277.TIROL - November 2022
277.TIROL, Ausgabe 8, November 2022
277.TIROL, Ausgabe 8, November 2022
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QUO VADIS, GEMEINDE?<br />
Die Zukunft der Tiroler Gemeinden<br />
INTERKOMMUNALE<br />
ZUSAMMENARBEIT<br />
IN VORARLBERG<br />
Interview mit Andrea Kaufmann,<br />
Präsidentin des Vorarlberger Gemeindeverbandes<br />
AUSGABE 8 | NOVEMBER <strong>2022</strong><br />
CHANCENGERECHTIGKEIT ALS<br />
CHANCE FÜR ALLE<br />
Kinderschutz und Gewaltprävention
Zusammenfinden<br />
Unternehmen benötigen geeignete Standorte und Gemeinden sind<br />
auf wirtschaftlich gesunde Betriebe angewiesen.<br />
EISENKIES Immobilien und Projektentwicklung GmbH hat als<br />
Gewerbe-Projektentwickler die Anforderungen des anzusiedelnden<br />
Unternehmens mit den Vorstellungen der jeweiligen Gemeinde in<br />
Einklang zu bringen und zusammenzuführen.<br />
STANDORTKONZEPT<br />
NUTZUNGSKONZEPT<br />
PROJEKTENTWICKLUNG<br />
IMMOBILIENVERWERTUNG<br />
Ein Unternehmen der EISENKIES GRUPPE<br />
eisenkies-immobilien.at
4 GemNova.inside<br />
GemNova.inside<br />
5<br />
Wir alle sind<br />
Gemeinde!<br />
Unter diesen Slogan haben wir vor zwei Jahren unser Unternehmen gestellt.<br />
Es soll eine Botschaft nach innen, aber auch nach außen sein. Es<br />
soll heißen, dass wir alle Teil einer Gemeinde und damit einer Gemeinschaft<br />
sind. Es soll heißen, dass wir alle unser Tun auf einen gesellschaftlichen<br />
Mehrwert ausrichten sollten. Wir sollten bei all unserem<br />
Handeln stets überlegen: Welchen Beitrag kann ich in meiner Gemeinde<br />
leisten, wie kann ich meine Mitmenschen unterstützen und den kommunalen<br />
Lebensraum mitgestalten?<br />
Weg von der Ich-Bezogenheit, hin zu<br />
einem Miteinander und Füreinander. Der<br />
große Hype um die Ich-AG und ähnliche<br />
Bewegungen hat uns zusehends in Sackgassen<br />
manövriert und war unserer Überzeugung<br />
nach eine falsche Entwicklung.<br />
Nur noch sich in den Mittelpunkt zu stellen,<br />
mag kurzfristig für die ein oder anderen<br />
erfolgreich sein, führt aber langfristig<br />
dazu, dass die Zahl der Verlierer*innen<br />
steigt und dass die Rücksichtnahme auf<br />
andere sinkt. Diese Sichtweise fördert<br />
Narzissmus und damit Selbsterhöhung:<br />
„Ich bin gut, alle anderen sind schlecht.“<br />
Diese Sichtweise fördert aber auch mangelnde<br />
Selbstreflexionsfähigkeit: „Wenn<br />
es mir nicht gut geht, sind alle anderen<br />
Schuld. An mir kann es nicht liegen.“<br />
Auch der politische und gesellschaftliche<br />
Diskurs ist zwischenzeitlich stark davon<br />
geprägt und verändert unsere Gesellschaft<br />
nachhaltig. Wir denken nicht, dass<br />
dies die Zukunft sein kann.<br />
Deshalb stellen wir das Miteinander<br />
in den Fokus unserer Arbeit und auch<br />
in den Mittelpunkt dieser Ausgabe von<br />
<strong>277.TIROL</strong>. Dabei versuchen wir den Themenkomplex<br />
aus vielen Blickrichtungen<br />
zu analysieren und darzustellen. Gerade<br />
im kommunalen Umfeld wird es immer<br />
wichtiger miteinander zu arbeiten. Sei es<br />
über die Gemeindegrenzen hinweg mit<br />
anderen Gemeinden. Sei es, indem man<br />
die Bürger*innen mehr in Entscheidungsprozesse<br />
involviert. Oder sei es natürlich<br />
auch, indem man die vorhandenen Strukturen<br />
einer „zweiten Ebene“, wie es die<br />
GemNova für die Gemeinden ist, intensiver<br />
nutzt.<br />
Wir freuen uns über mehr Zusammenarbeit<br />
und Gemeinschaftssinn und freuen<br />
uns auch über Ihre Meinung dazu!<br />
Alois Rathgeb<br />
Niki Kraak
INHALT<br />
GemNova.inside<br />
04 Wir alle sind Gemeinde!<br />
DOSSIER<br />
08 Quo vadis, Gemeinde?<br />
14 Gemeinsam die Zukunft<br />
verwalten<br />
16 Interkommunale Zusammen<br />
arbeit in Vorarlberg<br />
28 Langsam wird es kälter<br />
20 Gemeinsam erfolgreich<br />
bauen<br />
22 Planungsverband Innsbruck<br />
und Umgebung<br />
26 Bürger*innenbeteiligung<br />
tirol.digital<br />
28 Mit sauberen Daten bares<br />
Geld sparen<br />
30 Weniger verwalten mehr<br />
betreuen mit Sokrates KiB<br />
tirol.modern und innovativ<br />
32 Veränderung braucht Zielsetzung<br />
und Management<br />
34 Aufbauorganisation<br />
36 Multilokalität<br />
tirol.hat Recht<br />
38 Beschaffung von „sauberen“<br />
Straßenfahrzeugen<br />
40 Haftungsfalle Gemeinde<br />
tirol.politik<br />
42 Jetzt ist Zusammenarbeit<br />
gefragt<br />
44 Junge, frische Gesichter<br />
tirol.ist schön<br />
49 Gemeinschaft leben<br />
tirol.kulturell<br />
57 Reformen, Innovationen,<br />
Änderungen Ja...<br />
58 Tirol im Herbst <strong>2022</strong>: Ein<br />
kleiner Marktführer<br />
60 Annäherung an Ezra Pound<br />
62 Empfehlungen für den<br />
Bücherherbst<br />
tirol.denkt weiter<br />
67 Schon gehört?<br />
68 Die Tiroler Gemeinden bekommen<br />
Unterstützung im<br />
Bereich Kreislaufwirtschaft<br />
tirol.wissen<br />
70 Wasser hat viele Gesichter<br />
im Defereggental<br />
72 Ein Frosch erforscht das<br />
Wasser<br />
tirol.sportlich und gesund<br />
76 Der Nabel der Bergwelt<br />
tirol.bildet<br />
78 Vom EINzelnen Gedanken<br />
zu GEMeinsam Ferien<br />
80 Chancengerechtigkeit als<br />
Chance für Alle<br />
83 Mehr Raum für Entfaltung<br />
84 ... und zur Preisverleihung<br />
ging‘s nach Italien<br />
tirol.bunt und vielfältig<br />
86 Müssen wir wirklich so viel<br />
über mich reden?<br />
92 Hillary ist das große Vorbild<br />
GemNova.Menschen<br />
94 Der rote Faden<br />
96 Vereinbarkeit betrifft uns<br />
alle<br />
MOBILITÄT<br />
WOHNRAUM<br />
KINDERBETREUUNG<br />
TEUERUNG<br />
GESUNDHEIT<br />
BÜROKRATIE<br />
BÜROKRATIE<br />
FINANZIERUNG<br />
GESUNDHEIT<br />
ROHSTOFFE<br />
KRISEN<br />
PERSONALMANGEL<br />
PFLEGE<br />
PFLE<br />
KRIEG<br />
TEUERUNG<br />
PERSONALMANG<br />
TEUERUNG<br />
DOSSIER<br />
Herausforderungen GEMEINSAM meistern
8 DOSSIER<br />
DOSSIER<br />
9<br />
uo vadis?<br />
Quo vadis,<br />
Gemeinde?<br />
Die Tiroler Gemeinden stehen am Scheideweg. Die Welt hat sich gerade in den<br />
letzten Jahren merklich verändert. Dieser Wandel wird an Geschwindigkeit noch<br />
zunehmen. Für die Tiroler Gemeinden bedeutet das, Lösungen und Antworten zu<br />
finden – nicht nur für den Moment, sondern für die kommenden Jahre.<br />
Alois Rathgeb, Unternehmensverantwortlicher der GemNova, im Interview zu<br />
Kooperationen, Zusammenarbeit auf verschiedensten Gebieten, Personal, Finanzen<br />
und generell zum Thema Zukunft der Tiroler Gemeinden.<br />
Jan Schäfer: Alois, generell gefragt:<br />
Was ist für dich Zukunft?<br />
Alois Rathgeb: Nun, Zukunft ist etwas, was<br />
es noch nicht gibt. Sie ist eine Vorstellung<br />
in unserem Kopf, die wir aufgrund unseres<br />
Wissens und unserer Erfahrungen heute<br />
erzeugen. Zukunft beinhaltet Veränderung<br />
und ist ständig in Bewegung, weil<br />
sie sich nicht fixieren lässt. Daher bietet<br />
sie Chancen und Möglichkeiten, die es zu<br />
nutzen gilt.<br />
Was bedeutet das für unsere Gemeinden<br />
in Tirol?<br />
In den letzten Jahren haben wir viele<br />
Erfahrungen gesammelt – nicht zuletzt<br />
durch den Prozess der „Agenda 2030“.<br />
Dadurch sind wir in der Lage abzuschätzen,<br />
wohin die Reise der Gemeinden geht.<br />
Fakt ist, die Rahmenbedingungen verändern<br />
sich massiv und leider nicht zugunsten<br />
der Gemeinden. Allerdings besteht<br />
jetzt noch die Chance aktiv einzugreifen.<br />
Wird diese Chance vertan, ist die Gefahr<br />
groß, dass Gemeinden ihre Eigenständigkeit<br />
verlieren. Das heißt: Keine eigenen<br />
Entscheidungen mehr zu treffen, sondern<br />
diese durch „irgendwen anders“ treffen<br />
zu lassen. Das kann nicht im Interesse<br />
und im Verständnis der Gemeindeautonomie<br />
sein.<br />
Das sind finstere Aussichten. Aber ist<br />
das wirklich so dramatisch und keine<br />
Schwarzmalerei?<br />
Nein, leider nicht. Wir bekommen das<br />
durch viele Gespräche und durch unsere<br />
tägliche Arbeit in den Gemeinden bei<br />
diversen Projekten mit. Es spitzt sich<br />
immer mehr zu und der Druck wächst. Es<br />
ist nur eine Frage der Zeit, bis es irgendwo<br />
„knackt“.<br />
Was heißt das konkret? Kannst du<br />
Beispiele nennen?<br />
Die Herausforderungen, vor denen die<br />
Gemeinden stehen, lassen sich in vier<br />
Themenbereiche unterteilen. Ein sehr<br />
zentrales Thema wird die Personalfrage<br />
sein. Finden wir überhaupt noch Personal<br />
und wie können wir dieses an die<br />
Gemeinde binden? Hier wird es wichtig,<br />
dass sich Gemeinden mit ihren Organisationsstrukturen,<br />
mit Eigenorganisation<br />
und Themen des „New Work“ auseinandersetzen.<br />
Letztens wurde bei einem Vortrag<br />
von der „kreativen Bürokratie“ gesprochen.<br />
Das gefällt mir sehr gut, darüber<br />
sollte man nachdenken, was das heißen<br />
kann, damit beschäftigen wir uns viel. Es<br />
benötigt sicherlich neben Kreativität<br />
auch Mut, Dinge neu zu denken, bis zu<br />
einem gewissen Grad radikal neu zu denken.<br />
Auch die Ausbildung muss sich hier<br />
den künftigen Anforderungen anpassen,<br />
da Berufseinsteigerinnen und -einsteiger<br />
schon heute nicht mehr bis zur Pension<br />
im Amt bleiben. Damit einhergehend stellen<br />
sich einige Fragen: Wie kann Wissen<br />
dokumentiert werden? Wie kann es weitergegeben<br />
werden und wie verhindern<br />
wir den sogenannten „Brain Drain“? Wir<br />
alle sind mobiler geworden, wechseln häufiger,<br />
haben vielschichtige Interessen, die<br />
sich ebenfalls verändern. Dem muss auch<br />
die Verwaltung künftig Rechnung tragen.<br />
Die kreative<br />
Bürokratie<br />
Kommunale Zukunft<br />
denken<br />
Es gibt viele Menschen in Politik<br />
und Verwaltung, die sich<br />
der Herausforderungen der<br />
Gemeinden bewusst sind. Wir<br />
laden Sie ein mit uns gemeinsam<br />
an dieser Zukunft zu<br />
arbeiten. Im Zuge des KI-Lab<br />
– Kommunales Innovationslabor<br />
– werden wir uns diesen<br />
Herausforderungen widmen<br />
und stellen. Wenn Sie Interesse<br />
haben, Teil davon zu werden,<br />
melden Sie sich bei mir<br />
unter a.rathgeb@gemnova.at
OOPERATION<br />
Der nächste Punkt ist der stetig zunehmende<br />
Berg an Aufgaben, die Gemeinden zu<br />
erfüllen haben. Als Beispiele seien die Kinderbetreuung,<br />
Gesundheitsthemen, sozialer<br />
Friede sowie die Freizeitwohnsitz- und die<br />
Leerstandsabgabe genannt. Und, wie es<br />
unser Kollege Georg Keuschnigg nennt, das<br />
Ad-hoc-Management von Krisen wie Corona.<br />
Das waren vor 25 Jahren noch keine<br />
Themen. Sieht man das positiv, so werden<br />
die Gemeinden in Zukunft besonders hier<br />
eine Schlüsselrolle spielen. Diese Zunahme<br />
an Aufgaben führt aber automatisch zu<br />
mehr Ressourcennotwendigkeit und das<br />
spießt sich mit vielen Themen, sei es eben<br />
mit dem Thema Personal aber natürlich<br />
auch dem Finanzthema.<br />
Damit wären wir schon beim nächsten Thema:<br />
die Gemeindefinanzen. Unser Präsident,<br />
Ernst Schöpf, formuliert es sehr treffend:<br />
„Der Bund wälzt immer mehr Aufgaben an<br />
die Gemeinden ab. Er vergisst nur vielfach<br />
das notwendige Geld dafür mitzuschicken.“<br />
Besser kann man es nicht auf den Punkt<br />
bringen. Die Aufgaben steigen, die Finanzen<br />
halten nicht Schritt. Wir haben in den<br />
nächsten Jahren riesige Investitionen in der<br />
Sanierung von Wasser- und Abwasserleitungen<br />
zu erwarten und die künftigen Herausforderungen,<br />
z. B. in der Kinderbetreuung,<br />
verlangen von den Gemeinden hohe Investitionen<br />
in die Sanierung, die Errichtung und<br />
Erhaltung von Infrastruktur.<br />
In diesem gesamten Zusammenhang ist<br />
der vierte Aspekt „Recht“ zu erwähnen.<br />
Nicht nur weil es immer mehr Gesetze<br />
und Verordnungen gibt (siehe z. B. Freizeitwohnsitzabgabe<br />
und Leerstand), sondern<br />
die Bürgerinnen und Bürger sich bei rechtlichen<br />
Fragestellungen zunehmend besser<br />
zu helfen wissen. Sie informieren sich, was<br />
ihr Recht ist, und infolgedessen kommt es<br />
vermehrt zu Rechtsstreitigkeiten. Für die<br />
Gemeinden geht es dabei um Haftungsfragen,<br />
Rechtssicherheit und um Geld.<br />
Die Breite der betreffenden Rechtsmaterien<br />
ist dabei fachlich auf kommunaler<br />
Ebene nicht mehr bewältigbar und spießt<br />
sich selbstverständlich wiederum mit der<br />
Personal- und Finanzproblematik.<br />
Du hast die Aufgaben der Gemeinde<br />
angesprochen. Ist die Aufgabenteilung<br />
in den Gemeinden mit Blick auf<br />
die Zukunft zu überdenken?<br />
Ja. Wenn man sich die Arbeit der Bürgermeisterinnen<br />
und Bürgermeister sowie<br />
der Verwaltung anschaut, so erledigen<br />
Erstere immer mehr Verwaltungsarbeit.<br />
In der Verwaltung selbst bestimmt die<br />
Kleinteiligkeit den Alltag. Das belastet<br />
so, dass kaum noch Ressourcen für die<br />
eigentliche Arbeit – also strategische,<br />
zukunftsgerichtete Gemeindeentwicklung<br />
– übrig bleiben. Bildlich gesprochen:<br />
Ein Finanzverwalter ist beispielsweise<br />
nicht der Oberbuchhalter einer Gemeinde,<br />
stattdessen sollte er sich um die Finanzen<br />
kümmern, Budgets erstellen, Finanzierungsmodelle<br />
aufstellen und natürlich<br />
die Bürgermeisterin beraten, damit Raum<br />
zum Gestalten und nicht nur zum Verwalten<br />
bleibt. Aber in genau die umgekehrte<br />
Richtung laufen wir seit Jahren und das<br />
wird sich aufgrund von fehlendem Personal<br />
noch steigern. Auf der anderen Seite<br />
sind die Gemeinden ein immer wichtiger<br />
werdender Dreh- und Angelpunkt, um die<br />
gesellschaftlichen Herausforderungen<br />
zu meistern. Genau die Gemeinden sind<br />
es, die nach der Familie die wichtigste<br />
Ebene der Gesellschaft darstellen. Das ist<br />
auch mit ein Grund, wieso ich kein großer<br />
Verfechter von Fusionen bin. Genau die<br />
„Kleingliedrigkeit“ der Gemeinde spannt<br />
das Netzwerk für viele künftige Themen.<br />
Und damit bin ich aus dieser Analyse heraus<br />
beim wichtigsten Punkt. Die Gemeinde<br />
muss sich künftig wieder mehr als<br />
politische Gemeinde und nicht als Verwaltungsgemeinde<br />
verstehen. Wenn ich<br />
politisch meine, dann meine ich nicht nur<br />
die Bürgermeisterin oder den Bürgermeister<br />
oder den Gemeinderat, sondern auch<br />
die Verwaltung. Diese muss wieder mehr<br />
Zeit finden, sich wirklich um die Anliegen<br />
der Bürgerinnen und Bürger sowie<br />
die Weiterentwicklung der Gemeinde zu<br />
kümmern, anstatt Zettel zwischen Bauamt<br />
und Finanzverwaltung hin- und herzutragen,<br />
weil beide eine andere Software<br />
haben.<br />
„<br />
Der Sturm wird<br />
immer stärker.<br />
10 DOSSIER<br />
DOSSIER<br />
Macht<br />
nichts,<br />
ich auch.<br />
Pippi Langstrumpf<br />
Also stehen Gemeinden am Scheideweg?<br />
Was wäre zu tun, damit Gemeinden<br />
aus dieser Spirale, die sich<br />
unweigerlich in Richtung Verlust<br />
der Autonomie zu drehen scheint,<br />
herauskommen?<br />
Zunächst muss ein Problembewusstsein<br />
für das, was kommt, entwickelt werden,<br />
denn das wird enorme Auswirkungen<br />
haben – eben dieser von dir angesprochene<br />
Verlust von Autonomie. Vielen Gemeinden<br />
ist noch nicht klar, dass sie sich auf<br />
bestem Weg dorthin befinden. Auf dieser<br />
Basis muss Gemeinde neu gedacht und<br />
entsprechend ausgerichtet werden. Wir<br />
müssen auch ein Out-of-the-box-Denken<br />
zulassen und – wie ich oben schon<br />
erwähnt habe – mutig sein und eine kreative<br />
Bürokratie werden. Daraus folgt<br />
das Handeln, das sich für mich in zwei<br />
wesentliche Punkte unterteilt.<br />
Erstens: Alles, was routinemäßig erfolgt<br />
und automatisierbar ist, sollte unbedingt<br />
digitalisiert werden. Das reduziert Arbeit,<br />
setzt Ressourcen frei und spart Geld. Ferner<br />
werden damit durchgehende Qualität<br />
und freie Spielräume geschaffen. Ich habe<br />
schon öfters von der echten und der sinnvollen<br />
Digitalisierung gesprochen, da sind<br />
wir teilweise noch weit davon entfernt. Mit<br />
den bestehenden Systemen ist das kaum<br />
bis gar nicht zu machen. Nehmen wir nur<br />
wieder die oben angeführte Leerstandsabgabe.<br />
Das wird ein sehr großer bürokratischer<br />
Aufwand werden, wenn das<br />
nicht sauber digital abgewickelt wird.<br />
Dazu benötigen wir moderne Softwarelösungen,<br />
die das umsetzen können. Klar,<br />
hier kommt wiederum unser Kommunalverwaltungsprodukt<br />
„GeOrg“ ins Spiel.<br />
Damit geht das durchgängig, ohne händisch<br />
eingreifen zu müssen und somit<br />
echt und sinnvoll.<br />
Zweitens: Kooperieren in der Region, aber<br />
auch Kooperation durch Auslagern. Die<br />
Tiroler Gemeinden sind ja in der glücklichen<br />
Lage mit der GemNova als ihr eigenes<br />
Unternehmen genau diese Möglichkeit<br />
zu haben.<br />
11
12 DOSSIER<br />
Die GemNova<br />
ist das größte<br />
Kooperationsprojekt,<br />
das es<br />
in Tirol gibt,<br />
und wir haben<br />
in vielen Bereichen<br />
genau diese<br />
Expertise,<br />
um Auslagerung<br />
und Kooperation<br />
möglich zu<br />
machen.<br />
Die GemNova ist das größte Kooperationsprojekt,<br />
das es in Tirol gibt, und wir haben<br />
in vielen Bereichen genau diese Expertise,<br />
um Auslagerung und Kooperation möglich<br />
zu machen. Unser Konzept des Gemeinde-<br />
Service-Centers in den Regionen baut auf<br />
dieser zweiten Ebene der Verwaltung auf.<br />
Dort sollten Themen abgearbeitet werden,<br />
welche die Gemeinden vor Ort nicht<br />
mehr schaffen bzw. welche man auch aus<br />
organisatorischer, rechtlicher und finanzieller<br />
Sicht besser zentraler steuert. Damit<br />
gewinnen Gemeinden wieder Raum für<br />
echte politische Gemeindearbeit. Eines<br />
ist klar. Die Herausforderungen können<br />
wir nur gemeinsam lösen, die Zeiten der<br />
Einzelkämpferinnen und -kämpfer sind<br />
vorbei. Das ist für das Überleben absolut<br />
notwendig und wichtig. Miteinander denken,<br />
miteinander Lösungen erarbeiten und<br />
umsetzen. Ohne Angst vor Machtverlust<br />
oder ähnlichem.<br />
DAS BEDEUTET DEMNACH, GEMEINDEN<br />
MÜSSEN STRATEGISCH DENKEN – UND DAS<br />
IN EINEM GRÖSSEREN, ÜBERGEORDNETEN<br />
KONTEXT. BEISPIELE DAFÜR WÄREN DIE<br />
KINDERBETREUUNG, PFLEGE ODER INFRA-<br />
STRUKTUR, ABER AUCH DIE BUCHHALTUNG,<br />
LOHNVERRECHNUNG UND VIELES MEHR.<br />
Ja, aber dafür muss eben das Bewusstsein<br />
da sein. Die Strategie „a bissl von<br />
eppas“ ist zu wenig. Das funktioniert nicht<br />
mehr. Es nützt nichts, Dinge zu beschönigen<br />
oder wegzuschauen, denn die angesprochenen<br />
Themen werden immer ernster.<br />
Sie werden den Gemeinden die Luft<br />
nehmen, wenn diese jetzt nicht reagieren.<br />
Aber wir brauchen<br />
die Gemeinden als<br />
funktionierende<br />
Ökosysteme, um die<br />
vielen Themen der<br />
Gegenwart und<br />
Zukunft gemeinsam<br />
zu lösen.<br />
UKUNFT<br />
Aber wir brauchen die Gemeinden als<br />
funktionierende Ökosysteme, um die vielen<br />
Themen der Gegenwart und Zukunft<br />
gemeinsam zu lösen. Wir brauchen die<br />
Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,<br />
die Gemeinderätinnen und -räte und die<br />
Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter.<br />
Die entscheidende Frage ist nur:<br />
Haben diese Menschen noch die Zeit, die<br />
Ressourcen, sich um die zentralen Fragen<br />
der Zukunft zu kümmern?<br />
Danke für das Gespräch und den Blick<br />
in die Zukunft. Die Gemeinden haben<br />
diese SOMIT selbst in der Hand!<br />
Gemeinde-<br />
Service-<br />
Center<br />
Das Gemeinde-Service-Center<br />
ist eine „zweite Verwaltungsebene“.<br />
Gemeinden lagern<br />
dorthin Tätigkeiten aus, die<br />
sie selbst aus unterschiedlichen<br />
Gründen nicht erbringen<br />
können. Sei es auf Grund fehlender<br />
Ressourcen oder auch<br />
zum Beispiel aus fachlicher<br />
Sicht. Die Politik und die Verwaltung<br />
können sich damit auf<br />
ihre Kernaufgaben konzentrieren<br />
und sichern die Eigenständigkeit<br />
für die Zukunft ab.<br />
DAS GESPRÄCH FÜHRTE<br />
JAN SCHÄFER<br />
Jan Schäfer ist Experte für Marketing<br />
und Kommunikation. Er unterstützt seit<br />
2020 die GemNova als Gemeindebetreuer<br />
in Osttirol und war zuletzt<br />
maßgeblich an der Entstehung des<br />
Gemeinde ABC’s beteiligt.<br />
Kontakt: j.schaefer@gemnova.at<br />
Wir<br />
vertrauen<br />
einander.<br />
Wir<br />
bleiben wir<br />
selbst.<br />
WIR ALLE SIND GEMEINDE.<br />
Wir sind davon überzeugt, dass Menschen selbstbestimmt handeln können. Wir erwarten von allen<br />
Kolleg*innen, dass sie Verantwortung übernehmen und ihr Tun darauf ausrichten, einen gesellschaftlichen<br />
Beitrag zu leisten. Wir sind alle gleich, wir unterscheiden nicht nach Funktion und<br />
Verantwortlichkeit und begegnen allen mit Wertschätzung. Wir lieben und leben Vielfalt in all ihren<br />
Farben und bleiben bei unserem Handeln authentisch. Jede Person, die diese Grundsätze mitträgt,<br />
kann innerhalb unseres Rahmens mitgestalten, sich einbringen, eigenverantwortlich und eigenorganisiert<br />
handeln und dabei individuelle Wege wählen.
14 DOSSIER<br />
DOSSIER<br />
15<br />
Gemeinsam<br />
die Zukunft<br />
Verwalten<br />
ZUM AUTOR<br />
MAG. MARTIN WEX<br />
Martin Wex ist seit 2019 bei der<br />
GemNova im Bereich Digitalisierung<br />
tätig. Darüber hinaus ist er Landtagsabgeordneter<br />
und Vizebürgermeister von<br />
Schwaz.<br />
Welchen Beitrag zur<br />
Zusammenarbeit kann<br />
die fortschreitende<br />
Digitalisierung in der<br />
Verwaltung leisten?<br />
Manche sehen in der Fähigkeit zur<br />
Zusammenarbeit den Erfolg der<br />
menschlichen Spezies. Ohne Teamwork<br />
wäre ein Mammut nicht gejagt und der<br />
Mond nie betreten worden. Bücher über<br />
Kooperation und Zusammenarbeit, als<br />
Lösungsansatz komplexer Probleme,<br />
und Teams, als flache, selbstverantwortliche<br />
Organisationseinheiten, in<br />
denen alles effizienter, schneller und<br />
innovativer erledigt wird, füllen die<br />
Regale der Managementliteratur. Die<br />
Erfahrung lehrt oft etwas anderes. Wer<br />
sich an Gruppenarbeiten an der Schule<br />
oder während des Studiums erinnert,<br />
weiß um die ungleiche Verteilung der<br />
Aufgaben. Eine Zusammenarbeit (in<br />
Teams) funktioniert daher nur dann,<br />
wenn alles Tun zielgerichtet ist und<br />
auf gemeinsamen Werten, Spielregeln<br />
und sehr viel Disziplin aufbaut. Zusammenarbeit<br />
ist schwierig und eben auch<br />
Arbeit – vor allem in so einem komplexen<br />
System wie der öffentlichen Verwaltung.<br />
Was kann also die Digitalisierung<br />
für die Zusammenarbeit in der<br />
Verwaltung tun?<br />
Historisch gewachsen ist die Verwaltung<br />
immer noch ein sehr statisches und vor<br />
allem hierarchisch gegliedertes System.<br />
Auf dem Weg vom „Vater Staat“ zum<br />
„Partner Staat“ nimmt die digitale<br />
Transformation der Verwaltung daher<br />
eine zentrale Rolle ein. Zurecht ist sie<br />
auch ein zentraler Baustein des „digitalen<br />
Aktionsplans Austria“. Erwartet man sich<br />
durch mehr digitale Services doch auch<br />
mehr Effizienz in den Verfahren, höhere<br />
Nutzungsfreundlichkeit und geringere<br />
Kosten.<br />
Single Sign-On & Once-Only-Prinzip<br />
Mehr noch als in der realen Welt gilt es<br />
bei der Digitalisierung die Spielregeln<br />
der Zusammenarbeit zu beachten. Überhastete<br />
und nicht durchdachte Projekte<br />
enden im Chaos. Einigkeit unter den<br />
Akteuren des eGovernments besteht<br />
jedenfalls bei den übergeordneten Zielen.<br />
Dienste der Verwaltung sollen vorzugsweise<br />
digital und damit 24/7 zur<br />
Verfügung stehen. Alle Angebote sollen<br />
dabei über eine zentrale Stelle zugänglich<br />
gemacht (Single Sign-On) und die Daten<br />
der Nutzer*innen nur einmal erfasst<br />
(Once-Only-Prinzip) werden. Schwieriger<br />
wird es auf den darunterliegenden Ebenen.<br />
Hunderte verschiedene Softwarelösungen,<br />
Zuständigkeiten und Schnittstellen<br />
sind zu standardisieren und in<br />
Einklang zu bringen. Auf Bundesebene<br />
wurden dazu in allen Ministerien eigene<br />
Chief Digital Officers (CDO) eingerichtet.<br />
Eine Funktion, die im „Masterplan<br />
Digitalisierung für Tirols Gemeinden“,<br />
insbesondere für die Zusammenarbeit<br />
unter den Gemeinden und mit dem Land,<br />
für Digitalisierungsfragen vorgeschlagen<br />
wird.<br />
ID Austria<br />
Den Kern (das zeigt der Masterplan ganz<br />
genau) einer effizienten digitalen Verwaltung<br />
bilden „saubere“, d. h. richtige, eindeutige<br />
und vollständige Daten, die in zentralen<br />
Datenbanken (Registern) verwaltet<br />
werden. Der interne Zugriff darauf ermöglicht<br />
es der Verwaltung über Abteilungen<br />
und Hierarchien hinweg, auf denselben<br />
Akt zuzugreifen und ihn zu bearbeiten.<br />
Stichwort: Digitaler Akt. Konsequent weitergedacht<br />
müssen die „Kund*innen“, also<br />
die Bürger*innen und Unternehmen, in<br />
diesen Prozess aktiv miteingebunden werden<br />
und ihnen muss der Online-Zugriff<br />
auf ihre eigenen Daten ermöglicht werden.<br />
Diesbezüglich erweitert das Land<br />
Tirol derzeit seine Plattform portal.tirol.<br />
gv.at unter dem Begriff „SEPL – Service<br />
Plattform Tirol“ konsequent in Richtung<br />
Bürgerportal. Dabei geht es nicht mehr<br />
nur um die Weitergabe von Informationen<br />
wie derzeit über die Land Tirol App, sondern<br />
um den Zugriff auf ganz persönliche<br />
Daten. Voraussetzung dafür wiederum ist<br />
die digitale Identität, die eine eindeutige<br />
und sichere Identifikation der Nutzer*innen<br />
sicherstellt. Die rasche und beinahe<br />
vollständige Verbreitung der ID Austria<br />
muss daher nicht nur im Sinne der Verwaltung,<br />
sondern jedes Einzelnen sein.<br />
Zusammenfassend kann die Digitalisierung<br />
dazu beitragen, Prozesse zu vereinfachen,<br />
zu automatisieren und zu<br />
beschleunigen. Sowohl auf technischer<br />
als auch auf Seiten der Mitarbeiter*innen<br />
und Nutzer*innen bedarf es dazu jedoch<br />
klarer Regeln und das Bewusstsein, dass<br />
die Digitalisierung mehr Chancen als Risiken<br />
bietet.<br />
m.wex@gemnova.at
16 DOSSIER<br />
DOSSIER<br />
17<br />
Interkommunale Zusammenarbeit in Vorarlberg:<br />
„2023 planen wir<br />
einen Masterplan für<br />
Gemeindekooperationen“<br />
Interkommunale<br />
Zusammenarbeit<br />
in Vorarlberg<br />
In der Daseinsvorsorge arbeiten<br />
die Vorarlberger Gemeinden<br />
ähnlich wie die Tiroler in<br />
einer großen Zahl von Gemeindeverbänden<br />
zusammen. Im<br />
Bereich der Gemeindeverwaltung<br />
hat sich in den vergangenen<br />
Jahren viel getan: Die Personalverwaltung<br />
wird von neun<br />
Gemeinden im Dienstleistungsweg<br />
für 79 Gemeinden<br />
(82 %) durchgeführt, acht Baurechtsverwaltungen<br />
betreuen<br />
59 Gemeinden (61 %), sieben<br />
Finanzverwaltungen betreuen<br />
49 Gemeinden (51 %).<br />
Ein Interview mit Bürgermeisterin Andrea<br />
Kaufmann, Präsidentin des Vorarlberger<br />
Gemeindeverbandes<br />
Georg Keuschnigg: Frau Präsidentin, die<br />
Vorarlberger Gemeinden sind bei der<br />
interkommunalen Zusammenarbeit, insbesondere<br />
im Verwaltungsbereich, weiter<br />
als andere Bundesländer. Was wird<br />
konkret umgesetzt?<br />
Dipl.-Vw. Andrea Kaufmann: Der Vorarlberger<br />
Gemeindeverband ist im Bereich der<br />
interkommunalen Zusammenarbeit schon<br />
seit längerer Zeit aktiv. Seit dem Jahr 2009<br />
ist eine Person mit 50 % für diesen Aufgabenbereich<br />
angestellt. Der Vorarlberger<br />
Gemeindeverband sieht sich dabei in der<br />
Rolle des Anstoßers, des Organisators, er<br />
koordiniert und fördert Kooperationsprojekte.<br />
Ziel ist es, dass die Kooperationen aus<br />
den Regionen herauswachsen. Als zentrale<br />
Zielsetzungen der einzelnen Projekte werden<br />
überwiegend die Rechts- und Vertretungssicherheit<br />
sowie die Steigerung der<br />
Qualität definiert.<br />
Welche Rechtsformen kommen zum Einsatz?<br />
Im Bereich der Kooperationen bieten sich<br />
alle Rechtsformen an. Dies kann von der<br />
Vereinsstruktur über die GmbH bis hin<br />
zum Gemeindeverband reichen. In der Vergangenheit<br />
wurde das Hauptaugenmerk<br />
sehr stark auf Verwaltungsgemeinschaften<br />
gelegt.<br />
Was sind die Stärken und Schwächen<br />
dieser Organisationsmodelle?<br />
Jede Rechtsform hat ihre Stärken und<br />
Schwächen. Ein zentrales Thema ist<br />
aktuell die vorherrschende Rechtsunsicherheit<br />
in Bezug auf die Umsatzsteuerpflicht.<br />
Ein weiteres Thema<br />
zeichnet sich in der Verbindlichkeit<br />
ab. Hier hat sich als die geeignetste<br />
Rechtsform der Gemeindeverband<br />
herauskristallisiert.<br />
Worauf kommt es bei diesen Veränderungsprozessen<br />
Ihrer Meinung<br />
nach an?<br />
In Vorarlberg haben wir sehr gute<br />
Erfahrungen gemacht, die Prozesse<br />
in zwei Phasen aufzuteilen. Phase<br />
I zeichnet sich durch die Ideenfindung<br />
und die Einbindung aller<br />
Anspruchsgruppen aus. Hier wird<br />
der Entwicklungsprozess erarbeitet.<br />
Anschließend werden die Ideen und<br />
Überlegungen als Umsetzungsprojekt<br />
mit konkreten Angaben zu den Kosten<br />
etc. den Gremien zur Beschlussfassung<br />
vorgelegt. Aus dem Entwicklungsprojekt<br />
heraus entsteht in der<br />
Phase II das Umsetzungsprojekt.<br />
© Stadt Dornbirn<br />
Vorarlberger<br />
Gemeinden in<br />
Zahlen<br />
bis<br />
1.000<br />
Einwohner*innen<br />
Ist die Entwicklung dem Grunde nach<br />
abgeschlossen oder gibt es bereits<br />
nächste Projekte?<br />
Der Vorarlberger Gemeindeverband hat<br />
einen Strategieprozess abgeschlossen<br />
und für sich sechs strategische Stoßrichtungen<br />
festgelegt. Eine der Stoßrichtungen<br />
bildet die interkommunale<br />
Zusammenarbeit. Für das Jahr 2023 ist<br />
ein Prozess geplant, der die Entwicklung<br />
eines Zukunftsbildes der Gemeindeverwaltungen<br />
inklusive eines Masterplans<br />
für Kooperationen für das ganze Land vorsieht.<br />
Die Gemeindeautonomie soll erhalten<br />
bleiben und Kleinstgemeinden sollen<br />
auch zukünftig überlebensfähig sein. Dies<br />
wird insbesondere durch Kooperationen<br />
gewährleistet. Gleichzeitig soll zukünftig<br />
verstärkt darauf geachtet werden, bestehende<br />
Kooperationen zu optimieren und<br />
nach Möglichkeit zu standardisieren.<br />
Durch verstärkte und effiziente Kooperationen<br />
sollen zudem auch Freiräume<br />
für die Bürgermeister*innen geschaffen<br />
werden.<br />
DAS GESPRÄCH FÜHRTE<br />
GEORG KEUSCHNIGG<br />
1.000<br />
bis 2.000<br />
Einwohner*innen<br />
96 Gemeinden<br />
32 Gemeinden 18 Gemeinden 15 Gemeinden<br />
Dipl.-Vw.<br />
Andrea<br />
Kaufmann<br />
Präsidentin des Vorarlberger<br />
Gemeindeverbandes und Bürgermeisterin<br />
der Stadt Dornbirn<br />
1969 in Dornbirn geboren.<br />
Start der politischen Laufbahn<br />
1990. Ab 1995 Stadträtin in<br />
Dornbirn. 2009 bis 2013 Landesrätin<br />
in der Vorarlberger<br />
Landesregierung. Seit 2013<br />
Bürgermeisterin der Stadt<br />
Dornbirn. Seit 2020 Präsidentin<br />
des Vorarlberger Gemeindeverbandes<br />
und seit <strong>2022</strong><br />
Vizepräsidentin des Österreichischen<br />
Gemeindebundes.<br />
2.000<br />
bis 3.000<br />
Einwohner*innen<br />
Zwei Drittel der<br />
Gemeinden verfügen<br />
über weniger als 3.000<br />
Hauptwohnsitze.<br />
In 10 %<br />
der Gemeinden<br />
wohnen mehr als 50 %<br />
der Vorarlberger<br />
Bevölkerung.
