GI 2022 2 De

05.10.2022 Aufrufe

G A L Á P A G O S I Herbst 2022 N TERN Gesellschaftliche Initiativen zum Erhalt der Biodiversität auf Galápagos Zählung und Gesundheitsanalyse der Meeresvögel von Galápagos Neue Schildkrötenart entdeckt Information der Freunde der Galápagos Inseln (Schweiz)

G<br />

A L<br />

Á P<br />

A<br />

G<br />

O S<br />

I<br />

Herbst <strong>2022</strong><br />

N TERN<br />

Gesellschaftliche Initiativen zum Erhalt<br />

der Biodiversität auf Galápagos<br />

Zählung und Gesundheitsanalyse<br />

der Meeresvögel von Galápagos<br />

Neue Schildkrötenart entdeckt<br />

Information<br />

der Freunde<br />

der Galápagos<br />

Inseln (Schweiz)


Editorial<br />

Liebe Freunde und Freundinnen der Galápagos-<br />

Inseln<br />

Die wilde und wunderschöne Vielseitigkeit der<br />

Galápagos-Inseln bewegt seit jeher ihre Besucher<br />

und viele von Ihnen hatten bereits selbst die Möglichkeit,<br />

dies zu erleben. Wir alle wissen, wie wichtig<br />

es ist, diese einzigartige Vielseitigkeit zu erhalten.<br />

Darum freut es uns sehr, Ihnen in dieser Ausgabe<br />

vom zunehmenden Verständnis und Engagement<br />

der Bewohner des Archipels berichten zu können.<br />

Auch das gross angelegte Projekt zur Renaturierung<br />

der Insel Floreana schreitet voran. Wir informieren<br />

Sie deshalb über die aktuellen Fortschritte<br />

des Projekts, nach den Unterbrechungen durch<br />

die Corona-Pandemie. Wir sind sehr zuversichtlich,<br />

dass die gesetzten Massnahmen schrittweise dazu<br />

führen, dass die Insel wieder zu dem Naturparadies<br />

wird, das sie vor der Ankunft des Menschen war.<br />

In unserem Spendenaufruf entführen wir Sie zu<br />

den Seevögeln, den Galápagos-Pinguinen, den<br />

Flugunfähigen Kormoranen und den Galápagos-Albatrossen.<br />

Gustavo Jimenez und sein Team arbeiten<br />

intensiv daran, die Populationsgrössen dieser Arten<br />

zu ermitteln, um so nachhaltigere Schutzmassnahmen<br />

für diese nur auf den Galápagos vorkommenden<br />

Tiere zu ermöglichen.<br />

Aber auch die Flora des Archipels möchten wir Ihnen<br />

näher vorstellen. Wussten Sie, dass die Scalesien<br />

mit unseren Gänseblümchen verwandt sind, die<br />

sich in der Abgeschiedenheit der Galápagos-Inseln<br />

zu riesigen Bäumen entwickeln konnten?<br />

Wir hoffen, Ihnen mit diesem Galápagos Intern eine<br />

vielfältige und spannende Lektüre zu dem von uns<br />

allen so geliebten Archipel zu bieten und danken<br />

Ihnen für Ihre grosse Bereitschaft, die so einzigartigen<br />

Galápagos-Inseln zu unterstützen.<br />

Inhaltsübersicht<br />

3 Bevölkerung und Bewusstsein: Gesellschaftliche<br />

Initiativen zum Erhalt<br />

der Biodiversität auf Galápagos<br />

5 Ein Abstecher nach Afrika<br />

6 Zählung und Gesundheitsanalyse der<br />

Meeresvögel von Galápagos<br />

8 Floreana: aktueller Stand der Renaturierung<br />

10 Neue Schildkrötenart entdeckt<br />

11 Bedrohte Pflanzen auf Galápagos –<br />

Baumscalesien<br />

12 Galápagos News<br />

Impressum:<br />

Freunde der Galápagos Inseln (Schweiz)<br />

c/o Zoo Zürich AG, Zürichbergstrasse 221, 8044 Zürich<br />

Telefon: 044 254 26 70<br />

E-Mail: freunde.galapagos@zoo.ch<br />

Homepage: www.galapagos-ch.org<br />

Mitarbeit an dieser Ausgabe:<br />

Lukas Keller, Bernard Landry, Hélène Trudel, Claudia<br />

Haas, Veronika Huebl, Doris Hölling, Regina Freitag,<br />

Karin Ramp. Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier.<br />

Die nächste Ausgabe des<br />

Galápagos Intern<br />

erscheint im Frühling 2023<br />

Follow us also on Social Media<br />

freundegalapagos<br />

friendsofgalapagos<br />

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und<br />

grüsse Sie herzlich,<br />

Titelbild<br />

Dr. Lukas Keller, Präsident<br />

Galápagos-Seelöwe<br />

© Karin Ramp<br />

2 Galápagos Intern


Bevölkerung und Bewusstsein: Gesellschaftliche Initiativen<br />

zum Erhalt der Biodiversität auf Galápagos<br />

Die Galápagos-Inseln waren seit Charles Darwin<br />

