Swissmechanic_Journal_2022-06

swissmechanic8570
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17.10.2022 Aufrufe

Nicht auf den Staat warten Selbstständigkeit in Zeiten des Strommangels KMU sehen sich mit der Situation konfrontiert, dass der Staat ihre kontinuierliche Versorgung mit Strom nicht mehr sicherstellen kann. Das Dilemma zeichnete sich schon seit Längerem ab. Wie hat sich die Waterjet AG auf diese Situation vorbereitet? Von Klaus Vollrath «Ich komme aus einer Bauernfamilie. Dort wird seit jeher langfristig gedacht und der Hof so geführt, dass er auch den nächsten Generationen ein Auskommen bietet», sagt Walter Maurer, Inhaber und VR-Präsident der Waterjet AG in Aarwangen. Die Firma – ein Dienstleister im Bereich Wasserstrahlschneiden – hat er 1989 gegründet und aus kleinsten Anfängen zu einem Technologieführer im Bereich Mikro-Wasserstrahlschneiden mit Filialen in der Ostschweiz sowie in den USA aufgebaut. Das Unternehmen sichert mehr als 45 hoch qualifizierten Mitarbeitern und ihren Familien Lohn und Brot sowie der Gemeinde und dem Staat stabile Steuereinnahmen. Im Interesse der Mitarbeiter und seiner Familie habe er schon seit Jahren daran gearbeitet, seinen Betrieb durch zahlreiche Projekte in Bereichen wie Umweltschutz sowie Einsparungen von Energie und Ressourcen zukunftssicher zu machen. Dies entspreche seiner Philosophie, dass Selbstständigkeit auch bedeute, nicht auf den Staat zu warten, sondern sich selbst um solche Fragen zu kümmern. Stromversorgung ist existenziell Unsere Politik habe vergessen, dass der technische Fortschritt einen ständig wachsenden Stromverbrauch erzwinge, bedauert W. Maurer. In Industrie und Verwaltung gebe es eine ständig zunehmende Computerisierung und Automation, industrielle und häusliche Wärmeversorgungen werden durch Gesetze von fossil auf Strom orientiert, auch die Elektromobilität brauche Strom. Den entsprechenden Aufwärtstrend sehe man vom Grundsatz her an der Langzeit-Statistik des Stromverbrauchs in der Schweiz – allerdings nur bis etwa zum Jahr 2000. Die danach zu beobachtende Abflachung treffe auch auf die anderen Länder Europas sowie die USA zu. Weltweit hat sich dagegen die Stromerzeugung von 1995 bis 2021 von etwa 13.400 Terawattstunden auf ca. 28.400 Terawattstunden verdoppelt. Dieses Wachstum erfolgte fast ausschliesslich in den aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens, Afrikas und des Nahen Ostens. Dort seien die «schmutzigen» Produktionen hingewandert, die der Westen nicht mehr bei sich haben will. Stattdessen würden wir diese Produkte oder Halbzeuge jetzt von dort importieren. Das zeige sich auch am Rückgang der Beschäftigung in der Schweizer Industrie: Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Schweizer Werktätigen nahm von 2011 bis 2021 von 22,4 auf nur noch 20,4 % ab, was einem Rückgang von 10 % entspreche. Längerfristig werde der Energie- und Strombedarf auch in der Schweiz wieder zunehmen. Sparappelle wie das Herunterdrehen der Heizung oder Einschränkungen beim Warmwasser sehe er in einem Land, das einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Einnahmen mit Touristen und internationalen Organisationen erwirtschaftet, eher kritisch: Frieren und kalt duschen könne man dieser Klientel nicht zumuten. Strom vom Dach «Auf die Energiestrategie des Landes als Ganzes haben wir als kleiner Betrieb leider keinen Einfluss», weiss Walter Maurer. Langfristig führe die aktuelle Politik in eine Sackgasse. Mit den letzten vier Kernkraftwerken werde die Schweiz rund 35 % der vorhandenen eigenen Stromerzeugungskapazität über kurz oder lang ersatzlos stilllegen müssen. Gleichwertiger Ersatz sei nicht in Sicht, und die entsprechenden Volksentscheide seien weder schnell noch einfach wieder umzukehren. Die jetzige hektische Aktivität mit Sparappellen und plötzlichem Zubau fossil betriebener Kraftwerke ändere nichts an der Tatsache, dass das Land innerhalb der nächsten Jahre immer weniger Strom produzieren könne. Es sei naiv anzunehmen, dass uns Europa aushelfen werde oder auch nur könne. So viel Zeit, auf Wortbrüchige zu warten wie bei der NEAT, habe man diesmal nicht. Deshalb habe er bereits vor Jahren begonnen, seinen Strombedarf zumindest teilweise über eine eigene Solaranlage zu decken. Dazu habe er auf einer vorhandenen Halle sowie auf einer weiteren, im Jahre 2019 neu erbauten Halle Solaranlagen mit insgesamt