18 DOSSIER<br />
DOSSIER<br />
19<br />
Langsam wird<br />
es kälter<br />
Immer mehr Menschen in Tirol sind auf Hilfe angewiesen. Corona, der Krieg in der<br />
Ukraine, die massiven Preissteigerungen. Die Zahl der Bedürftigen steigt massiv<br />
an, langsam wird es in unserer Gesellschaft kalt, noch kälter. Der gemeinnützige<br />
Verein „Netzwerk Tirol hilft“ bietet seit Jahren finanzielle Unterstützung. Geholfen<br />
wird ausschließlich jenen Menschen, die es bitter nötig haben. Die „Gießkanne“<br />
kommt hier nicht zum Einsatz.<br />
Seit 2010 ist Herbert Peer das Herz,<br />
die Seele, der Kopf von „Netzwerk<br />
Tirol hilft“. Er ist in Pension, arbeitet<br />
ehrenamtlich und mit großem<br />
Engagement. (© Netzwerk Tirol hilft)<br />
„„Noch will ich keine Hilfe in<br />
Anspruch nehmen, will nicht zur<br />
Bittstellerin werden. Auch, weil<br />
es mir um die Würde der Person<br />
geht. Aber der Winter steht erst<br />
vor der Tür. Vielleicht brauche<br />
dann auch ich Hilfe.“<br />
Barbara<br />
ZUM AUTOR<br />
MAG. REINHOLD OBLAK<br />
Aufgewachsen in Kärnten studierte<br />
er an den Universitäten Wien und<br />
Perugia, Italien. Er war viele Jahre Journalist,<br />
Konzernsprecher, Vorstand und<br />
Aufsichtsrat. Seit 2018 ist er bei der<br />
GemNova in der Unternehmenskommunikation<br />
tätig.<br />
Kontakt: r.oblak@gemnova.at<br />
Barbara ist Ende dreißig. Sie lebt in einer<br />
kleinen Gemeinde in der Nähe von Innsbruck,<br />
arbeitet halbtags, ist alleinerziehende Mutter<br />
einer Tochter. „In den vergangenen Monaten<br />
ist alles teurer geworden. Die Lebensmittel,<br />
Benzin, meine Miete wird wohl auch erhöht<br />
werden. Langsam weiß ich nicht mehr, wie<br />
ich all das bezahlen soll. Und der Winter<br />
steht ja erst vor der Tür.“<br />
Franz und Claudia sind schon über vierzig<br />
Jahre verheiratet, ihre drei Kinder aus<br />
dem Haus. Franz arbeitete sein ganzes<br />
Berufsleben in der Gastronomie – lange<br />
Arbeitszeiten, auch am Wochenende,<br />
mäßige Bezahlung. Claudia war Mutter,<br />
organisierte den Haushalt, hielt das Geld<br />
zusammen. Sie wohnen in einer kleinen<br />
Wohnung im Bezirk Kufstein, nett eingerichtet.<br />
Die Pension von Franz ist recht dürr,<br />
noch kommt man damit über die Runden.<br />
„Wir fürchten uns vor dem Winter, vor der<br />
Heizperiode. Und auch beim Hofer wird<br />
alles teurer – Obst, Gemüse, das Brot, die<br />
Milch. Schau einfach in die Gesichter der<br />
Leute bei der Kassa, dann weißt du, wie<br />
es aussieht. Wir haben ja keine hohen<br />
Ansprüche, aber wenn das so weitergeht,<br />
geht uns bald das Geld aus“, sagt Claudia.<br />
Und dann ist da noch Kateryna, wohl noch<br />
keine zwanzig, aus einer mittelgroßen Stadt<br />
in der Ukraine. Vor einem halben Jahr ist sie<br />
vor dem Krieg nach Österreich geflüchtet,<br />
fand in Tirol eine Unterkunft. Sie flüchtete<br />
alleine, ihr Vater kam bei einem russischen<br />
Raketenangriff ums Leben, ebenso ihre Mutter.<br />
Sie ist verzweifelt, weiß nicht weiter, ist<br />
gerade dabei, besser Deutsch zu lernen. Ein<br />
Schicksal von vielen.<br />
Die Verzweiflung steigt<br />
Bereits im Frühjahr 2010 wurde der<br />
gemeinnützige Verein „Netzwerk Tirol<br />
hilft“ gegründet. Mit dem erklärten Ziel,<br />
notleidende Menschen in Tirol zu unterstützen,<br />
ihnen rasch und unbürokratisch<br />
zu helfen. Herbert Peer ist von Anfang an<br />
dabei, als Koordinator, als Ansprechpartner,<br />
als Herz, Seele und Kopf des Vereins. „Die<br />
Idee ist einfach: Wir sammeln Spenden<br />
und geben diese dann an die Menschen<br />
hier in Tirol weiter. Im ersten Jahr gab<br />
es 240 Ansuchen, 2018 waren es schon<br />
1 800, im vergangenen Jahr bereits 2 500.<br />
Und heuer werden es noch mehr, noch viel<br />
mehr werden.“<br />
Herbert Peer kennt sich in diesem Umfeld<br />
sehr gut aus, war davor zwölf Jahre lang<br />
beim ORF Tirol für „Licht ins Dunkel“<br />
zuständig. Heute ist er in Pension, übernimmt<br />
diese Aufgabe ehrenamtlich. „Ich<br />
will einfach meinen Teil dazu beitragen,<br />
Not zu lindern, schnell zu helfen.“ Rund<br />
300.000 € werden pro Jahr an die Bedürftigen<br />
ausbezahlt, jeder einzelne Spenden-<br />
Cent kommt unmittelbar an. Personalkosten<br />
gibt es im Verein keine, Sauberkeit und<br />
Transparenz stehen dafür ganz oben.<br />
„Besonders die Teuerungen machen den<br />
Menschen hier in Tirol schwer zu schaffen.<br />
Auch der sogenannte Mittelstand<br />
ist immer stärker davon betroffen. Das<br />
merken wir auch bei den Ansuchen, die<br />
Verzweiflung steigt.“ Unterstützt werden<br />
ausschließlich Personen und Familien,<br />
die hier in Tirol leben, gemeldet sind, hier<br />
ihren Wohnsitz haben. In einer eigenen<br />
Aktion wurden auch Kriegsflüchtlinge aus<br />
der Ukraine unterstützt, Armut kennt eben<br />
keinen Reisepass.<br />
Zum Glück, so Peer, ist die Spendenbereitschaft<br />
in Tirol sehr hoch. Private wollen<br />
ebenso helfen wie viele Unternehmen, wie<br />
Vereine, Charity Clubs. Außerdem gibt es<br />
immer wieder Veranstaltungen, bei denen<br />
für „Netzwerk Tirol hilft“ gesammelt wird.<br />
All diese Spenden sind steuerlich absetzbar,<br />
doch dies ist nicht der entscheidende<br />
Grund, warum so viele so gerne helfen. Der<br />
Zusammenhalt einer Gesellschaft zeigt<br />
sich eben vor allem darin, wie mit den<br />
Schwächeren umgegangen wird.<br />
Die Würde des Einzelnen<br />
Barbara will derzeit noch keine Hilfe in<br />
Anspruch nehmen, auch weil sie nicht zur<br />
„Bittstellerin“ werden will. Aus dem gleichen<br />
Grund ist sie auch noch in keinem „Sozialmarkt“<br />
gewesen, wo sie Lebensmittel zu<br />
einem stark reduzierten Preis erhalten könnte.<br />
„Da geht’s bei mir sehr stark um Selbstbewusstsein,<br />
um die Würde der Person. Vielleicht<br />
auch, weil ich noch jene Bilder im Kopf<br />
habe, als ein ehemaliger Landeshauptmann<br />
in Gutsherrenmanier Gutscheine verteilt hat.<br />
Und sich dabei als der große Gönner fotografieren<br />
ließ. Da mache ich nicht mit, dazu<br />
lasse ich mich nicht missbrauchen.“<br />
Für Herbert Peer ist diese Argumentation<br />
verständlich, nachvollziehbar. „Unsere Spenderinnen<br />
und Spender können außerdem<br />
entscheiden, an wen konkret sie ihre Spende<br />
geben wollen. Nur an Alleinerzieherinnen,<br />
nur an Familien, nur an ukrainische Flüchtlinge,<br />
nur an Bedürftige in einem bestimmten<br />
Bezirk. Diese Zweckgebundenheit der Spende<br />
ist für einige recht wichtig.“<br />
Was Peer ebenso wichtig ist: den Zugang<br />
zu den Hilfen möglichst niederschwellig zu<br />
halten, den Stolz, die Würde des Einzelnen<br />
nicht zu verletzen. „Es gibt immer wieder<br />
Menschen, die sich einfach nicht trauen,<br />
sich an uns zu wenden. Darum meine Bitte<br />
an die Nachbarn, insbesondere auch an die<br />
Gemeinden: Meldet euch bei uns, wenn ihr<br />
seht, dass jemand Hilfe braucht. Wir leben in<br />
einem reichen Land, hier sollte niemand in<br />
Not leben müssen.“<br />
Franz und Claudia werden sich wohl bald<br />
melden. Die Pandemie, der Krieg, die Teuerungen<br />
– langsam wird ihnen alles zu viel.<br />
Kateryna hingegen hat noch ganz andere<br />
Probleme: Der Verlust ihrer Eltern, das fremde<br />
Land, die fremde Kultur, die fremde Sprache.<br />
Gleichzeitig ist sie glücklich, dem Krieg<br />
entronnen zu sein, hier in Tirol sein zu dürfen.<br />
Jedes einzelne Schicksal ist eben einzigartig.<br />
So wie auch jeder einzelne Mensch.<br />
Netzwerk Tirol hilft<br />
Das „Netzwerk Tirol hilft“ will rasch<br />
und unbürokratisch jenen Menschen<br />
helfen, die in Tirol leben. Wer<br />
Hilfe braucht, wer jemanden kennt,<br />
der Unterstützung benötigt, wendet<br />
sich am besten direkt an:<br />
netzwerk@tirol.gv.at<br />
+43 512 508 2014
20 DOSSIER<br />
DOSSIER<br />
21<br />
Gemeinsam<br />
erfolgreich Bauen<br />
In den vergangenen acht Jahren wurden,<br />
begleitet von der GemNova, rund 50<br />
Bauvorhaben abgeschlossen, gleichzeitig<br />
weit über 1 000 Vergabeverfahren<br />
bei Infrastrukturprojekten abgewickelt.<br />
Aktuell betreut das GemNova Infrastruktur-Team<br />
etwa 30 Bauvorhaben<br />
in unterschiedlichen Projektstadien.<br />
In einem neu gestalteten Bildband präsentieren<br />
wir ausgewählte Infrastrukturprojekte<br />
der letzten acht Jahre. All diese<br />
Projekte wurden von der GemNova umfassend<br />
begleitet, wobei von den Kommunen<br />
hauptsächlich folgende Dienstleistungen<br />
in Anspruch genommen wurden: Analysen,<br />
Studien, Kostenschätzungen, Finanzierungskonzepte,<br />
Vergabeverfahren, Planungsbegleitung,<br />
Förderungsabwicklung<br />
und Umsetzungsbegleitung.<br />
Die Agenden im Bereich des Hochbaus<br />
einer Gemeinde können als überaus vielfältig<br />
und in Hinblick auf die Einhaltung<br />
umfassender Vorgaben und Rahmenbedingungen<br />
auch als durchwegs komplex<br />
bezeichnet werden. Für nahezu alle<br />
Lebensabschnitte der Bevölkerung, von<br />
der Wiege bis zur Bahre, benötigt es Räume<br />
in einer Gemeinde. Angefangen bei<br />
Einrichtungen der Kinderbetreuung wie<br />
Kinderkrippen, Kindergärten und Schulen,<br />
Orte des gesellschaftlichen Lebens<br />
(Gemeinde- und Mehrzweckzentren) über<br />
Gebäude der öffentlichen Sicherheit, wie<br />
zum Beispiel Feuerwehrgerätehäuser,<br />
bis hin zu Einrichtungen der Pflege. Jedes<br />
Gebäude ist einzigartig und so ist auch<br />
eine individuell abgestimmte Herangehensweise<br />
bei sämtlichen Projekten erforderlich.<br />
Die immense Vielfalt und der unglaubliche<br />
gesellschaftliche Wert jedes einzelnen<br />
Projektes war Antrieb für die Gestaltung<br />
dieses Buches und der Grund dafür, all<br />
jene Tiroler Gemeinden vor den Vorhang<br />
zu holen, welche wir in den letzten Jahren<br />
begleiten durften.<br />
ZUM AUTOR<br />
DI ALEXANDER<br />
GOSTNER<br />
Alexander Gostner ist seit 2016 bei<br />
der GemNova und verantwortet den<br />
Bereich Infrastruktur & Recht.<br />
Kontakt: a.gostner@gemnova.at
22 DOSSIER<br />
DOSSIER<br />
23<br />
Kinderbetreuungsgeld:<br />
Vergleich und Benchmark<br />
Planungsverband Innsbruck und Umgebung<br />
Kräfte bündeln, Synergien nutzen<br />
In der Ausgabe 5 von <strong>277.TIROL</strong> hat<br />
Mag. (FH) Mag. Christian Drechsler<br />
(Planungsverbandskoordinator, Amt<br />
der Tiroler Landesregierung) über die<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen und<br />
Aufgaben der Planungsverbände im<br />
Allgemeinen berichtet. Als einer der<br />
Koordinatoren des Planungsverbandes<br />
Innsbruck und Umgebung (PIU) möchte<br />
ich nun einerseits einen vertiefenden<br />
Einblick in unsere Aufgaben und<br />
andererseits einen Überblick über die<br />
laufenden Projekte geben.<br />
VON NORBERT PFLEGER<br />
Der PIU ist der Planungsverband Nummer<br />
37 und setzt sich aus der Stadt Innsbruck<br />
und allen Gemeinden der Planungsverbände<br />
14 bis 19 zusammen. Er wurde 2007<br />
gebildet. Im Dezember 2020 übernahm<br />
Thomas Öfner, Bürgermeister von Zirl,<br />
die Obmannschaft. Die Stellvertretung<br />
mit Christian Härting, Bürgermeister von<br />
Telfs, blieb gleich. Der Sitz des Verbandes<br />
ist die Gemeinde Zirl.<br />
Die Koordination des Verbandes übernahm<br />
2019 die „ARGE GemNova & beratung<br />
krismer“. Die Gemeinden profitieren<br />
durch diese Kooperation von einem breiten<br />
Wissens- und Erfahrungsspektrum<br />
der handelnden Personen und dem starken<br />
Background der beiden Firmen.<br />
Die administrativen Aufgaben der<br />
Geschäftsstelle sind vielfältig – von laufenden<br />
Verwaltungsangelegenheiten über<br />
Organisationsaufgaben, das Sitzungsmanagement<br />
für die Verbandsorgane, die<br />
Öffentlichkeitsarbeit bis hin zur Haushaltsführung<br />
und dem Rechnungswesen.<br />
Noch wichtiger sehen wir die Aufgaben im<br />
Rahmen des Projektmanagements: Projektinitiierung,<br />
-vorbereitung, -entwicklung,<br />
-koordination, -umsetzung, und -controlling.<br />
Wir begleiten Projekte von der Idee<br />
bis zum Abschluss.<br />
Wir nehmen auch regelmäßig an Sitzungen<br />
der Planungsverbände 14 – 19 teil,<br />
unterstützen sie und versuchen ähnlich<br />
gelagerte Themen und Aufgaben auf der<br />
Ebene des PIU zusammenzuführen. Es<br />
ist wichtig, gemeindeübergreifende Themen<br />
zu erkennen, zum Thema zu machen<br />
und auf eine breitere Basis zu stellen.<br />
Nicht immer sind die Themen bzw. die<br />
daraus entstehenden Projekte für alle<br />
unsere unterschiedlichen Gemeinden<br />
relevant. Trotzdem besteht hier eine Kultur<br />
der gegenseitigen Wertschätzung und<br />
Unterstützung. Jegliche Projekte werden<br />
gemeinsam getragen.<br />
Die Gemeinde- bzw. die planungsverbandsübergreifende<br />
Koordination,<br />
Abstimmung und Zusammenarbeit ist<br />
das Wesen des PIU. Damit kann die Selbständigkeit<br />
und Authentizität der einzelnen<br />
Kommunen in einem gemeinsamen<br />
Großen bestehen und sie können sich dennoch<br />
weiterentwickeln. Ein wesentlicher<br />
Kostenvorteil stellt sich dadurch ein, dass<br />
nicht alle einzeln das Gleiche bzw. Ähnliches<br />
entwickeln und umsetzen.<br />
LEADER Innsbruck Land<br />
Im Frühjahr 2021 übernahm der<br />
PIU den Auftrag, die Vorbereitung<br />
und die Gründung des<br />
„Regionalmanagement Innsbruck<br />
Land“ im Rahmen des<br />
Europäischen LEADER-Programms<br />
zu begleiten. LEADER<br />
ist ein Förderprogramm der Europäischen<br />
Union, um ländlichen Raum zu<br />
stärken, die regionale Wirtschaft zu fördern<br />
und die Lebensqualität in den Regionen<br />
zu steigern. Die regionale Entwicklungsstrategie<br />
(LES) wurde von „regio3“<br />
und „beratung krismer“ in einem schlanken<br />
Beteiligungsprozess erarbeitet.<br />
Im Frühjahr <strong>2022</strong> fand dieses<br />
Projekt mit der Vereinsgründung,<br />
der Abgabe der<br />
Bewerbung und der Nominierung<br />
des Regionalmanagers<br />
seinen Abschluss.<br />
Die enge Zusammenarbeit<br />
zwischen PIU und<br />
Regionalmanagement ist<br />
durch diese intensive Einbindung im<br />
Entstehungsprozess sichergestellt.<br />
Hinter diesem Titel verbirgt sich eine<br />
umfassende Datenerfassung in allen 42<br />
Mitgliedsgemeinden. Einerseits sollen die<br />
Elterntarife und andererseits das Angebot<br />
und die Kosten der Elementarpädagogik<br />
in jeder einzelnen Gemeinde erfasst<br />
werden. Anfang Oktober wird dies abgeschlossen<br />
sein.<br />
Ziel ist es, Grundlagen für zukünftige Entscheidungen<br />
für die Bürgermeister*innen<br />
und für den Gemeinderat zur Verfügung<br />
zu stellen. Die Gemeinden sollen sich<br />
nicht nur wie bisher mit ihren Nachbarn<br />
abstimmen, sondern auch die Möglichkeit<br />
haben, sich mit Kommunen gleicher<br />
Größe und selbem Angebot vergleichen zu<br />
können. Weiters werden bereits bestehende<br />
kreative und innovative Ideen bei der<br />
Zusammenarbeit von Gemeinden aufgezeigt<br />
und können so als Ideenbringer für<br />
andere dienen.<br />
Auf Basis der Zahlen 2021 sehen die<br />
Gemeinden, was sie ein Kinderbetreuungsplatz<br />
abzüglich der gewährten Förderungen<br />
tatsächlich kostet. Durch die<br />
Novelle des Kinderbildungs und<br />
-betreuungsgesetzes des Landes<br />
werden die Förderungen nun<br />
entsprechend erhöht, um<br />
auch das Angebot in den<br />
Gemeinden zu erhöhen.<br />
Die Gemeinden können<br />
dabei selbst entscheiden, welche<br />
Schritte sie setzen wollen<br />
und können, um die zu erwartenden<br />
Kosten auf kommunaler<br />
Ebene besser zu kalkulieren.<br />
Anschließend daran<br />
können sie auf der erstellten<br />
Berechnungsbasis die<br />
Ergebnisse der für die<br />
Gemeinden angefallenen<br />
Kosten wieder überprüfen.
24 DOSSIER<br />
DOSSIER<br />
25<br />
Abfallwirtschaft<br />
MOBIL 2050<br />
P15<br />
P15<br />
P17<br />
P17<br />
P18<br />
P18<br />
Derzeit überlegen mehrere Gemeinden<br />
im Bezirk Innsbruck Land unter anderem<br />
ihre Recyclinghöfe zu modernisieren oder<br />
Wertstoffinseln zu installieren. Aus diesem<br />
Grund wurde entschieden, ein Vorprojekt<br />
zu starten, im Zuge dessen die<br />
Tarife, Öffnungszeiten und ähnliche Daten<br />
erhoben wurden, um darauf basierend<br />
den Bedarf eines (digitalen) Zutrittssystems<br />
abzuleiten.<br />
In diesem Zusammenhang stand auch<br />
immer das Thema „Bürgerkarte“ im<br />
Raum, das bei der Entwicklung einer<br />
Digitalisierungsstrategie immer mitgedacht<br />
werden muss. Neben der Erfassung<br />
oben erwähnter Daten wurde deshalb<br />
im Rahmen des Vorprojekts der<br />
Ist-Stand, bereits getroffene Entscheidungen,<br />
Umsetzungsvorstellungen<br />
und Wünsche innerhalb<br />
der nächsten fünf Jahre<br />
bezüglich einer Bürgerkarte<br />
abgefragt.<br />
Die Daten der 36 Recyclinghöfe liegen<br />
jetzt vor und zeigen ein sehr<br />
heterogenes Bild. Sie werden bei den kommenden<br />
Planungsverbandssitzungen präsentiert.<br />
Auf dieser Basis können nun die<br />
Gemeinden bzw. Planungsverbände ihre<br />
Planungen machen, sich untereinander<br />
abstimmen, Anpassungen und Umsetzungen<br />
durchführen.<br />
P14<br />
P14<br />
P16<br />
P16<br />
P19<br />
P19<br />
Schon bei den Gesprächen während der<br />
Erfassung wurden sehr interessante Themen<br />
diskutiert:<br />
• Braucht es so viele vollwertige Recyclinghöfe?<br />
• Macht ein gemeindeübergreifendes<br />
Konzept Sinn?<br />
• Wie können Fahrten auf Grund von<br />
Müllentsorgung vermieden werden?<br />
• Wie können Kosten für die Infrastruktur<br />
und laufende Kosten eingespart<br />
werden?<br />
Die Harmonisierung der Tarife könnte der<br />
erste und leichteste Schritt sein. So kann<br />
zukünftig Mülltourismus aufgrund eventueller<br />
Preisvorteile in anderen Gemeinden<br />
vermieden werden. Entsprechend unserem<br />
Step-by-Step-Vorgehen werden wir in<br />
den nächsten Monaten prüfen, inwieweit<br />
weitere Projektziele definiert werden, beispielsweise<br />
die vertiefte, kluge, logistische<br />
Planung, den Verkehr und die Kosten zu<br />
minimieren, samt der Frage, wie<br />
dies mit Hilfe der Digitalisierung<br />
umsetzbar ist.<br />
Singletrails<br />
Ausgangssituation ist die auch in den<br />
Medien immer wieder stark diskutierte<br />
illegale Nutzung der Wälder rund um<br />
Innsbruck durch Mountainbiker*innen,<br />
speziell im Downhill-Bereich. Dass diese<br />
Situation nur gemeindeübergreifend<br />
gelöst werden kann, ist allen Beteiligten<br />
klar. Es braucht einerseits zusätzliche<br />
Angebote für Mountainbiker*innen<br />
im Rahmen eines Gesamtkonzeptes<br />
– unter Einbindung der<br />
Grundeigentümer*innen und aller<br />
anderen Interessensgruppen und<br />
Konfliktparteien – und gleichzeitig<br />
Maßnahmen zur Lenkung und Steuerung<br />
sowie Maßnahmen betreffend der<br />
Rechtssicherheit der Waldbesitzer*innen.<br />
Aus diesem Grund hat der PIU, gemeinsam<br />
mit „Bergwelt Tirol – Miteinander<br />
Erleben“ vom Land Tirol, Abteilung<br />
Forstorganisation, im ersten Halbjahr<br />
<strong>2022</strong> eine Workshopreihe mit externer<br />
Moderation (Ingenieurbüro LechtAlps)<br />
durchgeführt, die zum Ziel hatte,<br />
eine Gesprächsbasis herzustellen<br />
und Lösungswege<br />
sowie notwendige Schritte zu<br />
identifizieren.<br />
Diese Ziele wurden erreicht<br />
und nun wird zielorientiert weitergearbeitet:<br />
Unter anderem wurde<br />
eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich aus<br />
Vertreter*innen aller Interessengruppen<br />
zusammensetzt. In den nächsten Monaten<br />
werden weitere Workshops sowohl<br />
in kleineren Gruppen als auch in der<br />
Gesamtarbeitsgruppe abgehalten, um<br />
gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Die<br />
Moderation obliegt direkt dem PIU. So<br />
viel kann schon mal verraten werden: Das<br />
Engagement der Mitwirkenden ist groß!<br />
Nächster Milestone ist es, die Weiterentwicklung<br />
weiter voranzutreiben, um einen<br />
Projektantrag im Leader-Programm zu<br />
erstellen.<br />
Mit dem Projekt MOBIL 2050, welches<br />
2021 gestartet wurde, unterstützt das<br />
Land Tirol und der PIU die Gemeinden<br />
gezielt bei der Vorbereitung und Planung<br />
von überörtlichen Radwegen. Das Land<br />
Tirol finanziert das Projekt, um<br />
seine bestehenden Konzepte mit<br />
den Gemeinden abgestimmt<br />
zur Umsetzung zu bringen. Der<br />
Schwerpunkt liegt auf dem Alltagsradverkehr.<br />
Die erstellte Broschüre<br />
mit den zahlreichen Fördermöglichkeiten<br />
und vielen Good-Practice-Beispielen<br />
wurde von der Abteilung Mobilitätsplanung<br />
des Landes Tirol an alle<br />
Gemeinden versandt. Sie kann beim<br />
PIU bezogen werden und steht auf der<br />
unten angeführten Verbandshomepage<br />
zum Download bereit. Mit einem vertieften<br />
Beratungsangebot und gezielten regionalen<br />
Radwege-Workshops wurden und<br />
werden Radverbindungen zwischen<br />
den Gemeinden erarbeitet.<br />
Das Projekt wird mit<br />
Ende <strong>2022</strong> abgeschlossen<br />
– der Endbericht wird<br />
Anfang kommenden Jahres<br />
auf www.piu.gv.at zu<br />
finden sein.<br />
ZUM AUTOR<br />
MAG. (FH)<br />
NORBERT PFLEGER<br />
Norbert Pfleger ist seit 2021<br />
Planungsverbandskoordinator bei der<br />
GemNova für den Planungsverband<br />
Innsbruck und Umgebung.<br />
Kontakt:<br />
n.pfleger@gemnova.at
26 DOSSIER<br />
DOSSIER<br />
27<br />
Was hat<br />
Bürger*innenbeteiligung<br />
mit Gesundheitsförderung<br />
zu tun?<br />
Das Einbeziehen von Bürger*innen kann auf verschiedenste Art und Weise und in<br />
unterschiedlichen Ausprägungen erfolgen. Dies reicht vom Einbringen von Wissen<br />
und Erfahrungen bis hin zur Planung und Umsetzung von konkreten Aktivitäten.<br />
Zwei der wichtigsten Voraussetzungen für das Gelingen einer Beteiligung sind<br />
allerdings der Wunsch der Bürger*innen an politischen Entscheidungen teilzuhaben<br />
sowie eine ergebnisoffene und positive Erwartungshaltung der kommunalpolitischen<br />
Entscheidungsträger*innen. Ist dies gegeben, ist eine neutral moderierte<br />
Bürger*innenbeteiligung meist ein Erfolgserlebnis für alle.<br />
Vorteile der Bürger*innenbeteiligung<br />
in der kommunalen<br />
Gesundheitsförderung<br />
Gerade die Gesundheitspolitik hat häufig<br />
weitreichende Folgen für die Bevölkerung<br />
und daher möchten auch immer mehr<br />
Menschen stärker in diesem Bereich einbezogen<br />
werden. Die WHO definiert mit<br />
der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung<br />
1986 die Selbstbestimmung der<br />
Bürger*innen als Kern der Gesundheitsförderung<br />
und auch Erkenntnisse aus der Gesundheitswissenschaft<br />
belegen die Effektivität<br />
der aktiven Bürger*innenbeteiligung<br />
für nachhaltige Veränderungen sowie die<br />
zentrale Rolle der Gemeinde als Lebenswelt<br />
auf die Gesundheit der Bürger*innen.<br />
Viele Menschen achten nicht ausreichend<br />
auf ihre Gesundheit, dies hat nicht nur Einfluss<br />
auf ihr eigenes Leben, sondern natürlich<br />
auch gesamtgesellschaftliche Auswirkungen,<br />
die das Gesundheitssystem und<br />
die Gemeinden belasten. Einige Gemeinden<br />
möchten daher mehr Verantwortung<br />
übernehmen, wenn es um die Gesundheit<br />
ihrer Bürger*innen geht. Die Menschen<br />
sollen besonders vor vermeidbaren Krankheiten<br />
bewahrt werden und sich so lange<br />
wie möglich gesund und fit halten. Es bedarf<br />
allerdings gezielter Maßnahmen zur<br />
Vorsorge und zur Förderung der individuellen<br />
und öffentlichen Gesundheit.<br />
Wie kann es eine Gemeinde nun über<br />
Bürger*innenbeteiligung bewerkstelligen,<br />
das Gesundheitsbewusstsein zu<br />
stärken, die Gesundheitskompetenz zu<br />
erhöhen und Maßnahmen zu setzen, die<br />
von den Bürger*innen auch angenommen<br />
werden?<br />
Dazu ein Blick in die Praxis. Seit 2021 haben<br />
Tiroler Gemeinden die Möglichkeit, unter<br />
Begleitung der ARGE Gesunde Gemeinde<br />
Tirol eine „Gesunde Gemeinde“ zu werden.<br />
Kernidee ist es, die Gesundheit der Menschen<br />
dort zu fördern, wo sie wohnen, arbeiten<br />
und leben. Nach dem Gemeinderatsbeschluss<br />
zur „Gesunden Gemeinde“ beginnt<br />
der Prozess der Bürger*innenbeteiligung<br />
mit dem Startworkshop direkt in der Gemeinde.<br />
Die Grundidee ist, dass dieser für<br />
alle Gemeindebürger*innen zugänglich ist.<br />
Dazu soll er als öffentliche Veranstaltung<br />
in der Gemeinde beworben werden. Um ein<br />
vielfältiges Bild zu bekommen ist es ratsam,<br />
Vertreter*innen verschiedener Berufs- und<br />
Altersgruppen gezielt einzuladen.<br />
In einer Gemeinde im Tiroler Unterland<br />
nahmen über 30 Bürger*innen die Einladung<br />
zum Workshop an. Es zeigte sich<br />
dabei ein repräsentatives Bild der Bevölkerung.<br />
Menschen aus verschiedensten<br />
Berufsgruppen waren dabei, darunter ein<br />
Physiotherapeut, eine Krankenpflegerin,<br />
eine Hausfrau, eine Zahngesundheitserzieherin,<br />
ein Baumeister, eine Bankangestellte,<br />
eine Psychologin und ein Pensionist.<br />
Sie alle setzten sich intensiv mit der<br />
kommunalen Gesundheitsförderung in<br />
ihrer Gemeinde auseinander, sie haben<br />
mitgeredet und wollen mitgestalten. Um<br />
Kontinuität in die Gesundheitsförderung<br />
zu bringen, wurde zudem ein interdisziplinärer<br />
ehrenamtlicher Arbeitskreis, zusammengesetzt<br />
aus Bürger*innen der<br />
Gemeinde, gegründet und vom Team<br />
„Gesunde Gemeinde“ dabei begleitet,<br />
gesundheitsfördernde Maßnahmen und<br />
Strukturen zu entwickeln.<br />
Wichtig ist, dass die individuellen Bedürfnisse<br />
der Gemeinde und der Bürger*innen<br />
im Mittelpunkt stehen und<br />
bestehende Strukturen miteinbezogen<br />
werden. Durch einen stärkeren Sinn für<br />
das gemeinsame Engagement im Gesundheitssystem<br />
soll mehr Solidarität<br />
und Zusammenhalt erzielt werden.<br />
• Die Möglichkeit an politischer Teilhabe fördert<br />
eine lebendige Demokratie und die demokratische<br />
Kompetenz der Bürger*innen.<br />
• Bedürfnisse und Probleme können durch die<br />
Nähe zu den Bürger*innen identifiziert werden.<br />
• Ressourcen in der Gemeinde werden sichtbar.<br />
• Beteiligungsprozesse sind gemeinsame Lernprozesse<br />
und stärken so die Bewusstseinsbildung<br />
für die individuelle und die öffentliche<br />
Gesundheit.<br />
• Transparente Entscheidungsprozesse und die<br />
Möglichkeit mitzureden, wirken sich positiv auf<br />
das Verständnis der Bürger*innen für den vielseitigen<br />
politischen Prozess sowie die Legitimität<br />
politischer Entscheidungen aus.<br />
• Das Gespräch zwischen unterschiedlichen<br />
Interes sengruppen oder unterschiedlich informierten<br />
Gruppen wird gefördert.<br />
• Die Beteiligung an der Entwicklung von gesundheitsfördernden<br />
Maßnahmen erhöht die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass diese den Bedürfnissen der<br />
Bürger*innen entsprechen und somit auch in<br />
Anspruch genommen werden.<br />
• Das Vertrauensverhältnis zwischen den<br />
Bürger*innen und der Gemeindepolitik wird<br />
gestärkt.<br />
Beim Startworkshop zur „Gesunden Gemeinde“ in Münster hat<br />
sich rasch gezeigt, welche Themen den Bürger*innen am Herzen<br />
liegen und welche gesundheitsfördernden Maßnahmen sie umsetzen<br />
wollen. (© GemNova)<br />
ZUR AUTORIN<br />
ANGELA SEMRAJC, MA<br />
Angela Semrajc ist in der GemNova<br />
für den Unternehmensbereich Gesundheit<br />
verantwortlich. Im Zuge dessen<br />
koordiniert sie die Projekte „Gesunde<br />
Gemeinde Tirol“ und „Modellregion<br />
Bewegtes Tirol“.<br />
Kontakt: a.semrajc@gemnova.at
28 tirol.digital<br />
tirol.digital 29<br />
Mit sauberen Daten<br />
bares Geld sparen<br />
VON MARGARETH FEICHTER<br />
Im Adress-Gebäude-Wohnungsregister (AGWR) erfassen alle Gemeinden auf Rechtsbasis des GWR-Gesetzes seit 2004<br />
ihre Bauvorhaben und pflegen gleichzeitig die dort erfassten Daten. Einige der Daten beziehen sich auf die Art der Nutzung<br />
wie Wohnungen oder sonstige Nutzungen (z. B. Arztpraxen, Handelsflächen etc.) und die damit verbundenen Nutzflächen.<br />
Seit 01.01.2013 (Novelle des GWR-Gesetzes, BGBl. I Nr. 125/2009) ist das Adress-Gebäude-Wohnungsregister (AGWR)<br />
das Register, aus welchem die Daten zur Einheitsbewertung und in weiterer Folge zur Berechnung der Grundsteuer herangezogen<br />
werden.<br />
Helmut Margreiter, Bürgermeister von<br />
Steinberg am Rofan mit Gemeindemitarbeiterin<br />
Barbara Moser<br />
Maria Lugger, Verwaltungsmitarbeiterin<br />
der Gemeinde<br />
Obertilliach<br />
Bei der „Leerstandsabgabe“, welche kürzlich durch die Tiroler Landesregierung beschlossen wurde, sind die (Wohn-)Nutzflächen<br />
maßgebliche Bemessungsgrundlagen für die Abgabenhöhen. Sind diese Daten nun nicht oder unrichtig erfasst, können der Gemeinde<br />
über Jahre hinweg hohe Einnahmen entgehen. Ein sauber geführtes AGWR ist damit unerlässlich. Durch die Datenanalyse der<br />
GemNova kann der aktuelle Datenstand Ihrer Gemeinde evaluiert und Ihre Mitarbeiter*innen in der Folge dahingehend geschult<br />
werden, dass künftig Daten richtig ins AGWR eingegeben bzw. nacherfasst werden. Mit der Datenanalyse und Datenbereinigung<br />
wird dem Grundsatz der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung getragen. Nicht zuletzt bringen korrekte<br />
Daten Rechtssicherheit für die zukünftig ergehenden Bescheide.<br />