berühmt für die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt<br />

und die einzigartigen Bedingungen, unter<br />

denen sich diese Fauna und Flora entwickelt und<br />

beobachten lässt. <strong>De</strong>r Mensch hat über Jahrhunderte<br />

manchmal indirekt, oftmals auch sehr direkt,<br />

diese Bedingungen beeinflusst, zu ihren Veränderungen<br />

beigetragen und schliesslich beinahe den<br />

Niedergang dieses einzigartigen Archipels verantwortet.<br />

In den vergangenen Jahren hat aber ein<br />

deutlicher Prozess des Umdenkens auch in der lokalen<br />

Bevölkerung stattgefunden. Während noch<br />

Anfang der 2010er Jahre ungewiss war, ob das<br />

kippelnde biologische Gleichgewicht noch zu retten<br />

sei, mehrten sich in den vergangenen Jahren<br />

die Anzeichen dafür, dass die Massnahmen, die in<br />

den vergangenen Jahren ergriffen wurden, langsam<br />

greifen und Wirkung zeigen.<br />

Das wohl grösste Problem stellte neben den eingeschleppten<br />

Tier- und Pflanzenarten das unkontrollierte<br />

Bevölkerungswachstum des grössten<br />

eingeschleppten Säugers, nämlich des Menschen,<br />

dar. Seit 1998 dürfen per Gesetz nur noch Personen,<br />

die auf Galápagos geboren wurden oder die<br />

seit mehr als fünf Jahren vor 1998 dort ansässig<br />

waren, mit ihren Familien dauerhaft auf den Inseln<br />

wohnen. Für eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung<br />

von maximal fünf Jahren muss nachgewiesen<br />

werden, dass die betreffende Person wegen<br />

ihrer spezialisierten Arbeitskraft gebraucht<br />

wird. Das Gesetz zeigte nur langsam Wirkung und<br />

kann die illegale Zuwanderung bis heute nicht<br />

ganz ausschliessen. Aber es war ein erster wichtiger<br />

Schritt in der Bewusstseinsbildung der Bevölkerung.<br />

Die Einreisevorschriften wurden 2018<br />

weiter verschärft: Besucher müssen ein Rückflugticket<br />

und eine Hotelbuchung oder bei Privatunterkunft<br />

ein Einladungsschreiben vorweisen. Die<br />

Nationalpark-Direktion hat zudem die für Touristen<br />

freigegebenen Besuchspunkte schärfer reglementiert<br />

und die Maximalanzahl an pro Tag<br />

erlaubten Besuchern weiter reduziert. Kreuzfahrtschiffe<br />

müssen ihre Routen genehmigen lassen<br />

und bekommen genaue Besuchszeitslots, an die<br />

sie sich halten müssen, Ranger des Nationalparks<br />

kontrollieren die Einhaltung der Slots wie auch die<br />

Ladung der Kreuzfahrtschiffe regelmässig.<br />

Santa Cruz eine Fortbildungswoche für das Lehrpersonal<br />

des Archipels, bei der es nicht nur um<br />

didaktische Fragen in den Pflichtfächern geht,<br />

sondern vor allem um Überlegungen, wie man,<br />

in den Regelunterricht integriert, die Kinder des<br />

Archipels zu Botschaftern ihrer besonderen Lebensumstände<br />

ausbilden kann, sodass sie das Bewusstsein,<br />

um die Notwendigkeit, diese zu schützen,<br />

in die Gesellschaft hineintragen.<br />

Wichtige Impulse hierfür kommen auch aus dem<br />

Bereich der Kultur. Seit den 1990er Jahren organisiert<br />

die Casa de la Cultura kulturelle Events auf<br />

allen bewohnten Inseln, vor allem in Puerto Ayora,<br />

wo sie auch über Räumlichkeiten verfügt. Viele<br />

Events drehen sich um das Zusammenleben von<br />

Mensch und Umwelt. Über eigens komponierte<br />

Lieder und choreografierte Tänze wird versucht,<br />

eine eigene galapagueñische Kultur zu definieren,<br />

in der sich die einzigartige Natur der «Islas Encantadas»<br />

als konstituierendes Element widerspiegelt.<br />

Auch ist dort das Kunstprojekt «Upcycling<br />

Galápagos» beheimatet, dass in Workshops mit<br />

Kindern aus Plastikmüll kleine und grosse Kunstwerke<br />

produziert.<br />

An der künstlerischen Weiterverwertung von Plastikmüll<br />

beteiligte sich 2019 auch die Charles Darwin<br />

Foundation. Im Frühjahr 2019 organisierte sie<br />

nach einer Plastikmüll-Sammelaktion ein Kunstprojekt,<br />

in dem aus dem gesammelten Müll eine<br />

