaftliche Themen<br />
und Probleme, wie beispielsweise<br />
den Klimawandel oder die aktuelle<br />
Covid-19-Pandemie, ein interdisziplinäres,<br />
vernetztes Denken und<br />
Arbeiten notwendig geworden. Ziel<br />
der Schulen und Bildungseinrichtungen<br />
muss es daher sein, genau<br />
hier anzusetzen, um Schüler/-innen<br />
auf neue Herausforderungen in der<br />
Berufs- und Lebenswelt vorzubereiten.<br />
Seit der Verfügbarkeit von erschwinglichen<br />
und unkompliziert<br />
einsetzbaren 3D-Druckern kann die<br />
Implementierung des 3D-Drucks<br />
auch im Bildungsbereich eine entscheidende<br />
methodische Bereicherung<br />
darstellen. Der 3D-Druck ist<br />
hier eine innovative Möglichkeit,<br />
wichtige Fähigkeiten wie räumliches<br />
Denken und Problemlösestrategien<br />
zu fördern und bietet<br />
durch seine Anschaulichkeit einen<br />
großen Mehrwert. Wichtig dabei<br />
ist, dass er, wie alle neuen Medien,<br />
kein Selbstzweck bleibt, sondern als<br />
neues Werkzeug im Lerngeschehen<br />
in ein pädagogisches Konzept eingebettet<br />
ist.<br />
Praktische Umsetzung im Schulalltag<br />
Die 3D-Drucktechnologie als<br />
Lern- und Anschauungsmethode<br />
kann – mit Fokus auf das Thema<br />
Abb.: Pädagogische Hochschule Freiburg<br />
Nachhaltigkeit – in der Leitperspektive<br />
Bildung für nachhaltige<br />
Entwicklung (BNE) der Bildungspläne<br />
fächerübergreifend eingesetzt<br />
werden. Wie durch den 3D-Druck<br />
dabei die Themen Nachhaltigkeit<br />
und Umweltschutz handlungs- und<br />
lösungsorientiert veranschaulicht<br />
werden könnten, zeigen verschiedene<br />
Einsatzbeispiele:<br />
Mathematik: Kantenmodelle geometrischer<br />
Körper darstellen, z. B.<br />
zur Modellierung von verschiedenen<br />
Verpackungen → Hier kann<br />
dann thematisiert werden, welche<br />
Verpackungen die beste Ökobilanz<br />
aufweisen.<br />
Geographie: dreidimensionale<br />
Karte, welche das Bruttoinlandsprodukt<br />
verschiedener Länder visualisiert<br />
→ Hier kann der Genuine<br />
Progress Indicator (GPI) angesprochen<br />
werden, welcher nicht nur<br />
wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt,<br />
sondern auch soziale und<br />
ökologische.<br />
Biologie: Kleinlebewesen anschaulich<br />
darstellen → Hier kann auf die<br />
Notwendigkeit von Biodiversität<br />
Bezug genommen werden.<br />
Chemie: räumliche Struktur von<br />
Molekülen veranschaulichen →<br />
Hier können beispielsweise alternative<br />
nachhaltige Ressourcen behandelt<br />
werden.<br />
Kunst: Übertrag von zweidimensionalen<br />
Kunstwerken in 3D, um<br />
neue Zugänge zur Kunst für blinde<br />
Menschen zu schaffen → Hier<br />
kann das Konzept der Teilhabe als<br />
wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit<br />
thematisiert werden.<br />
Deutsch:→ Texte im Braille-Alphabet<br />
erstellen.<br />
Für Schüler/-innen ist neben den<br />
inhaltlichen und technischen Aspekten<br />
die Möglichkeit stark motivierend,<br />
eine Fragestellung von der<br />
Planung bis zur Realisierung zu begleiten.<br />
Kreativität sowie multiperspektivische<br />
Herangehensweisen<br />
werden durch offene Zusammenarbeit<br />
am 3D-Modell gefördert, und<br />
vielfältige Problemlösestrategien<br />
bieten dann wiederum die Möglichkeit,<br />
einen konstruktiven Umgang<br />
mit Fehlern zu schulen. Allerdings<br />
lassen sich entsprechende<br />
Lernumgebungen z. B. aufgrund<br />
einer Druckdauer von mitunter<br />
mehreren Stunden nicht immer<br />
einfach realisieren. Wichtig beim<br />
Einsatz der 3D-Drucktechnologie<br />
im Bildungskontext ist außerdem,<br />
dass insbesondere bei komplexen<br />
Leitperspektiven wie Bildung für<br />
nachhaltige Entwicklung nicht nur<br />
technische Aspekte, sondern auch<br />
Faktoren wie Interdisziplinarität sowie<br />
Berufs- und Alltagsbezug pädagogisch<br />
und didaktisch mitgedacht<br />
werden, sodass eine nachhaltige Implementierung<br />
gelingen kann.<br />
Didaktisches Resümee<br />
Der 3D-Druck kann bei entsprechender<br />
didaktischer Begleitung gewinnbringend<br />
in die MINT-Ausbildung<br />
integriert werden. Gesamtgesellschaftlich<br />
aktuelle Themen wie<br />
Nachhaltigkeit und Umweltschutz<br />
können auf diese Weise handlungsund<br />
lösungsorientiert bearbeitet und<br />
Lernende zu kritisch reflektierten<br />
und verantwortungsvollen Entscheidungen<br />
befähigt werden. So<br />
lässt sich beispielsweise durch die<br />
eigenständige Herstellung von Ersatzteilen<br />
auch das Konsumverhalten<br />
junger Menschen beeinflussen<br />
oder es können durch die Thematisierung<br />
von 3D-gedrucktem Fleisch<br />
ethische Fragestellungen aufgeworfen<br />
werden. Gleichzeitig sollte stets<br />
ein Bewusstsein für einen sinnvollen<br />
Einsatz der Technologie, einen<br />
ressourcenschonenden Umgang<br />
und die Wahrnehmung der Druckreste<br />
als Wertstoffe geschaffen werden,<br />
die bestmöglich zu verwerten<br />
sind. Das bedeutet insbesondere,<br />
dass sowohl Druckverfahren als<br />
auch -materialien gewählt werden<br />
müssen, welche für die Nutzung<br />
durch Kinder und Jugendliche geeignet<br />
sind, und Druckabfälle sortenrein<br />
gelagert sowie professionell<br />
aufbereitet werden.<br />
An der Pädagogischen Hochschule<br />
Freiburg wurde im Rahmen des International<br />
Centrefor STEM Education<br />
im Herbst 2021 das 3D-Drucklabor<br />
„3Druckraum“ eröffnet. Hier<br />
finden regelmäßig offene Mitmachangebote<br />
und Familiennachmittage<br />
nach dem Konzept der „Makerspaces“<br />
statt. Das offene Angebot<br />
steht sowohl Schüler/-innen, Studierenden<br />
und Familien zur Verfügung,<br />
als auch interessierten Lehrkräften,<br />
welche die Technologie<br />
3D-Druck hautnah erleben wollen.<br />
Informationen zu 3D-Druckworkshops<br />
für Schüler/-innen und Lehrkräfte<br />
in der Region:<br />
https://icse.ph-freiburg.de/mint4life-projekt-uc/<br />
Prof. Dr. Katja Maaß, Direktor International<br />
Centre of STEM Education<br />
ICSE an der PH Freiburg<br />
Dr. Oliver Straser, Assistant Director<br />
Aileen Fahrländer, Programme<br />
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