Im Brennpunkt Waterjet AG: energetisch vorgesorgt 9 1.600 m 2 Fläche und einer Erzeugungskapazität von 2.500 kWp errichtet. Da der Betrieb einschichtig arbeitet, wird dieser Strom tagsüber weitgehend selbst verbraucht. Für die Wochenenden und Feiertage konnten mit dem Stromlieferanten günstige Abgabepreise ausgehandelt werden. Die eigene Solaranlage könne jedoch nie mehr als einen Zustupf zu einem stabil vorhandenen Netz darstellen. Voraussetzung hierfür sind genügend grosse Kraftwerke, die zuverlässig und bedarfsgerecht Bandenergie bereitstellen können. Diese Bandenergie könne mit zufallsabhängigem Strom aus Sonne und Wind nicht ersetzt werden. Er brauche Elektrizität dann, wenn seine Mitarbeiter im Betrieb seien. Angesichts der seit Jahren falsch laufenden Entwicklung rechne er über kurz oder lang nicht nur mit weniger Strom, sondern auch mit stunden- oder tagelangen Komplettausfällen, den sogenannten Blackouts. Inselbetriebsfähigkeit bei Blackouts «Bei einem Blackout nützt allerdings auch die Solaranlage nichts, selbst wenn sie einen Batteriespeicher hat», verrät W. Maurer. Grund hierfür ist die erforderliche Synchronisation mit der 50-Hz-Frequenz des Netzes. Dieser Vorgabe muss die Steuerung der Solaranlage blind folgen, da es sonst zu Verlusten oder Schäden kommen würde. Falls das Netz jedoch ganz ausfällt, geht auch die Synchronisation verloren und die Anlage kann keinen Wechselstrom mehr liefern. Um auch bei einem Blackout noch arbeiten zu können, brauche er nicht nur einen entsprechend grossen Batteriespeicher, sondern auch eine spezielle Elektronik, die von sich aus 50-Hz-Wechselstrom erzeugen kann. Für die nächste Zeit plane er deshalb nicht nur eine Ausweitung der vorhandenen Solaranlage auf insgesamt 3.500 kWp, sondern auch die Beschaffung eines Batteriespeichers mit 2,5 MWh und einer entsprechenden Steuerung. Bei den Batterien werde er jedoch keine Lithium-Zellen nehmen, sondern Batterien auf Salzbasis, die deutlich bessere Eigenschaften hätten. Abwärmenutzung spart jährlich 35.000 Liter Heizöl «Auf fossile Energie haben wir bereits vor 14 Jahren verzichtet. Stattdessen wurde eine ausgeklügelte Kombination aus Abwärmenutzung und der Gewinnung von Wärme aus Grundwasser installiert», erläutert Walter Maurer. Tagsüber wird die Abwärme der zahlreichen Hochleistungspumpen in den Wasserstrahlschneidanlagen – sie brauchen im Jahr etwa 1 Gigawattstunde an Strom – in zwei grossen Tanks mit 20.000 Litern Inhalt gesammelt. Aus diesen Tanks ziehen im Winter zwei Wärmepumpen die Wärme wieder heraus, um die Gebäude zu heizen. Im Sommer wird dagegen kühles Grundwasser genutzt, um über einen Wärmetauscher die Gebäude zu klimatisieren. Seither kann Waterjet auf den Einsatz von Heizöl – davon wurden Walter Maurer: «Wir haben in den letzten Jahren Millionen investiert, damit der Betrieb auch bei Stromausfällen arbeitsfähig bleibt. Doch die Politik muss jetzt schnell handeln.» (Foto: Matthias Kuert/Waterjet) früher jährlich rund 35.000 Liter benötigt – komplett verzichten. Darüber hinaus wird auch der Energiebedarf der Hochdruckpumpen durch verschiedene Massnahmen heruntergedrückt. Im Rahmen von Modernisierungsinvestitionen werden die alten Hydrauliksysteme, die nur im Ein-Aus- Modus arbeiten, durch moderne Servohydrauliken ersetzt, die nur so viel Leistung abrufen, wie tatsächlich benötigt wird. Für seine 16 Mikro-Wasserstrahlschneidanlagen wurde eine gemeinsame Versorgung mit einer Gruppe unterschiedlich grosser Hochdruckpumpen eingerichtet. Dies spart 50 % Strom, indem die Pumpen kaskadenweise so gesteuert werden, dass nur soviel Hochdruck-Wasser bereitgestellt wird wie gerade benötigt. In weniger genutzten Räumen schalten Sensoren das Licht auto matisch aus, wenn sich niemand dort aufhält. Und für die Zukunft sind noch weitergehende Projekte in der Pipeline, darunter ein Konzept für das Recyceln des gebrauchten Strahlmittels. Die Politik bleibt in der Verantwortung «Dies alles bleibt jedoch nur Stückwerk, wenn Volk und Politik nicht aufwachen und eine wirklich zukunftsfähige nationale Stromversorgung auf die Beine stellen», fordert W. Maurer. Er habe seit Jahren Millionen investiert, um für die heraufziehende Katastrophe gerüstet zu sein. Doch könne er damit nur die gröbsten Misshelligkeiten abfedern. Wenn die Politik nicht bald und entschlossen Gegensteuer gebe, gehe das Land schweren Zeiten entgegen. Kontakt Waterjet AG Mittelstrasse 8 4912 Aarwangen, Schweiz +41 62 919 42 82 waterjet.ch info@waterjet.ch

