Mixology Issue #111 – mehr Roggen!
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
RYE & HIGH<br />
5/ 2022 — 20. Jahrgang<br />
Einzelverkaufspreis: [D] 11,00 € — [A, LUX] 12,00 € — [CH] 12,50 CHF<br />
WHISKEY AUS ROGGEN<br />
EINE SPIRITUOSE AUF DEM<br />
HÖHENFLUG, UND DAS WELTWEIT.<br />
DER GROSSE ÜBERBLICK
NEUE BARS<br />
RAUS<br />
AUS DEM<br />
SCHATTEN<br />
OFFENBACH HAT EINE NEUE BAR. ODER EINE<br />
KUNSTGALERIE? DAS NEUE KONSTRUKT DES<br />
BEFREUNDETEN TRIOS OLIVER HUNDEMER,<br />
FABIAN BIERWOLF UND SARAH GOEBEL WILL<br />
BEIDES. VOR ALLEM STREBT DIE VON GRACE<br />
JONES INSPIRIERTE »GRACE STUDIOBAR«<br />
DANACH, EIN GERN BESUCHTER TREFFPUNKT<br />
NEBEN IHRER MIT BARS VERDICHTETEN<br />
SCHWESTERNSTADT FRANKFURT ZU SEIN.<br />
Foto: Elvin Buljubasić<br />
20
Foto: Christopher Castela Soares<br />
Text Michaela Bavandi<br />
Es mag sein, dass man sich beim Blick durch<br />
die bodentiefe Glastürfassade in der Ludwigstraße<br />
187 in Offenbach am Main nicht ganz<br />
sicher ist, wenn man noch nicht da gewesen<br />
oder einheimisch ist. Ich bin leider noch<br />
nicht in Offenbach gewesen. Aber jetzt gibt<br />
es einen Grund, der sich mir durch einen digitalen<br />
Rundgang und eine ausführliche Face-to-face-Unterhaltung<br />
auf digitaler Ebene<br />
erschlossen hat. Offenbach hat dort nämlich<br />
einen neuen Sitz für Drink-Kulinarik und<br />
Kunst. Es ist die Grace Studiobar, die Mitte<br />
Juli dieses Jahres eröffnet worden ist. Beim<br />
Blick eben durch die Glastüren erfasst man<br />
das Interieur im Industrial- oder Rohbau-Style<br />
mit Schichtboden, Industrielampen, langen<br />
Tafeln und Zweier-Tischformationen für<br />
Verabredungen sowie einer weitgestreckten<br />
Bar? Oder Galerie? Das »Grace« will<br />
ausdrücklich beides sein<br />
schwarzen Stoffcouch des Hausdesigners Douman<br />
Pour, bekannt als »Pournoir«. Zudem<br />
erblickt man diverse Kunst objekte, Bildmalereien,<br />
Messingskulpturen und Taschen, die<br />
aus Touristen-Relikten wie Kleiderknöpfen an<br />
Urlaubsstränden gefertigt sind. Sie sind Teil<br />
der aktuellen Ausstellung dreier afrikanischer<br />
Künstler. Man sieht ein blaues DJ-Pult und<br />
vor allem einen, dem fast 130 Quadratmeter<br />
großen Gastraum zugewandten flieder- oder<br />
lavendelfarbenen Holztresen, der von schwarzen<br />
Barhockern flankiert ist. Spätestens jetzt<br />
und aus dem Namen der neuen Einrichtung<br />
schließend ist klar erkennbar, dass die Grace<br />
Studiobar eine Bar und <strong>mehr</strong> sein will.<br />
Am Main bleiben. Nur anders<br />
Fortan wollen Oliver Hundemer, Fabian Bierwolf<br />
und Sarah Goebel diesen buntgemischten<br />
Ort mit klarem Fokus auf Barkultur, umrandet<br />
von DJ-Live-Musik-Events und Kunstausstellungen,<br />
zu einem Treffpunkt für alle Offenbacher<br />
und jene etablieren, die in dem mit<br />
rund 130.000 Einwohnern beseelten Städtchen<br />
verweilen. Hundemer und Bierwolf <strong>–</strong> was für<br />