Datenanalyseund<br />
bereinigung<br />
Die Datenanalyse und -bereinigung dient der<br />
Verbesserung von digitalen Prozessen und<br />
der opti-mierten Nutzung des AGWR. In einem<br />
ersten Schritt analysieren unsere Expertinnen<br />
und Experten die vorhan¬denen Daten,<br />
welche dann in Form eines Ergebnisberichts<br />
präsentiert werden. Im zweiten Schritt werden<br />
die Daten auf Basis der Datenanalyse<br />
bereinigt und das Verwaltungspersonal hinsichtlich<br />
laufender Datenhygiene geschult.<br />
Für Rückfragen melden Sie sich gerne<br />
bei unseren Kollegen:<br />
Steinberg am Rofan<br />
Einige Gemeinden in Tirol haben die Möglichkeit<br />
der Datenanalyse bereits genutzt,<br />
wie zum Beispiel die Gemeinde Steinberg<br />
am Rofan. Bürgermeister Helmut Margreiter<br />
ist begeistert: „Durch ein vollständig<br />
und korrekt befülltes AGWR erhalten wir<br />
nun Grundsteuerbescheide, die gesetzeskonform<br />
erstellt sind und Rechtssicherheit<br />
für die Grund- bzw. Hauseigentümer und<br />
-eigentümerinnen sowie für die Gemeinde<br />
bieten. Das AGWR kann nun vielfältig<br />
genutzt werden. Die aktualisierten AGWR-<br />
Daten dienen als Grundlage für die verschiedensten<br />
Informationen und auch<br />
für Gemeindevorschreibungen (Freizeitwohnsitzabgabe,<br />
Müllabgabe, etc.).“ Auch<br />
in Hinblick auf die Abwicklung der neuen<br />
Leerstandsabgabe zeigen sich der Bürgermeister<br />
und die Gemeindemitarbeiterin<br />
Barbara Moser zuversichtlich: „Das<br />
nun bereinigte AGWR liefert uns sichere<br />
Daten zu den einzelnen Gebäuden, ohne<br />
dass zusätzliche Erhebungsarbeiten notwendig<br />
sind. Mit dem bereinigten AGWR<br />
sparen wir uns in Zukunft viele Arbeitsstunden,<br />
weil wir auf Knopfdruck aus dem<br />
AGWR die gewünschten Daten und Informationen<br />
bekommen.“<br />
Obertilliach<br />
Eine Vielzahl an Systemen auf Bundes-,<br />
Landes- und Gemeindeebene verarbeiten<br />
große Mengen an Daten. Durch die Migrationen<br />
aus verschiedensten Datenquellen<br />
(Gebäude- und Wohnungszählung vom<br />
15.05.2001, Wohnbaustatistik, Zentrales<br />
Melderegister, Grundstücksdatenbank,<br />
etc.) befinden sich häufig noch Altdaten<br />
im AGWR, die es zu bereinigen gilt. Um<br />
genau das zu machen, hat sich auch die<br />
Gemeinde Obertilliach intensiv mit diesem<br />
Thema beschäftigt. Maria Lugger,<br />
Verwaltungsmitarbeiterin in der Gemeinde<br />
Obertilliach dazu: „Anhand von alten<br />
Bauakten wurde uns erst bewusst, wie<br />
viel Arbeit da auf uns zukommt und wie<br />
wichtig es ist, die Daten vollständig ins<br />
AGWR eingepflegt zu haben, wirkt sich<br />
doch ein gut gepflegtes AGWR auch positiv<br />
auf die Gemeindekasse aus.“<br />
Kartitsch<br />
Mit der zunehmenden Digitalisierung<br />
sind Daten ein immer wichtiger werdendes<br />
Gut. Oft fehlen in den Gemeinden<br />
allerdings die Ressourcen, um die Datenqualität<br />
nachhaltig aufrecht erhalten zu<br />
können. Um effizient, rechtssicher und<br />
erlösoptimiert arbeiten zu können, ist<br />
es jedoch notwendig, eine hohe Datenqualität<br />
sicherzustellen. Georg Klammer<br />
und Annemarie Niedermairer aus der<br />
Gemeinde Kartitsch sind sich dieser Problematik<br />
bewusst: „Das AGWR-Programm<br />
und die damit verbundene Eingabeflut an<br />
Daten ist umfangreich, kompliziert und<br />
zeitraubend. Da auf das AGWR zukünftig<br />
nicht nur das Finanzamt, sondern auch<br />
das neue LMR (Meldewesen) zugreift und<br />
eine Anmeldung von Personen nur mehr<br />
auf ein im AGWR angelegtes Gebäude<br />
möglich ist, muss eine zeitnahe Erfassung<br />
erfolgen. Darüber hinaus kommen ständig<br />
Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden<br />
hinzu, welche ebenso erfasst werden<br />
müssen. Nur durch die Unterstützung der<br />
GemNova konnten wir drei Gebäude neu<br />
erfassen und somit für saubere Daten<br />
sorgen.“<br />
Mag. Christian Lechner:<br />
c.lechner@gemnova.at, +43 699 14224570<br />
Dr. Klaus Kandler:<br />
k.kandler@gemnova.at, +43 6644137398<br />
Georg Klammer und Annemarie<br />
Niedermairer aus der Gemeinde<br />
Kartitsch
30 tirol.digital<br />
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG<br />
Weniger verwalten<br />
mehr betreuen<br />
mit SOKRATES KiB<br />
Erleichterung, Transparenz und höchste<br />
Datenqualität auf allen Ebenen für<br />
Träger und Einrichtungen – das soll<br />
eine smarte Verwaltungssoftware für<br />
Kinderbetreuungseinrichtungen bieten.<br />
Genau so eine smarte Lösung sehen<br />
wir uns heute an.<br />
ZUM AUTOR<br />
FLORIAN NEURAUTER<br />
Florian Neurauter ist seit 2021<br />
bei der GemNova und Experte für<br />
Digitalisierungsprojekte.<br />
Kontakt: f.neurauter@gemnova.at<br />
Effiziente Abläufe sind sowohl in der<br />
Gemeindeverwaltung als auch in angrenzenden<br />
Verwaltungsbereichen sehr wichtig.<br />
Auch eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie<br />
endet nicht an der Türe<br />
des Gemeindeamts, sondern umfasst<br />
auch kommunale Betriebe, wie zum Beispiel<br />
Einrichtungen der Kinderbetreuung.<br />
Egal ob Kinderkrippe, Kindergarten oder<br />
schulische Tagesbetreuung, in all diesen<br />
Einrichtungen ist es das Ziel, unsere Kinder<br />
bestmöglich zu betreuen. Dabei fallen<br />
auch administrative Aufgaben an, die<br />
gebündelt, gut strukturiert, digitalisiert<br />
und automatisiert, kurz gesagt, effizient<br />
erledigt werden sollten.<br />
Schluss mit der Zettelwirtschaft<br />
Um von handschriftlichen Formularen<br />
und Listen oder schwer zu bändigenden<br />
Excel-Tabellen loszukommen und den Verwaltungsaufwand<br />
zu minimieren, helfen<br />
digitale Lösungen wie „SOKRATES KiB“<br />
(Kinderbetreuung) dabei, rechtssicher und<br />
effizient zu arbeiten. SOKRATES KiB ist<br />
eine webbasierte und ortsunabhängige<br />
Anwendung, mit der die Pflege der Daten<br />
von Kindern, Eltern und Personal standardisiert<br />
wird. Durch eine flexible Organisation<br />
lassen sich Gruppen, Module und<br />
Zeiten individuell steuern.<br />
Mehr Zeit für das Wesentliche<br />
Die einheitliche Datenbasis ermöglicht<br />
eine übersichtliche und transparente<br />
Dokumentation, die zudem auch Rechtssicherheit<br />
mitbringt. Mit Tablets oder<br />
Smartphones können An- und Abwesenheiten<br />
von den Fachkräften direkt in<br />
den Betreuungsgruppen erledigt werden<br />
– ohne Medienbruch oder zusätzlicher<br />
Dateneingabe.<br />
Einfacheres Reporting<br />
Durch Schnittstellen reduziert sich ebenso<br />
der Aufwand für die Eröffnungsmeldungen<br />
an das KIBET des Landes Tirol<br />
sowie für die Leistungsabrechnung mit<br />
der Verwaltungssoftware der Gemeinde.<br />
Ein strukturiertes und unkompliziertes<br />
Reporting unterstützt die Leitung<br />
und auch die Träger, einen Überblick zu<br />
den jeweiligen Einrichtungen zu erhalten.<br />
Durch ein homogenes System können Kinder<br />
durchgängig vom ersten Betreuungstag<br />
bis zum Schulende verwaltet werden.<br />
Die Daten werden einfach jeweils an die<br />
nächste Betreuungseinrichtung weitergegeben.<br />
Die Lösung „SOKRATES KiB“ ist<br />
ein Produkt der bit media education<br />
solutions GmbH, die bereits<br />
in den Tiroler Volksschulen mit<br />
„SOKRATES Schulverwaltung“<br />
ihr Know-how und ihre Expertise<br />
unter Beweis stellen. Die<br />
GemNova unterstützt auch Ihre<br />
Gemeinde bei der Einführung<br />
von SOKRATES KiB, bereitet die<br />
Datenübernahme vor und führt die<br />
Schulungen der Mitarbeiter*innen<br />
durch.<br />
Jährliche Lizenzgebühr ab<br />
€ 360,00 (für eine Betreuungseinrichtung<br />
mit einer Gruppe)<br />
Energieversorgung mit Gas<br />
Die für Tirol relevanten Gasflüsse aus<br />
Deutschland stammen aktuell zu rund<br />
90 % aus nichtrussischen Quellen.<br />
Die TIGAS ist ein im Kerngeschäft<br />
Gas agierendes Energiedienstleistungsunternehmen,<br />
das zudem auf die<br />
Geschäftsfelder Fernwärme und Biogas<br />
setzt. TIGAS betreibt ein rund 3.900 km<br />
langes modernes, hocheffizientes Gasnetz<br />
in Tirol und versorgt damit ihre<br />
Kunden mit Erdgas und zunehmend mit<br />
aus biogenen Wertstoffen gewonnenem<br />
Biogas aus heimischer Produktion.<br />
Zudem betreibt TIGAS in Kooperation<br />
mit Partnern eine Fernwärmetransportschiene<br />
im Großraum Innsbruck und<br />
Fernwärmenetze in Volders, Mils, Neu-<br />
Rum, Innsbruck und Völs.<br />
Teil des europäischen Gasverbundsystems<br />
Das Tiroler Gasnetz ist über eine Leitung<br />
in Kiefersfelden in das europäische<br />
Gasverbundsystem eingegliedert,<br />
das von Nordafrika bis zur Nordsee und<br />
vom Atlantik bis nach Osteuropa reicht.<br />
TIGAS beschafft Erdgas im deutschen<br />
Marktgebiet THE und liefert es von dort<br />
zu ihren Kunden nach Tirol, Vorarlberg<br />
und Südtirol. Die Kunden im Osten<br />
Österreichs werden über das Marktgebiet<br />
Central European Gas Hub AG<br />
(CEGH) beliefert.<br />
Gasspeicher in Österreich<br />
Aufgrund bilateraler Abkommen kann<br />
Tirol über das deutsche Gasnetz neben<br />
den deutschen auch auf die österreichischen<br />
Gasspeicher zugreifen. Mit einer<br />
Gesamtspeicherkapazität von ca. 93<br />
TWh, das entspricht in etwa dem österreichischen<br />
Gesamtgasverbrauch eines<br />
Jahres, dienen die acht in Österreich<br />
befindlichen Gasspeicher als Rückgrat<br />
der heimischen Energieversorgung.<br />
Neben der Strategischen Gasreserve<br />
von ca. 20 TWh können die Gasspeicher<br />
des Bundes und die eigenen zusätzlichen<br />
Vorkehrungen einen erheblichen<br />
Teil des Gesamtbedarfs an Gas insbesondere<br />
für unsere „geschützten“ Kunden<br />
abdecken.<br />
Herkunft von Gas in Tirol<br />
Gas lässt sich vielseitig verwenden und<br />
deckt so einen wichtigen Teil der Energienachfrage<br />
ab. Mit einem Anteil von<br />
ca. 22 % am Gesamtenergieverbrauch<br />
leistet Gas einen bedeutenden Beitrag<br />
zur Energieversorgung Österreichs. Der<br />
Anteil der Haushalte am Gesamtgasverbrauch<br />
liegt in Österreich zwischen<br />
15 % und 18 %. Das in Tirol eingesetzte<br />
Erdgas stammt zu rund 70 % aus<br />
Europa, rund 10 % aus Russland und<br />
der Rest wird aus anderen Herkunftsländern<br />
(USA etc.) z.B. mit LNG-Schiffen<br />
transportiert.<br />
Nähere Infos unter der kostenfreien<br />
Serviceline 0800 / 828 829 oder<br />
auf www.tigas.at
32 tirol.modern und innovativ<br />
Veränderung braucht<br />
Zielsetzung und Management<br />
VON JAN SCHÄFER<br />
Hand aufs Herz: Wenn sich im privaten Leben etwas Einschneidendes oder Gravierendes verändert, überlegt man sehr gut,<br />
wie darauf am besten zu reagieren ist – sprich, wie man sich anpasst. Einfach soll diese Veränderung vonstatten gehen,<br />
schließlich will man sich nicht belasten. Ohne sich dessen bewusst zu sein, setzt man einen Changemanagement- oder<br />
Organisationsentwicklungsprozess in Gang.<br />
Der Großglockner, das<br />
Wahrzeichen von Kals<br />
(© Jan Schäfer)<br />
Ähnlich sieht es in der Wirtschaft oder<br />
im öffentlichen Leben aus. Nur sind hier<br />
die Bewusstseinsbildung und die Wege<br />
wesentlich behäbiger und die Entscheidungen<br />
für Veränderungen häufig komplexer.<br />
Anders als im privaten Bereich<br />
betreffen solche Prozesse in Institutionen<br />
oder Organisationen etliche Menschen,<br />
haben interne wie externe Auswirkungen<br />
und sind mit Zeit, Widerständen und<br />
Geld verbunden. Allein aus den letzten<br />
drei Gründen werden zwar erforderliche,<br />
aber tiefgreifende Veränderungen<br />
oft bis zu einem Zeitpunkt aufgeschoben,<br />
an dem vieles schon außer Kontrolle<br />
geraten ist. Um dem vorzubeugen<br />
und fit für die Zukunft zu sein, haben viele<br />
Unternehmen ein Changemanagement<br />
fest installiert. Changemanagement oder<br />
auch Veränderungsmanagement umfasst<br />
alle Projekte, Aktivitäten, Maßnahmen und<br />
Aufgaben, die eine weitreichende Veränderung<br />
in Organisationen bewirken sollen.<br />
Kals auf dem Weg zur modernen Bürger*innengemeinde<br />
Immer mehr Tiroler Gemeinden befassen<br />
sich mit der Thematik „Veränderung“ und<br />
entschließen sich, ein Changemanagement<br />
oder eine Organisationsentwicklung<br />
zu implementieren. Dabei ist dieses<br />
Thema nicht nur etwas für große Gemeinden,<br />
sondern ebenfalls für kleine,<br />
wie das Beispiel der rund 1.200 Ein-<br />
wohner*innen zählenden Gemeinde Kals<br />
am Großglockner in Osttirol zeigt. „Es gab<br />
eigentlich keinen fixen Zeitpunkt, an dem<br />
wir uns entschlossen haben, notwendige<br />
Veränderungen strukturiert anzugehen.<br />
Es war ein fließender Prozess, der vor gut<br />
20 Jahren durch eigene Beobachtungen<br />
begann und langsam seinen Lauf nahm“,<br />
erinnert sich Bürgermeisterin Erika Rogl,<br />
die in der Verwaltung der Gemeinde arbeitete,<br />
bevor sie Bürgermeisterin wurde.<br />
Der damalige Amtsleiter hatte sein<br />
System – und es hatte sich über 30 Jahre<br />
lang bewährt. Doch nicht zuletzt dank<br />
ihrer Ausbildung in der Handelsakademie<br />
bemerkte Erika Rogl: Der Zeitpunkt für die<br />
Anpassung von Abläufen ist gekommen.<br />
Die Arbeit in der Verwaltung hat sich verändert,<br />
die EDV hielt Einzug, zudem mussten<br />
die immer vielfältiger und komplexer<br />
werden Aufgaben immer schneller und<br />
effizienter erledigt werden.<br />
Auch bei Erika Rogl selbst änderte sich<br />
der Blick auf die Verwaltung und deren<br />
Herausforderungen. Vor ihrer Wahl zur<br />
Bürgermeisterin 2016 war sie Amtsleiterin,<br />
was sie auch nach der Wahl noch<br />
blieb. Durch diese Doppelfunktion wurde<br />
ihr noch bewusster, was die tägliche Arbeitsbelastung<br />
für ihre kleine Verwaltung<br />
bedeutet. „Besonders durch das altersbedingte<br />
Ausscheiden und den Wechsel<br />
Bürgermeisterin Erika Rogl: „So, wie das Leben sich<br />
verändert, unterliegt auch die Gemeinde dem Wandel.“<br />
(© Gemeinde Kals / Wir für Kals)<br />
des Personals im gesamten Verwaltungsbereich<br />
wurde klar, dass wir uns verändern.<br />
Damit kamen aber auch Fragen auf:<br />
Wie gelingt es, Wissen in der Gemeinde<br />
zu behalten? Wie wollen wir die künftigen<br />
Aufgaben lösen? Welche unterstützende<br />
Rolle spielt die IT dabei und wer deckt mit<br />
welchen Kompetenzen welche Aufgaben<br />
ab? Kurz gesagt: Wie kommen wir vom<br />
Verwalten zum Gestalten der Zukunft<br />
der Gemeinde?“, so die Kalser Bürgermeisterin.<br />
Um zu erfahren, wie Veränderungsprozesse<br />
aussehen können, schaute<br />
sich die Gemeinde Best-Practice-Beispiele<br />
an. Zunächst versuchten sie mit Hilfe von<br />
Checklisten diese Fragen selbst zu strukturieren.<br />
Doch schon bald kamen sie zu<br />
der Erkenntnis, dass externe Hilfe und der<br />
Blick von außen notwendig sind, um hier<br />
professionell zu agieren.<br />
Organisationsmanagement – der erste<br />
Schritt in Richtung Zukunft<br />
„Damit der Weg in Richtung Zukunft und<br />
Entwicklung der Gemeinde strukturiert<br />
mit entsprechenden Ergebnissen und<br />
Handlungsempfehlungen erfolgt, holten<br />
wir uns Unterstützung bei der GemNova.<br />
Sie begleitete uns durch den Prozess der<br />
Organisationsentwicklung. Das war zur<br />
Eruierung der verschiedenen Wissensstände<br />
und Kompetenzen wichtig, auch,<br />
um alle Mitarbeiter*innen auf diesem<br />
Weg mitzunehmen, ohne dass es weder<br />
zu rasch oder zu langsam voran ging.<br />
Wir wollten den kleinsten gemeinsamen<br />
Nenner finden, auf dem man aufbauen<br />
kann. Außerdem war dieser Schritt notwendig,<br />
da ich nicht mehr Amtsleiterin<br />
und Bürgermeisterin in Personalunion<br />
bleiben wollte. Die Verwaltung musste<br />
also neu ausgerichtet werden“, erklärt<br />
Erika Rogl. Im Gegensatz zum Changemanagement,<br />
das auf das aktive Management<br />
von Veränderungen abzielt, richtet<br />
sich die Organisationsentwicklung nach<br />
„innen“, also in Richtung Mitarbeiter*innen<br />
und Arbeitsstrukturen bzw. -prozesse.<br />
Ein Changemanagement kann auf diesen<br />
Strukturen aufbauen.<br />
„Früher hatte ich den Eindruck, wenn man<br />
sich einmal in der Gemeinde situiert hat,<br />
war’s das. Das stimmt aber nicht. So wie<br />
das Leben sich verändert, so unterliegt<br />
auch die Gemeinde dem Wandel. Veränderung<br />
ist eine Chance, die in der ersten<br />
Phase Aufwand bedeutet. Aber<br />
dann profitiert man vom Lernprozess,<br />
der heute von moderner<br />
Technik unterstützt wird. Schließlich<br />
gilt es, durch Veränderungen<br />
auch den Weg für die nachfolgenden<br />
Generationen in der Verwaltung<br />
zu ebnen und zu erleichtern.<br />
Das ist unter anderem meine Motivation<br />
– mich für die Gemeinde<br />
Kals und ihre Zukunft einzusetzen“,<br />
resümiert Bürgermeisterin<br />
Erika Rogl.<br />
Kals am Großglockner mit<br />
Blick vom Kals-Matreier-Törl Richtung<br />
Schober Gruppe (© Jan Schäfer)
Organisationsentwicklung ist ganzheitlich ausgerichtet und umfasst die Organisationsstruktur, die Unternehmenskultur<br />
sowie das individuelle Verhalten von Mitarbeiter*innen und Führungskräften. Gemeinden als Organisationen sind von Grund<br />
auf eher statisch aufgebaut, dennoch müssen sie sich aufgrund stetiger Veränderungen im Umfeld und wegen steigender<br />
Ansprüche der interessierten Parteien (z. B. Mitarbeiter*innen) anpassen und beispielsweise bestehende Hierarchien<br />
flacher gestalten oder Mitarbeiter*innen mehr Eigenverantwortung geben. Ohne das Wissen über die Grundlagen einer<br />
Aufbauorganisation wird die Gestaltung eines solchen Veränderungsprozesses allerdings schwer möglich sein. Ein kleiner<br />
Einblick wird im Folgenden gegeben.<br />
Von der Aufgabenanalyse zum Organigramm<br />
Die sogenannte Aufbauorganisation ist das hierarchische<br />
Grundgerüst einer Organisation, das im Organigramm abgebildet<br />
ist. Im Organigramm werden die Rahmenbedingungen<br />
für die Verteilung von Aufgaben und Befugnissen innerhalb der<br />
Organisation definiert. Wer übernimmt die Führung und Verantwortung?<br />
Welche Abteilungen gibt es? Wie sind die Aufgaben<br />
unter den Mitarbeiter*innen verteilt? Das sind die hier zu beantwortenden<br />
Fragen.<br />
Ein Organigramm erstellt man durch eine Aufgabenanalyse in<br />
Verbindung mit der anschließenden Aufgabensynthese. In der<br />
Aufgabenanalyse werden die einzelnen organisatorischen Einheiten<br />
voneinander abgegrenzt und in der Aufgabensynthese<br />
logisch angeordnet. Die so entstandene Aufbauorganisation<br />
kann in der Folge in einem Organigramm dargestellt werden.<br />
Ok, nochmal einen Schritt zurück! Was wird bei der<br />
Aufgabenanalyse gemacht?<br />
Im ersten Schritt müssen alle Aufgaben analysiert werden.<br />
Dabei werden die Hauptaufgaben zur Erfüllung des Unternehmenszieles<br />
identifiziert und anschließend in relevante Teilaufgaben<br />
zerlegt. Diese Aufgliederung kann anhand verschiedener<br />
Kriterien erfolgen, wie z. B. nach:<br />
• Objekt: Fertigprodukte, Halbfabrikate, Rohstoffe usw.<br />
• Funktion/Verrichtung: Vertrieb, Produktion, Einkauf usw.<br />
• Phase: Planung, Durchführung, Kontrolle usw.<br />
Im kommunalen Umfeld wird bei der Gliederung der Aufgaben<br />
zwischen dem eigenen und dem übertragenen Wirkungsbereich<br />
der Gemeinde unterschieden. Die Aufgaben des eigenen<br />
Wirkungsbereiches werden wiederum in die freiwilligen<br />
und die gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben unterteilt. Eine<br />
mögliche Abfolge der Analyseschritte könnte beispielsweise<br />
wie folgt aussehen:<br />
• Hauptaufgabe: Bürgerservice<br />
• Teilaufgabe: Friedhofswesen<br />
• Elementaraufgabe: Friedhofs- und Gräberverwaltung<br />
Nächster Schritt: Die Aufgabensynthese<br />
Bei der Aufgabensynthese müssen die in der Aufgabenanalyse<br />
zerlegten Haupt- und Teilaufgaben zueinander in<br />
Beziehung gebracht und logisch angeordnet werden. Hier<br />
geht es darum, die einzelnen Aufgaben zu Stellen, Einheiten<br />
oder Abteilungen zu gruppieren. Im Rahmen der Aufgabensynthese<br />
können die Aufgaben nach folgenden Systemen<br />
zusammengefasst werden:<br />
Funktionale Aufbauorganisation: Bei dieser Organisationsform<br />
kommt es zu einer verrichtungsorientierten Struktur,<br />
bei welcher die Einheiten und Abteilungen nach Tätigkeiten<br />
und Funktionen aufgeteilt sind.<br />
Divisionale Aufbauorganisation: Bei der divisionalen<br />
Struktur kommt zunächst das Objekt, welches auf der<br />
nächsten Ebene nach verschiedenen Funktionen wie Einkauf<br />
oder Produktion aufgeteilt wird. Diese Organisation<br />
nach Geschäftsbereichen oder Produkten wird auch als<br />
Spartenorganisation bezeichnet.<br />
Matrixorganisation: Bei der Matrixorganisation kommt<br />
es zu einer Überschneidung von funktionalen Bereichen<br />
und Produktbereichen des Unternehmens. Ein Fachbereich<br />
arbeitet hier beispielsweise für mehrere Sparten oder Produkte.<br />
Und welche Aufbauorganisation eignet sich nun für<br />
Gemeinden?<br />
Für Gemeinden ist die funktionale Organisation am besten<br />
geeignet, da die Aufgaben der Gemeinden klar definiert sind<br />
und das Umfeld von Gemeinden relativ stabil ist. Daher ist<br />
eine Gemeinde anhand der anfallenden Aufgaben gegliedert.<br />
Der Unternehmensleitung kommt in dieser Struktur die Aufgabe<br />
zu, diese unterschiedlichen Bereiche zu koordinieren.<br />
Das Hauptmerkmal der Funktionalorganisation ist die Gliederung<br />
des Organigramms nach Funktionen auf der zweiten,<br />
also der direkt der Unternehmensleitung unterstellten<br />
Ebene. Typische Abteilungen in einer Gemeinde sind die Finanzverwaltung,<br />
das Bauamt und das Bürgerservice. Je nach<br />
Größe der Gemeinde gibt es weitere Unterteilungen.<br />
Was sind die Vorteile einer funktionalen Organisation?<br />
• Einfachheit und Übersichtlichkeit<br />
• Hohe Transparenz<br />
• Eindeutigkeit der Befugnisse durch Abgrenzung der Aufgaben-<br />
und Verantwortungsbereiche<br />
• Eindeutige Dienstwege<br />
• Direkte Weisungs- und Informationswege<br />
• Hohe Fachkompetenz und Spezialisierung durch exakt definierte<br />
Arbeitsbereiche<br />
Was sind mögliche Nachteile?<br />
• Hoher Koordinationsaufwand (Überlastung der Führungskräfte)<br />
• Schwierigkeit, den Gesamtüberblick zu behalten<br />
• Mangelnder Informationsaustausch<br />
• Fehlendes Verständnis für andere Funktionsbereiche<br />
• Lange Informations- und Weisungswege, was lange Entscheidungsprozesse<br />
bedeutet<br />
„<br />
„Bis heute kämpfen Organisationen um den<br />
richtigen Fit zwischen Struktur, Strategie<br />
und Situation.“<br />
34 tirol.modern und innovativ<br />
tirol.modern und innovativ<br />
Aufbauorganisation<br />
Wer hat das Sagen?<br />
M. Grote, Professor für allgemeine BWL<br />
Mit der Zeit gehen und dem Wandel ins Gesicht blicken<br />
Aktuell steht die gesamte Gesellschaft vor Veränderungen,<br />
die es bestmöglich zu bewältigen gilt. Auch vor den Türen<br />
der Gemeinden werden die Zeit und der Wandel nicht halt<br />
machen. Immer mehr Aufgaben werden auf die kommunale<br />
Ebene verschoben, zudem verändern und erhöhen sich<br />
die Ansprüche der interessierten Parteien (Bürger*innen,<br />
Betriebe, Mitarbeiter*innen, Behörden, etc.). Dadurch steigt<br />
der Koordinationsaufwand und es wird für die Gemeindeführung<br />
immer schwieriger, den Überblick zu bewahren<br />
und richtig zu führen. Es kann zu Konflikten und Missverständnissen<br />
kommen, weil der Informationsfluss auch aufgrund<br />
der langen Informationswege nicht reibungslos läuft<br />
und die einzelnen Bereiche nicht genügend über die Handlungen<br />
der anderen Bescheid wissen.<br />
Diese Herausforderungen können durch eine gezielte Organisationsentwicklung<br />
bewältigt werden. Von einer guten<br />
Organisationsentwicklung profitieren stets alle Beteiligten,<br />
sowohl die Gemeinde als auch die Mitarbeiter*innen.<br />
Wir stehen Ihnen gerne zur Seite.<br />
ZUM AUTOR<br />
DR. KLAUS KANDLER,<br />
MBA (MCI)<br />
Klaus Kandler war 16 Jahre lang Amtsleiter<br />
in der Marktgemeinde Rum und<br />
ist Experte für Gemeinde- und Verwaltungsentwicklung.<br />
Seit Jänner <strong>2022</strong><br />
ist er in der GemNova verantwortlich<br />
für diesen Bereich.<br />
Kontakt: k.kandler@gemnova.at<br />
35
36 tirol.modern und innovativ<br />
tirol.modern und innovativ<br />
37<br />
Multilokalität im<br />
ländlichen Raum<br />
Herausforderung und Chance zugleich<br />
ZUR AUTORIN<br />
MAG. (FH)<br />
MARTINA RIZZO<br />
Martina Rizzo hat bereits etliche<br />
Tiroler Gemeinden als Prozessbegleiterin<br />
in unterschiedlichsten<br />
Prozessen unterstützt und ist<br />
Expertin für Bürger*innenbeteiligung.<br />
Multilokalität oder Mehrörtigkeit ist<br />
ein weltweit zunehmendes Phänomen.<br />
Es bezeichnet das Leben an mehreren<br />
Orten, wofür es ganz unterschiedliche<br />
Gründe geben kann: Familie, Beziehungen,<br />
Freundeskreis, Arbeit, Ausbildung,<br />
Freizeit oder jegliche Kombinationen<br />
davon. Ein sich abwechselndes Da-sein<br />
und Fort-sein eint alle Multilokalen.<br />
Das zunehmende Tempo in der Mobilität<br />
und der damit verbundene kulturelle Austausch<br />
führen zu immer mehr Veränderungen<br />
in unserer modernen Gesellschaft:<br />
„Das Zusammenspiel aus Modernisierungs-<br />
und Individualisierungsprozessen,<br />
der Restrukturierung der Erwerbsarbeit<br />
und des Wandels des Mobilitätsverhaltens<br />
bewirkt, dass individuelle Lebensmuster<br />
und partnerschaftliche/familiale<br />
Beziehungen zunehmend weniger an starre<br />
Haushaltsgrenzen gebunden sind“, so<br />
das Fazit des Forschungsberichts „Multilokale<br />
Lebensführungen und räumliche<br />
Entwicklungen“ der Akademie für Raumentwicklung<br />
in der Leibniz-Gemeinschaft.<br />
Für Gemeinden, den ländlichen Raum allgemein<br />
und die multilokal lebenden Personen<br />
selbst entstehen demnach ganz<br />
spezifische Herausforderungen – aber<br />
auch Chancen.<br />
Während in Tirol das multilokale Leben<br />
eher negativ behaftet ist (Zweitwohnsitze,<br />
Ferienwohnsitze usw.), steht man der<br />
mehrörtigen Lebensweise in den anderen<br />
Bundesländern teilweise positiver gegenüber.<br />
Sie wird oft als Bereicherung für die<br />
Dorfgemeinschaft und als Weiterentwicklungsmöglichkeit<br />
gesehen – insbesondere,<br />
weil viele Gemeinden an den Folgen<br />
des spürbaren, seit Jahren stattfindenden<br />
Wegzugs der jungen Gemeindebürger*innen<br />
leiden.<br />
Als Herausforderung betrachtet wird in<br />
Tirol die Multilokalität auch deswegen,<br />
weil bebaubare Fläche einfach knapp ist,<br />
was räumliche Entwicklungsmöglichkeiten<br />
einschränkt. Der Anteil der Bevölkerung,<br />
der multilokal lebt, ist hier momentan<br />
noch gering. Eine Debatte über moderne<br />
Lebensformen im Wandel der Gesellschaft,<br />
über Transformationen in der<br />
Arbeitswelt und die damit verbundenen<br />
raumplanerischen Überlegungen sollte<br />
dennoch geführt werden.<br />
Um die räumlichen Entwicklungsmöglichkeiten<br />
im Kontext Multilokalität und<br />
ländlicher Raum besser fassen zu können,<br />
arbeitet die GemNova zurzeit gemeinsam<br />
mit der TU Wien an einem Forschungsprojekt<br />
zu Fragen wie „Welche<br />
Herausforderungen und Potenziale rund<br />
um Multilokalität zeigen sich und welche<br />
Handlungsmöglichkeiten/-erfordernisse<br />
gibt es im ländlichen Raum?“ Damit die<br />
Unterschiede in Österreichs ländlichen<br />
Räumen abgebildet werden können, wurden<br />
vier Untersuchungsgebiete ausgewählt:<br />
das Innviertel, das Gesäuse, der<br />
Lungau und das Seefelder Plateau.<br />
Um die Erfahrungen mit der Thematik<br />
sowie die Sichtweise von Gestalter*innen<br />
des ländlichen Raumes in das Projekt zu<br />
integrieren, wurden im ersten Schritt des<br />
empirischen Teils Bürgermeister*innen,<br />
Regionalmanager*innen, Tourismusverbände<br />
usw. aus den betreffenden Gebieten<br />
befragt. Im zweiten Schritt finden<br />
aktuell Befragungen mit Fokusgruppen,<br />
bestehend aus multilokal lebenden Personen<br />
aus den jeweiligen Regionen, statt.<br />
Im Zentrum des Interesses stehen dabei<br />
das Alltagsleben als Multilokale*r in der<br />
Region, die Frage nach bestehenden<br />
Angeboten bzw. Lücken und der Bedarf<br />
an Unterstützung.<br />
Das Projekt läuft noch ca. ein Jahr.<br />
Ziel ist es, Handlungsmöglichkeiten<br />
bzw. -erfordernisse aufzuzeigen, Best-<br />
Practice-Beispiele zu sammeln, Lücken<br />
zu identifizieren und Informationen bzw.<br />
Kommunikationstools zum Thema zur<br />
Verfügung zu stellen.<br />
Ansprechpartner bei der GemNova ist<br />
DI Alois Ilmer (a.ilmer@gemnova.at).<br />
TlROLER<br />
Blaulichtpolizze<br />
Spezialkonzept für Feuerwehrfahrzeuge<br />
inkl. Aufbauten und Ausrüstungsgegenstände.<br />
Versicherte Sparten: Kfz-Haftpflichtversicherung,<br />
Vollkaskoversicherung, Kfz-Rechtsschutzversicherung<br />
Neuerungen:<br />
• Erhöhung der Versicherungssumme in der<br />
Haftpflichtversicherung auf EUR 20 Mio.<br />
• Erhöhung der Versicherungssumme in der<br />
Rechtsschutzversicherung auf EUR 200.000<br />
• Anhänger können im neuen Versicherungskonzept<br />
aufgenommen werden<br />
Unser Spezialisten-Team erreichen<br />
Sie unter 0512 5313-1701 oder per<br />
mail@tiroler.at.