Nicht auf den Staat warten<br />

Selbstständigkeit in Zeiten<br />

des Strommangels<br />

KMU sehen sich mit der Situation konfrontiert, dass der Staat ihre kontinuierliche<br />

Versorgung mit Strom nicht mehr sicherstellen kann. Das Dilemma zeichnete sich schon<br />

seit Längerem ab. Wie hat sich die Waterjet AG auf diese Situation vorbereitet?<br />

Von Klaus Vollrath<br />

«Ich komme aus einer Bauernfamilie.<br />

Dort wird seit jeher langfristig gedacht<br />

und der Hof so geführt, dass er auch den<br />

nächsten Generationen ein Auskommen<br />

bietet», sagt Walter Maurer, Inhaber und<br />

VR-Präsident der Waterjet AG in Aarwangen.<br />

Die Firma – ein Dienstleister im Bereich<br />

Wasserstrahlschneiden – hat er<br />

1989 gegründet und aus kleinsten Anfängen<br />

zu einem Technologieführer im Bereich<br />

Mikro-Wasserstrahlschneiden mit<br />

Filialen in der Ostschweiz sowie in den<br />

USA aufgebaut. Das Unternehmen sichert<br />

mehr als 45 hoch qualifizierten Mitarbeitern<br />

und ihren Familien Lohn und<br />

Brot sowie der Gemeinde und dem Staat<br />

stabile Steuereinnahmen. Im Interesse<br />

der Mitarbeiter und seiner Familie habe<br />

er schon seit Jahren daran gearbeitet,<br />

seinen Betrieb durch zahlreiche Projekte<br />

in Bereichen wie Umweltschutz sowie<br />

Einsparungen von Energie und Ressourcen<br />

zukunftssicher zu machen. Dies entspreche<br />

seiner Philosophie, dass Selbstständigkeit<br />

auch bedeute, nicht auf den<br />

Staat zu warten, sondern sich selbst um<br />

solche Fragen zu kümmern.<br />

Stromversorgung ist existenziell<br />

Unsere Politik habe vergessen, dass der<br />

technische Fortschritt einen ständig<br />

wachsenden Stromverbrauch erzwinge,<br />

bedauert W. Maurer. In Industrie und Verwaltung<br />

gebe es eine ständig zunehmende<br />

Computerisierung und Automation,<br />

industrielle und häusliche Wärmeversorgungen<br />

werden durch Gesetze von fossil<br />

auf Strom orientiert, auch die Elektromobilität<br />

brauche Strom. Den entsprechenden<br />

Aufwärtstrend sehe man vom Grundsatz<br />

her an der Langzeit-Statistik des<br />

Stromverbrauchs in der Schweiz – allerdings<br />

nur bis etwa zum Jahr 2000. Die danach<br />

zu beobachtende Abflachung treffe<br />

auch auf die anderen Länder Europas sowie<br />

die USA zu.<br />

Weltweit hat sich dagegen die Stromerzeugung<br />

von 1995 bis 2021 von etwa<br />

13.400 Terawattstunden auf ca. 28.400<br />