eine tierische Verbindung. »Es klingt doch fast<br />
wie Cap und Capper«, scherzen die beiden<br />
Gründer der Grace Studiobar. Tatsächlich liegt<br />
hinter den zwei Freunden auf vier Pfoten ein<br />
schönes Stück gemeinsamer Arbeitsweg. Ihre<br />
beruflichen Erfahrungen in der Barszene sammeln<br />
sie zuerst in der Frankfurter Bar ohne Namen,<br />
deren von manchen Gästen überliefertes<br />
und aus der Atmosphäre gewachsenes Motto<br />
»Good Times For Good People« mittlerweile<br />
zum Zweitnamen avanciert ist. Es folgten Stationen<br />
in der Maxie Eisen Bar, der Shuka Bar<br />
des Frankfurter 25hours Hotels, wo sie sich tiefgründig<br />
mit Sake und Shōchū auseinandergesetzt<br />
haben, sowie Pop-up-Barprojekte wie die<br />
Klima Bar in Kooperation mit der Ima-Clique.<br />
Während Corona wagen die Musikliebhaber<br />
Hundemer und Bierwolf schließlich den<br />
Schritt in die Selbstständigkeit. Mit Gastro-Erfahrung<br />
im Gepäck gründen sie ihre Agentur<br />
Klub Liebe Studio für Eventmanagement und<br />
Gastronomie-Consulting in der Ludwigstraße,<br />
wo vor einem halben Jahr nun auch deren<br />
Herzensprojekt, die Grace Studiobar, erwachsen<br />
ist. »Eigentlich war es immer schon unser<br />
Wunsch, eine eigene Bar zu betreiben, und<br />
diesen haben wir uns mit der Grace erfüllt«,<br />
erklären die Wahl-Offenbacher. Der Agenturarbeit<br />
mit einem Büro im Hinterzimmer des<br />
Grace werden sie weiterhin treu bleiben. »Wir<br />
lieben auch die aktive Agenturarbeit rund um<br />
Veranstaltungen, Gastro-Consulting oder Firmenevents<br />
und wollen zudem breit aufgestellt<br />
sein. Denn wir leben in Zeiten, wo man das tun<br />
sollte«, ist Fabian Bierwolf überzeugt.<br />
Vom Duo zum Trio<br />
Gleichwertig komplettiert wird die Teamformation<br />
von Sarah Goebel. Vor fünf Jahren<br />
landet die gebürtige Mannheimerin, die aus<br />
einer Gastro-Familie in Frankfurt stammt und<br />
schon im Alter von 14 Jahren im Restaurant<br />
ihrer Tante erste Erfahrungen gesammelt hat.<br />
Sie bleibt diesem Metier im Bar- und Servicebetrieb<br />
unter anderem an der Bar des Robert<br />
Johnson Clubs treu und darin aktiv. Schnell<br />
knüpft sie in der Stadt mit einer hohen Bardichte<br />
Kontakte und Verbindungen. Unter anderem<br />
zu Bierwolf und Hundemer, die sie zu<br />
sich in die Agentur und nun auch Bar holen.<br />
Seither wirkt Goebel zum einen als Projektmanagerin<br />
bei Klub Liebe Studio, aber auch als<br />
fester Teil im Team der Grace Studiobar mit<br />
und erhebt »als Küken« das tierische Duo zu<br />
einem Trio, das <strong>–</strong> mit dem Teilzeitmitarbeiter<br />
Björn, der Küchengehilfin Melissa und einer<br />
Aushilfskraft zu sechst <strong>–</strong> Menschen an verschiedene<br />
Kunstformen bei Trinkkultur und<br />
Geselligkeit heranlotsen möchte. »Sarah ist das<br />
fehlende Puzzleteil gewesen«, betont Oliver<br />
Hundemer, der manchmal auch seinem Hund<br />
Lui Eintritt gewährt: »Lui ist unser Barhund,<br />
