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Sommer 2022 UNIversalis-Zeitung 3<br />

Nachhaltigkeit systemisch betrachtet<br />

Im Gespräch: Prof. Dr. Michael Pregernig, Fachmann für Nachhaltigkeit im gesellschaftspolitischen Kontext<br />

P<br />

rof. Dr. Michael Pregernig<br />

ist ausgewiesener<br />

Fachmann für Nachhaltigkeit<br />

im gesellschaftspolitischen<br />

Kontext. Wie Umweltpolitik<br />

an der Schnittstelle<br />

von Forschung, Politik und Gesellschaft<br />

funktionieren (kann),<br />

dazu hat Julian Hienstorfer ihn<br />

befragt.<br />

UNIversalis: Herr Pregernig, Sie<br />

haben den Lehrstuhl für Sustainability<br />

Governance der Universität<br />

Freiburg inne. Könnten Sie kurz<br />

skizzieren, worum es sich dabei<br />

handelt?<br />

Pregernig: In der Lehre sind wir<br />

vor allem für den internationalen<br />

Master of Science Studiengang<br />

„Environmental Governance“ –<br />

kurz MEG – zuständig, der in Freiburg<br />

bereits 2005 gegründet wurde.<br />

Studiengänge, die Umwelt und ein<br />

breiteres Spektrum an Sozialwissenschaften<br />

zusammendachten,<br />

gab es damals noch recht wenige.<br />

Es existierten lediglich solche, die<br />

entweder rein politikwissenschaftliche<br />

Zugänge zu Nachhaltigkeit<br />

und Umwelt wählten oder sich auf<br />

einen naturwissenschaftlich-technischen<br />

Zugang fokussierten. Der<br />

MEG ist dazwischen angesiedelt,<br />

er ist dezidiert interdisziplinär.<br />

UNIversalis: Inwiefern ist dieser<br />

Ansatz eine Besonderheit?<br />

Pregernig: Typischerweise sind<br />

Studiengänge noch stark an einzelne<br />

Disziplinen geknüpft – was wohl<br />

aus ihrer Verortung in disziplinär<br />

organisierten Fakultäten resultiert.<br />

Damit lassen sich viele Umweltund<br />

Nachhaltigkeitsproblematiken<br />

aber nicht ganzheitlich greifen.<br />

Die Idee unseres Studiengangs war<br />

es, ein besonderes Augenmerk auf<br />

disziplinare Offenheit zu legen, um<br />

damit integrative und querschneidende<br />

Fragestellungen adäquater<br />

angehen zu können. Mein persönliches<br />

Forschungsinteresse ist dabei<br />

die Schnittstelle zwischen Wissenschaft,<br />

Politik und Gesellschaft.<br />

Wie die wechselseitige Kommunikation<br />

gelingen kann – damit habe<br />

ich mich in den letzten Jahren viel<br />

beschäftigt.<br />

UNIversalis: Wie werden denn<br />

wissenschaftliche Erkenntnisse von<br />

der Universität in die Öffentlichkeit<br />

getragen?<br />

Pregernig: In der öffentlichen<br />

Diskussion ist bisher besonders<br />

die Schnittstelle von Wissenschaft<br />

und Politik problematisiert worden.<br />

Eine Verbreiterung der Debatte in<br />

Richtung einer Schnittstelle zwischen<br />

Wissenschaft und zivilgesellschaftlichen<br />

Akteuren – aber auch<br />

der Wirtschaft – fand erst in den<br />

letzten Jahren statt.<br />

UNIversalis: Wie können denn<br />

diese Schnittstellen nun verbessert<br />

werden?<br />

Pregernig: Ich glaube, dass man<br />

hier nicht erst am Ende der Kette,<br />

bei der Wissenschaftskommunikation,<br />

ansetzen darf, sondern dass<br />

schon bei der Frage begonnen<br />

werden muss, welche Forschung<br />

denn überhaupt gefördert wird.<br />

Da hat sich in den letzten Jahren<br />