Terawattstunden verdoppelt. Dieses<br />

Wachstum erfolgte fast ausschliesslich<br />

in den aufstrebenden Volkswirtschaften<br />

Asiens, Afrikas und des Nahen Ostens.<br />

Dort seien die «schmutzigen» Produktionen<br />

hingewandert, die der Westen nicht<br />

mehr bei sich haben will. Stattdessen<br />

würden wir diese Produkte oder Halbzeuge<br />

jetzt von dort importieren. Das<br />

zeige sich auch am Rückgang der Beschäftigung<br />

in der Schweizer Industrie:<br />

Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Schweizer<br />

Werktätigen nahm von 2011 bis 2021<br />

von 22,4 auf nur noch 20,4 % ab, was einem<br />

Rückgang von 10 % entspreche.<br />

Längerfristig werde der Energie- und<br />

Strombedarf auch in der Schweiz wieder<br />

zunehmen. Sparappelle wie das Herunterdrehen<br />

der Heizung oder Einschränkungen<br />

beim Warmwasser sehe er in einem<br />

Land, das einen nicht unbeträchtlichen<br />

Teil seiner Einnahmen mit Touristen<br />

und internationalen Organisationen<br />

erwirtschaftet, eher kritisch: Frieren und<br />

kalt duschen könne man dieser Klientel<br />

nicht zumuten.<br />

Strom vom Dach<br />

«Auf die Energiestrategie des Landes als<br />

Ganzes haben wir als kleiner Betrieb leider<br />

keinen Einfluss», weiss Walter Maurer.<br />

Langfristig führe die aktuelle Politik<br />

in eine Sackgasse. Mit den letzten vier<br />

Kernkraftwerken werde die Schweiz<br />

rund 35 % der vorhandenen eigenen<br />

Stromerzeugungskapazität über kurz<br />

oder lang ersatzlos stilllegen müssen.<br />

Gleichwertiger Ersatz sei nicht in Sicht,<br />

und die entsprechenden Volksentscheide<br />

seien weder schnell noch einfach wieder<br />

umzukehren. Die jetzige hektische<br />

Aktivität mit Sparappellen und plötzlichem<br />

Zubau fossil betriebener Kraftwerke<br />

ändere nichts an der Tatsache, dass<br />

das Land innerhalb der nächsten Jahre<br />

immer weniger Strom produzieren könne.<br />

Es sei naiv anzunehmen, dass uns Europa<br />

aushelfen werde oder auch nur<br />

könne. So viel Zeit, auf Wortbrüchige zu<br />

warten wie bei der NEAT, habe man diesmal<br />

nicht. Deshalb habe er bereits vor<br />

Jahren begonnen, seinen Strombedarf<br />

zumindest teilweise über eine eigene<br />

Solaranlage zu decken. Dazu habe er auf<br />

einer vorhandenen Halle sowie auf einer<br />

weiteren, im Jahre 2019 neu erbauten<br />

Halle Solaranlagen mit insgesamt

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