aber eigentlich nicht so richtig Bargänger.<br />
Wenn er aber ab und an mitkommt, macht er<br />
uns alle glücklich.«<br />
21
AUF EIN GLAS MIT …<br />
NON-CHEMICAL<br />
BROTHERS<br />
Diskussionen gehören dazu, wenn Liebehenz und<br />
Nguyen sich austauschen<br />
28
TUAN ANH NGUYEN UND STEFFEN<br />
LIEBEHENZ HABEN DER »LANG BAR« IM<br />
BERLINER WALDORF ASTORIA NEUES<br />
LEBEN EINGEHAUCHT. MODERNE INTER-<br />
PRETATIONEN VON KLASSIKERN UND EIN<br />
TIGHTES KONZEPT HABEN DIE HOTEL-<br />
BAR WIEDER AUF DEN BAR-RADAR DER<br />
STADT GEBRACHT. ZU BESUCH BEI EINEM<br />
DUO, DAS SICH BLIND<br />
VERSTEHT.<br />
Text Stefan Adrian<br />
Fotos Birte Filmer<br />
MIXOLOGY: Steffen, Tuan, ihr habt beide<br />
Wurzeln im Becketts Kopf, allerdings haben<br />
sich eure Phasen dort nicht überschnitten.<br />
Trotzdem hat man hat sofort den Eindruck:<br />
Die Chemie zwischen euch stimmt.<br />
Steffen Liebehenz: Tuan hat uns letztens mit<br />
Thor und Hulk verglichen. Das war sehr passend.<br />
Tuan Anh Nguyen: Uns verbindet eine Form<br />
von gesunder Neckerei. Wir messen uns nicht<br />
aneinander, auch wenn viele Kollegen denken,<br />
dass wir einen Machtkampf pflegen. Überhaupt<br />
nicht: Wir treten uns gegenseitig eher<br />
in den Hintern. Ich kann leicht soziopathische<br />
Züge haben, Steffen etwas gemächlichere. Das<br />
sieht dann so aus, dass Steffen zu mir sagt:<br />
»Tuan, die Wörter ›Danke‹ und ›Bitte‹ gehören<br />
sich immer noch.« Und ich zu ihm sage: »Steffen,<br />
beweg dich mal schneller.« Das tut uns gut.<br />
Wir arbeiten an der Station mittlerweile blind<br />
miteinander.<br />
Dann sollte man wohl »Thor« schauen …<br />
Liebehenz: Thor 3 reicht. Es war auch eher<br />
ein symbolischer Vergleich. Die beiden müssen<br />
immer gegenseitig beweisen, wer größer,<br />
stärker, schneller ist. Aber eigentlich wissen<br />
sie insgeheim, dass sie sich genau deswegen<br />
auf den anderen verlassen können. So sind wir<br />
auch. Ich bin im Herbst 2019 eingestiegen und<br />
Tuan kam kurz darauf hinzu. Das hat mir gutgetan<br />
und hat wieder Dynamik und Energie<br />
reingebracht.<br />
Apropos Kino: Durch die Fenster der Lang Bar<br />
sieht man zur linken Hand auf den Zoo Palast,<br />
zur rechten auf den Kurfürstendamm: das Herz<br />
von Berlin City-West. Spürt man das in der<br />
Bar?<br />
Liebehenz: Was das Kino betrifft durchaus,<br />
kommt aber auf den Film an. Bei James Bond<br />
kamen danach viele in die Bar, bei Matrix 4<br />
weniger.<br />
Nguyen: Die Leute schreien natürlich sofort:<br />
Martini! Wenn sie dann einen Vesper Martini<br />
bestellen, schaue ich ihnen erst mal tief in<br />
die Augen und frage, ob sie vorhaben, gleich<br />
direkt unter dem Tisch zu liegen. Der Vesper<br />
Martini an und für sich ist immer noch ein<br />
Drink für einen Alkoholiker, auch wenn dieser<br />
zufällig James Bond heißt. Aber die Euphorie<br />
und die Motivation, so etwas nachzuvollziehen,<br />
spüren wir manchmal.<br />
Die Lang Bar ist jetzt knapp zehn Jahre alt.<br />