38 tirol.hat Recht<br />
tirol.hat Recht<br />
39<br />
Beschaffung von<br />
„sauberen“ Straßenfahrzeugen<br />
ZUM AUTOR<br />
RA MAG.<br />
SEVERIN PLATTNER<br />
Severin Plattner ist Rechtsanwalt<br />
bei Heid & Partner Rechtsanwälte<br />
und Experte für Corporate,<br />
Immobilienprojekte und Baurecht.<br />
Im Jahr 2021 ist das Straßenfahrzeugbeschaffungsgesetz<br />
(SFBG) in Kraft<br />
getreten. Im Zuge dessen wird vom<br />
Bund mit dem Förderprogramm EBIN<br />
(Emissionsfreie Busse und In frastruktur)<br />
ein Betrag von 250 Mio. € für<br />
die Beschaffung und Umrüstung des<br />
öffentlichen Busverkehrs bereitgestellt.<br />
Die Dekarbonisierung im Verkehrsbereich<br />
im Sinne des European<br />
Green Deal soll dadurch vorangetrieben<br />
werden. Diese Fördermittel stehen<br />
durch EU-Mittel der Recovery and<br />
Resilience Facility (zur Abfederung der<br />
wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen<br />
der Corona-Pandemie) bis zum<br />
Jahr 2026 zur Verfügung.<br />
Regelungen im Straßenfahrzeugbeschaffungsgesetz<br />
Das SFBG gilt für sämtliche Vergabeverfahren<br />
nach dem 2.8.2021 sowohl bei der<br />
Beschaffung von Straßenfahrzeugen an<br />
sich und beim Nachrüsten als auch beim<br />
Einsatz bzw. Einkauf von Verkehrsdiensten<br />
(Personenbeförderung, Bedarfspersonenabholung,<br />
Paketbeförderung, Postzustellung<br />
etc.).<br />
„Saubere“ Fahrzeuge<br />
„Sauber“ ist ein Straßenfahrzeug dann,<br />
wenn es emissionsarm bzw. emissionsfrei<br />
ist. Weiters wird zwischen „leichten“<br />
und „schweren“ Straßenfahrzeugen unterschieden.<br />
Leichte, saubere Straßenfahrzeuge der<br />
Klassen M1, M2 oder N1 dürfen bis zum<br />
31.12.2025 maximal 50 g CO2 / km ausstoßen<br />
und den Emissionsgrenzwert an<br />
Luftschadstoffen von 80 % nicht überschreiten<br />
bzw. müssen sie ab 1.1.2026<br />
0 g CO2 / km (Nullemissionsfahrzeuge)<br />
aufweisen. Daher darf ein leichtes, sauberes<br />
Straßenfahrzeug ab dem 1.1.2026 gar<br />
keine CO2-Emissionen mehr ausstoßen.<br />
Schwere, saubere Straßenfahrzeuge sind<br />
alternativ betriebene Fahrzeuge ohne<br />
Verbrennungsmotor oder mit einem Verbrennungsmotor<br />
mit einem Ausstoß von<br />
weniger als 1 g CO2 / kWh. Als „alternative<br />
Kraftstoffe“ gelten insbesondere<br />
Elektrizität, Wasserstoff, Biokraftstoffe,<br />
synthetische und paraffinhaltige Kraftstoffe,<br />
Erdgas (einschließlich Biomethan)<br />
und Flüssiggas. Hingegen ist Dieseltreibstoff<br />
mit bis zu 7 % Biodiesel kein „alternativer<br />
Kraftstoff“.<br />
Ausnahmen<br />
Das SFBG sieht ausdrücklich Ausnahmen<br />
vor, die weder bei der Berechnung der<br />
Gesamtanzahl noch bei der Berechnung<br />
des Mindestanteils zu berücksichtigen<br />
sind. Dies gilt sowohl für die „Beschaffung“<br />
als auch den „Einsatz“.<br />
Ausgenommen sind gepanzerte Fahrzeuge,<br />
Krankenwägen, Leichenwägen sowie<br />
mobile Kräne; weiters Fahrzeuge für den<br />
Katastrophenschutz, die (freiwillige) Feuerwehr<br />
und für die Aufrechterhaltung der<br />
öffentlichen Ordnung. Ebenso Fahrzeuge<br />
mit eigenem, speziell für die Verrichtung<br />
von Arbeiten konstruiertem und gebautem<br />
Antrieb, die bauartbedingt nicht zur<br />
Beförderung von Personen oder Gütern<br />
geeignet sind (z. B. Straßeninstandhaltungsfahrzeuge).<br />
Einzuhaltende Mindestquoten<br />
Künftig ist eine bestimmte Mindestquote<br />
an sauberen Straßenfahrzeugen je Zeitraum<br />
(Bezugszeitraum) und je Fahrzeugklasse<br />
einzuhalten. Der erste Bezugszeitraum<br />
läuft von 3.8.2021 bis 31.12.2025, der<br />
zweite Bezugszeitraum von 1.1.2026 bis<br />
31.12.2030, danach bestehen fortlaufende<br />
Bezugszeiträume von fünf Jahren. Für diese<br />
Bezugszeiträume sind unterschiedliche<br />
Mindestquoten zu erfüllen, wobei sich der<br />
zweite Bezugszeitraum mitsamt seinen<br />
Quoten ex lege automatisch wiederholt.<br />
Für leichte Straßenfahrzeuge der Klassen<br />
M1, M2 und N1 (PKW) gelten in jedem<br />
Bezugszeitraum Mindestanteile von<br />
38,5 %, wobei ab dem zweiten Bezugszeitraum<br />
nur mehr Nullemissionsfahrzeuge<br />
als „sauber“ gelten. Für schwere Straßenfahrzeuge<br />
der Klasse M3 (Busse) gilt im<br />
ersten Bezugszeitraum ein Mindestanteil<br />
von 45 % und in jedem weiteren von 65 %;<br />
die Hälfte des Mindestanteils ist mit Nullemissionsfahrzeugen<br />
zu erreichen. Für<br />
schwere Straßenfahrzeuge der Klassen<br />
N2 und N3 (LKW) gilt im ersten Bezugszeitraum<br />
eine Mindestquote von 10 % und<br />
in jedem weiteren von 15 %.<br />
Die Mindestquote an sauberen Straßenfahrzeugen,<br />
die am Ende des jeweiligen<br />
Bezugszeitraumes erfüllt sein muss, wird<br />
nur von jener Gesamtanzahl an Fahrzeugen<br />
berechnet, die in den zeitlichen, persönlichen<br />
und sachlichen Anwendungsbereich<br />
des SFBG fallen. Wann genau<br />
im jeweiligen Bezugsraum der Auftraggeber<br />
die Mindestanteile schlussendlich<br />
erreicht, ist ihm selbst überlassen. Unterliegen<br />
Fahrzeuge den Ausnahmen, so<br />
sind diese weder bei der Berechnung der<br />
Gesamtanzahl noch bei der daraus abgeleiteten<br />
Mindestquote zu berücksichtigen.<br />
Welche Strafen drohen?<br />
Die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde<br />
hat wirksame, angemessene und<br />
abschreckende Geldbußen zu verhängen,<br />
wenn die Mindestanteile nicht erreicht<br />
werden. Es handelt sich aber um keine<br />
Verwaltungsstrafe im eigentlichen Sinn,<br />
sodass das Verfahren auch kein Verwaltungsstrafverfahren<br />
darstellt. Die<br />
verschuldensunabhängige Geldbuße hat<br />
den wirtschaftlichen Vorteil, der durch<br />
die Nichtbeachtung der Mindestanteile<br />
an sauberen Straßenfahrzeugen erzielt<br />
wird, auszugleichen. Die Höchstgrenzen<br />
betragen 25.000 € für jedes „nicht saubere“<br />
leichte Straßenfahrzeug, 125.000 €<br />
für jedes „nicht saubere“ schwere Straßenfahrzeug<br />
sowie 225.000 € für jedes<br />
„nicht saubere“ emissionsfreie schwere<br />
Straßenfahrzeug.<br />
Förderungen<br />
Mit der Förderung „Emissionsfreie Busse<br />
und Infrastruktur“ soll die Flottenumstellung<br />
und die Angebotserweiterung<br />
auf emissionsfreie Busse erheblich<br />
beschleunigt werden. Die Förderung wird<br />
in einem wettbewerblichen Verfahren<br />
gewährt. Dabei werden als quantitative<br />
Bewertungskriterien die Anzahl der<br />
beschafften emissionsfreien Busse nach<br />
Größenklassen, die voraussichtlich jährliche<br />
Fahrleistung in Nutzwagenkilometer<br />
der emissionsfreien Busse, die aus den<br />
jährlich geleisteten Nutzwagenkilometer<br />
resultierende Reduktion der CO2-Emissionen<br />
und die aus den jährlich geleisteten<br />
Nutzwagenkilometern resultierende wirtschaftliche<br />
Nachhaltigkeit herangezogen.<br />
Für die Bewertung der Fördergewährung<br />
im Auswahl- und Entscheidungsverfahren<br />
wird etwa auf den Nutzen und die Verwertung<br />
und auf die Relevanz des Förderansuchens<br />
abgestellt.<br />
Mit den Fördermitteln werden die<br />
Anschaffung von emissionsfreien Bussen<br />
sowie die Errichtung der im unmittelbaren<br />
räumlichen und technischen Zusammenhang<br />
mit der Anschaffung von Bussen<br />
verbundenen notwendigen Infrastruktur<br />
für emissionsfreie Busflotten im Personenverkehr<br />
gefördert. Ebenfalls werden<br />
Vorhaben für Servicierung, Wartung und<br />
Garagierung und Schulungen des entsprechenden<br />
Personals gefördert. Nicht gefördert<br />
werden jedoch Infrastrukturerrichtungen<br />
ohne die zugehörige Beschaffung<br />
von „sauberen“ Fahrzeugen.
40 tirol.hat Recht<br />
Haftungsfalle Gemeinde<br />
Veranstaltung „Die rechtssichere Gemeinde“ in Telfs<br />
VON MAG. NIKOLAUS KRAAK<br />
Nachdem das Gemeinde ABC ein voller Erfolg war und die Gemeinden<br />
hier ein übersichtliches Nachschlagewerk erhalten haben, hat<br />
es sich die GemNova zum Ziel gesetzt, über landesweite Veranstaltungen<br />
die für die Gemeinden wichtigen Themen weiter zu<br />
vertiefen und das Bewusstsein zu schärfen.<br />
Mit der Gemeindearbeit sind speziell für<br />
die Bürgermeister*innen viele verschiedene<br />
Risiken verbunden. Welche Risiken das<br />
sind und wie man damit am besten umgehen<br />
kann, war Inhalt der ersten Informationsveranstaltung<br />
„Die rechtssichere<br />
Gemeinde“ in der Marktgemeinde Telfs.<br />
In ca. drei Stunden wurden die rechtlichen<br />
Grundlagen, die öffentliche Auftragsvergabe,<br />
der rechtssichere Gebäudebetrieb<br />
sowie mögliche Maßnahmen der Risikominimierung<br />
den interessierten Zuhörer*innen<br />
nähergebracht.<br />
Dr. Klaus Kandler erläuterte im ersten Teil<br />
den Haftungsbegriff und die Haftungsgrundlagen<br />
im Straf-, Zivil- und Verwaltungsstrafrecht.<br />
Anhand mehrerer<br />
Beispiele wurde im Anschluss versucht,<br />
Lösungsansätze zu finden bzw. Graubereiche<br />
zu diskutieren.<br />
Im Anschluss gab Mag. Alexander Sporer<br />
einen Überblick über die Welt des<br />
Vergaberechts. Das magische Dreieck<br />
bestehend aus den Einflussfaktoren<br />
Zeit, Kosten und Qualität spielt hier eine<br />
wesentliche Rolle, denn die der Vergabe<br />
zugrundeliegenden Projekte sollte man<br />
nachhaltig angehen und im Bereich des<br />
Bauwesens insbesondere den Lebenszyklus<br />
der Anlagen im Fokus haben. Mit<br />
rechtssicheren Zuschlagskriterien kann<br />
man zusätzlich noch die Regionalität stärken.<br />
Im dritten Teil erläuterte DI Armin Muggendorfer<br />
anhand vieler Beispiele, dass<br />
die Eigentümer*innen eines Gebäudes<br />
eine Vielzahl an Verkehrssicherungsund<br />
Sorgfaltspflichten treffen und eine<br />
professionelle Gebäudebewirtschaftung<br />
das Haftungsrisiko reduziert.<br />
Nach einer kurzen Pause skizzierte Dr.<br />
Klaus Kandler verschiedene Maßnahmen<br />
der Risikominimierung, die von der Aufgabenübertragung<br />
bis zu einem systemorientierten<br />
Managementsystem reichten.<br />
Allen Anwesenden war nach den Vorträgen<br />
bewusst, dass Versicherungen zwar<br />
die Haftungsauswirkungen reduzieren<br />
können, aber kein Allheilmittel darstellen.<br />
Man darf sich jedoch nicht vom Risiko<br />
einer Haftung unterkriegen lassen, es gibt<br />
Methoden und Werkzeuge zur rechtssicheren<br />
Bewältigung der mannigfaltigen<br />
Aufgaben einer Gemeinde.<br />
Kontakt<br />
sozial freundlich<br />
sicher bemüht ehrlich<br />
unkompliziert<br />
fair<br />
beständig<br />
neutral<br />
pflichtbewusst<br />
familienfreundlich<br />
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gerne für Rückfragen zum<br />
Thema Rechtssicherheit zur<br />
Verfügung:<br />
Dr. Klaus Kandler, MBA (MCI)<br />
k.kandler@gemnova.at<br />
Mag. Alexander Sporer<br />
a.sporer@gemnova.at<br />
Mag. Alexander Sporer (GemNova), Dr. Klaus Kandler<br />
(GemNova) und DI Armin Muggendorfer (Bundesimmobiliengesellschaft)<br />
teilten ihre Expertise zum Thema<br />
Rechtssicherheit in Gemeinden. (© GemNova)<br />
DI (FH) Armin Muggendorfer<br />
armin.muggendorfer@big.at<br />
www.ghs-wohnbau.com
42 tirol.politik tirol.politik<br />
43<br />
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© Land Tirol / Cammerlander<br />
Zusammenarbeit als<br />
Weg zum Erfolg<br />
Miteinander mehr erreichen – das gilt<br />
für alle Lebensbereiche und insbesondere<br />
für Gemeinden. Vom Leben in der<br />
Gemeinde über gemeindeübergreifende<br />
Projekte bis hin zu Gemeindefusionen:<br />
Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit<br />
auf Gemeindeebene sind vielfältig und<br />
wichtig.<br />
Der US-Amerikanische Automobilhersteller<br />
Henry Ford sagte einmal:<br />
„Zusammenkommen ist ein Beginn,<br />
Zusammenbleiben ein Fortschritt,<br />
Zusammenarbeiten ein Erfolg.“<br />
Was banal oder gar abgedroschen klingen<br />
mag, ist doch eine unverzichtbare Grundlage<br />
unseres Zusammenlebens.<br />
Und dieses Zusammenleben beginnt in<br />
den Gemeinden: Gemeinden sind weit<br />
mehr als eine bloße Ansammlung von<br />
Gebäuden. Der wahre Wert der Gemeinde<br />
– als Ort des Zusammenlebens –<br />
entspringt der Gemeinschaft und sollte<br />
dementsprechend auch vielfältig gefördert<br />
werden. Maßgeblich sind hierbei sowohl<br />
die Unterstützung des Vereinswesens als<br />
zentrale Säule des Miteinanders als auch<br />
die räumliche Gestaltung der Gemeinden<br />
selbst. Schließlich entsteht Gemeinschaft<br />
und damit Zusammenarbeit erst durch<br />
Begegnungen und Begegnungsräume.<br />
Statt Zersiedelung zuzulassen, gilt es, die<br />
Ortszentren wieder mit Leben zu füllen.<br />
Im Rahmen der sogenannten Ortskernrevitalisierung<br />
werden daher von Seiten des<br />
Landes zahlreiche Projekte gefördert, um<br />
etwa Dorfplätze aufzuwerten oder alte<br />
Baustrukturen in den Ortskernen wieder<br />
bewohnbar zu machen.<br />
Zusammenarbeit muss jedoch nicht<br />
an der Gemeindegrenze enden: Vom<br />
gemeinsamen Umweltschutz über die<br />
Zusammenarbeit bei der Pflegeversorgung<br />
bis hin zu gemeindeübergreifenden<br />
Sportstätten – die Möglichkeiten<br />
zur Kooperation unter Gemeinden sind<br />
ebenso vielfältig wie erfolgreich. Viele<br />
Projekte wären für eine Gemeinde alleine<br />
nicht zu bewältigen, durch die Bündelung<br />
von Ressourcen können die Gemeinden<br />
jedoch unterschiedlichste Vorhaben<br />
gemeinsam verwirklichen. Um solche<br />
Projekte vor den Vorhang zu holen und<br />
mit Best-Practice-Beispielen zu demonstrieren,<br />
welche Vorteile Kooperationen<br />
mit sich bringen, vergeben das Land<br />
Tirol, der Tiroler Gemeindeverband und<br />
die GemNova jährlich den GEKO – den<br />
Tiroler Gemeindekooperationspreis.<br />
Auch diesen Herbst werden dabei wieder<br />
zukunftsweisende, gemeindeübergreifende<br />
Projekte ausgezeichnet. Im Rahmen<br />
der insgesamt 37 Planungsverbände in<br />
Tirol haben die Gemeinden zudem eine<br />
institutionalisierte Form der Zusammenarbeit<br />
– in Folge derer sie voneinander<br />
profitieren und miteinander auf effiziente<br />
Art und Weise die Zukunft planen können.<br />
Die höchste Form der Kooperation zwischen<br />
Gemeinden ist schließlich die<br />
Gemeindefusion. Dabei eines vorweg: Als<br />
Gemeindelandesrat ist es mir ein großes<br />
Anliegen, dass Gemeindefusionen – also<br />
die Zusammenlegung der Verwaltungsstrukturen<br />
mehrerer Gemeinden – stets<br />
auf freiwilliger Basis verwirklicht werden<br />
muss. Steht die Bevölkerung hinter einer<br />
Fusion, so können – wie etwa das Beispiel<br />
der Zusammenlegung von Matrei<br />
am Brenner, Mühlbachl und Pfons gezeigt<br />
hat – wichtige Synergieeffekte entstehen<br />
und damit effizientere und günstigere<br />
Abläufe etabliert werden.<br />
Ihr LR Mag. Johannes Tratter<br />
© Julia Moll<br />
Wir dürfen keine<br />
Inseln sein.<br />
Was haben wir dieses Jahr gekämpft<br />
– wahlgekämpft. Auf Gemeinde- und<br />
Landesebene haben die Parteien ihre<br />
Standpunkte klar gemacht, ihre Positionen<br />
dargelegt und sich dabei, wie soll<br />
es anders sein, mit mehr oder weniger<br />
scharfem Ton von allen anderen politischen<br />
Mitstreitern und Mitstreiterinnen<br />
abgegrenzt – wie Inseln im Meer. Das ist<br />
auch gut so. Im Wettstreit um die meisten<br />
Wählerstimmen können gern mal die<br />
sogenannten Fetzen fliegen und schließlich<br />
ist es wichtig, sich von den anderen<br />
deutlich abzuheben, um den Wählerinnen<br />
und Wählern eine klare Grundlage für<br />
ihre Entscheidung zu bieten.<br />
Jetzt, nach den Wahlkämpfen und Wahlen,<br />
heißt es, gemeinsam Bestehendes<br />
zu optimieren und Neues zu schaffen.<br />
Das geht nur mit Zusammenarbeit, mit<br />
der bemerkenswerten menschlichen<br />
Fähigkeit zur Kooperation. Das bedeutet,<br />
aufeinander einzugehen, Rollen und<br />
Aufgaben abzustimmen, gegenseitig zu<br />
unterstützen und verbunden durch ein<br />
gemeinsames Ziel effektiv zu arbeiten.<br />
Das gilt für die regierende Fraktion bzw.<br />
die Koalitionspartner ebenso wie für die<br />
Opposition. Alle haben eine bestimmte<br />
Rolle, die einen regieren, die anderen<br />
kontrollieren und beide Funktionen sind<br />
gleich wichtig. Alle müssen gehört und<br />
respektiert werden. Fügt man sich als<br />
Politiker, als Politikerin oder Partei nicht<br />
in dieses kooperative demokratische System<br />
ein und arbeitet lieber im Alleingang,<br />
bekommt man schnell ein Problem. Man<br />
wird zur Insel und als Insel gilt man allgemein<br />
als nicht regierungsfähig.<br />
Es geht jedoch nicht nur darum, innerhalb<br />
des politischen Systems zu kooperieren.<br />
Auch nach außen hin – zu Unternehmen,<br />
Institutionen wie die Wirtschafts- oder<br />
Arbeiterkammer, zu Universitäten, Verbänden<br />
und diversen anderen Stakeholdern<br />
– muss eine stabile Basis für die<br />
Zusammenarbeit bestehen. Nehmen<br />
wir zum Beispiel kleine Gemeinden. Wie<br />
könnte eine kleine Gemeinde überleben,<br />
wenn sie bei den hunderten Aufgaben,<br />
die sie zu bewältigen hat, allein dastünde?<br />
Sie müsste alle Anschaffungen und<br />
Investitionen – vom Preisvergleich bis<br />
zur rechtlich vorgeschriebenen Abwicklung<br />
von Vergabeverfahren – selbst<br />
organisieren. Sie müsste notwendige<br />
Infrastrukturprojekte, z. B. den Ausbau<br />
der Volksschule oder die Sanierung des<br />
Wohn- und Pflegeheims, auf eigene Faust<br />
umsetzen. Sie müsste sich selbst mit<br />
Energie versorgen, sich um die Wasserver-<br />
und Abwas serentsorgung kümmern<br />
und sicherstellen, dass der Zugang zur<br />
digitalen Amtstafel auf der Homepage<br />
der Gemeinde wie gesetzlich vorgeschrieben<br />
barrierefrei ist. Die Gemeinde<br />
bräuchte hunderte Angestellte und<br />
sehr sehr viel Geld, wenn sie das allein<br />
stemmen müsste. Umso wichtiger ist<br />
es, sich in Verbänden zu organisieren,<br />
mit anderen Gemeinden, mit Unternehmen<br />
sowie Experten und Expertinnen<br />
zusammenzuarbeiten. So, wie Parteien<br />
Kooperationskompetenz zeigen müssen,<br />
um regierungsfähig zu sein, so brauchen<br />
diese Kompetenz auch Gemeinden, um<br />
bestands- und zukunftsfähig zu sein.<br />
Arbeiten Sie also zusammen, strecken<br />
Sie ihre Hände in alle Richtungen aus. Sie<br />
können nur profitieren!<br />
Ihr Bgm. Mag. Ernst Schöpf
Junge, frische Gesichter<br />
VON REINHOLD OBLAK<br />
Die Bürgermeister-Direktwahl in Wenns<br />
im heurigen Frühjahr war nichts für<br />
schwache Nerven. Beim ersten Wahlgang<br />
lag Patrick Holzknecht um mickrige zwei<br />
Stimmen hinter Robert Rundl zurück, bei<br />
der entscheidenden Stichwahl erhielten<br />
beide Kandidaten jeweils 631 Stimmen.<br />
Zum Glück ist nicht nur die österreichische<br />
Bundesverfassung schön, sondern<br />
auch die Tiroler Gemeindewahlordnung.<br />
Diese sieht nämlich bei Stimmengleichheit<br />
vor, dass jener Kandidat Bürgermeister<br />
wird, dessen Liste die meisten Stimmen<br />
erhält. In Wenns war dies ganz klar<br />
die Holzknecht-Liste, womit der 29-Jährige<br />
als zweitjüngster Bürgermeister Tirols<br />
angelobt wurde.<br />
„Ich bin ein Vereinsmensch, hab mich<br />
schon früh in der Fasnacht, auch bei den<br />
Schützen organisiert. Ich rede einfach<br />
gerne mit den Leuten, versuche, verschiedene<br />
Interessen zu verbinden“, sagt<br />
Holzknecht. Politik hat ihn schon immer<br />
interessiert, liegt auch in der Familie.<br />
Nein, nicht bei seinen Eltern, die politisch<br />
nie aktiv waren, vielmehr bei seinen beiden<br />
Großvätern. Der eine war Gemeinderat<br />
in Arzl, der andere in Wenns, sogar 18<br />
Jahre lang.<br />
Bei der Wahl 2016, im Alter von 23 Jahren,<br />
wurde Holzknecht erstmals in den<br />
Gemeinderat gewählt. Damals gab es<br />
nur zwei Listen und einen Bürgermeister-Kandidaten,<br />
heuer waren es sechs<br />
und deren drei. Vielfalt ist eben besser<br />
als Einfalt. Beruflich ist der zweitjüngste<br />
Bürgermeister Tirols übrigens seit<br />
über zehn Jahren im Landesdienst tätig.<br />
In Tirol bewegt sich etwas. Auf Landesebene brechen alte, verkrustete Strukturen<br />
„<br />
auf, in den Gemeinderäten<br />
sieht man immer mehr junge, frische Gesichter. Bürgermeister*innen werden jünger, selbstbewusster,<br />
haben Lust zu gestalten. Patrick Holzknecht in Wenns etwa, Daniela Kampfl in Mils oder Ingo Hafele im<br />
Osttiroler St. Jakob. Eine Bestandsaufnahme.<br />
„Das hat meine Lust an der Politik sicher<br />
auch nochmal gefördert.“ Bemerkenswert<br />
dann jener Schritt, den Holzknecht<br />
gleich nach seiner Wahl zum Bürgermeister<br />
gesetzt hat. Um für die Leute in<br />
Wenns sprichwörtlich greifbar zu sein,<br />
reduzierte er seinen Job in Innsbruck auf<br />
neun Stunden, somit auf einen einzigen<br />
Tag. „Außer Dienstag bin ich immer im<br />
Dorf erreichbar. Ich verstehe mich als<br />
Vermittler, als Ansprechpartner, auch als<br />
Problemlöser.“<br />
Holzknecht steht auch für Veränderung:<br />
So hat er gleich mehrere neue Ausschüsse<br />
gegründet, setzt ganz bewusst<br />
auf Zusammenarbeit und Kooperation.<br />
Und auf moderne Ansätze wie etwa<br />
Teambuilding und positive Motivation.<br />
Klar, unter den 13 Gemeinderäten<br />
und -rätinnen finden sich elf neue<br />
Gesichter, darunter vier Frauen. Ein<br />
wichtiges Credo des neuen Bürgermeisters:<br />
„Gemeinsam ist besser als<br />
einsam.“<br />
Patrick Holzknecht (29), Bürgermeister<br />
von Wenns (© Wenns gestalten)<br />
„ Zusammenarbeit und<br />
Kooperation. Moderne<br />
Ansätze wie Teambuilding<br />
und positive Motivation.<br />
Das ist mir wichtig“<br />
Patrick Holzknecht,<br />
Bürgermeister Wenns<br />
Daniela Kampfl (49),<br />
Bürgermeisterin von Mils<br />
(© Daniel Zangerl)<br />
Eine von zwanzig<br />
In Tirol gibt es 277 Gemeinden. In 257<br />
davon sind Männer Bürgermeister, in nur<br />
zwanzig gibt es Bürgermeisterinnen. Die<br />
Jüngste davon ist die 31-jährige Victoria<br />
Weber in Schwaz, doch über sie konnten<br />
wir schon in der vergangenen Ausgabe<br />
dieses Magazins berichten. Bleiben also<br />
noch 19 Bürgermeisterinnen, womit die<br />
Auswahl überschaubar wird.<br />
Daniela Kampfl, Jahrgang 1973 und damit<br />
eine der jüngsten Bürgermeisterinnen<br />
Tirols, übt dieses Amt seit Mai 2021 in<br />
Mils aus. Bei der Direktwahl im heurigen<br />
Frühjahr wurde sie mit beeindruckenden<br />
59 Prozent – bei fünf Gegenkandidaten –<br />
gleich im ersten Wahlgang gewählt. Das<br />
waren um satte 18 Prozent mehr, als ihre<br />
Liste erhielt.<br />
Bemerkenswert, um nicht zu sagen<br />
höchst amüsant, auch der Weg, wie sie<br />
in die Politik kam. „2006 bin ich über das<br />
Inserat einer Non-Profit-Organisation gestolpert.<br />
Es wurde eine Frau gesucht, aus<br />
dem urbanen Raum, mit Organisationstalent<br />
und Engagement. Das hat mir gefallen,<br />
weil ich wollte schon immer etwas<br />
„<br />
45<br />
44 tirol.politik<br />
tirol.politik<br />
„Beworben hab ich mich bei<br />
einer Non-Profit-Organisation.<br />
Letztendlich war es dann aber<br />
die Tiroler Volkspartei.“<br />
Daniela Kampfl<br />
Bürgermeisterin Mils<br />
verändern. Nach meiner Bewerbung stellte<br />
sich freilich heraus, dass diese Non-<br />
Profit-Organisation die Tiroler Volkspartei<br />
war. So hat alles angefangen.“ Kampfl<br />
lacht noch immer, wenn sie diese Geschichte<br />
erzählt, auch deshalb, weil sie<br />
davor politisch in keiner Weise aktiv war.<br />
Und weil es wohl auch ihr Motto unterstreicht:<br />
„Es gibt für alles den richtigen<br />
Zeitpunkt.“<br />
2016 wurde sie erstmals in den Gemeinderat<br />
von Mils gewählt, beruflich zur Geschäftsführerin<br />
des Wirtschaftsbundes<br />
bestellt, in jenen Job also, den sie auch<br />
heute noch ausübt. Politik ist für die<br />
zweifache Mutter wesentlicher Bestandteil<br />
ihres Lebens, als Bürgermeisterin<br />
sieht sie sich am richtigen Platz. „Ich<br />
kann sehr gut planen, bin ein ausgesprochener<br />
Teamplayer, treffe gerne Entscheidungen,<br />
mag etwas bewegen.“ Mal<br />
schauen, wohin es die engagierte Frau,<br />
die so gerne Veränderungen vorantreibt,<br />
noch verschlägt.
„<br />
46 tirol.politik<br />
„Ich hab damals meinen Job im<br />
Tourismusbüro gekündigt. Das<br />
Risiko, nach sechs Jahren ohne<br />
Job dazustehen, hab ich einfach<br />
auf mich genommen.“<br />
Ingo Hafele<br />
Bürgermeister St. Jakob im<br />
Defereggen<br />
Jüngster Bürgermeister Osttirols<br />
Es war doch eine ziemliche Überraschung,<br />
damals, im Frühjahr 2016, in<br />
St. Jakob in Defereggen. Der gerade mal<br />
26-jährige Ingo Hafele katapultierte den<br />
langjährigen Amtsinhaber Gerald Hauser<br />
in der Bürgermeister-Stichwahl hochkant<br />
aus dem Amt. Bei einer bemerkenswert<br />
hohen Wahlbeteiligung von 94 Prozent<br />
setzte sich der junge Mann mit knapp<br />
62 Prozent der Stimmen eindrucksvoll<br />
durch. Hafele wurde damit auch zum<br />
jüngsten Bürgermeister Osttirols gewählt.<br />
Bei den heurigen Gemeinderatswahlen<br />
wurde er eindrucksvoll im Amt<br />
bestätigt – mit knapp 70 Prozent an Zustimmung.<br />
Selbst seine Liste erhielt die<br />
absolute Mehrheit – das hatte es in St.<br />
Jakob schon lange nicht mehr gegeben.<br />
Mit Politik hatte Hafele davor nichts zu<br />
tun. Er arbeitete im Tourismusbüro in<br />
Lienz, war damit recht zufrieden. „Ich<br />
war kein politischer Mensch, nur was<br />
da in St. Jakob abgelaufen ist, hat mir<br />
nicht wirklich getaugt. Mit einigen jungen<br />
Freunden hatten wir dann die Idee,<br />
mit einer eigenen Liste anzutreten. Konkrete<br />
Pläne hatten wir keine, wir wollten<br />
einfach mal in den Gemeinderat reinschnuppern,<br />
hatten auch keinen eigenen<br />
Bürgermeisterkandidaten“, erinnert er<br />
Ingo Hafele (32), Bürgermeister<br />
von St. Jakob im Defreggen<br />
(© Osttirol Journal)<br />
sich an den Anfang. Bei den Krampustagen<br />
mehrten sich dann freilich in dieser<br />
Gruppe die Stimmen, Hafele sollte<br />
doch als Bürgermeisterkandidat antreten.<br />
„Das hat mich aber überhaupt nicht<br />
interessiert, ich wollte das einfach nicht.“<br />
Das war im Dezember 2015, zwei Monate<br />
vor der Wahl.<br />
Nach vielen Gesprächen ließ sich der<br />
damals 26-Jährige umstimmen, „doch<br />
wirklich überzeugt war ich nicht.“ Bei der<br />
Wahl erhielt seine neue Liste gleich die<br />
meisten Stimmen, er selbst wurde „zur<br />
größten Überraschung von mir“ tatsächlich<br />
zum Bürgermeister gewählt. Seine<br />
erste Tat: Er kündigte beim Tourismusbüro,<br />
wollte voll und ganz für die Gemeinde<br />
da sein. „Das Risiko, nach sechs<br />
Jahren ohne Job dazustehen, hab ich einfach<br />
auf mich genommen. Weil wenn ich<br />
etwas mache, mache ich es gescheit.“<br />
Die ersten Jahre waren herausfordernd.<br />
„Wir waren da gleich mit sehr schwierigen<br />
Situationen konfrontiert. Die vielen<br />
Starkregen-, auch Starkschnee-Ereignisse,<br />
St. Jakob war zehn Tage ohne Strom,<br />
dazu die vielen Straßensperren. Ich bin<br />
da wirklich in mein Amt hineingewachsen,<br />
hab viel lernen können.“ Auch heute<br />
noch ist der mittlerweile 32-Jährige<br />
täglich acht Stunden auf der Gemeinde.<br />
„Mir taugt‘s total, mir wird auch nicht<br />
langweilig. Zu tun gibt‘s immer genug.“<br />
Ach ja, noch ein interessantes Detail<br />
am Rande. Für die Gemeinderatswahl<br />
dieses Frühjahr gab‘s von Hafeles Liste<br />
kein Wahlprogramm. Der Grund: „Wir<br />
wollten nichts ankündigen, weil das sind<br />
meist nur leere Versprechungen. Die<br />
Leute hier wissen, dass wir nicht groß<br />
reden, sondern arbeiten und umsetzen.“<br />
Der junge Mann scheint vieles richtig zu<br />
machen.<br />
Auf der sicheren Seite:<br />
Winterdienst mit dem Maschinenring<br />
Seit 25 Jahren zählt der Winterdienst zu den<br />
zentralen Dienstleistungen, die der Maschinenring<br />
anbietet. Erfahrene Mitarbeiter, die die<br />
Anforderungen und Bedürfnisse ihrer Kunden<br />
genau kennen und das Netzwerk Maschinenring<br />
stellen sicher, dass jede noch so große<br />
Herausforderung zur Zufriedenheit der Kunden<br />
bewältigt wird, und so freuen sich die Verantwortlichen,<br />
dass mehr als 100 Tiroler Gemeinden<br />
auf diese Dienstleistung setzen.<br />
„In erster Linie geht es beim Winterdienst<br />
darum, Gefahren, die Schnee und Eis mit sich<br />
bringen zu beseitigen und damit die Sicherheit<br />
auf Verkehrsflächen wiederherzustellen. Das<br />
umfasst natürlich nicht nur die Schneeräumung,<br />
sondern auch die Streuung, eventuell<br />
notwendigen Schnee-Transport und vieles<br />
mehr“, so Maschinenring-Geschäftsführer<br />
Hannes Ziegler. Sicherheit bedeutet hier nicht<br />
nur Verkehrssicherheit, sondern vor allem<br />
auch Rechtssicherheit:<br />
Eigentümer oder Wegehalter haften für den<br />
ordnungsgemäßen Zustand der Fahrbahnen<br />
und Plätze – gerade in diesem Punkt ist es für<br />
Kommunen ein großes Plus, auf den Maschinenring<br />
zu setzten: „Mit der Beauftragung<br />
übernehmen wir auch die rechtliche Verantwortung“,<br />
so Ziegler weiter.<br />
Die „Winterdienstler“ verfügen neben der entsprechenden<br />
Technik – vom direkten Zugriff auf<br />
die detaillierte Wetterprognosen bis zu den entsprechenden<br />
Räumgeräten – über das fachliche<br />
Knowhow und sind flexibel zur Stelle.<br />
Natürlich ist der Maschinenring-Winterdienst<br />
immer am aktuellsten Stand der Technik: Wo<br />
notwendig bzw. gewünscht werden alle Fahrten<br />
via GPS-Aufzeichnungen getrackt und auch<br />
Lieferscheine werden vom Maschinenring zum<br />
großen Teil via App elektronisch verarbeitet. „Für<br />
uns ist es wichtig, die Abwicklung für Kunden<br />
und Dienstleister gleichermaßen effizient zu<br />
organisieren, und hierfür setzen wir stets auf<br />
die aktuellste Technik. Auch die verpflichtende,<br />
jährliche Fortbildung für alle unsere Dienstleister<br />
ist selbstverständlich“, so Hubert Hotter, der für<br />
die Disposition zuständig ist.<br />
Der Winter beginnt im Sommer<br />
Im Maschinenring kümmern sich die Verantwortlichen<br />
frühzeitig um die Sicherstellung<br />
personeller und technischer Ressourcen,<br />
Schnee ablageplätze werden fixiert und Streumittel-Lager<br />
befüllt: „Natürlich sind auch wir<br />
von den aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen<br />
betroffen. Um für die Kunden<br />
vernünftige Lösungen anbieten zu können,<br />
haben wir beispielsweise mit der Salzeinlagerung<br />
heuer schon so früh wie nie zuvor<br />
begonnen“, so Hotter.<br />
Gerade bei Starkschnee-Ereignissen wie vor<br />
zwei Jahren in Osttirol kann der Maschinenring<br />
auf seine Vernetzung setzen – auch das<br />
kommt den Kunden zugute: „Auch wenn schon<br />
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG<br />
alle verfügbaren Mannschaften im Schneeeinsatz<br />
sind – mit unseren mehr als 7.000<br />
Mitgliedern allein in Tirol und der Möglichkeit<br />
der überregionalen, österreichweiten Zusammenarbeit<br />
können auch hier kurzfristig Kräfte<br />
mobili siert werden. Das ist eine unserer Stärken“,<br />
so Hannes Ziegler.<br />
Unternehmen, die auf den Maschinenring als<br />
Winterdienstleister setzen, sichern regionale<br />
Wertschöpfung. „Die Arbeit als Winterdienstleister<br />
ermöglicht Landwirten ein zusätzliches<br />
Einkommen. Wer den Maschinenring beauftragt,<br />
entscheidet sich so nicht nur für einen<br />
sicheren und verlässlichen Winterdienst sondern<br />
sorgt zusätzlich dafür, dass Wertschöpfung<br />
und Kaufkraft in der Region bleibt – in<br />
diesen Zeiten sicher ein besonders wichtiges<br />
Argument“, so Maschinenring-Geschäftsführer<br />
Hannes Ziegler abschließend.<br />
www.maschinenring.tirol
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG<br />
tirol.ist schön<br />
49<br />
Mit LED-Beleuchtung der IKB klimafit werden<br />
Die IKB hat in ganz Innsbruck bereits die öffentliche Beleuchtung auf LED umgestellt, um wertvolle Energie zu sparen.<br />
Diese Erfahrung und ihr Fachwissen bietet sie auch anderen Gemeinden an.<br />
Die Straßenbeleuchtung in Weer, die Radwegbeleuchtung<br />
in Kaltenbach und die Skipiste<br />
am Patscherkofel – die IKB hat bereits<br />
zahlreiche Orte in Tirol dabei unterstützt,<br />
auf die effiziente Beleuchtung umzurüsten.<br />
Von der Planung bis zur leuchtenden Lampe<br />
bringt sie ihre Expertise ein und erledigt die<br />
gesamte Umsetzung für die Gemeinden.<br />
Alles aus einer Hand. Das macht sie zur<br />
regionalen Expertin für umweltfreundliche<br />
und energiesparende Außenbeleuchtung.<br />
In den Jahren 2015 bis 2020 hat die IKB die<br />
gesamte öffentliche Beleuchtung der Stadt<br />
Innsbruck auf LED-Technologie umgestellt.<br />
Neben Straßenbeleuchtungen, Platz- und<br />
Sportstättenbeleuchtungen wurden auch<br />
Objektanstrahlungen sowie Effekt- und<br />
Winterbeleuchtungen auf ein neues Effizienzlevel<br />
gehoben. Die vielen Vorteile<br />
sowie Kosteneinsparungen übertreffen die<br />
Gesamtkosten der LED-Umstellung um ein<br />
Vielfaches.<br />
Unschlagbare Vorteile der LED-Umrüstung<br />
Die neue Technologie ist zukunftsweisend<br />
und bringt echten Mehrwert für die Stadt.<br />
So hat sich der Energieverbrauch, der<br />
öffentlichen Beleuchtung nahezu halbiert<br />
Darüber hinaus haben sich die Farbwiedergabe<br />
durch weißes LED-Licht erheblich<br />
verbessert, der Wartungsaufwand<br />
beträchtlich reduziert und die Lebensdauer<br />
deutlich erhöht. Durch die individuelle<br />
Programmierung der Vorschaltgeräte sind<br />
nun nahezu alle Straßen Innsbrucks normgerecht<br />
ausgeleuchtet.<br />
Ihr Weg zur energieeffizienten LED-<br />
Außenbeleuchtung<br />
Planung und Inbetriebnahme aus einer<br />
Hand, inklusive 10-Jahres Garantie und<br />
Mithilfe bei Förderabwicklungen: Kontaktieren<br />
Sie noch heute die Expertinnen<br />
und Experten der IKB, wenn es darum<br />
geht, eine moderne und wirtschaftliche<br />
Beleuchtung zu implementieren und damit<br />
Energie- und Betriebskosten zu sparen.<br />
KURZ UND KNAPP:<br />
Komplette Umstellung der Außenbeleuchtung<br />
in Innsbruck<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Erhöhung der Sicherheit in Innsbruck<br />
Halbierung der Stromkosten trotz<br />
Erhöhung der Anzahl der Lichtpunkte<br />
Wesentliche Reduzierung der Lichtemissionen<br />
Optimierte Farbwiedergabe durch<br />
weißes LED-Licht<br />
Normgerechte Ausleuchtung bei<br />
reduziertem Energieaufwand<br />
Verringerung vom Wartungsaufwand<br />
Erhöhung der Lebensdauer<br />
Wir beraten Sie gerne jederzeit kostenlos,<br />
wie Sie Ihre Gemeinde auf LED-Beleuchtung<br />
umrüsten können.<br />
Gemeinschaft<br />
leben<br />
Was wäre eine Gemeinde ohne Vereine und ehrenamtliche<br />
Helfer*innen, die sich tagtäglich im Sinne<br />
der Gemeinschaft engagieren?<br />
Martin Angerer<br />
Geschäftsbereich: Energieservices<br />
0512 502-5234<br />
martin.angerer@ikb.at<br />
www.ikb.at<br />
Die meisten der 25 Jugendbetreuer*innen<br />
der Alpenvereinsjugend sind<br />
selbst schon seit ihrer Kindheit im<br />
Verein. Nun geben sie ihren Zugang<br />
zur Natur an die Kinder weiter.<br />
Ein gemeinsames Interesse, ein gemeinschaftliches<br />
Ziel ist oft das, was Menschen in Vereinen<br />
und ehrenamtlichen Organisationen zusammenbringt<br />
und wo Bürger*innen einen essenziellen<br />
Beitrag für das Zusammenleben in einer Gemeinde<br />
leisten. Wir haben uns für diese Fotostrecke<br />
in Zirl umgesehen und das reiche Vereinsleben<br />
der Marktgemeinde dokumentiert. Auf den folgenden<br />
Seiten geben wir einen Einblick in ihre<br />
Aktivitäten.