ein starker Trend in Richtung problembezogener<br />

Forschungsprogramme<br />

gezeigt, zum Beispiel zu<br />

Biodiversität, Klimaschutz oder<br />

Kreislaufwirtschaft. Gerade aus den<br />

Fachministerien heraus kommt der<br />

Ruf nach Forschung, an deren Ende<br />

anwendbare Ergebnisse stehen. Das<br />

ist nicht immer einfach. Daneben<br />

braucht es natürlich auch weiter<br />

grundlagenorientierte Forschung.<br />

UNIversalis: Wie schätzen Sie denn<br />

den Umgang mit den wissenschaftlichen<br />

Ergebnissen ein? Pickt man<br />

sich da die Rosinen heraus oder<br />

werden auch ambivalente Ergebnisse<br />

akzeptiert?<br />

Pregernig: Es gibt dieses Cherry-<br />

Picking durchaus. Gerade in kontroversen<br />

Feldern wie der Umweltpolitik<br />

– Stichwort Kohleausstieg<br />

– ist es wenig verwunderlich, dass<br />

es kracht, wenn ökonomische, soziale<br />

und ökologische Interessen aufeinandertreffen.<br />

Da suchen sich die<br />

jeweiligen Interessensvertretungen<br />

jene wissenschaftlichen Ergebnisse<br />

heraus, die ihre Belange am besten<br />

befördern.<br />

Ein Problem sehe ich auch darin,<br />

wie man sich den Transfer von<br />

wissenschaftlichen Ergebnissen<br />

vorstellt. Wenn man hier erwartet,<br />

dass die Wissenschaft lediglich einen<br />

Bericht vorlegt und Politik und<br />

gesellschaftliche Akteure damit machen<br />

können, was sie wollen, dann<br />

überrascht es nicht, wenn nur das<br />

aus den Ergebnissen herausgelesen<br />

wird, was den jeweiligen Interessen<br />

entspricht.<br />

Diesem – meiner Meinung nach<br />

naiven –Transferbild versucht man<br />

nun auch von wissenschaftlicher<br />

Seite aus zu begegnen.<br />

UNIversalis: Wie kann man denn<br />

etwas dagegen tun?<br />

Pregernig: Ein Trend, der dem<br />

entgegenwirkt, ist der der transdisziplinären<br />

und transformativen<br />

Forschung. Darunter versteht man<br />

einen Modus von Wissenschaft,<br />

der nicht nur verschiedene wissenschaftliche<br />

Disziplinen zusammenbringt,<br />

sondern auch gesellschaftliche<br />

Akteure in den Forschungsprozess<br />

miteinbezieht.<br />

Bereits in der Phase der Formulierung<br />

von Forschungsfragen werden<br />

zivilgesellschaftliche Akteure, also<br />

Foto: privat<br />

organisierte Bürger:innenschaften<br />

eingeladen, ihre Interessen zu formulieren.<br />

Auch im Forschungsprozess<br />

selbst werden die gesellschaftlichen<br />

Akteure inkludiert. Wenn<br />

man in diesen Formaten forscht,<br />

ist die Gefahr, dass am Ende ein<br />

Cherry-Picking stattfindet, deutlich<br />

geringer, weil die verschiedenen<br />

Akteure von Beginn an involviert<br />

waren. In Baden-Württemberg<br />

wurde diese Art von Forschung zuletzt<br />

unter anderem durch die sogenannten<br />

„Reallabore“ vom Wissenschaftsministerium<br />

recht prominent<br />

gefördert.<br />

UNIversalis: Was kann man denn<br />

unter einem solchen Reallabor verstehen?<br />

Pregernig: Ein Reallabor ist ein<br />

Forschungskontext, in dem zivilgesellschaftliche<br />

Akteure, aber auch<br />

Unternehmen, politische Akteure<br />

und solche der Verwaltung zusammen<br />

mit der Wissenschaft versu-<br />

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