Sie war mal <strong>mehr</strong>, mal weniger präsent. Was ist<br />
eure Vision?<br />
Liebehenz: Wir wollten ein klares Profil. Das<br />
sind zuallererst Interpretationen von klassischen<br />
Drinks mit hoher Qualität. Die Zeit der<br />
LANG BAR<br />
Die Lang Bar befindet sich im ersten Stock<br />
des Waldorf Astoria am Zoologischen<br />
Garten in Berlin. Genau diese Atmosphäre<br />
bekommt man auch, wenn man die eindrucksvolle<br />
Bar betritt: Breite Fensterfronten<br />
zu beiden Seiten geben den Blick<br />
frei auf den Bahnhof Zoo, die Gedächtniskirche,<br />
den Kurfürstendamm. Die Lang<br />
Bar ist mittendrin und doch irgendwie<br />
eine versteckte Perle. Eine Perle, die seit<br />
etwa drei Jahren von Steffen Liebehenz<br />
und Tuan Anh Nguyen aufpoliert wird.<br />
Lockdowns war auch für uns unangenehm,<br />
aber wir haben sie genutzt, um uns kennenzulernen.<br />
Wir haben uns viel privat getroffen, um<br />
zu überlegen, wo wir hinwollen. Wir führen<br />
diese Bar nicht wie eine klassische Hotelbar,<br />
sondern wie eine freie Bar. Wir definieren Luxus<br />
anders als viele in der klassischen Hotellerie,<br />
wo es darum geht, dem Gast das zu geben,<br />
was er gerne möchte. Wir wollen ein exklusives<br />
Erlebnis bieten. Das ist unsere Definition von<br />
Luxus.<br />
Nguyen: Eine Zeit lang war die Lang Bar<br />
auch eher unsichtbar und nicht sehr progressiv<br />
ausgerichtet. Jetzt haben wir den Schritt auch<br />
<strong>mehr</strong> in die Bar-Community hineingewagt, um<br />
zu zeigen, dass sie immer noch existiert.<br />
Liebehenz: Wir wollen ein Ort sein, an<br />
dem man entspannen kann. Ich habe nie mit<br />
Mario Kappes gearbeitet, aber sein Motto hat<br />
mich immer inspiriert: »Der Service steht im<br />
Vordergrund, der Drink muss beiläufig perfekt<br />
sein.« Darüber habe ich viel nachgedacht<br />
und habe diese Philosophie umgedreht: »Der<br />
Drink steht im Vordergrund, der Service muss<br />
beiläufig perfekt sein.«<br />
29
STADTGESCHICHTEN<br />
GELD<br />
OFT WIRD ÜBER ZÜRICH GESTÖHNT. DIE LEUTE ZU ARROGANT<br />
UND UNNAHBAR. AUCH XENOPHOBIE WIRD IHNEN MANCH-<br />
MAL NACHGESAGT. DABEI IST ZÜRICH SCHON LANGE DAS,<br />
WAS HEUTE EIN MODEWORT IST: DIVERS. IMMER NOCH DOMI-<br />
NIERT DAS KLISCHEE VOM GROSSEN GELD, DEN BANKEN IM<br />
FIEBER<br />
NEBEL. JA, GIBT ES. ABER ES GIBT AUCH EIN ZÜRICH, DAS<br />
VIBRIERT VOR HEDONISMUS UND MEDITERRANER LEBENS-<br />
ART. ZÜRICH HAT EIN AUFREGENDES NACHTLEBEN UND<br />
EXZELLENTE BARS. EINE DAVON IST EINE NEUENTDECKUNG<br />
UND EINE BARKULTURELLE SENSATION <strong>–</strong> BEI KLEINEM GELD.<br />
STADT<br />
Text Markus Orschiedt<br />
36
Fotos: Bar am Wasser<br />
DIE BAR AM WASSER<br />
WURDE ZUR »NEUEN BAR DES<br />
JAHRES« 2020 GEKÜRT.<br />
37
SPIRITUOSE<br />
EINE<br />
E<br />
NEUE<br />
ÄHRA<br />
Text Roland Graf<br />
Illustrationen Martin Schumann<br />
48
RYECHLICH SELTSAM! SEIT 15 JAHREN ERBLÜHT DIE LIEBE<br />
ZUM ROGGEN DIESSEITS UND JENSEITS DES ATLANTIKS NEU:<br />