‚‚<br />
Im Musikverein Zirl wird bereits seit<br />
1822 gemeinsam musiziert. Aktuell<br />
zählt der Verein 60 aktive Mitglieder<br />
zwischen 14 und 73 Jahren.<br />
‚‚<br />
„Unser Musikverein ist<br />
MUsIKVEREIN<br />
tirol.ist schön<br />
ein geselliger Ort,<br />
an dem Gemeinschaft<br />
gefördert wird.“<br />
Mathias Plankensteiner,<br />
Obmann Musikverein<br />
51<br />
Seit 20 Jahren unternimmt die Zirler<br />
Alpenvereinsjugend Innsbruck unter<br />
der Leitung von Ossi Miller spannende<br />
Ausflüge mit berg- und abenteuerlustigen<br />
Kindern ab 9 Jahren.<br />
Alpenvereinsjugend<br />
„Unsere Gemeinde lebt von der Vielfältigkeit<br />
der Vereine und ehrenamtlichen Organisationen.<br />
Ohne all jene Frauen und Männer,<br />
die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich engagieren,<br />
wäre auch in Zirl vieles nicht möglich.<br />
Sie sind das Herz einer Gesellschaft,<br />
das stark und kräftig schlägt.“<br />
Mag. Thomas Öfner,<br />
Bürgermeister Marktgemeinde Zirl<br />
Die Musikkapelle hat auch eine starke Beziehung<br />
zur Brauchtumspflege: Was wären Feste<br />
und Veranstaltungen ohne die musikalische<br />
Umrahmung einer Musikkapelle?
52 tirol.ist schön<br />
‚‚<br />
Freiwillige<br />
Feuerwehr<br />
25 freiwillige Pensionist*innen stellen die rund 120 Speisen,<br />
die im 's zenzi in speziellen Warmhaltebehältern<br />
angerichtet werden, mit Unterstützung von Zivildienern<br />
jeden Tag direkt zu.<br />
ESSEN AUF RÄDERN<br />
Seit 1876 leistet die Freiwillige Feuerwehr Zirl Hilfe in Notsituationen.<br />
Aktuell stellen sich 119 Feuerwehrmänner und<br />
Feuerwehrfrauen in den Dienst der guten Sache. Das längst<br />
dienende Mitglied tut dies schon seit dem Jahr 1952.<br />
„Die Kameradschaft unter den Mitgliedern<br />
ist etwas ganz Besonderes. Alle ziehen<br />
an einem Strang, wenn es darum geht,<br />
jemandem in einer Notlage zu helfen.“<br />
Arnold Lanziner,<br />
Kommandant
54 tirol.ist schön tirol.ist schön<br />
55<br />
‚‚<br />
wo etwas herkommt und dies<br />
„Wir wollen mit diesem Garten<br />
wieder den natürlichen<br />
Kreislauf im Jahresverlauf erleben<br />
und voneinander lernen. Es<br />
ist ein gutes Gefühl zu wissen,<br />
auch an die Kinder weitergeben<br />
zu können.“<br />
ZUR FOTOGRAFIN<br />
NATHALIE KIRCHLER<br />
Nathalie Kirchler verstärkt seit <strong>2022</strong> das<br />
Kommunikationsteam der GemNova als<br />
Grafikerin und Fotografin.<br />
Der 1967 gegründete Tennisclub<br />
Zirl zählt aktuell 180 Mitglieder,<br />
wobei die Hälfte davon jünger als<br />
20 Jahre alt ist.<br />
Gemeinschaftsgartl<br />
Seit 2016 gibt es in Zirl für rund 40 Familien<br />
die Möglichkeit des gemeinsamen „gartelns“.<br />
Dabei steht der Austausch von Wissen und<br />
Erfahrungen untereinander im Mittelpunkt.<br />
Tassilo Philippovich,<br />
Obmann Gemeinschaftsgartl<br />
TC ZIRL
tirol.kulturell<br />
57<br />
Reformen,<br />
Innovationen,<br />
Änderungen<br />
ja…<br />
VON GABRIEL CASTAÑEDA<br />
In den Sportvereinen der Gemeinde Zirl entsteht durch die<br />
gemeinsame Bewegung ein Gemeinschaftsgefühl und ein Zusammenhalt.<br />
Wie zum Beispiel im Tenniskindergarten des TC Zirl, wo<br />
bereits die Jüngsten dieses Gemeinschaftsgefühl erleben dürfen.<br />
Im Rahmen dieser Fotostrecke konnten wir nur einen kleinen Teil der Zirler Vereine und Organisationen vorstellen.<br />
Die Marktgemeinde Zirl verfügt über eine Vielzahl weiterer Vereine, welche wir an dieser Stelle gerne erwähnen möchten:<br />
• Alpine Gesellschaft Solstein<br />
• Arbeitskreis Familie und MUKI<br />
• Austrian Vert Skaters (AVS)<br />
• Basketballgruppe Zirl<br />
• Jungbauern Landjugend<br />
• Ortsbauernschaft Zirl<br />
• Zirler Bäuerinnen<br />
• Bergwacht<br />
• Bienenzuchtverein Zirl<br />
• Biogartenverein Zirl<br />
• Chor der Senioren<br />
• Chor Wanja<br />
• Christkindleinzug<br />
• Computer Club Zirl<br />
• Der Cluuuub Zirl<br />
• Dorfgemeinschaft Eigenhofen/Dirschenbach<br />
• Eishockey Hobbygruppe<br />
• Eishockeyclub Gunners Zirl<br />
• Eishockeyverein EC Black Eagles<br />
• Eishockeyverein EC Fragenstein<br />
• Eishockeyverein EC Vikings Zirl<br />
• Eisschützenverein Zirl<br />
• EKIZ Zirl - Eltern Kind Zentrum Zirl<br />
• Elternverein der VS Zirl<br />
• Erwachsenenbildung Zirl<br />
• Faschingsgilde Zirl<br />
• FC Raika Zirl<br />
• Fit4Zirl<br />
• Foto Video Club Zirl<br />
• Fragensteinrosser<br />
• GenerationZ - Generationen Theater Zirl<br />
• Heimat- und Krippenmuseum Zirl<br />
• Hobbykicker Zirl<br />
• Islamische Föderation<br />
• Jugendzentrum JuZe<br />
• Kaiserjäger Zirl<br />
• Kindergarten Sonnensprossen<br />
• Kindergruppe Sonnensprossen<br />
• Kirchenchor Zirl<br />
• Kort.X - Besser lernen durch koordinatives Training<br />
• Krampeler Verein Zirl<br />
• Krippenverein Zirl<br />
• Kulturverein Z(w)irler<br />
• Minigolfclub Nordkette<br />
• MKI - Mobile Kulturinitiative<br />
• Modelleisenbahnklub Zirl<br />
• Museumsverein Zirl<br />
• Musikverein Zirl<br />
• Obst- und Gartenbauverein Zirl<br />
• Organisation Tiroler Landestheater<br />
• Österreichisches Rotes Kreuz<br />
• Pensionistenverband Zirl<br />
• PfadfinderInnen Zirl<br />
• Pfarre Zirl (Jungschar und Ministranten)<br />
• RCC-Zirl (Remote Controllers Club)<br />
• Robin Hood Club<br />
• Schachklub<br />
• Schäferhundeverein Zirl<br />
• Schafzuchtverein Zirl<br />
• Schützengilde Zirl<br />
• Schützenkompanie Zirl<br />
• Schwimmklub Kruder Zirl<br />
• SKITRIZIRL<br />
• Spieleverein Z´samm gspielt<br />
• Taekwondo Team Zirl<br />
• Tamische Damen - Zirler Faschingsfrauen<br />
• Trainerteam Tennisclub Zirl<br />
• Theaterverein Zirl<br />
• Tiroler Seniorenbund<br />
• Tourismusverband Innsbruck und seine Feriendörfer<br />
• Union Eissportklub Zirl<br />
• Union Sportverein Tischtennis<br />
• Verein Alter Traktoren<br />
• Vinzenzgemeinschaft Zirl<br />
• Volkshochschule Zirl<br />
• Volleyball Hobbygruppe<br />
• Volleyballgruppe Zirl<br />
• „Waldkiebitze - Groß und Klein im Einklang mit der<br />
Natur<br />
• Wasserwacht Zirl<br />
• Ziegenzuchtverein Zirler Goasser<br />
• Zirler helfen Zirlern<br />
• Zirler Türggeler<br />
…aber bitte doch nicht bei mir! Die aktuelle Krise zeigt uns, dass<br />
unser bisheriger Weg in Sachen Energiepolitik, aber auch unsere<br />
Vorstellungen von Produktionsketten und Konsum so nicht haltbar<br />
sein werden. Und natürlich ist jeder (der bei Verstand ist) für den<br />
Ausbau von Wind- und Wasserkraft und für den Bau von großflächigen<br />
Photovoltaik- und Solaranlagen. Aber halt bitte nicht in der<br />
Nähe der eigenen Haustür. Der eigene schöne Wald, der wildromantische<br />
Berggipfel des Hausberges und die sonnendurchfluteten<br />
Hänge hinter den eigenen vier Wänden sollen bitte unberührt<br />
bleiben. Windräder und andere Hässlichkeiten soll man bitte im<br />
Osten aufstellen, weil sind wir uns ehrlich, ab Kiefersfelden ist<br />
eh alles nur mehr schiach. Unser schönes Tirol ist ausnahmslos<br />
für so prachtvolle und geschmacklich einwandfreie Bauten wie<br />
Gipfelkreuze, Skilifte, Flying Foxes und Edelweißarchitektur sowie<br />
Chaletdörfer geeignet, oder? Tja, das wird sich halt auf Dauer<br />
nicht spielen. Es ist wie die Katze, die sich in den Schwanz beißt.<br />
Alle wollen immer und überall 5G-Handyempfang haben, aber<br />
keiner will einen Handymasten auch nur im erweiterten Umfeld<br />
des eigenen Wirkungsbereiches wissen. Beides geht halt nicht.<br />
Und sobald sich die Politik mal etwas mehr mit wissenschaftlichen<br />
Fakten als mit nostalgischen Gefühlen auseinandersetzt,<br />
wird sie wohl erkennen (müssen), dass auch für Tirol kein Weg an<br />
der Zukunft vorbeiführen wird, sofern man eben ein Teil dieser<br />
Zukunft sein will. Denn wir wissen alle: „Wer nicht mit der Zeit<br />
geht, der wird mit der Zeit gehen.“<br />
Gabriel<br />
Castañeda<br />
NICHTS MEHR<br />
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www.castaneda.tv
58 tirol.kulturell<br />
tirol.kulturell<br />
59<br />
Tirol im Herbst <strong>2022</strong>:<br />
Ein kleiner Marktführer<br />
Kinder, wie die Zeit vergeht. Das Jahr neigt sich schon wieder dem Ende zu.<br />
Man kramt die Winterbettdecke hervor, packt die Wollsocken und Wollpullover<br />
wieder aus und rüstet das Teeregal auf. Auch Weihnachten steht schon quasi<br />
vor der Tür und man macht sich schon die ersten Gedanken, was man denn heuer<br />
verschenken soll. Wer noch keine Idee hat oder wer sich gerne regional und<br />
saisonal kulinarisch verköstigt, dem sei dieser kleine Auszug aus Tirols reicher<br />
und vielfältiger Marktwelt ans Herz gelegt.<br />
Reutte<br />
Landeck<br />
IMST<br />
Innsbruck<br />
Südtirol<br />
Schwaz<br />
Kufstein<br />
Kitzbühel<br />
Lienz<br />
EMPFOHLEN VON<br />
NATALIE NAGL, MA<br />
Natalie Nagl unterstützt die GemNova<br />
Akademie seit 2021 als Deutschtrainerin<br />
und Lektorin. Sie ist eine Auskennerin<br />
der Tiroler Kulturszene und hat<br />
immer einen Veranstaltungstipp parat.<br />
Kontakt:<br />
n.nagl@gemnova.at<br />
Reutte<br />
Kunstmarkt<br />
Sa, 12. <strong>November</strong> / So, 13. <strong>November</strong>, 10:00 bis<br />
17:00 Uhr, AK Reutte, Foyer<br />
Laien- und Berufskünstler können ihre Werke<br />
wieder kostenlos beim Kunstmarkt präsentieren.<br />
Kunstinteressierte und Sammler haben gleichzeitig<br />
die Gelegenheit, Talente zu entdecken und<br />
vielleicht ein tolles Exponat zu erwerben. Gezeigt<br />
werden Arbeiten der bildenden Kunst aller Art.<br />
Zams<br />
1. Zammer Herbstmarkt<br />
Sa, 22. Oktober, ab 09:00 Uhr, Musikpavillon Zams<br />
Organisiert von „Inser Ladele“ lädt der 1. Zammer<br />
Herbstmarkt zu Speis und Trank – natürlich alles<br />
regional. Neben dem kulinarischen Vergnügen<br />
darf auch einiges an Kunsthandwerk bestaunt<br />
und natürlich auch gekauft werden.<br />
Bozen<br />
Christkindlmarkt<br />
Fr, 25. <strong>November</strong> bis Fr, 6. Jänner, Waltherplatz<br />
Bozen<br />
Die Landeshauptstadt Südtirols zeigt sich zur<br />
Weihnachtszeit wieder von ihrer besten Seite.<br />
Hunderte Lichterketten, der Duft von Zimt und<br />
Lebkuchen in der Luft, regionale Schmankerln und<br />
kreative Erzeugnisse aus der Region schmücken<br />
das Zentrum. Das ein oder andere Weihnachtsgeschenk<br />
findet man bestimmt an einem der<br />
80 Stände.<br />
INNSBRUCK<br />
Christkindlmarkt Hungerburg<br />
Fr, 25. <strong>November</strong> bis Fr, 6. Jänner, Hungerburg<br />
Innsbruck<br />
Markt mit Aussicht gefällig? Dieser Weihnachtsmarkt<br />
besticht nicht nur durch zahlreiche Gaumenfreuden<br />
und weihnachtliche Andenken, es ist<br />
auch der Blick über ganz Innsbruck, der diesen<br />
Markt so besonders macht.<br />
FIEBERBRUNN<br />
Markt Hoangascht<br />
Fr, 21. Oktober (Handwerks-Hoangascht), 18.<br />
<strong>November</strong> (Advent Hoangascht), 16. Dezember<br />
(Weihnachts-Hoangascht), jeweils 10:00 bis 19:00<br />
Uhr, Dorfplatz<br />
Der Schwerpunkt bei allen Hoangaschts liegt<br />
auf dem kulinarischen Angebot, einem vielfältigen<br />
Unterhaltungs- sowie Musikprogramm<br />
und abwechslungsreichen Workshops. Zudem<br />
bekommt jeder Hoangascht sein eigenes Thema.<br />
Freuen darf man sich jedenfalls auf frisches<br />
regionales Obst und Gemüse, Blumen und Gartenpflanzen<br />
sowie Deko- und Nähartikel.<br />
HALL<br />
Herbstfest des Haller Bauernmarktes<br />
Sa, 22. Oktober, 09:00 bis 13:00 Uhr, Oberer<br />
Stadtplatz<br />
Neben dem traditionellen Bauernmarkt gibt es<br />
zahlreiche weitere landwirtschaftliche Produkte<br />
aus der Region samt Einlagerungsaktionen. Der<br />
Biohof Lumperer bietet obendrein noch einen<br />
sehr speziellen Programmpunkt: das große Sauerkraut-Einschneiden.<br />
Für die Kinderbetreuung ist<br />
gesorgt durch das Zwerglparadies NiMa (10:00<br />
– 13:00 Uhr). Musikalisch wird der Markt von<br />
Tanzig und der Jugendgruppe der Schuhplattler<br />
des Trachtenvereins Inntaler Thaur begleitet. Ein<br />
rundes Programm!<br />
BRIXLEGG<br />
Flohmarkt<br />
Mi, 26. Oktober, 07:00 bis 13:00 Uhr, Innkauf<br />
Schon an zahlreichen Terminen konnten sich die<br />
Brixlegger und Flohmarktfans von außerhalb am<br />
bunten Markttreiben erfreuen. Das Tolle beim<br />
Flohmarktln: Man weiß vorher nie, was es Schönes<br />
geben wird und mit was man eventuell nach<br />
Hause kommt. Auf jeden Fall ist es immer einen<br />
Besuch wert und bevor man etwas neu kauft,<br />
findet man es ja vielleicht gebraucht.<br />
LIENZ<br />
Bauern- & Handwerkermarktl<br />
Jeden Donnerstag, 14:30 bis 18:00 Uhr, Tubris-<br />
Zentrum<br />
Dieser Markt erfüllt wirklich jeden Wunsch:<br />
Fichtenhonig, Kräutersalze, Badedüfte, flauschige<br />
Pantoffeln, Erdäpfel, Kürbisse, Mohnkrapfen,<br />
Tirschtlan, Zirbenschnaps, Wacholderbrand, Käse,<br />
Kirschkuchen, Roggenbrot, Speck, Preiselbeermarmelade<br />
und und und. Ein wahres Feuerwerk<br />
an regionalen Produkten – und das wöchentlich!<br />
Imst<br />
Bauern- und Frischemarkt Insrix<br />
Jeden Samstag, 09:00 bis 13:00 Uhr, Pflegezentrum<br />
Gurgltal<br />
Bei diesem Markt gibt es natürlich die Bauernmarkt-Klassiker<br />
Obst, Gemüse oder diverse<br />
Fleischwaren. Aber auch abseits der Klassiker<br />
finden sich regionale Köstlichkeiten wie Honig,<br />
Schnäpse, Marmeladen oder regional hergestellte<br />
Zirben- oder Naturkosmetikprodukte. Guten<br />
Kaffee gibt es im angrenzenden Café Rosengartl.<br />
Vorbeischauen lohnt sich!<br />
SCHWAZ<br />
Schwazer Handwerksmarkt<br />
Mi, 7. Dezember (10:00 bis 20:00 Uhr), Do, 8.<br />
Dezember (14:00 bis 21:00 Uhr), Fr, 16. Dezember<br />
(15:00 bis 21:00 Uhr), Sa, 17. Dezember <strong>2022</strong><br />
(09:00 bis 12:00 Uhr)<br />
Der Schwazer Handwerksmarkt ist ein Geheimtipp<br />
für Liebhaber kreativer Ideen, denn hier gibt<br />
es viele Dinge zu entdecken: Egal ob Kunst aus<br />
Keramik, Holz oder Papier, hier findet man schöne<br />
Einzelstücke. Der Markt findet abwechselnd in der<br />
Innsbruckerstraße, der Franz-Josef-Straße und der<br />
Fuggergasse statt.
„<br />
„Wenn du die Namen der Dinge vergisst, dann<br />
geht das Wesen dieser Dinge verloren.<br />
Die Sprache ist ein Schatz. Wir sprechen, also<br />
sind wir.“<br />
60 tirol.kulturell<br />
tirol.kulturell<br />
Annäherung an<br />
Ezra Pound<br />
VON REINHOLD OBLAK<br />
Wer den lästigen touristischen Trubel in Dorf Tirol bei Meran hinter sich lässt,<br />
nicht zum viel besuchten und noch öfter fotografierten Schloss Tirol hinüber,<br />
sondern zur deutlich ruhigeren Brunnenburg hinuntersteigt, findet sich in einer<br />
völlig anderen Welt. Hier leben Mary und Siegfried de Rachewiltz, die 97-<br />
jährige Tochter und der 75-jährige Enkel des amerikanischen Dichters Ezra<br />
Pound (1885-1972).<br />
Siegfried de Rachewiltz, der Enkel Ezra Pounds,<br />
auf Schloss Tirol. Die Brunnenburg ist nur ein<br />
paar Steinwürfe entfernt. Pound hatte in Südtirol<br />
mit schweren Depressionen zu kämpfen.<br />
(© Frank Wing)<br />
Siegfried de Rachewiltz,<br />
Enkel des amerikanischen Dichters Ezra Pound<br />
61<br />
„Magst ein Glas Wein, einen Vernatsch,<br />
aus eigener Produktion. Ja, es ist ziemlich<br />
dunkel hier, ich mach gleich die Vorhänge<br />
etwas auf, aber ich hab Probleme<br />
mit meinen Augen.“ Wir sitzen im zweiten<br />
Stock der Brunnenburg, den beeindruckenden<br />
privaten Räumlichkeiten, umgeben<br />
von hunderten Büchern, Dokumenten,<br />
Schriftstücken. Ein völlig überladener<br />
Raum mit einer ganz besonderen Atmosphäre,<br />
ganz still, ruhig, als würde die Zeit<br />
stillstehen. Siegfried de Rachewiltz ist hier<br />
zu Hause, seine Eltern sind vor 75 Jahren<br />
auf die damalige Ruine gestoßen, haben<br />
sie erworben, über viele Jahre hinw eg<br />
bewohnbar gemacht. „Zuerst waren wir in<br />
einem Gasthof gleich in der Nähe untergebracht,<br />
eingezogen sind wir dann 1950,<br />
in ein einziges Zimmer. Sehr spartanisch,<br />
heute eigentlich nicht mehr vorstellbar. In<br />
meiner Kindheit hab ich hier mehr Tiere<br />
als Menschen getroffen.“<br />
Mittlerweile ist die Brunnenburg ein<br />
Ort der Begegnung, Konzerte und<br />
Le sun gen finden hier statt. Im unteren<br />
Teil, besonders in den Kellergewölben,<br />
ist ein beeindruckendes landwirtschaftliches<br />
Museum untergebracht, zwei<br />
Räume im Erdgeschoß sind dem Andenken<br />
an Ezra Pound gewidmet, auch<br />
öffentlich zugänglich. „Schau, ich möchte<br />
dir etwas zeigen“, sagt Siegfried plötzlich.<br />
Er steht auf, geht zu einer Vitrine, greift<br />
hinein, legt mir etwas Kleines, Schweres<br />
auf den Tisch. „Als Pound schon hier auf<br />
der Brunnenburg lebte, kam ein Brief von<br />
Hemingway, dem ein Scheck beigelegt<br />
war. Hemingway wollte seinen Freund<br />
finanziell unterstützen. Pound hat damals<br />
gesagt, dieser Scheck darf nur im Paradies<br />
eingelöst werden, er hat ihn dann<br />
zwischen zwei Glasplatten gepresst und<br />
als Briefbeschwerer verwendet.“<br />
Pound und Hemingway<br />
Wenn Siegfried de Rachewiltz über seinen<br />
Großvater spricht, nennt er ihn ausschließlich<br />
Pound. „Als Kind kannte ich Pound<br />
nicht persönlich, nur von Briefen. Als er<br />
dann im Juli 1958 auf die Brunnenburg<br />
kam, davor war er zwölf Jahre im Irrenhaus<br />
in Amerika interniert, hat er unseren<br />
ganzen Rhythmus über den Haufen<br />
geworfen, alles revolutioniert. Am Anfang<br />
war er ein Wirbelwind, gleichzeitig hat er<br />
immer darauf gewartet, dass uns Hemingway<br />
besuchen kommt. Doch dann ist ihm<br />
die Welt auf den Kopf gefallen, er hat aufgehört<br />
zu reden, nur mehr geschwiegen.<br />
Sein Freund Eliot war ja schon lange tot,<br />
dann hat sich 1961 auch noch Hemingway<br />
das Leben genommen.“<br />
Hemingway, der Literaturnobelpreisträger,<br />
und Pound, zehnmal für den Literaturnobelpreis<br />
nominiert, verband trotz ihrer<br />
ziemlich konträren Lebensentwürfe eine<br />
fürwahr interessante<br />
Freundschaft.<br />
Pound, der<br />
vor und während des<br />
Zweiten Weltkrieges unter<br />
anderem in London, Paris, Venedig<br />
oder in Rapollo, südöstlich von Genua,<br />
lebte, sympathisierte von Anfang an mit<br />
Mussolini. So stellte er sich im faschistischen<br />
Italien auch ganz bewusst in den<br />
Dienst anti-amerikanischer und antisemitischer<br />
Propaganda. 1945 von den<br />
Amerikanern in Italien festgenommen,<br />
wurde er – um wegen Landesverrats der<br />
Todesstrafe zu entgehen – für geisteskrank<br />
erklärt und in Washington in eine<br />
entsprechende Heilanstalt eingesperrt.<br />
Insbesondere Hemingway verdankte es<br />
Pound schließlich, dass er 1958 freigelassen<br />
und zu seiner Tochter Mary und<br />
seinem Enkel Siegfried nach Südtirol, in<br />
die Brunnenburg, übersiedeln durfte.<br />
Hier auf der Brunnenburg erkrankt Ezra<br />
Pound dann Anfang der sechziger Jahre<br />
schwer, verliert jeden Lebenswillen, wird<br />
über Monate in der Privatklinik Martinsbrunn<br />
bei Meran behandelt. Vier Jahre<br />
bleibt er insgesamt auf der Brunnenburg.<br />
Dann, im Herbst 1962, zieht er weiter, gegen<br />
Süden, abermals nach Venedig, nach Rapollo.<br />
„Pound hatte tiefe Depressionen, seine<br />
Schaffensader war erloschen. Er hat<br />
sein Leben als gescheitert angesehen, war<br />
der schärfste<br />
Richter gegen<br />
sich selbst, hat sich<br />
sprichwörtlich ins eigene<br />
Inferno begeben. Er wollte<br />
keine Nahrung mehr zu sich nehmen,<br />
wollte sterben. Letztendlich war es meine<br />
Großmutter Olga, die ihn gezwungen<br />
hat, noch zehn Jahre weiterzuleben. Als<br />
lebendes, als personifiziertes Artefakt,<br />
sozusagen.“<br />
Dreiecksbeziehung<br />
Neben der Literatur waren es vor allem<br />
Frauen, die Pounds Leben bestimmten.<br />
So war er seit 1914 offiziell mit<br />
Dorothy Shakespear verheiratet, gleichzeitig<br />
pflegte er seit Anfang der 20er-<br />
Jahre eine intensive, eine lebenslange,<br />
eine immer wichtiger werdende Beziehung<br />
zur Konzertgeigerin Olga Rudge.<br />
Mit ihr hatte er die gemeinsame Tochter<br />
Mary. Rudge war es auch, die Pound<br />
letztendlich zum Weiterleben trieb. Über<br />
Jahre hinweg lebten Pound, Shakespear<br />
und Rudge immer wieder ganz offiziell<br />
unter einem gemeinsamen Dach. Tochter<br />
Mary, geboren im Sommer 1925, wurde<br />
zu einer Pflegefamilie ins Tauferer<br />
Ahrntal gegeben, wuchs dort an einem<br />
Bauernhof auf. Die heute 97-jährige Mary<br />
de Rachewiltz war es auch, die Pounds<br />
berühmtestes Werk, die Cantos, ins Italienische<br />
übersetzte.<br />
„Meine Mutter ist nach wie vor sehr fit,<br />
auch geistig. Sie ist noch immer gut vernetzt,<br />
unterhält viele Freundschaften,<br />
vor allem über das Internet. Sie ist zwar<br />
schwerhörig, liest aber noch immer sehr<br />
viel. Dabei entdeckt sie Texte neu, die sie<br />
seinerzeit selbst geschrieben hat“, erklärt<br />
Siegfried de Rachewiltz. Um in den zweiten<br />
Stock der Brunnenburg zu gelangen,<br />
muss man über eine steile Wendeltreppe<br />
hinaufsteigen. Da kommen schon einige<br />
Stufen zusammen. Mary, Pounds Tochter,<br />
schafft auch das noch.<br />
Mary sitzt am Balkon, ein Zimmer von<br />
uns entfernt. Sie genießt die warme Sonne,<br />
die Aussicht runter nach Meran, ins<br />
Burggrafenamt. Natürlich schreibt sie mir<br />
auch ein paar Worte in ihr Buch, die Diskretionen,<br />
mit roter Tinte. „Rot war die<br />
Lieblingsfarbe Pounds, er hat immer mit<br />
Rot geschrieben.“<br />
Die Sprache ist ein Schatz<br />
„Wenn du die Namen der Dinge vergisst,<br />
dann geht das Wesen dieser Dinge verloren.<br />
Die Sprache ist ein Schatz. Wir sprechen,<br />
also sind wir.“ Siegfried de Rachewiltz<br />
erinnert sich nicht nur an Pound, der<br />
Ethnologe und Kulturhistoriker hat auf der<br />
Brunnenburg auch ein beeindruckendes<br />
Museum aufgebaut. Unzählige alte landwirtschaftliche<br />
Geräte sind hier ausgestellt,<br />
aus den unterschiedlichsten Talschaften<br />
Südtirols. Eine Art Arche Noah<br />
für all diese alten, nicht mehr gebrauchten<br />
Arbeitsgeräte. „Die alten Stadel wurden<br />
abgerissen, dafür entstanden Pensionen,<br />
Hotels. Der Tourismus brachte viele Menschen<br />
in die Gegend, dafür wurden Betten<br />
gebraucht. All die alten Häuser meiner<br />
Kindheit gibt es schon lange nicht mehr,<br />
hier im Dorf Tirol.“<br />
Doch nochmals zurück zu Ezra Pound. Seit<br />
einiger Zeit schon bearbeitet Siegfried<br />
die Korrespondenz von Pound mit seiner<br />
Tochter Mary. Ein mühsames, gleichsam<br />
spannendes, interessantes Unterfangen.<br />
Eine Familiengeschichte der ganz besonderen<br />
Art. Vier Generationen der Rachewiltz<br />
leben mittlerweile auf der Brunnenburg:<br />
Mary, Siegfried, seine beiden Söhne,<br />
deren Kinder. Pound ist natürlich ebenfalls<br />
anwesend – in Form seiner Bücher, seiner<br />
Briefwechsel, der bemerkenswerten<br />
Skulptur im Eingangsbereich, der beiden<br />
Pound-Räume mit vielen persönlichen<br />
Gegenständen. Außerdem befindet sich<br />
hier das „Ezra Pound Literaturzentrum“,<br />
immer wieder von Menschen aus der ganzen<br />
Welt besucht. Sollten auch Sie mal auf<br />
der Brunnenburg vorbeischauen wollen,<br />
vorab die Adresse: Dorf Tirol, Ezra-Pound-<br />
Straße 3.
62 tirol.kulturell<br />
tirol.kulturell<br />
63<br />
Empfehlungen für<br />
den Bücherherbst<br />
Hodder and Stoughton, 2020<br />
10,80 Euro<br />
Rita Hayworth<br />
and Shawshank<br />
Redemption<br />
(dt. Fassung: Die Verurteilten)<br />
Stephen King<br />
Als Andy Dufresne Ende der 1940er ins Shawshank-<br />
Gefängnis gebracht wird, zeichnet sich schnell ab,<br />
dass sein weiteres Leben wohl eher unlustig wird. Ob<br />
schuldig oder nicht, wird nicht hinterfragt, physische<br />
und psychische Tortur stehen an der Tagesordnung.<br />
Dass Andy seinen Weg in Shawshank findet, liegt<br />
auch an seiner Freundschaft zur erzählenden Figur<br />
„Red“ und seinem Finanztalent.<br />
Der Storyteller: Geschichten<br />
aus dem Leben und der Musik<br />
Dave Grohl<br />
Die Bands Dain Bramage und Scream werden wohl den wenigsten bekannt sein. Vielleicht<br />
aber Them Crooked Vultures oder Queens of the Stone Age? Nirvana und Foo<br />
Fighters wohl sicherlich. Alle haben eines gemeinsam: Dave Grohl spielte in all diesen<br />
Bands.<br />
Dave erzählt wahnsinnig gerne Geschichten. Vor allem darüber, wie die Musik sein<br />
Leben beeinflusst und sein Leben Einfluss auf seine Musik nimmt. Der Verlust von<br />
Mitmenschen, die Liebe zu seiner Mutter und seinen Töchtern sowie überraschende<br />
Bekanntschaften sind ständig präsent und formen den Menschen, aber auch den<br />
Musiker Dave Grohl.<br />
Er nimmt uns mit auf die einzigartige Reise seines einzigartigen Lebens. Den roten<br />
Faden sucht man in seiner Biografie vergebens – den sucht er in seinem Leben vermutlich<br />
selbst schon lange nicht mehr. Man muss selbst kein Freund des Rocks sein,<br />
um seine Geschichten voller wahnwitziger Absurditäten und ergreifender Momente<br />
aufzusaugen.<br />
EMPFOHLEN VON<br />
MAG. MICHAEL<br />
MAURER, MA<br />
Michael Maurer ist in der GemNova<br />
Akademie als Deutschtrainer tätig und<br />
für Weiterbildungen und Qualitätsentwicklung<br />
verantwortlich.<br />
Kontakt: m.maurer@gemnova.at<br />
Anders als in Stephen Kings bekannten Horrorgeschichten<br />
präsentiert sich diese spannende Novelle<br />
weniger erschaudernd, trotzdem bietet sie durchgehend<br />
Spannung. Eine Achterbahn aus Hoffnung, Isolation,<br />
Rache und Vertrauen begleitet Andy Dufresne<br />
in seiner jahrzehntelangen Haft, dessen Geschichte<br />
eines der eindrucksvollsten Enden der Literaturhistorie<br />
nimmt.<br />
Ullstein, 2021<br />
22,99 Euro
64 tirol.kulturell tirol.kulturell<br />
65<br />
Der Report<br />
der Magd<br />
Margaret Atwood<br />
In Margaret Atwoods Dystopie steht eine junge Frau<br />
im Mittelpunkt, die in der nahen Zukunft Wege sucht,<br />
um aus ihrem Alptraum zu entkommen. Inmitten der<br />
Vereinigten Staaten ist die theokratische Diktatur<br />
Gilead entstanden, die es sich zur Aufgabe gemacht<br />
hat, Frauen zur Fortpflanzung zu halten, um so den<br />
Fortbestand der Menschheit zu garantieren. Die dort<br />
herrschenden Männer und ihre Ehefrauen sind aufgrund<br />
nicht näher beschriebener Geschehnisse dazu<br />
nicht mehr selbst imstande. Unsere Protagonistin<br />
wird im Laufe des Romans immer mehr zur Heldin,<br />
die gegen ein totalitäres Regime und all seine<br />
Ungerechtigkeit ankämpft.<br />
Margaret Atwoods Roman ist wohl eines der wichtigsten<br />
Werke der Gegenwartsliteratur. Die erschreckend<br />
realistische Geschichte geht unter die Haut und<br />
zeigt aufgrund ihrer Aktualität, wie wichtig heute<br />
gelebter Feminismus ist.<br />
PIPER, 2020<br />
12,00 Euro<br />
Herrn Kukas<br />
Empfehlungen<br />
Radek Knapp<br />
Gott bewahre<br />
John Niven<br />
PIPER, 2001<br />
11,00 Euro<br />
Waldemar ist verwirrt. Hat er doch den Rat seines Nachbarn<br />
Herrn Kukas befolgt und ist von seiner Heimat Polen nach Wien<br />
übersiedelt. Doch dort ist alles anders, als ihm Herrn Kuka<br />
erzählt hatte. Waldemar muss sich nun mit dem Aufeinandertreffen<br />
zweier unterschiedlicher Kulturen arrangieren, um in<br />
seinem neuen Leben im Westen einigermaßen über die Runden<br />
zu kommen. Waldemar erlebt im Westen so einiges und tappt<br />
in so ziemlich jede Falle, die sich auftut – seine Mitbewohner,<br />
Vermieterin und Arbeitgeber tragen ihres dazu bei.<br />
Radek Knapp spielt in seinem Roman mit allerhand Klischees<br />
und Stereotypen. Mit viel hintergründigem Humor und Ironie<br />
werden Vorurteile sichtbar gemacht, die sich im Laufe von Waldemars<br />
Reifungsprozess aufzulösen scheinen. Knapp, der Ähnliches<br />
selbst erlebte, bringt uns in der Ich-Erzählung mit dem<br />
Eintauchen seines Protagonisten in eine neue, konträre Kultur<br />
auf liebevolle Art zum Schmunzeln.<br />
Heyne, 2011<br />
11,90 Euro<br />
Gott muss nach seinem Urlaub erkennen, dass die Welt den Bach hinunter geht. Die<br />
Menschheit hat es einfach verbockt. Er ergreift die wohl letzte Chance zur Rettung,<br />
indem er seinen Sohn zurück auf die Erde schickt. JC – der gitarrenspielende, rauchende,<br />
offenherzige Sprössling – soll nun seine wichtigste Botschaft „Seid lieb!“ verbreiten. Ein<br />
schwieriges Unterfangen, da die Menschheit nicht wirklich bereit zu sein scheint. Um<br />
sie dennoch zu erreichen und seine Message zu vermitteln, bleibt JC nur noch eines<br />
übrig: die Teilnahme an einer Musik-Castingshow.<br />
Gott bewahre (engl. The Second Coming) ist John Nivens satirische Abrechnung mit<br />
Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Kapitalismus und religiösem Fanatismus. In seiner<br />
bekannt derben Sprache führt uns Niven knallhart die Probleme unserer Gesellschaft<br />
vor Augen, trifft dabei trotz alledem unsere humanistischen Herzen: Seid lieb!
Innovative Hygiene.<br />
tirol.denkt weiter<br />
67<br />
VERNETZTE DESINFEKTION & HYGIENE<br />
Schon Gehört?<br />
im Waschraum<br />
fürs Gebäude<br />
„Wir alle sind Gemeinde – Der Kommunalpodcast“ versteht sich als Fundgrube an kommunalen Informationen und als<br />
Wissensvermittlung in Richtung Gemeinden. In diesem politisch unabhängigen Podcast beschäftigt sich Gastgeber Alois<br />
Rathgeb gemeinsam mit seinen Gästen mit den großen und kleinen Herausforderungen der Gemeinden. Zwei dieser Herausforderungen,<br />
vor allem mit Blick auf aktuelle geopolitische Entwicklungen, sind die Mobilitäts- und die Energiewende.<br />
In diesen zwei Episoden hören Sie, wie Experten die Lage einschätzen und welche Lösungen schon heute zur Verfügung<br />
stehen.<br />
Digitale Spenderdaten<br />
bringen 25 % weniger<br />
Serviceaufwand<br />
und 30 % mehr<br />
Kundenzufriedenheit.<br />
Sorgenfrei-sauberes<br />
Geschirr, 24/7/365<br />
mit einer App.<br />
Reinigungslösungen sowie<br />
VAH-gelistete Desinfektionsmittel<br />
exakt dosieren und<br />
Ressourcen dank digitaler<br />
Auswertbarkeit punktgenau<br />
einsetzen.<br />
Mit einer Dosieranlage<br />
bis zu vier Waschmaschinen<br />
versorgen.<br />
Kommunale E-Mobilität mit Gerhard Dummeldinger<br />
E-Mobilität und Carsharing sind ein fixer Bestandteil der<br />
Mobilitätswende und moderne Gemeinden sind starke<br />
Treiber dieser Entwicklung. Alois Rathgeb und Gerhard<br />
Dummeldinger (Bereichsleiter floMOBIL, Stadtwerke<br />
Wörgl) sprechen darüber, wie ein E-Carsharing-Konzept<br />
funktioniert, wie dieses in einer Gemeinde umgesetzt<br />
werden kann und welche Vorteile es für Gemeinden und<br />
Nutzer*innen bringen kann.<br />
Qr-COde zur episOde:<br />
Erneuerbare Energiegemeinschaften (EEG) mit<br />
Lukas Giner & Thomas Vogel<br />
Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaket (EAG-Paket)<br />
wurde am 07.07.2021 im österreichischen Nationalrat<br />
mit dem Ziel beschlossen, die Stromversorgung des<br />
Landes bis 2030 auf 100 Prozent Strom (bilanziell)<br />
aus erneuerbaren Energieträgern umzustellen und bis<br />
2040 die Klimaneutralität zu erreichen. Nicht zuletzt<br />
aufgrund aktueller Entwicklungen am Energiemarkt<br />
sind deshalb EEG‘s eine Möglichkeit zur Energieautarkie<br />
im kommunalen Umfeld. Im Podcast erklären Thomas<br />
Vogel und Lukas Giner die gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />
und zeigen, welche Möglichkeiten es zur<br />
Gründung einer EEG gibt.<br />
in der Küche<br />
für die Wäsche<br />
DIGITALISIERUNG SCHAFFT<br />
EFFIZIENZ UND NACHHALTIGKEIT<br />
Qr-COde zur episOde:<br />
Thomas Vogel (Energie Tirol) und Lukas Giner (IKB) sprechen<br />
mit Alois Rathgeb darüber, was bei der Gründung einer<br />
Erneuerbaren Energiegemeinschaft zu beachten ist.<br />
(© GemNova)<br />
www.hagleitner.com
68 tirol.denkt weiter tirol.denkt weiter<br />
69<br />
die TirOler Gemeinden<br />
bekOmmen Unterstützung im<br />
bereich Kreislaufwirtschaft<br />
noamal Stakeholder-Workshop<br />
(© Klickfisch)<br />
Die Produkte, die wir besitzen, bereiten<br />
uns viel Freude. Leider hinterlassen sie<br />
aber einen großen Fußabdruck in unserer<br />
Umwelt. Durch Wiederverwendung<br />
und Weiterverwendung können wir an<br />
unseren Dingen länger Freude haben<br />
und anderen eine Freude machen.<br />
Re-Use, also die Wiederverwendung, wird<br />
als eine zentrale Säule der Wirtschaft von<br />
morgen angesehen. Dabei steckt viel mehr<br />
hinter dem Begriff, als man<br />
vielleicht denkt. Um dieser<br />
nachhaltigen Zukunft den<br />
Weg zu bereiten, hat sich<br />
die ATM (Abfallwirtschaft<br />
Tirol Mitte) mit den Projektpartnern<br />
IKB und Stadt<br />
Innsbruck zusammengetan<br />
und das Netzwerk „noamol“<br />
gegründet. Dabei wird eng<br />
mit Partnern aus der Sozialwirtschaft<br />
gearbeitet und<br />
das Land Tirol fördert das<br />
Unterfangen. Mit dem Netzwerk<br />
„noamol“ steht den<br />
Gemeinden eine Anlaufstelle<br />
für Reparatur, Wiederverwendung<br />
und Upcycling zur Seite.<br />
Beratungen, Projekte und<br />
Vernetzungsaktivitäten können<br />
über „noamol“ professionell<br />
abgewickelt werden. Ziel<br />
ist es, die Kreislaufwirtschaft<br />
in Tirol, unter Einbindung von<br />
regionalen sozialen Initiativen,<br />
zu fördern. So bleibt in<br />
der Wirtschaft von morgen<br />
niemand zurück.<br />
Oft werden die Endverbraucher<br />
und auch die Gemeinden<br />
in der Kreislaufwirtschaft<br />
nicht mitgedacht.<br />
„Noamol“ findet Lösungen,<br />
um sowohl betriebliche als auch kommunale<br />
Agenden umzusetzen. Hierbei spielt die Vernetzung<br />
zwischen Akteuren und Akteurinnen<br />
und die Ermöglichung von lokalen Aktionen<br />
eine wichtige Rolle. Schlussendlich werden<br />
Arbeitsplätze geschaffen und so die regionale<br />
Wertschöpfung gesteigert, während<br />
der Ressourcenverbrauch in den Regionen<br />
verringert wird.<br />
Willst du geben oder nehmen?<br />
Die kostenfreie Plattform für Akteure und<br />
Akteurinnen im Themenfeld Kreislaufwirtschaft<br />
bietet die Möglichkeit, Initiativen zu<br />
bewerben und Events wie Repair Cafés<br />
und Umweltfeste online zu veröffentlichen.<br />
Zusätzlich bietet sich die Plattform zur Vernetzung<br />
an. Ziel ist es, für die Bevölkerung<br />
ein Informationsportal zu errichten, das alle<br />
wichtigen Informationen zum Themenfeld<br />
beinhaltet.<br />
Alle, die sich für eine Entwicklung in Richtung<br />
Kreislaufwirtschaft interessieren, haben die<br />
Möglichkeit, die Plattform als Informationsportal<br />
zu nutzen. Nach dem Motto „Willst du<br />
geben oder willst du nehmen?“ können die<br />
gesuchten Akteure und Akteurinnen von allen<br />
gefunden werden.<br />
Ein Sammelsystem für Re-Use:<br />
Pilotphase<br />
In den ersten Gemeinden Tirols wird mit<br />
Herbst <strong>2022</strong> die Tiroler Re-Use Box (noamol-Box)<br />
eingeführt. An den Gemeinderecyclinghöfen<br />
gibt es die Möglichkeit die Kartons<br />
mitzunehmen. Diese können dann zuhause<br />
oder direkt vor Ort mit Gegenständen, die in<br />
gutem Zustand sind, gefüllt und an den Recyclinghöfen<br />
wieder zurückgegeben werden.<br />
In Kooperation mit unseren Sozialpartnern<br />
WAMS, Lebenshilfe Tirol und Ho & Ruck werden<br />
die Sachspenden zur Wiederverwendung<br />
vorbereitet und in den Partnerfilialen in Tirol<br />
zu leistbaren Preisen zum Verkauf angeboten.<br />
Das System soll die Sammlung von<br />
funktionstüchtigen Gegenständen, die ihren<br />
Nutzen im Haushalt verloren haben, ermöglichen.<br />
Gesammelt wird Hausrat jeder Art<br />
wie Dekorationsgegenstände, Geschirr oder<br />
auch Werkzeug. Es sind aber auch Freizeitgegenstände<br />
wie Sportartikel, Bücher oder<br />
Spielzeug gern gesehen. Ab Herbst 2023<br />
sollen alle Gemeinden in Tirol die Möglichkeit<br />
haben, über noamol eine Re-Use Box<br />
einzuführen.<br />
Spaß an Nachhaltigkeit<br />
Nachhaltigkeit kann Spaß machen. Die Kreislaufwirtschaft<br />
bietet viele kreative und soziale<br />
Ansätze, die in der Umsetzung die Gemeinschaft<br />
stärken und gerne angenommen<br />
werden. Events wie Repair Cafés und Kleidertauschmärkte<br />
haben sich in Tirol schon<br />
lange etabliert. Gemeinsam mit Partnern<br />
aus dem Bereich können Gemeinden das<br />
Bewusstsein für einen nachhaltigen Umgang<br />
mit Ressourcen stärken.<br />
ZUM AUTOR<br />
MAG. LUKAS BODNER<br />
Beauftragt von der ATM, der IKB und<br />
der Stadt Innsbruck ist Lukas Bodner<br />
der Leiter des Re-Use Netzwerkes<br />
„noamol“ und Ansprechpartner für<br />
alle Belangen zum Thema Kreislaufwirtschaft.
70 tirol.wissen tirol.wissen 71<br />
Wasser hat<br />
viele Gesichter<br />
im Defereggental<br />
Kaum jemand macht sich Gedanken über das Wasser, wenn er oder sie den Wasserhahn<br />
aufdreht. Wir verwenden es zum Trinken, Waschen, Verdünnen oder zum<br />
Bewässern. Dabei ist Wasser die Grundlage des Lebens. Es ist ein Lebensmittel,<br />
eines, das mit am strengsten kontrolliert wird. Und dennoch ist Wasser nicht<br />
gleich Wasser.<br />
VON JAN SCHÄFER<br />
Im Deferegger Heilwasserhaus sind u. a. Aufnahmen<br />
der unterschiedlichen Gesteinsschichten auf dem<br />
Weg zum Ursprung der Quelle zu sehen<br />
(© Deferegger Heilwasserhaus)<br />
Ein wahres Wasserparadies ist das Defereggental<br />
in Osttirol. Von überall fließt<br />
Wasser – tosend, sprudelnd oder sanft<br />
gluckernd von den höchsten Gipfeln in<br />
die vielen Seitentäler, um sich schließlich<br />
in der das Defereggental durchfließenden<br />
Schwarzach zu vereinen. Mal schmeckt es<br />
leicht bitter, mal süßlich oder mineralisch.<br />
Hinzu kommen zahlreiche unterirdische<br />
Quellen. Eine ganz ungewöhnliche, vielleicht<br />
die einzige ihrer Art weltweit, liegt<br />
in St. Jakob. Sie befindet sich in gut 1.850<br />
m Tiefe und ist ein wahrer Schatz. Die<br />
Quelle stammt noch aus den Zeiten des<br />
Urmeeres und ist rund eine Million Jahre<br />
alt. Entdeckt wurde sie 2004 im Rahmen<br />
einer Geothermie-Bohrung.<br />
Heilende Kräfte des Urmeeres<br />
Das komplett abgeschirmte Wasser überraschte<br />
durch seinen hohen Gehalt an<br />
unterschiedlichen Mineralstoffen und<br />
einem Salzgehalt, der höher ist als bei<br />
Meerwasser. Zudem weist es in der Tiefe<br />
eine Temperatur von ca. 65 Grad auf.<br />
Lediglich rund 500 Liter können pro Tag<br />
gefördert werden. Aufgrund der geringen<br />
Schüttung und der einzigartigen Zusammensetzung<br />
ist die Quelle besonders<br />
kostbar. Die vielseitige heilende Wirkung<br />
des Deferegger Heilwassers wurde durch<br />
die jahrelange Anwendung in der Ordination<br />
von Dr. Widemair nachgewiesen.<br />
2011 wurde die Quelle vom Land Tirol und<br />
dem Bezirk Lienz offiziell als „Jodhaltige<br />
Natrium-Chlorid-Sole-Therme“ anerkannt.<br />
Beide betreiben gemeinsam mit den drei<br />
Deferegger Gemeinden St. Jakob, St. Veit<br />
und Hopfgarten sowie etlichen regionalen<br />
Firmen das Unternehmen „Deferegger<br />
Heilwasser“. Das Wasser ist absolut<br />
keimfrei, antibakteriell, antiviral<br />
und wirksam gegen Pilze.<br />
Durch seine heilende Wirkung<br />
kann es bei Hautirritationen<br />
und -erkrankungen oder bei<br />
entzündlichen Erkrankungen<br />
der Gelenke helfen. Auch bei<br />
der Heilung von Entzündungen<br />
der Nasennebenhöhlen und<br />
Bronchien kann es unterstützen.<br />
Im Bereich der Naturkosmetik,<br />
z. B. in pflegenden Hautcremes,<br />
findet das Heilwasser<br />
ebenso Anwendung.<br />
Aus der Quelle direkt in die Flasche<br />
Nur knapp 15 km von St. Jakob entfernt<br />
befindet sich bei Hopfgarten eine weitere<br />
Quelle, deren Wasser von anderer Güte, aber<br />
ebenso besonderer Qualität ist. Es zeichnet<br />
sich im Gegensatz zum Heilwasser durch<br />
niedrige Mineralisierung, aber einzigartige<br />
Reinheit aus. Das Wasser entspringt der<br />
Romisquelle am Fuße des geologischen Mittelpunkts<br />
Osttirols, dem Firstkogel. Schon in<br />
den 1970er-Jahren wurde das Wasser zur<br />
Herstellung von Getränken genutzt. Doch so<br />
richtig Fahrt nahm die Abfüllung des Quellwassers<br />
erst nach einer Klausurtagung<br />
Für Braumeister Bastian Stolz macht die Reinheit<br />
des Wassers der Romisquelle das Geigenseer Bier<br />
unverwechselbar. (© Andreas Wimmer)<br />
von drei Osttiroler Unternehmern auf. 2013<br />
beschlossen sie, die veraltete Abfüllanlage<br />
neu zu errichten. Den drei Osttirolern war<br />
die ausgezeichnete Qualität des Quellwassers<br />
und die ursprüngliche Natur rund um<br />
den Abfüllstandort natürlich bewusst. Daher<br />
sollten Werte wie Nachhaltigkeit, Heimat<br />
und Ressourcenschonung die geplanten<br />
Getränkemarken zusätzlich unterstreichen.<br />
„Das Besondere an der Romisquelle ist,<br />
dass es eigentlich drei Quellen sind: Romis<br />
I, II und III. Außerdem fließt es von selbst<br />
– artesisch – mit vier Litern pro Sekunde<br />
das ganze Jahr über aus dem Berg und hat<br />
dabei nur 6,9 Grad. Daher kommen wir ohne<br />
technische Hilfe wie Pumpen aus. Das Wasser<br />
wird also direkt aus dem Berg in die<br />
Flaschen abgefüllt und erwärmt sich dabei<br />
nur leicht auf gerade mal 7,5 Grad“, erklärt<br />
Michael Gamper, einer der drei Geschäftsführer<br />
der »Getränkewelt«, die auch Eigentümerin<br />
der Quellen ist.<br />
Aus der Romisquelle, die eigentlich aus drei Quellen<br />
besteht, fließt das Wasser für Erfrischungsgetränke,<br />
Mineralwasser und Bier. (© Andreas Wimmer)<br />
Frei von Mikroplastik<br />
Das Quellwasser wird streng kontrolliert,<br />
jedes Jahr wird die hervorragende Qualität<br />
aufs Neue bestätigt. Das Wasser besticht<br />
durch seine Reinheit und ist frei von jeglichem<br />
Mikroplastik. Das sind beste Voraussetzungen,<br />
um als »Romisquelle Quellwasser«<br />
oder als »Rothirsch Limonaden«<br />
abgefüllt zu werden. Aufgrund der Qualität<br />
entschloss man sich 2021 auch ein eigenes<br />
Osttiroler Bier zu brauen – das Geigenseer,<br />
benannt nach dem Geigensee im Einzugsgebiet<br />
der Romisquelle. Wie man das Wasser<br />
aus dem Defereggental auch verwenden<br />
mag, ob äußerlich zur Heilung oder innerlich<br />
zur Erfrischung, zwischen Hochgall und<br />
Regenstein befindet sich ein kostbarer<br />
Schatz, den es zu schützen und schätzen<br />
gilt.
72 tirol.wissen<br />
tirol.wissen<br />
EIN FROSCH<br />
Die Wassermelone besteht zu<br />
97 % aus Wasser und ist somit<br />
die Frucht mit dem höchsten<br />
Wasseranteil.<br />
73<br />
ERFORSCHT<br />
Wassererbe Tirol<br />
ZUR AUTORIN<br />
DIPL.-SOZ.PÄD.<br />
KATHRIN MALINA<br />
Kathrin Malina hat 2016 als<br />
Sprachtrainerin bei der GemNova<br />
begonnen. Seit 2019 ist sie im<br />
GemNova Bildungspool für die Koordination<br />
der Schulassistent*innen und<br />
Freizeitpädagog*innen im Tiroler Unterland<br />
zuständig.<br />
Kontakt: k.malina@gemnova.at<br />
DAS WASSER<br />
Professor Quakimus ist ein Frosch ohne Teich – und die<br />
Hauptfigur der Geschichten und Experimente im „Abenteuer<br />
Express – Unser Wasserschatz“, eine Materialsammlung für<br />
die schulische Nachmittagsbetreuung. Gemeinsam mit ihm<br />
begeben sich im neuen Schuljahr die Schüler*innen auf eine<br />
spannende Reise zur Erforschung des Wassers.<br />
Um die von der Lebensraum Tirol Holding<br />
in Auftrag gegebene Materialsammlung<br />
mit Leben zu füllen, war eine Gruppe von<br />
Freizeitpädagog*innen der GemNova auch<br />
in den Ferien kreativ: Es wurde gebastelt,<br />
gemalt, ausprobiert und so entstanden viele<br />
Materialien für die Gestaltung der Nachmittagsbetreuung.<br />
Im Mittelpunkt des Projekts<br />
steht das Wasser in all seinen Erscheinungsformen,<br />
seinen Eigenschaften und Vorkommen.<br />
Es geht um Wasser in der Natur,<br />
Wasser als Kulturgut und wichtige Basis für<br />
unsere Gesundheit und schließlich auch um<br />
unseren Wasserverbrauch. Denn wir dürfen<br />
nicht vergessen: Ohne diese Ressource ist<br />
kein Leben möglich und doch vergessen wir<br />
manchmal, wie kostbar sie ist. Mit diesem<br />
Abenteuer Express soll das Bewusstsein<br />
der Kinder und Jugendlichen für den Wert<br />
des Wasserschatzes, vor allem hier in Tirol,<br />
gestärkt werden! Wasser kann man sehen,<br />
fühlen, riechen, schmecken und hören – mit<br />
130 Liter täglicher<br />
Wasserverbrauch in<br />
Österreich pro Person<br />
allen Sinnen sollen die Schüler*innen die<br />
Einzigartigkeit des Wassers erleben und so<br />
zu einem nachhaltigen Umgang motiviert<br />
werden.<br />
In der Materialsammlung finden sich dazu<br />
spielerische Übungen und Aufgaben ebenso<br />
wie spannende Experimente, Rezepte zum<br />
Nachkreieren und für die Kleineren Mal- und<br />
Bastelvorlagen. Auch die Feldforschung darf<br />
nicht zu kurz kommen, weshalb auch einige<br />
Exkursionspläne in der Sammlung zu finden<br />
sind. Viele der Materialien und Vorlagen<br />
stehen über QR-Codes online und jederzeit<br />
zum Download zur Verfügung.<br />
Bevor es aber an die konkrete Umsetzung<br />
der Aufgaben in den Schulen geht, werden<br />
die Pädagog*innen in einem Vorbereitungskurs<br />
zum Thema Trinkwasser sensibilisiert<br />
und zur Verwendung der Materialien<br />
geschult.<br />
Besonders in diesem Sommer<br />
<strong>2022</strong> war es auffällig, wie oft in<br />
den Medien die Rede war von großen<br />
Dürren, von ausgetrockneten<br />
Bachbetten und Flussläufen sowie<br />
sinkenden Grundwasserspiegeln.<br />
Wer im Süden, etwa in Italien oder<br />
Kroatien, den Urlaub verbracht hat,<br />
konnte diese Phänomene mit eigenen<br />
Augen sehen. Der Po in Italien<br />
führte stellenweise kein Wasser<br />
mehr, ein Riesenschaden für Italiens<br />
Landwirtschaft, man geht von<br />
rund 3 Milliarden € aus. Die Folgen<br />
der Wasserknappheit ziehen<br />
weite Kreise und die Knappheit<br />
selbst hat vielfältige Ursachen,<br />
unter anderem die Klimakrise und<br />
der steigende Wasserverbrauch.<br />
Auch hierzulande dürfen wir uns<br />
bei der Nase nehmen ob unseres<br />
steigenden Verbrauchs. Tirol hat<br />
aber derweil noch nicht mit Wasserknappheit<br />
zu kämpfen, zählt<br />
unser Bundesland mit seinen über<br />
10.000 Quellen und Brunnen doch<br />
zu einem der Wasserschlösser<br />
Europas. Damit das auch so bleibt,<br />
arbeitet die Lebensraum Tirol Holding,<br />
zusammen mit dem Land<br />
Tirol, der GemNova und vielen<br />
Partnern, unter dem Programmtitel<br />
„Wassererbe Tirol“ an zahlreichen<br />
Initiativen zur Aufklärung<br />
und Bewusstseinsbildung. Für die<br />
Jüngsten unter uns wurde der<br />
„Abenteuer Express – Unser Wasserschatz“<br />
gestaltet. Man kann<br />
nicht früh genug lernen, mit unserem<br />
wertvollen Trinkwasser einen<br />
bewussten Umgang zu finden.
Das erste Aquädukt<br />
Roms hieß Aqua<br />
Appia, es wurde 312 v.<br />
Chr. gebaut.<br />
92 SEITEN SPIEL,<br />
SPASS UND LERNEN<br />
Chr. gebaut.<br />
92 SEITEN SPIEL,<br />
Zum Beispiel mit Malvorlagen, passend zu den einzelnen<br />
Themen. Hier kann Quakimus auf seinem Weg ins Weltall<br />
ausgemalt werden. Er geht dort der Frage nach, woher<br />
das ganze Wasser auf der Erde denn überhaupt kommt.<br />
Vielleicht von Kometen?<br />
GemNova.inside<br />
75<br />
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76 tirol.sportlich und gesund tirol.sportlich und gesund<br />
77<br />
Der Nabel der Bergwelt<br />
Woran denken Sie, wenn von St. Anton am Arlberg die Rede ist? An den „Weißen Rausch“ und Hannes Schneider? An die<br />
vermeintliche Wiege des Skifahrens? An die entbehrlichen Auswüchse des Skitourismus? Oder – sofern Sie alpinistisch<br />
interessiert sind – vielleicht doch an das Filmfest St. Anton? Lesen Sie einfach weiter.<br />
VON REINHOLD OBLAK<br />
„Kurt Diemberger war schon 1999 bei uns.<br />
Sein Film über den Peuterey-Grat, insbesondere<br />
auch über den K2, war großartig.<br />
Noch früher war Lothar Brandler bei uns,<br />
dann auch Gerhard Baur. Großartige Kletterer,<br />
Alpinisten und Pioniere des Bergfilms.<br />
Diese Leute haben den Bergfilm nach dem<br />
Krieg wieder zum Leben erweckt.“ Wenn<br />
sich Manfred Pascher an die Anfänge des<br />
Filmfests St. Anton zurückerinnert, kommt<br />
er fast ins Schwärmen.<br />
Angefangen hat das Ganze in den frühen<br />
90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die<br />
Idee zum Bergfilmfestival kam von Stefan<br />
König, der ja selbst als Autor, Filmemacher<br />
und Bergexperte tätig ist. Ge- meinsam<br />
mit dem damaligen Tourismusdirektor<br />
Heinrich Wagner<br />
hob er schließlich<br />
Freeriden im Angesicht des Patteriols.<br />
Wer spektakuläre Aufnahmen sehen will,<br />
sollte das Filmfest St. Anton besuchen.<br />
(© Daniel Bear)<br />
1995 das Filmfest St. Anton aus der Taufe<br />
und leitete es satte 18 Jahre lang. Im Ort gab<br />
es ein kleines Kino, dort wurden anfangs vor<br />
allem die alten Fernsehfilme von Luis Trenker<br />
oder Arnold Fanck gezeigt. 180 Leute<br />
hatten damals im Vallugasaal Platz, doch<br />
nachdem das Filmfest eine ganze Woche<br />
lang dauerte, blieben viele Plätze oftmals<br />
leer.<br />
Schnee von gestern<br />
Manfred Pascher kommt aus Innsbruck und<br />
hat die Begeisterung für Filme im Blut. Vor<br />
mittlerweile 25 Jahren, also 1997, heuerte er<br />
beim Filmfest St. Anton an. Seit 10 Jahren<br />
zeichnet er für das Programm verantwortlich,<br />
folgte auch Stefan König als Kopf des<br />
Festivals nach. Gut, so ganz reibungslos<br />
funktionierte<br />
damals der Übergang nicht, wie sich einige<br />
in St. Anton noch erinnern. König hätte<br />
einfach gerne seine Tochter Kathrin als<br />
Nachfolgerin gesehen, als junges, frisches<br />
Gesicht, als Zeichen einer neuen Generation<br />
des Filmfestivals. Doch das ist<br />
Schnee von gestern, mittlerweile<br />
ist wohl genügend Gras über die<br />
seinerzeitigen Unstimmigkeiten gewachsen.<br />
Sagt zumindest Manfred<br />
Pascher.<br />
Die eigentliche Zäsur erfolgte erst später,<br />
nämlich in den Jahren um 2000. Damals<br />
begann das digitale Zeitalter für den Film.<br />
In dieser Zeit haben insbesondere Freerider<br />
und Kletterer begonnen, eigene Filme<br />
zu drehen. Durch die Digitalisierung war<br />
das um Welten günstiger, auch technisch<br />
einfacher. Damit ist ein kleiner Stein mit<br />
unglaublich großer Wirkung ins Rollen gekommen.<br />
Bei den Freeridern war es in<br />
Tirol Harry Putz, der hier filmische Pionierarbeit<br />
leistete, bei den Kletterern Johannes<br />
Mair. Die Devise dieser Pioniere: Learning<br />
by Doing, irgendwie wird es schon gehen.<br />
Und diese neuen Filme, diese ungewohnten<br />
Perspektiven kamen beim bergbegeisterten<br />
Publikum außerordentlich gut an.<br />
Neue Zeiten, neue Filme<br />
„Im frühesten Kletterfilm der neuen Generation,<br />
an den ich mich erinnere, klettert<br />
Kilian Fischhuber aus einer Höhle heraus.<br />
Und viele aus der Tiroler Kletter-Community<br />
kamen zur Premiere nach St. Anton.<br />
Klar, der Darsteller war eben einer von ihnen<br />
und einige waren auch bei den Filmarbeiten<br />
dabei“, erinnert sich Pascher.<br />
Die alten, klassischen Bergsteigerfilme<br />
konnten da nicht mehr mithalten, wurden<br />
vielfach auch belächelt. Neue Zeiten waren<br />
angebrochen, neue Filme, auch eine<br />
neue Sprache. Wohl nicht anders, als auch<br />
in unserer Zeit. Turnen doch die meisten<br />
Kletterbegeisterten heute in Hallen herum,<br />
genießen die vielen Plaisirrouten. An wilden,<br />
ursprünglichen Wänden, an vielen ausgesetzten<br />
Graten gibt es zwar nach wie<br />
vor das große Abenteuer, dieses wird aber<br />
mittlerweile von recht wenigen gesucht.<br />
St. Anton gehört nicht zu den großen<br />
Festivals wie Trient, das weltweit älteste<br />
Bergfilmfestival, oder Banff in<br />
Kanada. Denn was in der kanadischen<br />
Kleinstadt Banff, in Sichtweite zu den<br />
Cascade Mountains, an herausragenden<br />
Berg- und Abenteuerfilmen gezeigt wird,<br />
ist wirklich großes, ganz großes Kino.<br />
Allerdings traten und treten auch in St.<br />
Anton die ganz großen Alpinistinnen,<br />
die ganz bekannten Alpinisten auf.<br />
Heinrich Harrer etwa, einer der Erstbesteiger<br />
der Eiger Nordwand mit<br />
fragwürdiger Vergangenheit. Oder der<br />
„verrückte“ amerikanische Bergsteiger,<br />
Base-Jumper und Highliner Dean Potter,<br />
zu seiner Zeit die Ikone aller Abenteuer-Sportler,<br />
der seine extrem hohe<br />
Risikobereitschaft 2015 im Yosemite<br />
mit dem Leben bezahlte. Die Französin<br />
Catherine Destivelle, der unter anderem<br />
die Solo-Winterbesteigung der drei<br />
bekanntesten Nordwände der Alpen<br />
(Eiger, Grandes Jorasses, Matterhorn)<br />
gelang. Vor zwei Jahren erhielt sie übrigens<br />
als erste Frau überhaupt den Piolet<br />
d’Or, den goldenen Eispickel, für ihr<br />
Lebenswerk. Und, um noch ein paar andere<br />
St. Anton-Filmfestler zu nennen:<br />
Peter Habeler, Wolfi Nairz, Oswald Ölz,<br />
Heinz Zak, Gerlinde Kaltenbrunner, Tamara<br />
Lunger, Angy Eiter, Hansjörg Auer,<br />
Barbara Zangerl oder Anna Stöhr.<br />
Eine vielsagende Geschichte<br />
Zu Heinrich Harrer gibt es übrigens<br />
eine vielsagende Geschichte. 1998 trat<br />
der damals 86-Jährige in St. Anton auf.<br />
In geschliffener Rede hielt er einen<br />
kurzen Vortrag, vielleicht fünf Minuten<br />
lang, danach folgte die Hollywood-Verfilmung<br />
seines Buches „Sieben Jahre in<br />
Tibet“. Ein Bühnengespräch wollte er<br />
nicht führen, Interviews lehnte er ab,<br />
unmittelbar nach dem Film vertschüsste<br />
er sich mit von ihm eingeladenen<br />
Freunden, wie dem etwa gleich alten<br />
Seefelder Skiweltmeister Toni Seelos,<br />
in ein Hotel zum Feiern. Am nächsten<br />
Morgen war er dann auch schon wieder<br />
ohne großen Abschied weg.<br />
2003 übersiedelte das Filmfestival in eine<br />
deutlich größere Location, ins Arlberg<br />
WellCom, welches knapp 700 Personen<br />
Platz bietet. Vier Tage lang werden zwanzig<br />
Kurzfilme gezeigt und prämiert. Rund<br />
400 Leute, hauptsächlich aus dem Raum<br />
von Bregenz bis Innsbruck, so Pascher,<br />
besuchen pro Abend die Veranstaltung.<br />
Wackelfreie Hubschrauberflüge<br />
Die technischen Möglichkeiten beim Filmen<br />
haben sich seit der Jahrtausendwende<br />
enorm weiterentwickelt. Wackelfreie<br />
Hubschrauberflüge gibt es seit rund<br />
zwanzig Jahren, in jüngerer Vergangenheit<br />
sind Helmkameras und Drohnen dazugekommen,<br />
die Kameras wurden kleiner,<br />
preisgünstiger, leistungsfähiger. All das<br />
ermöglicht faszinierende Aufnahmen, die<br />
früher nicht möglich, für kleinere Produktionen<br />
nicht bezahlbar waren. Klar, heute<br />
gibt es vor allem auch durch das Internet<br />
einen Markt, den es zu Zeiten Diembergers<br />
oder Baurs nicht gegeben hat. Der<br />
legendäre Elbsandstein-Kletterer Lothar<br />
Brandler etwa bewegte sich mit seinen<br />
Filmen oft auf dünnem Eis. Gewaltige Aufnahmen,<br />
doch finanziell sehr oft am Rande<br />
des finanziellen Absturzes.<br />
Nachdem die klassischen Vorträge, Workshops<br />
oder Diskussionen beim Publikum<br />
nicht immer gut angekommen sind, hat<br />
sich St. Anton ausschließlich auf Filme<br />
konzentriert. Klettern und Freeriden, das<br />
sind die beiden großen Bereiche. Wobei<br />
Filme über das Freeriden in den vergangenen<br />
Jahren deutlich zugenommen haben.<br />
Ach ja, Manfred Pascher übergibt dieses<br />
Jahr die Leitung des Filmfestivals in jüngere<br />
Hände, an den Innsbrucker Alex Ölberg.<br />
Der prompte, augenzwinkernde Kommentar<br />
des begnadeten Sportkletterers Kilian<br />
Fischhuber dazu: „Endlich wieder jemand<br />
beim Filmfest in St. Anton, der etwas vom<br />
Klettern versteht.“
78 tirol.bildet<br />
tirol.bildet<br />
Vom EINzelnen Gedanken zu<br />
GEMeinsam Ferien<br />
Wie der Verein GEMeinsam Ferien die Tiroler Gemeinden bei der Organisation und Durchführung einer<br />
pädagogisch wertvollen Ferienbetreuung unterstützen kann, erfahren Sie in diesem Artikel.<br />
Für immer mehr Familien, in denen beide Elternteile berufstätig sind, ist es eine enorme Herausforderung in den Ferien und schulfreien<br />
Zeiten eine Kinderbetreuung zu organisieren. Kein Wunder, sind es doch über das Schuljahr verteilt 14 Wochen, in denen<br />
die Eltern den Beruf und die schulfreien Zeiten der Kinder unter einen Hut bringen müssen. Die Gemeinde hat im Sinne der Familienfreundlichkeit<br />
sowie im Sinne der Chancengerechtigkeit von Kindern dafür Sorge zu tragen, dass adäquate Angebote im Ort<br />
zur Verfügung stehen. Der Verein GEMeinsam Ferien unterstützt bei der Organisation des Betreuungsangebots. Innsbruck (mit<br />
dem Angebot einer integrativen Ferienbetreuung), Kufstein sowie unter anderem Mutters, Radfeld oder Serfaus haben bereits<br />
von der Zusammenarbeit profitiert. Die Gemeinden konnten dabei die gesamte Organisation der Ferienbetreuung an GEMeinsam<br />
Ferien übertragen oder nur einzelne Leistungsmodule buchen. Wie die Module aufgebaut sind und wie der Organisationsprozess<br />
aussieht, erfahren Sie hier.<br />
Bedarfserhebung<br />
Die Gemeinde entschließt sich ein Betreuungsangebot<br />
zu schaffen. Der Verein GEMeinsam Ferien wird mit<br />
der Organisation beauftragt. Im ersten Schritt wird der<br />
individuelle Bedarf in der Gemeinde erhoben und speziell<br />
folgende Fragen geklärt:<br />
• Für welche schulfreien Zeiten soll eine Betreuung<br />
organisiert werden (Herbst-, Weihnachts-, Semester-,<br />
Oster- oder Sommerferien, schulautonome Tage)?<br />
• Ganztägige oder halbtägige Betreuung?<br />
• Wann soll die Betreuung jeweils starten?<br />
• Gibt es Kinder mit besonderen Bedürfnissen, die<br />
zusätzlich Stützkräfte benötigen?<br />
Auswahl des Formats<br />
Auf Basis der Bedarfserhebung kann zwischen zwei Formaten<br />
gewählt werden, wobei auch eine Mischform möglich<br />
ist.<br />
Spiel-mit-mir-Wochen: Die Betreuung findet in der Gemeinde<br />
statt, unter Nutzung der vorhandenen Infrastruktur<br />
(Räumlichkeiten Schule/Kindergarten, Mehrzweckgebäude,<br />
Pausenhof, Sportplatz, Park etc.).<br />
Ferienexpress: Die Betreuung findet in und außerhalb der<br />
Gemeinde statt. Das Programm ist umfangreich gestaltet<br />
– täglich werden Ausflüge gemacht oder Veranstaltungen<br />
besucht (Wanderungen, Exkursionen zu Fachbetrieben,<br />
Besuche bei Sportvereinen, Schnupperkurse, kulturelle<br />
Events etc.).<br />
Diese Module stehen zur Auswahl:<br />
Fördermanagement<br />
GEMeinsam Ferien unterstützt die Gemeinde<br />
dabei, sämtliche Förderpotenziale bestmöglich zu<br />
nutzen – von der Antragstellung bis zur Endabrechnung<br />
stehen stehen die Expertinnen und Experten<br />
von GEMeinsam Ferien jederzeit beratend zur<br />
Seite.<br />
Personalmanagement<br />
Pädagogisches Konzept<br />
Auf Basis der Bedarfserhebung (Anzahl der Kinder, benötigte Anzahl an Wochen<br />
der Betreuung etc.) wird die Personalplanung vorgenommen. GEMeinsam<br />
Ferien übernimmt dabei den gesamten Rekrutierungsprozess – die Stellenausschreibung,<br />
Vorstellungsgespräche, die Prüfung aller fachlichen Voraussetzungen<br />
der Betreuer*innen, die Anstellung und darüber hinaus die Vertretungsorganisation<br />