EUROPA ENTDECKT DAS BROTGETREIDE FÜR DIE BRENNEREI,<br />
DER ÄLTESTE US-WHISKEY LEGT ZWEISTELLIGES WACHSTUM<br />
HIN. DIE GRÜNDE FÜR DEN (WIEDER-)AUFSTIEG DES RYE SIND<br />
AN DER BAR ZU SUCHEN <strong>–</strong> UND IN EINER SM-BEZIEHUNG DER<br />
DESTILLATEURE ZUR ROBUSTEN DIVA NAMENS ROGGEN.<br />
49
TRINKWELT<br />
W H I S<br />
Dabei tut sich dort deutlich <strong>mehr</strong>, als es in<br />
weniger stark, dafür <strong>mehr</strong>, altertümliche<br />
»Tradition« kommt von Weitergabe, nicht<br />
von veraltetem Whiskey-Wissen.<br />
Text Juliane E. Reichert<br />
Illustrationen Inga Israel<br />
Dieser Tage war Irland besonders auffällig<br />
geworden mit einer immensen Klage von 405<br />
Millionen Euro gegen Meta, die Mutter von Facebook<br />
und Instagram mit Sitz in Dublin. Vorgeworfen<br />
wird dem Unternehmen, die Privatsphäre<br />
von Minderjährigen im Alter zwischen<br />
13 und 17 Jahren nicht ausreichend geschützt zu<br />
haben. Die Altersspanne ist so zu begründen,<br />
dass die Iren im Schnitt mit 13 Jahren damit beginnen,<br />
die Meta-Produkte zu nutzen, ab 18 ist<br />
man auch hier volljährig. Heißt, Alkohol wird<br />
im Pub an alle ausgeschenkt, die mindestens 18<br />
Jahre alt sind. Klingt simpel, ist es aber nicht.<br />
Denn wie auch der in Deutschland trinkende<br />
Mensch weiß: Der Konsum von Alkohol hängt<br />
nur bedingt ab vom Einlass in Kneipen oder<br />
Bars oder von limitierten Öffnungszeiten des<br />
Supermarktes. Maßgeblich ist es eine Frage der<br />
Sozialisierung aus dem Elternhaus, hinzu kommen<br />
die Freunde, denn Möglichkeiten werden<br />
immer gefunden. Studien zeigen, dass das Gros<br />
der irischen Jugend im Alter von 13 zum ersten<br />
Mal mit Alkohol konfrontiert wird, und zwar<br />
zu Hause. Der Staat mag es also gut meinen mit<br />
dem Schutz von Heranwachsenden, gegen das<br />
Guinness mit dem Vater indes kann er wenig<br />
tun. Erschwerend, beziehungsweise erleichternd<br />
<strong>–</strong> wie so oft eine Frage der Perspektive<br />
<strong>–</strong> kommt hinzu, dass inzwischen auch die<br />
Craft-Beer-Welle Irland erreicht hat und deutlich<br />
geworden ist, dass weder Guinness noch<br />
Kilkenny die einzigen Biere sind, die es auf der<br />
grünen Insel zu trinken gilt.<br />
Hoptimisten<br />
jenseits der Hauptinsel<br />
Es lässt sich statistisch sagen, dass die Trink lust<br />
Minderjähriger seit Beginn der 2000er abgenommen<br />
hat, wobei der irische Whiskey, Stand<br />
heute, die am schnellsten wachsende Spirituosenkategorie<br />
der Welt ist <strong>–</strong> so zumindest laut<br />
dem Reiseveranstalter Echt Irland. Im Jahr<br />
2013 waren es vier eingetragene Brennereien,<br />
in den sieben darauffolgenden Jahren waren es<br />
31 Destillerien mit Registration. Entsprechend<br />
dieses Booms beträgt der Umsatz alkoholischer<br />
Getränke laut Statista im Markt rund 5,2 Milliarden<br />
Euro, wobei die Prognose für 2025 ein<br />
Marktvolumen von etwa 7,5 Milliarden errechnet,<br />