bei Ausfällen. Ebenso übernimmt der Verein die Einschulung bzw.<br />
„<br />
Fortbildung der Betreuer*innen bzgl. der Rechte und Pflichten in der Ferienbetreuung<br />
und er ist Ansprechpartner bei allen administrativen und rechtlichen<br />
Fragestellungen zum Dienstverhältnis während der gesamten Ferienbetreuung.<br />
„Die Ferienbetreuung hat heuer, wie auch in den Jahren zuvor, super<br />
funktioniert, und zwar von Anfang an – seien es beratende Gespräche<br />
zur Förderung, die Erstellung des pädagogischen Konzepts oder die<br />
Übermittlung der Informationsschreiben an die Eltern. Vor allem als<br />
Neuling in dieser Materie war es mir wichtig, dass meine Fragen<br />
und Anliegen immer schnell und unkompliziert beantwortet wurden.<br />
David Triendl, Gemeinde Mutters<br />
Stimmen der Kinder:<br />
„Es war total toll, neue<br />
Kinder kennen zu lernen und<br />
Freunde zu finden. Das Programm<br />
war super und hat<br />
richtig viel Spaß gemacht!“<br />
Nach genauer Begutachtung der örtlichen Gegebenheiten und in enger Absprache mit der<br />
Gemeinde wird ein altersgerechtes, pädagogisch durchdachtes und an die Gemeinde angepasstes<br />
Konzept erstellt. Darin sind unter anderem die Programmpunkte festgelegt, der<br />
genaue Ablauf der Betreuung, Rahmenbedingungen wie nutzbare Räumlichkeiten und Ansprechpartner*innen,<br />
ein Kinderschutzkonzept oder Qualitätssicherungsmaßnahmen für die<br />
Betreuer*innen.<br />
„Die Betreuerinnen<br />
sind super nett. Ich<br />
komme gerne wieder<br />
zum Ferienexpress.“<br />
„Wir haben viele neue<br />
Sachen gemacht. Besonders<br />
das Kuchenbacken<br />
hat mir richtig<br />
gut gefallen.“<br />
Organisation und Administration<br />
Dieser Punkt zieht sich durch alle Module und reicht<br />
von der Bewerbung des Angebots über die Abwicklung<br />
des Anmeldevorgangs und die Organisation der<br />
Verpflegung bis hin zur Kommunikation mit den Eltern<br />
(Informationstransfer zum Ablauf, Sammlung spezifischer<br />
Infos wie Allergien etc.) und mit allen weiteren<br />
wichtigen Instanzen (Tagesheimleitung, Direktor*in<br />
etc.) – damit die Ferienbetreuung während der gesamten<br />
Zeit reibungslos verläuft.<br />
Auf geht’s,<br />
lasst uns GEMeinsam<br />
die nächsten Ferien planen!<br />
ZUR AUTORIN<br />
MAG. SANDRA WIMMER<br />
Sandra Wimmer ist seit 2016 Teil des<br />
GemNova-Teams. Seit <strong>2022</strong> koordiniert<br />
sie im Verein GEMeinsam Ferien die<br />
Organisation und Durchführung der<br />
(Ganzjahres-)Ferienbetreuung in den<br />
Gemeinden.<br />
Kontakt:<br />
ferienbetreuung@gemnova.at<br />
79
80 tirol.bildet<br />
Chancengerechtigkeit<br />
als<br />
Chance für ALLe<br />
Der Weg hin zu Bildungschancen führt über den KINDER-<br />
SCHUTZ und die GEWALTPRÄVENTION – was Kinder und Familien<br />
brauchen und wie wir sie als Gemeinde in ihrem Lebensumfeld<br />
unterstützen können.<br />
Das Kindeswohl steht im Rahmen von<br />
Kinderbetreuungsangeboten an oberster<br />
Stelle und muss daher von Erhaltern von<br />
Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtungen,<br />
Ferienangeboten, Jugendzentren,<br />
Vereinen, die mit Kindern und Jugendlichen<br />
arbeiten (Sportverein, Musikkapelle<br />
etc.), umfassend sichergestellt und laufend<br />
evaluiert werden. Die rechtliche Grundlage<br />
dafür liefert das seit 2011 verankerte Bundesverfassungsgesetz<br />
über die Rechte von<br />
Kindern (BVGKR, BGBI. I 2011/4). Dieses<br />
besagt unter anderem, dass Kinder vor<br />
jeglicher Form von Vernachlässigung und<br />
Missbrauch sowie von körperlicher, seelischer<br />
oder sexualisierter Gewalt geschützt<br />
werden müssen. Die gesetzliche Verankerung<br />
des Kindeswohls in Österreich bietet<br />
zwar die Grundlage für eine gelingende<br />
Praxis, ermöglicht aber noch keinen durchgängigen<br />
und lückenlosen Schutz, weil es<br />
an Wissen, Bewusstsein und Handlungsstrategien<br />
noch fehlt.<br />
Jede Gemeinde hat in ihrer Rolle als Drehscheibe<br />
aller Bildungs- und Sozialeinrichtungen<br />
sowie Vereine die Möglichkeit,<br />
basierend auf den gesetzlichen Vorgaben<br />
ein übergeordnetes Schutzkonzept als<br />
konkreten Handlungsleitfaden zur Gewaltprävention<br />
zu entwickeln. Praxistaugliche<br />
Instrumente für die Kinder- und Jugendarbeit<br />
wie dieses sind beispielsweise in<br />
Deutschland im Rahmen von Förderanträgen<br />
bereits verpflichtend vorzulegen.<br />
Der vorliegende Beitrag soll als letzter der<br />
dreiteiligen Reihe zur Chancengerechtigkeit<br />
von Kindern, zunächst wieder auf<br />
Basis der tirolweiten Bürger*innen-Befragung<br />
von 2020, die aktuelle Ausgangslage<br />
veranschaulichen und im zweiten Schritt<br />
eine Fülle an einfach umsetzbaren Handlungsmöglichkeiten<br />
für Gemeinden aufzeigen,<br />
die dazu führen, dass Kinder und<br />
Jugendliche geschützt aufwachsen und<br />
sich auf ihrem Bildungsweg wie in ihrem<br />
Familienumfeld positiv unterstützt fühlen<br />
können.<br />
Die Vielschichtigkeit an Herausforderungen<br />
erkennen<br />
Gewalt hat unterschiedliche Gesichter und<br />
schließt daher viele Formen von Fehlverhalten<br />
in offenkundiger oder subtiler Ausprägung<br />
ein. Die meisten Fälle sind strafrechtlich<br />
nicht relevant und basieren auf<br />
grenzverletzenden Verhaltensweisen, die<br />
aus Unbewusstheit der handelnden Menschen<br />
in Alltagssituationen geschehen. Ein<br />
Bewusstsein dafür seitens der Gemeinde<br />
als Drehscheibe aller Einrichtungen, die<br />
mit Kindern und Jugendlichen arbeiten,<br />
stellt eine wesentliche Grundlage dar, um<br />
kommunale Angebote der Gewaltprävention<br />
zu installieren. Dabei kann unterschieden<br />
werden zwischen Ansätzen, die<br />
Gewalt grundsätzlich vermeiden bzw. im<br />
Rahmen eines Notfalls weitere Eskalation<br />
verhindern oder nach einer Gewalttat die<br />
Aufarbeitung im Fokus haben.<br />
Die hier berücksichtigten Ergebnisse der<br />
Befragung zeigen aus Sicht der Bürger*innen<br />
den Handlungsbedarf in Bezug auf<br />
notwendige Infrastruktur, Aktionspläne<br />
und allen voran Bewusstseinsbildung auf.<br />
Was fehlt aus Sicht von Bürger*innen<br />
bzw. Familien aktuell im Bereich Bildung,<br />
Begleitung und Betreuung von Kindern<br />
und Jugendlichen?<br />
STRUKTURQUaLITäT<br />
Offene Jugendarbeit, Sozialarbeit<br />
an Schulen/Kindergärten,<br />
Krisenwohnungen<br />
PrOzessqualität<br />
Beteiligungsformen für<br />
Kinder/Jugendliche<br />
Orientierungs -<br />
qualität<br />
Sensibilisierung für Entscheidungsträger*innen,<br />
Kinder/Familien,<br />
Aktionspläne<br />
Im Strategieprozess „Zukunft Gemeinden<br />
– Agenda 2030“ haben Praktiker*innen aus<br />
allen Regionen Tirols die vorhandenen Lücken<br />
im Bereich der Gewaltprävention, die es innerhalb<br />
der Kommunalstrukturen zu schließen<br />
gilt, noch präzisiert: Die Raumplanung sieht<br />
insbesondere im städtischen Raum nur sehr<br />
eingeschränkt Orte vor, wo sich Kinder und<br />
Jugendliche ohne Aufsicht frei bewegen können.<br />
Beengte räumliche Voraussetzungen<br />
in Einrichtungen fördern Stress und Druck<br />
auf Kinder und pädagogisches Personal und<br />
erlauben kein bedürfnisorientiertes Arbeiten.<br />
Betreuungskonzepte basieren mitunter noch<br />
auf Macht und übergriffigem Erziehungsverhalten,<br />
was auf die fehlende Sensibilisierung<br />
von Mitarbeiter*innen zurückzuführen ist.<br />
Alleinerziehende sind durch Erwerbsarbeit,<br />
Erziehung, Haushalt etc. häufig belastet und<br />
erhalten keine Unterstützung in der Gemeinde.<br />
Mit Ausnahme der Offenen Jugendarbeit<br />
fehlen in der Arbeit in Betreuungseinrichtungen<br />
und Vereinen konkrete Vorgaben zur<br />
Qualitätssicherung in Bezug auf Kinder- und<br />
Gewaltschutz, die bestenfalls an finanzielle<br />
Anreize gekoppelt werden.<br />
Ziel in der neuen Arbeitsperiode jedes<br />
Gemeinderats ist es, mutige Schritte zu<br />
gehen, damit die Tiroler Gemeinden in Bezug<br />
auf die Gewaltprävention zukunftsfit werden.<br />
Gewaltprävention braucht optimale Strukturen<br />
Tägliche Herausforderungen an Schulen können<br />
durch die durchgängige Anwesenheit von<br />
Sozialarbeiter*innen bewältigt werden. Der<br />
Planungsverband Zillertal hat mit so einem flächendeckenden<br />
Angebot sichere Orte für alle<br />
Beteiligten geschaffen. Bestenfalls berücksichtigt<br />
die Raumplanung jeder Gemeinde ausreichend<br />
Begegnungsräume wie Jugendzentren<br />
und Treffs für Mobile Jugendarbeit, wo sich<br />
Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen<br />
treffen können.<br />
Im Sinne einer niederschwelligen Anlauf- und<br />
Beratungsstelle stehen optimalerweise in<br />
jeder Gemeinde vertrauliche Ansprechpersonen<br />
für Familien in herausfordernden Si -<br />
tuationen bzw. für betroffene Jugendliche zur<br />
Verfügung.<br />
Orientierungsqualität für eine gewaltfreie<br />
Kultur<br />
Nachhaltigkeit im Rahmen der Gewaltprävention<br />
gelingt in einer Gemeinde nur dann, wenn<br />
in regelmäßigen Abständen Maßnahmen zur<br />
Bewusstseinsbildung wie Infomaterial auf der<br />
Website, Vorträge, Workshops für berufliche<br />
und ehrenamtliche Mitarbeiter*innen in der<br />
Betreuung von Kindern und Jugendlichen, für<br />
Erziehungsberechtigte sowie für Kinder selbst<br />
gesetzt werden und so von der gesamten<br />
Gemeinde mitgetragen werden. Auch die sozialpädagogische<br />
Arbeit an Schulen für Schüler*innen,<br />
Lehrpersonen und Familien stellt<br />
einen Grundpfeiler der Gewaltprävention dar.<br />
Prozessqualität vermindert das Gewaltrisiko<br />
Im Sinne des Demokratieverständnisses werden<br />
bei der Raumplanung Jugendliche selbst<br />
beteiligt. Dadurch übernehmen sie auch Verantwortung<br />
für die Nutzung der ihnen zur<br />
Verfügung gestellten Aufenthaltsorte (z. B.<br />
Skatepark), was im Sinne der Gewaltprävention<br />
förderlich ist. Gelingende Praxisbeispiele<br />
dafür gibt es bereits in Landeck oder Kufstein.<br />
Vernetzung von Wissen braucht inner- und<br />
interkommunale Zusammenarbeit<br />
Für eine effiziente Zusammenarbeit unter<br />
kleineren Gemeinden empfiehlt sich ein<br />
„Headquarter“ für schulische Sozialarbeiter*innen<br />
bzw. Sozialpädagog*innen, die in<br />
der Region vormittags bedarfsgerecht eingesetzt<br />
werden können und nachmittags auch in<br />
der Offenen Jugendarbeit zum Einsatz kommen.<br />
Dies führt zum effizienten Einsatz von<br />
Personalressourcen in der gesamten Region.<br />
Auch der enge Austausch zwischen Jugendbeirat<br />
und Vereinen bzw. Schulen ermöglicht<br />
die gemeinsame Durchführung von Gewaltschutzprojekten.<br />
Die GemNova verfügt über die fachliche<br />
Expertise zweier über die POJAT Tirol zertifizierten<br />
Kolleginnen im Bereich Kinderschutz<br />
und Gewaltprävention und kann daher bei der<br />
Prozessbegleitung, bei der Entwicklung von<br />
Schutzkonzepten für Vereine, Betreuungs- und<br />
Freizeiteinrichtungen in Gemeinden Unterstützung<br />
und Beratung leisten.<br />
Aus der Praxis<br />
Eine gelingende Prozessbegleitung<br />
konnte für den „Verein 2gether“ in<br />
Breitenwang gestartet werden, der<br />
unter Beteiligung aller Mitarbeiter*innen,<br />
Kinder und Erziehungsberechtigten<br />
für die Kinderkrippe, den<br />
Kindergarten und Kinderhort ein<br />
umfassendes Schutzkonzept entwickelt.<br />
Der Vereinsvorstand erkennt<br />
in diesem Prozess eine Chance auf<br />
Sensibilisierung aller Beteiligten für<br />
das Thema Gewalt und Gewaltschutz<br />
in jeglicher Form. Der längere<br />
Begleitprozess könne zur Veränderung<br />
der eigenen Haltung führen, die<br />
durch die eigene Erziehung bereits in<br />
der Kindheit geprägt und meist nie<br />
hinterfragt worden wäre. Für einen<br />
Erhalter von Kinderbildungs- und<br />
Betreuungseinrichtungen sei es aus<br />
Sicht der Geschäftsführung jedenfalls<br />
notwendig, auf diesem Wege Gewalt<br />
nicht zu verharmlosen oder zu übersehen,<br />
die gesetzlich verankerten Kinderrechte<br />
nicht zu vernachlässigen<br />
und letztendlich auch eine Vorbildfunktion<br />
für Erziehungsberechtigte<br />
und Familien zu übernehmen.<br />
ZUR AUTORIN<br />
MAG. NINA<br />
REDLICH-ZIMMERMANN,<br />
MA ECED<br />
Nina Redlich-Zimmermann koordiniert bei<br />
der GemNova den Bereich Kinderbildung<br />
und -betreuung und steht für Fragen rund<br />
um den Kinderschutz zur Verfügung.<br />
Kontakt:<br />
n.redlich@gemnova.at
tirol.bildet<br />
83<br />
Mit einem speziellen<br />
Fokus auf die<br />
kommunalen Bedürfnisse<br />
bietet erlebnis.film<br />
leistbare Videoproduktionen<br />
für die<br />
Tiroler Gemeinden.<br />
Mehr Raum für Entfaltung<br />
Der GemNova Bildungsfalter wurde bereits 2018 als Fort- und Weiterbildungsangebot<br />
für elementarpädagogische Einrichtungen in Tirol ins Leben gerufen<br />
und präsentiert sich nun im neuen Kleid. Hier wird altbewährte Kompetenz mit<br />
neuen Möglichkeiten verknüpft.<br />
ZUR AUTORIN<br />
ANDREA<br />
WEBHOFER-FRANK, MED<br />
Andrea Webhofer-Frank ist Elementarpädagogin<br />
und arbeitet im Bereich der Aus-,<br />
Fort- und Weiterbildung für elementarpädagogisches<br />
Personal. Bei der GemNova ist<br />
sie Ansprechperson für den Bildungsfalter<br />
und steht sowohl den Erhaltern als auch<br />
interessierten Kolleg*innen für Fragen zur<br />
Verfügung.<br />
Unsere Kolleg*innen in den Tiroler<br />
KINDERGÄRTEN und KINDER-<br />
KRIPPEN leisten hervorragende<br />
Arbeit, bekommen allerdings<br />
nicht immer die Aufmerksamkeit,<br />
die sie verdienen. Wir vom<br />
GemNova Bildungsfalter rücken die<br />
Anliegen unserer Kolleg*innen in den<br />
Fokus und bieten individuelle Prozessbegleitung<br />
und Supervision ebenso wie<br />
tirolweite Online-Vernetzung an.<br />
Mit unserem Angebot der Teamentwicklung<br />
und Professionalisierung wollen wir<br />
Teams bei Veränderungsprozessen begleiten,<br />
sie bei vielfältigen Fragestellungen<br />
beraten oder bei Herausforderungen unterstützen<br />
– weil gemeinsam vieles leichter<br />
gelingt und eine Veränderung von mehreren<br />
Köpfen gedacht werden sollte. Wir<br />
sind dabei thematisch breit aufgestellt und<br />
bieten unsere Expertise und unsere Erfahrung<br />
im gesamten Bereich der Elementarpädagogik<br />
an.<br />
Ganz neu in der Richtlinie Sprachförderung<br />
gemäß der Vereinbarung nach Art.<br />
15a B-VG über die Elementarpädagogik des<br />
Landes Tirol ist die Supervision zu finden.<br />
Die Supervision bietet den Teams die Möglichkeit,<br />
sich auch mal um das „WIR“, also<br />
Mehr über unsere Teamentwicklungsund<br />
Professionalisierungsprozesse<br />
sowie Vernetzungen erfahren<br />
das Miteinander im Team, zu kümmern.<br />
Durch den entsprechenden Förderantrag<br />
beim Land Tirol können die Kosten für diese<br />
Maßnahme im Idealfall zur Gänze gefördert<br />
werden.<br />
Zusätzlich zu unserer individuellen Prozessbegleitung<br />
für Teams oder auch Einzelpersonen<br />
bieten wir vielfältige Themenschwerpunkte<br />
jahresdurchgängig zur<br />
Online-Vernetzung mit Kolleg*innen aus<br />
ganz Tirol an. Hier haben sowohl Leitungen<br />
als auch pädagogische Fachkräfte, Assistenzkräfte<br />
und Stützkräfte die Möglichkeit,<br />
sich mit Kolleg*innen anderer Institutionen<br />
auszutauschen und ihre persönlichen Erfahrungen<br />
weiterzugeben. Dieses einzigartige<br />
Angebot kann ganz einfach über unsere<br />
Buchungsplattform gebucht werden. Auch<br />
Gemeinden oder private Erhalter haben die<br />
Möglichkeit, ein Veranstaltungskontingent<br />
für Mitarbeit*innen im elementarpädagogischen<br />
Bereich zu buchen und erhalten<br />
zusätzliche Vergünstigungen bereits ab der<br />
fünften Buchung. Außerdem können diese<br />
Stunden auch im Rahmen der gesetzlichen<br />
Verpflichtung zur Fort- und Weiterbildung<br />
angerechnet werden. Reinschauen lohnt<br />
sich deshalb auf alle Fälle.<br />
Kontakt:<br />
bildungsfalter@gemnova.at
84 tirol.bildet<br />
tirol.bildet<br />
85<br />
… und zur Preisverleihung<br />
ging’s nach Italien!<br />
VON KATHRIN MALINA<br />
Ein Projekt der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino<br />
wurde erfolgreich im Rahmen<br />
der Nachmittagsbetreuung der<br />
Volksschule Kufstein/Stadt umgesetzt<br />
und konnte den dritten Platz im Wettbewerb<br />
belegen.<br />
Es wird viel gebastelt in der Nachmittagsbetreuung<br />
an Tirols Schulen und täglich<br />
entstehen große und kleine Kunstwerke,<br />
die dann einen besonderen Platz in der<br />
Schule oder bei den Kindern zu Hause<br />
bekommen. Und manchmal passiert es<br />
sogar, dass die kreative Arbeit zusätzlich<br />
noch mit einem Preis belohnt wird. So<br />
geschehen an der Volksschule Kufstein/<br />
Stadt, wo gemeinsam mit dem Stadtkindergarten<br />
ein Projekt der Euregio gestaltet<br />
und beim Wettbewerb eingereicht<br />
wurde.<br />
Die Aufgabenstellung war es, ein<br />
Bewusstsein zu schaffen für die grenzüberschreitende<br />
Zusammenarbeit der<br />
drei Landesteile Tirol, Südtirol und Trentino<br />
und deren gemeinsame kulturelle<br />
Verbindung darzustellen. Es wurde also<br />
fleißig geklebt, gemalt und geschrieben.<br />
So entstand schließlich unter Anleitung<br />
unserer GemNova-Kollegin Michaela Mayr<br />
eine tolle Collage, auf der alle Ideen der<br />
Kinder Platz fanden.<br />
53 Schulen aus der Euregio nahmen am<br />
Wettbewerb teil und von insgesamt neun<br />
Gewinnerklassen und -schulen wurden<br />
drei Tiroler Schulen ausgezeichnet –<br />
die Volksschule Kufstein/Stadt, die Mittelschule<br />
Sillian sowie die Mittelschule<br />
Matrei am Brenner.<br />
„Es hat so viel Spaß gemacht, mit den<br />
Schüler*innen am Nachmittag zu werken“,<br />
freut sich Michaela Mayr, „und wir<br />
alle sind natürlich sehr stolz, dass wir<br />
nach Trient fahren durften, um dort den<br />
Preis entgegenzunehmen.“<br />
Und das Beste: Mit dem Gewinnerscheck<br />
in Höhe von 500 Euro wird die Volks schule<br />
Kufstein/Stadt eine ganz besondere schulische<br />
Aktivität für die Kinder veranstalten.<br />
Raum zum Wohlfühlen<br />
Ideal als langfristige oder temporäre Raumlösung<br />
(z.B. Kindergärten und Schulen)<br />
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86<br />
tirol.bunt und vielfältig<br />
tirol.bunt und vielfältig<br />
87<br />
„Müssen wir wirklich so<br />
viel über mich reden?<br />
Ein Interview mit Esther Fritsch ist nicht ganz einfach. Sie überlebte als Jüdin den Holocaust<br />
in Polen, ist damit wichtige Zeitzeugin. Knapp 30 Jahre war sie Präsidentin der Israelitischen<br />
Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg, gab der kleinen jüdischen Gemeinde ihr Selbstbewusstsein<br />
zurück. Sie war leidenschaftliche Ärztin, möchte gleichzeitig nicht so viel über sich<br />
reden. Ein offenes Gespräch, das in zwei Tagen geführt wurde.<br />
VON REINHOLD OBLAK<br />
Sie sind 1938 geboren, haben den Holocaust<br />
in Polen überlebt.<br />
Meine Mutter, eine unglaublich mutige<br />
Frau, hat mich gerettet. Ihr Vater war<br />
Rabbiner, sie selbst hat aber ausgezeichnet<br />
Polnisch gesprochen, ohne jüdischen<br />
Akzent. Außerdem hat sie nicht jüdisch<br />
ausgesehen. Auch ich war blond, hatte<br />
blaue Augen. Vom Äußeren waren wir also<br />
auf der „arischen Seite“. Aber natürlich<br />
waren wir immer auf der Flucht, wurden<br />
ins Ghetto Radom gesteckt, rund 100 Kilometer<br />
südlich von Warschau. Wir standen<br />
dort schon auf der Deportationsliste, wurden<br />
mit viel Glück gerettet. Dann wieder<br />
Flucht, die vielen Verstecke, Verstecke,<br />
Verstecke.<br />
Sie als kleines Kind im Alter von vier,<br />
fünf, sechs Jahren.<br />
Eine Zeit lang hat uns eine arische polnische<br />
Baronin bei sich zu Hause versteckt.<br />
Ihre Schwiegertochter hatte einen<br />
Gestapo-Liebhaber, die hat uns dann verraten.<br />
Man wollte uns sofort erschießen<br />
– mit Bestechung haben meine Mutter<br />
und ich überlebt. Ich war unter dem Bett<br />
versteckt. Diesen Gestapo-Mann, seinen<br />
Ledermantel, seine Lederstiefel vergesse<br />
ich niemals. An so etwas erinnert sich<br />
wohl jede jüdische Überlebende.<br />
Ihr Vater ...<br />
... und seine gesamte Familie waren zu dieser<br />
Zeit schon tot. Sie wurden in Warschau<br />
entdeckt, deportiert, ermordet. Details weiß<br />
ich keine. Auch die Eltern meiner Mutter und<br />
drei ihrer Geschwister wurden ermordet.<br />
Dass ich überlebt habe, verdanke ich meiner<br />
Mutter. Gegen Ende des Krieges waren<br />
wir in Warschau, die Stadt wurde von den<br />
Deutschen bombardiert. Gemeinsam mit<br />
zwei anderen Jüdinnen wurden wir abermals<br />
von einer Polin versteckt. So haben<br />
wir auch die letzten Tage des Krieges, des<br />
Holocaust überlebt.<br />
Nach Kriegsende gingen Sie nach<br />
Deutschland.<br />
Meine Mutter war von Anfang an Zionistin,<br />
sie wollte immer im heutigen Israel leben.<br />
Mein Stiefvater hatte ein Affidavit für Amerika,<br />
wir hätten also dorthin auswandern<br />
können, aber für meine Mutter war das kein<br />
Thema. Sie wollte nur nach Israel. In Polen<br />
wollten wir nicht bleiben, weil die Kommunisten<br />
kamen. Also gingen wir für zwei Jahre<br />
nach Augsburg. Fremdsprachen lernte ich<br />
sehr schnell. In Augsburg hatte ich einen<br />
Privatlehrer für Hebräisch. Ich sprach schwäbischen<br />
Dialekt. Meine Mutter ermahnte<br />
mich mehrmals Deutsch zu sprechen, weil<br />
sie mein Schwäbisch nicht verstand.<br />
‚‚<br />
„Ich habe Esther Fritsch als<br />
eine liebenswürdige, geistvoll<br />
kämpfende Frau erlebt. Es<br />
war nicht zuletzt ihre Vision,<br />
die jüdische Gemeinde in<br />
Innsbruck wieder aufzubauen.<br />
Die Leidenschaft, mit der sie<br />
dieses Ziel verfolgte, erinnert<br />
mich dankbar an einige biblische<br />
Frauenfiguren.“<br />
- Bischof Hermann Glettler<br />
‚‚© Ingrid<br />
Kollmer<br />
„Frau Dr. Esther Frisch war eine<br />
beliebte und hochgeschätzte<br />
Präsidentin der Israelitischen<br />
Kultusgemeinde. Ich erinnere<br />
mich mit Freude an eine Veranstaltung<br />
in Innsbruck, wo es<br />
ihr gelang, kirchliche, jüdische<br />
und politische Kapazitäten in<br />
einer Vorstellung mit jüdischem<br />
Thema zusammenzubringen.<br />
Nonnen, Priester, Rabbiner<br />
und ‚normales‘ Theaterpublikum<br />
freuten sich gemeinsam.<br />
Großer Applaus – und wir auf<br />
der Bühne applaudierten dem<br />
Publikum!“<br />
© Diözese Innsbruck<br />
Esther Fritsch in der Synagoge. Sie überlebte<br />
als Jüdin den Holocaust in Polen,<br />
war fast dreißig Jahre Präsidentin der<br />
jüdischen Gemeinde. Eine starke, faszinierende<br />
Persönlichkeit. (© GemNova)<br />
Ein Gedenkstein in den Räumen der<br />
Kultusgemeinde: Sich zu erinnern<br />
heißt, nicht zu vergessen.<br />
(© GemNova)<br />
- Topsy Küppers,<br />
Autorin, Schauspielerin,<br />
Theaterleiterin
88 tirol.bunt und vielfältig<br />
tirol.bunt und vielfältig<br />
89<br />
‚‚© Privat<br />
„Ich kenne Esther Fritsch<br />
bereits seit den 80er Jahren.<br />
Erstmals getroffen haben wir<br />
uns beim Bau der Synagoge<br />
in Innsbruck. Sie ist eine<br />
Macherin, weiß, was sie will.<br />
Danach haben wir noch bei<br />
der Errichtung der Jüdischen<br />
Gedenkstätte in Seefeld<br />
zusammengearbeitet. Ich<br />
schätze ihr Engagement und<br />
ihr Wissen. Sie ist eine wirklich<br />
starke Persönlichkeit.“<br />
- Michael Prachensky,<br />
Architekt und Künstler<br />
‚‚<br />
„2007 lernte ich Esther Fritsch<br />
zum ersten Mal persönlich<br />
kennen, diese Begegnung ist<br />
mir in besonders schöner<br />
Erinnerung. Ich recherchierte<br />
damals gerade für mein<br />
Buch ‚Graubart Boulevard‘ und<br />
Esther Fritsch lud mich ein in<br />
die Räumlichkeiten der Kultusgemeinde<br />
in der Sillgasse. Wir<br />
unterhielten uns in entspannter<br />
Atmosphäre lange über<br />
die Familie Graubart – und<br />
für die vielen Hinweise und<br />
Ratschläge, die Esther Fritsch<br />
mir gab, bin ich ihr noch heute<br />
dankbar.“<br />
- Christoph W. Bauer,<br />
Schriftsteller<br />
© Fotowerk Aichnerr<br />
Unmittelbar vor dem Eingang zur Synagoge<br />
wird auf Esther Fritsch verwiesen.<br />
(© GemNova)<br />
Mit zehn Jahren, 1948, emigrierten Sie<br />
schließlich nach Israel. Haben Sie dort<br />
Ihre „Heimat“ gefunden?<br />
(Sehr emotional) Aber natürlich. Ich bin<br />
Israelin, in erster Linie bin ich Israelin.<br />
Israel war und ist das Land, in dem<br />
wir leben wollten. Ich habe dort meinen<br />
zweijährigen Militärdienst geleistet, mich<br />
engagiert, im Kibbuz gearbeitet, bin zu<br />
den hohen Feiertagen in die Synagoge<br />
gegangen. Nach der Matura wollte ich<br />
unbedingt Medizin studieren, erhielt aber<br />
keinen Studienplatz in Jerusalem. Stattdessen<br />
gab es die Möglichkeit, in London,<br />
Zürich oder Wien zu studieren.<br />
Warum dann ausgerechnet Wien?<br />
Weil in Wien schon zwei Kollegen aus Israel<br />
waren. Es gab dort eine kleine israelische<br />
Studentengemeinschaft, auch eine<br />
jüdische Gemeinde, dort hab ich mich<br />
dann gleich recht wohl gefühlt. Und ich<br />
konnte Medizin studieren. Wobei für mich<br />
eines ganz klar war: Nach dem Studium<br />
gehe ich wieder zurück nach Israel.<br />
Doch es kam alles ganz anders. Aus<br />
Jerusalem wurde Innsbruck.<br />
Beim Studium hab ich meinen jetzigen<br />
Mann Peter kennengelernt, einen Goj,<br />
also einen Nichtjuden. Deswegen bin ich<br />
in Wien hängen geblieben. Gemeinsam<br />
haben wir dann auch in den USA, an der<br />
Universität Yale studiert. Das war für mein<br />
Selbstbewusstsein sehr wichtig. Ende<br />
der siebziger Jahre bin ich dann meinem<br />
Mann nach Innsbruck gefolgt, der hier an<br />
die Uni-Klinik gerufen wurde. Für mich war<br />
das ein Kulturschock. Was sollte ich ausgerechnet<br />
in Tirol? Hier gab es nur eine<br />
sehr kleine jüdische Gemeinde, vielleicht<br />
70 Personen, die meisten schon recht<br />
betagt. In der Zollerstraße 1 gab es ein<br />
kleines, bescheidenes Zimmer, das war<br />
unser Betraum. Dort hab ich auch noch<br />
die alte Frau Schindler getroffen. Es war<br />
entwürdigend, eigentlich eine Zumutung.<br />
1987 wurden Sie zur Präsidentin der<br />
Israelitischen Kultusgemeinde gewählt.<br />
Noch immer ohne Synagoge.<br />
Ich wollte das ja überhaupt nicht. Ich<br />
hatte einen herausfordernden Job als<br />
Ärztin an der Klinik, zwei kleine Kinder,<br />
einen Mann, also genug zu tun. Aber<br />
ich erzähle Ihnen die Geschichte dazu.<br />
Schon einige Jahre vorher bin ich zu Jom<br />
Kippur in die Zollerstraße 1 gegangen,<br />
um das Kaddish, das Totengebet für<br />
meinen ermordeten Vater zu sprechen.<br />
Der damalige Präsident Ernst Beschinsky,<br />
über den es ja einiges zu erzählen<br />
gibt, war anwesend, ich bat ihn um ein<br />
Gebetbuch. Als er sah, dass ich die<br />
hebräischsprachigen Seiten aufschlug,<br />
machte er große Augen. Da wusste ich,<br />
ui, jetzt hab ich einen Fehler gemacht.<br />
Warum das?<br />
Weil er mich dann gleich für verschiedene<br />
Tätigkeiten in der jüdischen Gemeinde<br />
heranzog. Für den Religions- oder Hebräischunterricht<br />
zum Beispiel. Wenig später<br />
wurde ich zur Vizepräsidentin gewählt,<br />
nach dem Tod von Ernst Beschinsky zur<br />
Präsidentin. So bin ich da hineingeschlittert.<br />
Im Unterschied zu Bischof Paulus<br />
Rusch, dem antisemitische Töne fürwahr<br />
nicht fremd waren, war Reinhold<br />
Stecher ein großer Förderer, ein Brückenbauer<br />
hin zur jüdischen Religion.<br />
Als ich Bischof Stecher erstmals kennenlernte,<br />
war er sehr krank, war bei uns in<br />
der Klinik. Später hat er seine Fühler in<br />
unsere Richtung ausgestreckt, hat mich<br />
zu einem Gespräch eingeladen. Er wollte<br />
ganz bewusst eine Verbindung zwischen<br />
der jüdischen und christlichen Religion<br />
schaffen. Er war eine starke Persönlichkeit<br />
mit Weitblick, mit offenem Herzen.<br />
Es ist kein Zufall, dass ein Bild von ihm<br />
bei uns in der Kultusgemeinde hängt.<br />
Außerdem wurde er als erster deutschsprachiger<br />
Bischof von Oberrabbiner Lau<br />
in Israel empfangen und ausgezeichnet.<br />
Gut, da hatte auch ich ein wenig meine<br />
Hände im Spiel.<br />
Stecher hat ja auch den Bau der Synagoge<br />
maßgeblich unterstützt.<br />
Ja, er hat uns in vielerlei Hinsicht geholfen.<br />
Er war es auch, der dem unsäglichen<br />
Kult um Anderl von Rinn ein unmissverständliches<br />
Ende setzte. Doch zurück zur<br />
Synagoge. Die alte Synagoge stand in der<br />
Sillgasse, wurde aber in der Reichskristallnacht<br />
im <strong>November</strong> 1938 zerstört. Stattdessen<br />
gab es hier einen Parkplatz und<br />
einen Gedenkstein, der an die alte Synagoge<br />
erinnern sollte. Als der Architekt<br />
Prachensky den Auftrag erhielt, an dieser<br />
Stelle ein neues Haus zu bauen, rief er<br />
mich an und fragte, wo ich denn gerne<br />
den Gendenkstein hätte. Meine selbstbewusste<br />
Antwort:<br />
„Was heißt<br />
Gedenkstein, ich<br />
will hier eine neue<br />
Synagoge.“<br />
Diese Ihre Antwort ist ja mittlerweile<br />
legendär.<br />
Das weiß ich nicht. Vor allem auch dank<br />
Stecher gab es zu dieser Zeit ein offeneres<br />
Klima. Nach vielen Gesprächen<br />
unterstützten auch der damalige Landeshauptmann<br />
Partl und der damalige<br />
Bürgermeister Niescher den Bau einer<br />
Synagoge. Zur Grundsteinlegung 1991<br />
wurden dann jene Jüdinnen und Juden<br />
eingeladen, die während der NS-Zeit aus<br />
Tirol flüchten konnten. Aus Israel reisten<br />
30 Personen an. Sie alle unterzeichneten<br />
ein Dokument, welches in den Grundstein<br />
eingemauert wurde. Das war nicht nur für<br />
mich ein sehr bewegender Moment.<br />
Ein in Polen aufgenommenes Foto von<br />
Chana Weinberg-Winawer, der Mutter<br />
von Esther Fritsch. „Ohne meine Mutter<br />
hätte ich den Holocaust nicht überlebt.“<br />
(© Privat)<br />
© Privat<br />
‚‚<br />
„Esther Fritsch hat der jüdischen<br />
Gemeinde in Tirol und<br />
Vorarlberg ein Gesicht gegeben.<br />
Ihrer Energie und ihrem<br />
politischen Geschick ist zu<br />
verdanken, dass in Innsbruck<br />
– wieder – eine Synagoge<br />