was einem Umsatzwachstum von 13,28 Prozent<br />
entspricht. Zudem ist allein im zentralen<br />
Exportmarkt USA von 2020 auf 2021 der Absatz<br />
von 5 Millionen 9-Liter-Cases auf 5,9 Millionen<br />
gestiegen <strong>–</strong> mittlerweile wird orakelt, Irish<br />
könnte auf der anderen Seite des Atlantiks<br />
langfristig sogar den Scotch übertrumpfen. In<br />
Irland selbst liegt, überraschenderweise, übrigens<br />
noch immer das Marktvolumen von Wein<br />
vor dem des Whiskeys. Die Iren, ein Land der<br />
Weintrinker?<br />
Man möchte es kaum glauben, aber ausgerechnet<br />
ein Unterfranke, Thomas Walk, probierte<br />
das seinen eigenen Worten nach »Unmögliche«<br />
und bemüht sich seit rund 40 Jahren<br />
um den irischen Weinbau <strong>–</strong> und zwar nach<br />
fränkischem Stil. Die Expertin flüssiger Irland-<br />
Erfahrungen und außerdem Autorin von Irish<br />
Whiskey, Phönix von der grünen Insel, Daniela<br />
Brack, würde hingegen in Irland keinen<br />
Wein bestellen, »wenn es nicht unbedingt sein<br />
muss«. Ihr fällt auf, dass die jüngere Generation<br />
in der Tendenz weniger Bier trinkt und<br />
sich <strong>mehr</strong> auf Cocktails ausrichtet. Und wenn<br />
Bier, dann eben eher crafty. Beispielsweise hat<br />
sich der Guinness-Braumeister Fergal Murray<br />
von Dublin City Brewing Co. abwerben<br />
lassen und braut dort nun IPA, Pilsner, Lager<br />
und, ja, auch Stout. Es liegt eben nicht <strong>mehr</strong><br />
im Bereich des absolut Obligatorischen, nach<br />
Ankunft in Irland ein Gedeck aus Guinness<br />
und Jameson zu trinken, wie es am Flughafen<br />
zuhauf gesichtet wird: Es geht auch handgemacht<br />
und, wie die Brauerei von sich zu sagen<br />
pflegt, als Hoptimist, wenn es um die Vielfalt<br />
des irischen Bieres geht.<br />
58
K E Y<br />
M E E T S<br />
W O K E N E S S<br />
59
COCKTAIL<br />
SCHURKEN<br />
SCHLUCK<br />
Es ist an der Zeit, über Cocktails mit<br />
Schaumwein zu sprechen. Genau: Schaumwein,<br />
der eben nicht Champagner ist. Ein<br />
Bereich, der gerade erst entsteht und für<br />
den noch viel Bewusstsein entwickelt werden<br />
muss. Wir haben mit <strong>mehr</strong>eren, ganz unterschiedlichen<br />
Bartender:innen über ihren<br />
aktuellen Zugang zum Thema gesprochen.<br />
Text Nils Wrage<br />
Fotos Jule Frommelt<br />
Drink-Design Rose-Manon Baux<br />
64
BLOOD<br />
ON THE<br />
ICE<br />
Daniel Eeten, Jantzens Bar auf<br />
Gut Immenhof, Bad Malente<br />
——<br />
1 cl Spiritus Rex »Bloody O«<br />
Blutorangengeist<br />
0,5 cl Umathum Eisweinessig<br />
1 cl Gomme-Sirup (hausgemacht)<br />
Blanc de Blancs Brut Nature,<br />
Weingut Peter Wagner<br />
GLAS: großes Schaumwein- oder<br />
Süßweinglas<br />
GARNITUR: Orangenzeste &<br />
essbare Blüte<br />
ZUBEREITUNG: Zutaten (außer<br />
Sekt) im Shaker mischen. Mit<br />
Eiswürfeln auffüllen, kräftig<br />
schütteln und doppelt auf Eiswürfel<br />
ins vorgekühlte Glas abseihen.<br />
Mit Sekt auffüllen.<br />
65