steht. Sie hat erreicht, dass die<br />
Landespolitik das Judentum<br />
nicht bloß als eine Angelegenheit<br />
der Vergangenheit,<br />
sondern auch der Gegenwart<br />
und der Zukunft wahrnimmt,<br />
wahrnehmen muss. Als Ho -<br />
locaust-Überlebende, in Israel<br />
sozialisiert und in Österreich<br />
als Ärztin beruflich erfolgreich,<br />
repräsentiert sie jüdische Tradition<br />
– und jüdische Zukunft.“<br />
- Anton Pelinka,<br />
Politikwissenschafter
90 tirol.bunt und vielfältig<br />
tirol.bunt und vielfältig<br />
91<br />
‚‚© Privat<br />
„Ich kenne Esther Fritsch<br />
seit mehr als 30 Jahren. Viele<br />
Male sind wir gemeinsam an<br />
einem Tisch gesessen und<br />
haben über das Schicksal<br />
unserer jüdischen Gemeinden<br />
diskutiert. Mit ihrem Geschick<br />
gelang es ihr sehr oft, das<br />
umzusetzen, was sie sich<br />
vorgenommen hat. Davon<br />
konnten viele, auch ich, immer<br />
wieder profitieren. Doch nicht<br />
nur auf ‚geschäftlicher‘ Ebene,<br />
auch privat hatten wir immer<br />
wieder Kontakt. Ich wünsche<br />
ihr alles Gute, Gesundheit<br />
und für ‚ihre‘ Gemeinde einen<br />
wachsenden Fortbestand.“<br />
- Hanna Feingold,<br />
Präsidentin der Israelitischen<br />
Kultusgemeinde Salzburg<br />
Vor dem Ersten Weltkrieg gab es auch<br />
in Innsbruck ein recht dynamisches,<br />
jüdisches Leben. Das Kaufhaus Bauer<br />
& Schwarz, die Möbelfabrik Brüll, das<br />
Café Schindler, das Warenkredithaus<br />
der Turteltaubs, das Schuhgeschäft<br />
Pasch – um nur einige Unternehmen zu<br />
nennen. Alles vorbei, unwiederbringlich<br />
verloren?<br />
In dieser Form ja, so ein starkes jüdisches<br />
Leben wird es in Innsbruck wohl nicht<br />
mehr geben. Die meisten dieser Jüdinnen<br />
und Juden waren damals hier verwurzelt,<br />
sind hier aufgewachsen, haben<br />
hier gelebt. Wie auch in Wien – alle hatten<br />
ihre Wurzeln hier. Das ist heute natürlich<br />
ganz anders. Unsere jüdische Gemeinde<br />
wächst zwar wieder, wird auch jünger.<br />
Leute kommen hierher nach Tirol, fahren<br />
dann aber auch wieder weg. Außerdem<br />
gibt es heute, im Unterschied zu damals,<br />
den Staat Israel.<br />
„Wenn ihr wollt, bleibt es nicht ein<br />
Märchen.“ Ein Zitat von Theodor Herzl,<br />
welches für Esther Fritsch eine große<br />
Bedeutung hat.<br />
Sie haben beinahe 30 Jahre die jüdische<br />
Gemeinde stark geprägt. Wie<br />
sieht Ihre Bilanz aus?<br />
Wir haben wieder eine Synagoge, ein sehr<br />
schönes jüdisches Museum in Hohenems.<br />
Zum Gedenken an die Pogromnacht 1938<br />
gibt es die Menora am Landhausplatz in<br />
Innsbruck, außerdem die jüdische Gedenkstätte<br />
in Seefeld, den alten jüdischen<br />
Friedhof bei der Hungerburg in Innsbruck.<br />
Das sind kräftige Zeichen unseres<br />
Selbstbewusstseins, unserer Identität. Es<br />
ist wichtig, nicht versteckt am Rande zu<br />
leben, sondern ganz bewusst am öffentlichen<br />
Leben teilzunehmen. Darum freut<br />
es mich, dass unsere Veranstaltungen<br />
von den unterschiedlichsten Menschen<br />
besucht werden. Die jüdische Kultur hat<br />
in Österreich, natürlich vor allem in Wien,<br />
Herausragendes geleistet. Auch das sollte<br />
nicht vergessen werden.<br />
Eine letzte Frage, Frau Fritsch. Haben<br />
Sie eigentlich nie daran gedacht, eine<br />
Autobiographie zu schreiben?<br />
Nein, keine Sekunde lang. Ich will mein<br />
Privatleben für mich behalten. Und ja, ich<br />
habe als Jüdin den Holocaust überlebt.<br />
Aber Millionen wurden umgebracht.<br />
Zur Person<br />
Esther Fritsch<br />
Esther Fritsch wurde am 11. März 1938 in Danzig, Polen, geboren.<br />
Einen Tag später marschierte Hitlers Armee in Österreich ein<br />
und vollzog unter großem Jubel der Bevölkerung den Anschluss<br />
an das Deutsche Reich. Den Zweiten Weltkrieg, den Holocaust<br />
überlebte Fritsch als Jüdin in unterschiedlichen Verstecken in<br />
Polen, vor allem dank ihrer Mutter. 1948 emigrierte sie nach<br />
Israel. Medizinstudium in Wien, dann auch in Yale, USA. 1977<br />
Übersiedlung mit ihrem Mann nach Innsbruck. Fachärztin für<br />
Radiologie und Radioonkologie. Von 1987 bis 2016 Präsidentin der<br />
Israelitischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg. Esther<br />
Fritsch ist verheiratet, hat zwei Töchter und lebt in Innsbruck<br />
und in Wien.<br />
„Kein Alter, kein Geschlecht,<br />
kein Stand, keine Nation ist von<br />
den Vorteilen ausgeschlossen,<br />
welche die Spar-Casse jedem<br />
Einlegenden anbietet.“<br />
Auszug aus der Gründungsurkunde der Sparkassen.<br />
Unsere Haltung seit 200 Jahren.<br />
#glaubandich<br />
Beck<br />
‚‚© Lukas<br />
„Ich war ein Jugendlicher, als Esther<br />
Fritsch oft Gast war bei meinen Eltern.<br />
Sie war schon damals eine starke Frau.<br />
Zudem war sie bereits zu einer Zeit eine<br />
selbstbewusste jüdische Stimme, da nicht<br />
wenige Funktionäre der Israelitischen<br />
Kultusgemeinde meinten, es sei besser in<br />
diesem Österreich nur leise aufzutreten<br />
und bloß hinter vorgehaltener Hand für die<br />
Anliegen der eigenen Leute einzutreten.<br />
Esther Fritsch hingegen verleugnete sich<br />
nie – nicht ihren Bezug zu Tirol, nicht den<br />
Bund des Judentums und schon gar nicht<br />
ihre Verbundenheit mit Israel.“<br />
- Doron Rabinovici,<br />
Schriftsteller, Historiker<br />
tirolersparkasse.at
92 tirol.bunt und vielfältig tirol.bunt und vielfältig<br />
93<br />
„Hillary<br />
ist das<br />
große<br />
Vorbild“<br />
Der Innsbrucker Wolfgang Nairz ist der<br />
Spiritus Rector der Nepalhilfe Tirol. Seit<br />
2003 unterstützt dieser Verein ausgewählte<br />
Projekte in Nepal. Im Bereich<br />
Gesundheit, Bildung, dem Schulwesen.<br />
Das große Vorbild dabei ist Edmund Hillary,<br />
der Erstbesteiger des Mount Everest.<br />
Was Nairz und Hillary sonst noch<br />
verbindet, lesen Sie hier.<br />
VON REINHOLD OBLAK<br />
Wer die Wohnung von Wolfgang Nairz in<br />
Innsbruck betritt, wird gleich mal erschlagen.<br />
Nein, nicht mit einem Eispickel wie seinerzeit<br />
Leo Trotzki in Mexiko, rein optisch<br />
natürlich. Es ist einfach die unglaubliche<br />
Vielzahl an Gegenständen aus dem Himalaya,<br />
aus Nepal, die das Auge überfordern.<br />
Fast könnte man meinen, in einem Museum<br />
zu sein. Gezählte 103-mal war Nairz<br />
bisher in Nepal, seiner zweiten Heimat.<br />
„1970 war ich das erste Mal drüben, auch<br />
um Erkundigungen für unsere Manaslu<br />
Expedition zwei Jahre später einzuholen“,<br />
erinnert er sich. Bei jener erreichte Reinhold<br />
Messner im Alleingang den Gipfel,<br />
seine beiden Freunde Franz Jäger und Andi<br />
Schlick kamen in einem Schneesturm ums<br />
Leben. Fünfzig Jahre ist das jetzt genau<br />
her. Tempi passati.<br />
1978 leitete Nairz dann jene Expedition<br />
zum Everest, bei der er selbst als einer der<br />
ersten Österreicher den Gipfel erreichte.<br />
Wenige Tage später gelang dann seinen<br />
Freunden Reinhold Messner und Peter<br />
Habeler die erste Besteigung des Everest<br />
ohne zusätzlichen Sauerstoff. „Beim<br />
Rückweg nach Kathmandu haben wir dann<br />
Edmund Hillary getroffen, den ich aber<br />
schon vorher kannte.“ Hillary war damals<br />
weltberühmt, nutzte seine Bekanntheit<br />
dafür, den Sherpas im Khumbu auf allen<br />
Ebenen zu helfen. So organisierte und<br />
finanzierte er den Bau des Krankenhauses<br />
in Kunde, ließ Schulen, Trinkwasserleitungen<br />
errichten. Damit war ein großer<br />
Stein ins Rollen gekommen.<br />
Nepalhilfe Tirol<br />
„Freunde von mir, natürlich auch ich selbst,<br />
haben immer wieder etwas für Nepal<br />
gemacht. Doch das waren Einzelaktionen.<br />
Unkoordiniert, eher aus dem Bauch heraus.<br />
Also haben Hans Gastl, Manfred Gabrielli<br />
und ich 2003 die Nepalhilfe Tirol gegründet.<br />
Mit dem Ziel, die Kräfte zu bündeln, gemeinsam<br />
mehr zu erreichen. Unser großes Vorbild<br />
dabei war natürlich Ed Hillary. Auch wir<br />
wollten im kleineren Stil die Menschen dort<br />
unterstützen, Krankenhäuser und Schulen<br />
bauen, Hilfe zur Selbsthilfe geben.“<br />
Rund 100.000 € an Spenden kommen<br />
durchschnittlich pro Jahr zusammen. Jetzt,<br />
in diesen wirtschaftlich sehr angespannten<br />
Zeiten, etwas weniger. Wichtig für Nairz und<br />
sein kleines Team: Das Geld soll direkt bei<br />
den Betroffenen ankommen, nicht irgendwo<br />
versickern oder abgezweigt werden. Damit<br />
dies funktioniert, arbeitet er bei seinen Projekten<br />
in Nepal ausschließlich mit staatlich<br />
anerkannten NGO‘s zusammen. Ein verlässlicher<br />
Partner vor Ort ist dabei etwa Tashi<br />
Tenzing, dessen Großvater Tenzing Norgay<br />
erreichte 1953 mit Edmund Hillary erstmals<br />
den Gipfel des Everest.<br />
Hier in Tirol hat die Nepalhilfe ein Zimmer<br />
in der Wohnung von Wolfgang Nairz gefunden.<br />
Die Verwaltungskosten betragen gerade<br />
mal drei Prozent, das meiste geht dabei<br />
für Briefmarken, Folder oder Broschüren<br />
Lachende Gesichter: Die Nepalhilfe Tirol<br />
unterstützt Einheimische vor allem im<br />
Gesundheits- und Bildungsbereich.<br />
(© Nepalhilfe Tirol)<br />
drauf. Jährlich wird der Verein von einem<br />
Wirtschaftstreuhänder bis ins kleinste<br />
Detail geprüft, Voraussetzung dafür, dass<br />
die Nepalhilfe Tirol vom Finanzamt den<br />
„Spendenbegünstigungsbescheid“ erhalten<br />
hat. Damit, und das ist keine Selbstverständlichkeit,<br />
sind alle Spenden steuerlich<br />
absetzbar.<br />
Das Sherpa-Projekt<br />
Bekannt ist Wolfgang Nairz wohl auch für<br />
sein Sherpa-Projekt, welches die Nepalhilfe<br />
Tirol vor knapp 20 Jahren gestartet<br />
hat. Rund 20 Frauen und Männer aus<br />
Nepal können dabei jährlich in Tirol lernen,<br />
wie es ist, eine Hütte zu führen. Da<br />
geht es um Hygiene, um Bevorratung, die<br />
richtige Lagerung, handwerkliche Dinge,<br />
die Küche oder den Kontakt mit den Gästen.<br />
„Leider gibt es dafür in Tirol nur ein<br />
sehr kleines Kontingent, von der Nachfrage<br />
her könnte ich jährlich locker hundert<br />
Nepali unterbringen.“ Wenn Sie also<br />
auf der Franz Senn Hütte, der Amberger<br />
Hütte, dem Taschachhaus oder am Solstein<br />
Haus Beschäftigte aus Nepal sehen,<br />
wissen Sie, dass diese hier Hüttenbewirtschaftung<br />
lernen.<br />
Im Frühjahr 2015 erschütterten mehrere<br />
schwere Erdbeben Nepal. An die 9 000<br />
Menschen starben, zigtausende wurden<br />
teils schwer verletzt, die Sachschäden<br />
und Verwüstungen waren enorm. „Nach<br />
dem Erdbeben haben wir sehr viele Spenden<br />
bekommen, damit konnten wir auch<br />
große Projekte umsetzen“, erinnert sich<br />
Nairz. Gemeinsam mit der Stiftung von<br />
Reinhold Messner und anderen Spender*innen<br />
wurde das fast komplett zerstörte<br />
„Kunde Hospital“ von Ed Hillary neu<br />
aufgebaut – eine Viertel Million Euro floss<br />
dabei in die Region. Ein ähnlich großes<br />
Projekt war der Neubau einer erdbebensicheren<br />
Schule für 350 Kinder nördlich<br />
der Hauptstadt Kathmandu – mit Kosten<br />
von nahezu 200.000 €.<br />
Rasche Hilfe aus Tirol gab es auch in Form<br />
von Hilfspaketen. „Wir haben Lebensmittelpakete<br />
zusammengestellt, wovon eine<br />
Familie einen Monat lang leben kann. Die<br />
rund 100.000 € dafür kamen ausschließlich<br />
aus Spenden von Firmen und Privatpersonen.“<br />
Außerdem wurden viele Kulturdenkmäler<br />
wieder aufgebaut, Klöster etwa<br />
oder Chörten, die in Nepal einfach zum<br />
Leben, zum Alltag dazugehören.<br />
Ed und Peter Hillary<br />
Und was verbindet Hillary und Nairz sonst<br />
noch? Um die Jahrtausendwende begleitete<br />
der Innsbrucker Nairz den Neuseeländer<br />
Edmund Hillary auf einer Vortragsreise<br />
quer durch Österreich. Dabei hatten<br />
die beiden zweifelsohne genügend miteinander<br />
zu besprechen. Deutlich dramatischer<br />
gestaltete sich indes rund 20<br />
Jahre früher, nämlich im Herbst 1979,<br />
das zufällige Zusammentreffen Nairz’<br />
mit Peter Hillary, dem Sohn von Ed, auf<br />
der Ama Dablam. Gemeinsam mit drei<br />
anderen Neuseeländern versuchte Peter<br />
Hillary den für die Sherpas „Heiligen Berg“<br />
über die äußerst schwierige Westwand<br />
zu besteigen, als sich plötzlich eine Eislawine<br />
löste und die Bergsteiger mitriss.<br />
Eine Person kam dabei ums Leben, die<br />
anderen – auch Peter Hillary – wurden<br />
schwer verletzt. Wolfgang Nairz befand<br />
sich damals mit Reinhold Messner und<br />
Oswald Oelz im Basislager und organisierte<br />
sofort eine Rettungsaktion, die ein<br />
letztendlich glückliches Ende nahm.<br />
Heuer im Oktober wird Nairz abermals<br />
das Flugzeug nach Nepal besteigen, das<br />
insgesamt nun 104. Mal. Selbstverständlich<br />
auf eigene Rechnung. Neben einem<br />
kleinen Trekking wird er dabei auch das<br />
jüngste Projekt der Nepalhilfe Tirol besuchen,<br />
das Elderly Care Center im unteren<br />
Khumbu Gebiet, eine Art Seniorenheim<br />
auf Nepalesisch. Erst kürzlich wurde dort<br />
eine Solardusche aufgestellt, finanziert<br />
über Spenden aus Tirol. „Wir konzentrieren<br />
uns ganz bewusst auf Projekte<br />
im Gesundheits- und Sozialbereich, auf<br />
die Hilfe zur Selbsthilfe. Gießkannenartig<br />
etwas zu verteilen, ist nicht unsere<br />
Sache.“<br />
Die Nepalhilfe Tirol<br />
nepalhilfe-tirol.at<br />
Die Nepalhilfe Tirol ist ein Verein<br />
zur Förderung medizinischer und<br />
sozialer Projekte in Nepal. 2003 in<br />
Innsbruck gegründet soll vor allem<br />
Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden.<br />
In diesem Sinne tragen sich<br />
einige wichtige Projekt bereits<br />
selbst, andere werden noch mitfinanziert:<br />
die Kaffeefarm, das<br />
Ofenprojekt, ein Aufforstungsprojekt<br />
in Langtang und im Khumbu,<br />
ein Projekt für beeinträchtigte<br />
Menschen, der Bau von Schulen,<br />
die Renovierung von Spitälern,<br />
Covid-Soforthilfe mit Hilfspaketen<br />
oder das Sherpa-Projekt auf<br />
Tiroler Hütten.<br />
Am 10. <strong>November</strong> findet im Innsbrucker<br />
Metropol Kino die Premiere<br />
zum jüngsten Film von Reinhold<br />
Messner statt. Eine filmische Aufarbeitung<br />
der Manaslu Expedition<br />
vor 50 Jahren. Der Reinerlös<br />
kommt der Nepalhilfe Tirol zugute.
94 GemNova.Menschen<br />
GemNova.Menschen<br />
95<br />
Der rote Faden<br />
VON REINHOLD OBLAK<br />
„Du willst mit mir reden, über mich ein Portrait schreiben? Aber ich hab ja<br />
überhaupt nichts zu sagen, kein besonders spannendes Leben.“ Jeder Mensch<br />
ist einmalig, jede Person hat eine ganz eigene, unverwechselbare Geschichte,<br />
so meine Antwort. Und jede Person ist es wert, näher betrachtet zu werden.<br />
Nachstehend also die Geschichte von Ieva Matiukaite, 31, aus Litauen.<br />
Und die ihres roten Fadens.<br />
Die gebürtige Litauerin Ieva Matiukaite in<br />
Innsbruck: „Ich stehe nun nicht vor, sondern<br />
hinter der Kamera. Aber das passt für mich<br />
auch sehr, sehr gut.“ (© GemNova)<br />
„<br />
„Ich hab zwar Deutsch<br />
studiert, spreche die<br />
Sprache recht gut, doch in<br />
der Wildschönau hab ich fast<br />
nichts verstanden.“<br />
Denken Sie mal kurz nach. Gibt es in<br />
Ihrem Leben einen roten Faden? Also<br />
etwas, von dem Sie bereits als Kind, als<br />
Jugendliche überzeugt waren, es einmal<br />
zu erreichen? Natürlich mit Verzweigungen,<br />
Abbrüchen, mit neuen Wegen, Verzögerungen,<br />
Zwischenfällen.<br />
Ieva Matiukaites roter Faden trägt den<br />
Titel einer Krimiserie: Alarm für Cobra 11.<br />
Als Kind schon, damals noch in Litauen,<br />
im 10.000-Seelen-Städtchen Anyksciai,<br />
bei Mama und Papa zu Hause, konnte sie<br />
es kaum erwarten, diese deutschsprachige<br />
Krimiserie im Fernsehen anzusehen.<br />
Die Handlung: seicht und belanglos, austauschbar,<br />
wie eben bei fast jeder Serie.<br />
Doch Ievas Traum war ein anderer: „Ich<br />
wollte möglichst schnell Deutsch lernen,<br />
dann Schauspielerin werden, nach<br />
Deutschland ziehen, um bei Cobra 11 mitzuspielen.“<br />
Von Vilnius nach Heidelberg<br />
Ieva ist ein Silvesterkind, geboren am 31.<br />
Dezember 1990 in Anyksciai, im Nordosten<br />
von Litauen. Die Mama arbeitet im<br />
örtlichen Standesamt, der Papa besitzt<br />
ein Juweliergeschäft, guter Mittelstand<br />
eben. Bis nach der Matura bleibt Ieva zu<br />
Hause, danach, mit 18 Jahren, zieht sie<br />
zum Studium in die gut 100 km entfernte<br />
Hauptstadt Vilnius. „Ich hab Deutsch<br />
und Pädagogik studiert, wollte möglichst<br />
schnell nach Deutschland.“<br />
Noch während des Studiums öffnet sich<br />
für sie ein Fenster: „Ich durfte für ein Auslandssemester<br />
nach Heidelberg, an die<br />
pädagogische Hochschule. Dort wurde mir<br />
angeboten, im Sommer litauische Landeskunde<br />
zu unterrichten. Natürlich hab ich<br />
sofort ja gesagt.“ Der rote Faden beginnt<br />
plötzlich viel kräftiger zu leuchten.<br />
Unterm Jahr studiert sie in der litauischen<br />
Hauptstadt Vilnius, im Sommer<br />
lebt, unterrichtet, kellnert sie in Heidelberg.<br />
„Ich hatte dort schon einige Freundinnen,<br />
gleichzeitig mein großes Ziel vor<br />
Augen: nach Köln zu kommen, wo Cobra 11<br />
gedreht wird“, fügt sie mit einem Schmunzeln<br />
hinzu. 2015 schließt Ieva ihr Studium<br />
in Litauen ab, um danach nach Heidelberg<br />
zu ziehen.<br />
Ievas roter Faden scheint gut ausgerollt<br />
zu sein. Die eingeschlagene Richtung<br />
stimmt, die ersten Ziele sind bereits<br />
erreicht. Doch wie es im Leben so spielt,<br />
kommt dann plötzlich alles ganz anders,<br />
der Faden verheddert sich, wird zum<br />
Labyrinth.<br />
Von Heidelberg in die Wildschönau<br />
Die Wildschönau ist ein naturbelassenes<br />
Dorf im Osten Tirols. Drei Jahrhunderte<br />
lang wurde hier Silber und Kupfer abgebaut,<br />
erst im 19. Jahrhundert wurde der<br />
Bergbau mangels Rentabilität geschlossen.<br />
1911 wurde durch die Kundler Klamm<br />
eine Straßenverbindung<br />
ins Inntal gebaut<br />
– heute ist diese nur<br />
mehr ein Wander- und Radweg. Und angenehm<br />
kühl, wenn es im Inntal draußen<br />
weit über dreißig Grad hat. Doch was hat<br />
das mit Ieva zu tun?<br />
Auch diese Geschichte beginnt in Litauen,<br />
am Flughafen von Vilnius, im Winter<br />
2017. Ieva wollte von dort nach Frankfurt,<br />
ein junger Mann nach München. Technischer<br />
Probleme wegen hieß es für beide<br />
über Warschau zu fliegen. Und dort auf<br />
den jeweiligen Anschlussflug zu warten.<br />
„Bei dieser Warterei sind wir eben ins<br />
Gespräch gekommen, haben uns näher<br />
kennengelernt.“ Zwei rote Fäden treffen<br />
sich, beginnen sich zu verbinden . . .<br />
Monate später findet sich Ieva an der Seite<br />
von Gerhard mitten in der Wildschönau<br />
wieder. Er lebt hier, sie zieht zu ihm.<br />
„In den ersten Wochen hatte ich richtige<br />
Angst das Haus zu verlassen. Ich hab<br />
zwar Deutsch studiert, spreche diese<br />
Sprache auch recht gut, doch in der Wildschönau<br />
hab ich fast nichts verstanden.<br />
Wenn Gerhard mit seinen Freunden im<br />
Dialekt geredet hat, hab ich ganz wenig<br />
mitbekommen.“<br />
Von der Wildschönau nach Innsbruck<br />
Die Wildschönau ist zwar wunderschön,<br />
recht abgeschieden, aber was soll Ieva<br />
hier den ganzen Tag tun? Den örtlichen<br />
Dialekt zu lernen bringt nicht viel, oder<br />
glauben Sie, dass bei Cobra 11 im Unterländer<br />
Kauderwelsch parliert wird? Ieva<br />
beginnt in Innsbruck Medien- & Kommunikationswissenschaft<br />
zu studieren, pendelt<br />
dafür täglich fast drei Stunden zwischen<br />
den beiden Orten. Im Frühjahr<br />
2020, am Beginn des ersten Corona-<br />
Lockdowns, schließt sie ihr Masterstudium<br />
erfolgreich ab.<br />
In dieser Zeit beginnt sie außerdem ein<br />
Praktikum beim Privatsender Tirol TV,<br />
wird schon wenig später fix angestellt.<br />
Langsam schmeckt sie ins Fernsehen hinein,<br />
gestaltet die ersten Beiträge, lernt den<br />
Job einer Videojournalistin besser kennen,<br />
nimmt ihren roten Faden wieder auf.<br />
Im Sommer 2020 zieht sie von der Wildschönau<br />
nach Arzl, lernt auch ihren neuen<br />
Freund kennen. „Benjamin wohnt in Inzing,<br />
wir wollen unbedingt zusammenziehen.<br />
Aber die Mietpreise sind hier so hoch.“<br />
Tirol war in der Vergangenheit ein besonders<br />
konservatives Land, immer den eigenen<br />
Kirchturm ganz fest im Fokus. Erst in<br />
jüngster Zeit begannen neue Pflänzchen<br />
zu wachsen, auf den unterschiedlichsten<br />
Ebenen. „Am Anfang hab ich mich damit<br />
schon etwas schwer getan, einfach weil<br />
ich selbst eine sehr offene, empathische,<br />
neugierige Frau bin. Ich komme ja aus<br />
Litauen, also aus Osteuropa. Einige hier<br />
in Tirol meinten, ich sei ein Wirtschaftsflüchtling,<br />
aber das ist natürlich ein Blödsinn.<br />
Ich hab eine profunde Ausbildung,<br />
hab hier meinen Freund, meine Freundinnen.<br />
Die Welt ist groß und bunt, ich will<br />
einfach ein Teil davon sein.“<br />
Vor und hinter der Kamera<br />
Seit Anfang des Jahres arbeitet Ieva bei<br />
der erlebnis.film, einem Tochterunternehmen<br />
der GemNova, die Menschen<br />
aus rund dreißig verschiedenen Nationen<br />
beschäftigt. „Dieses weltoffene, internationale<br />
Team, diese Offenheit, diese Kreativität,<br />
diese unbändige Lust von Allen Neues<br />
zu lernen. Eine ganz tolle Atmosphäre, ein<br />
großartiges Klima.“ Ieva bedient nun die<br />
Kamera, macht den Schnitt, organisiert,<br />
plant, arbeitet an Livestreams mit, ist<br />
auch redaktionell tätig, gestaltet Beiträge.<br />
Sie erinnern sich noch an den Anfang<br />
dieser Geschichte, an Ievas roten Faden?<br />
An ihren Wunsch als Schauspielerin bei<br />
Cobra 11 vor der Kamera zu stehen?<br />
Gut, aus Köln wurde Innsbruck. Von der<br />
Lebensqualität her deutlich besser. Cobra<br />
11 findet nach wie vor im Fernsehen statt,<br />
doch mit der Kamera hat Ieva nun tagtäglich<br />
zu tun. „Ich stehe nun nicht vor,<br />
sondern hinter der Kamera.“ Kurze Nachdenkpause.<br />
„Aber das passt für mich auch<br />
sehr, sehr gut.“ Schauspielerin kann sie ja<br />
trotzdem noch werden.
96 GemNova.Menschen<br />
GemNova.Menschen<br />
97<br />
Vereinbarkeit<br />
betrifft uns alle<br />
Die GemNova bietet ihren Kundinnen und<br />
Kunden ein vielseitiges Leistungsangebot.<br />
Genauso vielschichtig sind auch die<br />
Charaktere und Qualitäten der über 600<br />
Menschen im Unternehmen. Dabei bilden<br />
die gemeinsamen Werte das Herz der<br />
GemNova. Die Vereinbarkeit von Familie<br />
und Beruf spielt hier eine zentrale Rolle.<br />
Aus diesem Grund hat sich die GemNova<br />
für die Zertifizierung „Beruf & Familie“<br />
entschieden. Dabei sollen gemeinsam<br />
erarbeitete Maßnahmen im Unternehmen<br />
verstärkt umgesetzt werden.<br />
VON ANGELIKA RAFETZEDER<br />
Eva-Maria &<br />
Andreas<br />
„GemNova ist ein wunderbarer Arbeitgeber, weil es in der Firma ein großes WIR-Gefühl<br />
gibt. Ich habe schon bei anderen Firmen gearbeitet, aber so war es bisher noch nie. Als<br />
meine Tochter 2021 operiert werden musste, wurden wir von der GemNova unterstützt,<br />
wo es notwendig war; das ist wirklich KEINE Selbstverständlichkeit. Es fühlt sich fast wie<br />
eine Familie an. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist praktisch zu 100 % gegeben.<br />
Gerade in der Freizeitbetreuung und Schulassistenz kann man einem Beruf nachgehen<br />
und sich dann während der Ferien der Familie widmen.“<br />
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />
bedeutet für uns nicht nur ausreichend<br />
Zeit mit den Kindern verbringen zu können.<br />
Vielmehr müssen sämtliche familiären<br />
Lebenssituationen berücksichtigt werden,<br />
von der Pflege der Angehörigen bis hin zu<br />
einem ausgewogenen Beziehungsleben. Nur<br />
wer eine Balance zwischen all diesen Bereichen<br />
findet, kann sich mit voller Energie<br />
den beruflichen Aufgaben widmen. Kolleginnen<br />
und Kollegen aus den verschiedensten<br />
Bereichen der GemNova erläutern hier, was<br />
sie an der GemNova schätzen und wie sie<br />
persönlich Beruf und Familie vereinbaren:<br />
„Ich habe im Laufe der Jahre festgestellt,<br />
dass es mir sehr wichtig ist, wofür ich meine<br />
Ideen und meine Energie einbringe, und als<br />
Bewohner einer Tiroler Gemeinde kann ich<br />
mir schwerlich etwas Besseres vorstellen<br />
als die Tiroler Gemeinden zu unterstützen.<br />
Ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass man<br />
bei der GemNova etwas bewegen kann –<br />
es gibt keine starren Strukturen, sondern<br />
viel Frei- und Spielraum, um sich zu entfalten,<br />
Fragen zu stellen und etwas Neues<br />
zu schaffen. Die technische und organisatorische<br />
Möglichkeit, zwischendurch auch<br />
im Home-Office arbeiten zu können, ist ein<br />
wertvolles Angebot. Meine gesamte tägliche<br />
Pendelzeit beträgt immerhin 1,5 Stunden.<br />
Wenn der Arbeitsplatz gelegentlich nur 10<br />
Schritte entfernt ist, macht das schon einen<br />
großen Unterschied. Ich schätze auch die<br />
relativ freie Zeiteinteilung sehr. Es gibt Tage,<br />
an denen fuchst es einfach, und wenn man<br />
am nächsten Tag nochmal frisch über die<br />
Thematik nachdenkt, löst sich der Knoten<br />
manchmal deutlich leichter.“<br />
Martin<br />
Manuel<br />
Manuel Scheiber,<br />
Koordinator im GemNova Bildungspool<br />
„Als junge Familie (aber vor allem ich als<br />
frisch gebackener Vater) profitierten wir<br />
enorm davon, dass ich die Möglichkeit hatte,<br />
den sogenannten „Papamonat“ zu nehmen<br />
und wir so nicht nur wertvolle Zeit gemeinsam<br />
verbringen, sondern wir uns auch in<br />
dieser neuen Situation zurechtfinden konnten.<br />
Aber auch die Arbeit von zuhause bietet<br />
eine gewisse Flexibilität und lässt mich ein<br />
Stück mehr am Familienleben teilhaben.“<br />
Diana<br />
„Bei der GemNova gefällt mir der wertschätzende<br />
Umgang, die Möglichkeit, eigenverantwortlich<br />
agieren zu können und die<br />
flachen Hierarchien. Man ‚gestaltet mit‘ und<br />
das ist kein Slogan bzw. eine leere Worthülse,<br />
sondern gelebte Wirklichkeit. Bei<br />
uns in der Akademie hat man die Möglichkeit,<br />
die Arbeitszeit bis zu einem gewissen<br />
Maß selbst einzuteilen. Mir persönlich<br />
wird dadurch zum Beispiel ermöglicht, dass<br />
ich meine Nachmittage freihalte. Auch für<br />
familiäre Angelegenheiten hat man stets<br />
Verständnis.“<br />
Monika Kopp, Kurskoordinatorin Tiroler<br />
Unterland bei der GemNova Akademie<br />
„Ich bin Mutter von vier Kindern im Alter<br />
von vier bis zehn Jahren und weiß, dass<br />
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />
meist ein schwieriges Thema darstellt.<br />
Da die Arbeitszeit flexibel an den eigenen<br />
Bedürfnissen angepasst werden konnte,<br />
wurde es mir ermöglicht, die notwendige<br />
Zeit für die Familie bereitzustellen.“<br />
Diana Hauser,<br />
Freizeitpädagogin an der VS Flirsch<br />
Monika<br />
Eva-Maria Dainelli und Andreas Dainelli, beide Schulassistenzen in Innsbruck<br />
Martin Schonger,<br />
Jurist im Bereich Infrastruktur & Recht
Neue Heimat für 3 Familien<br />
IMPRESSUM:<br />
Herausgeber, Medieninhaber und<br />
Verleger: GemNova Dienstleistungs<br />
GmbH | Adamgasse 7a, A-6020 Innsbruck,<br />
office@gemnova.at, +43 (0) 50<br />
4711, www.gemnova.at, © <strong>2022</strong>. Herstellung<br />
und Druck: Alpina Druck<br />
GmbH, www.alpinadruck.com. Auflage:<br />
12.300 Stück. Anzeigenverkauf:<br />
Mag. Bernhard Müssiggang, www.<br />
bmw-agentur.at. Projektverantwortung:<br />
Angelika Rafetzeder, MA.<br />
Konzept: Mitspieler – Kommunikation<br />
& Gestaltung, www.mitspieler.<br />
at. Gestaltung und Layout: Nathalie<br />
Kirchler, Melanie Hendl-Höller.<br />
Textkorrekturen: Natalie Nagl, MA.<br />
Redaktionsschluss: 21.09.<strong>2022</strong>.<br />
Mit „Entgeltliche Einschaltung“ gekennzeichnete<br />
Artikel sind bezahlte<br />
Informationen und fallen nicht in die<br />
Verantwortlichkeit der Redaktion. Für<br />
Satz- und Druckfehler übernehmen<br />
wir keine Haftung.<br />
Die GemNova bemüht sich um eine<br />
gendersensible Sprache in all ihren<br />
Texten. Dies umfasst die Ansprache<br />
nicht nur des männlichen und<br />
weiblichen Geschlechts, sondern<br />
auch des dritten Geschlechts. Dies<br />
sind Personen, die sich nicht in das<br />
binäre Geschlechtssystem „männlich“<br />
und „weiblich“ einordnen lassen<br />
(wollen).<br />
Die NEUE HEIMAT TIROL revitalisierte das denkmalgeschützte Widum in<br />
Spiss und errichtete eine Wohnanlage mit 3 Mietwohnungen. Der Heizwärmebedarf<br />
für die Wohnungen beläuft sich lt. Energie ausweis auf<br />
ca. 11,1 kWh/m 2 a.<br />
Die NEUE HEIMAT TIROL dankt dem Land Tirol für die Fördermittel aus<br />
der Wohnbauförderung und der Dorferneuerung, der Regio L für die<br />
Regionalförderung, dem Bundesdenkmalamt und der Gemeinde Spiss<br />
für die ausgesprochen gute Zusammenarbeit und den Planern und<br />
ausführenden Firmen für die hervorragende Arbeit und termingerechte<br />
Fertigstellung.<br />
Wir wünschen den neuen Bewohnerinnen und Bewohnern viel<br />
Freude und Zufriedenheit in ihrer „Neuen Heimat“.<br />
Finanzierung: Hypo Niederösterreich<br />
Derzeit bauen wir in 21 Gemeinden<br />
St. Johann<br />
Reutte<br />
Wörgl<br />
Jenbach<br />
Ehenbichl<br />
Jochberg<br />
Mieming Innsbruck<br />
Rum<br />
Schönwies Polling<br />
Kematen<br />
Sistrans<br />
Gerlos<br />
Pettneu a. A.<br />
Mutters<br />
Serfaus<br />
Kappl<br />
Sölden Finkenberg<br />
Kaunertal<br />
Wir danken den bauausführenden Firmen<br />
Architektur: DI Harald Kröpfl, Landeck · Bauphysik: Fiby ZTGmbH, Innsbruck · Generalunternehmerarbeiten:<br />
Hilti & Jehle GmbH, Ried im Oberinntal · Planung Elektro: Ing.<br />
Georg Schwienbacher, Landeck · Planung Haustechnik: Ruetz Ingenieurbüro, Grins · Statik:<br />
tragwerk zt GmbH, Zams<br />
Wohnbeispiel einer Mietwohnung<br />
2-Zimmer-Wohnung, ca. 64,18 m 2<br />
samt Carportstellplatz und Kellerabteil<br />
Nettomiete 1 € 309,30<br />
Betriebs, Heiz, Warmwasser kosten € 136,79<br />
inkl. Steuern 2<br />
Bruttomiete 3 € 446,09<br />
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pro Monat / je Nutzm² € 4,82<br />
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