grosse Skulptur entstand, die seither am Eingang<br />

Plastikmüllskulptur «Emanciplástico», Charles-Darwin-<br />

Forschungsstation, Puerto Ayora<br />

Einbindung der Bevölkerung<br />

Vor allem gilt es aber, die Bevölkerung der Galápagos-Inseln<br />

in den Naturschutz mit einzubinden.<br />

Eine Institution, die sich um die Verbreitung des<br />

Bewusstseins in der Bevölkerung, in einem ganz<br />

besonderen Lebensraum zu wohnen, kümmert,<br />

ist die Fundación Scalesia, die 1994 die Unidad<br />

Educativa Tomás de Berlanga gründete. Zweimal<br />

jährlich organisiert diese Schule im Hochland von<br />

Galápagos Intern<br />

3


zur Charles-Darwin-Forschungsstation zu bewundern<br />

ist.<br />

Kinder als Bewahrer der Natur<br />

Die Charles Darwin Foundation bildet zudem<br />

seit Mai 2017 jedes Jahr eine Gruppe von 14- bis<br />

16-jährige Schülern und Schülerinnen auf Santa<br />

Cruz als «Hai-Botschafter» («Tibu-embajadores»)<br />

aus. Die Jugendlichen eignen sich in diversen<br />

Freizeitaktivitäten nicht nur theoretisches, sondern<br />

vor allem auch praktisches Wissen um die<br />

Wichtigkeit der Biodiversität, den Schutz der Tierarten<br />

– allen voran des Hais – und die Verbreitung<br />

dieses Wissens an. Sie hören Vorträge von Wissenschaftlern,<br />

lernen auf Exkursionen wissenschaftliche<br />

Forschungsmethoden kennen und präsentieren<br />

ihre Aktivitäten regelmässig der lokalen<br />

Bevölkerung.<br />

Zahlreiche Aktionen gehen auch von der Bewegung<br />

«Frente Insular» aus. Sie wurde im August<br />

2017 gegründet, als die Nationalparkbehörden<br />

ein chinesisches Fischerboot mit 6600 getöteten<br />

Haien und anderen Fischen an Bord aufgriffen.<br />

Damals unterstützte sie den Kampf gegen die<br />

chinesischen Fangflotten, die in den Schutzzonen<br />

fischten. Das Spektrum der Aktivitäten erweiterte<br />

sich bald und erstreckt sich über zahlreiche Bereiche<br />

des Natur- und Umweltschutzes. Seit nunmehr<br />

fünf Jahren organisiert Frente Insular zahlreiche<br />

Aktionen, mit denen die Bevölkerung von<br />

Galápagos in Aktivitäten des Naturschutzes eingebunden<br />

wird. Regelmässig gibt es organisierte<br />

Was bleibt, wenn wir nicht Konzerten mehr und weiteren sind - Präsentationen und wer von bewahrt, lokalen was<br />

uns wichtig ist?<br />

Ausflüge zum Sammeln von angeschwemmtem<br />

Plastikmüll, an denen sich Alt und Jung beteiligen<br />

und so ein Bewusstsein für das Problem der Verschmutzung<br />

der Meere durch Plastik entwickeln.<br />

Im Juli <strong>2022</strong> propagierten sie auch in Galápagos<br />

die internationale Kampagne #juliosinplastico<br />

und riefen auf dem Archipel einen «plastikfreien<br />

Monat» aus.<br />

Nachhaltigkeit für die Zukunft<br />

Während der Corona-Pandemie, die Galápagos<br />

durch das Ausbleiben von Touristen wirtschaftlich<br />

hart getroffen hat, wurde die Kampagne «Huertos<br />

Urbanos Hope» ins Leben gerufen: Es wurden<br />

Bio-Gärten eingerichtet, in denen alle, die wollten,<br />

Obst und Gemüse anbauen konnten, um sich so<br />

in Zeiten ausbleibender Touristen und damit ausbleibenden<br />

Einkommens selbst zu versorgen. Die<br />

Beteiligung war so gross, dass sogar Überschuss<br />

produziert werden konnte. Doch an einen lukrativen<br />

Absatzmarkt war nicht zu denken, da ja das<br />

Geld der Touristen ausblieb. Ähnlich ging es beispielsweise<br />

Fischern, die ihren Fang nicht mehr<br />

verkaufen konnten, oder auch Hotels, die zwar<br />

Vorrat an Dosen und Konserven hatten, aber kein<br />

Geld, um frische Lebensmittel zu kaufen. Also entwickelte<br />

sich nach kurzer Zeit ein echter Tauschhandel:<br />

per WhatsApp organisierten sich Angebot<br />

und Nachfrage, sodass alle Bewohner versorgt<br />

waren.<br />

Neben diesen grösseren Organisationen gibt es<br />

viele Privatinitiativen, die zu Müllsammelaktionen<br />

aufrufen oder Ausflüge für Schülerinnen und<br />

Schüler organisieren, um ihnen die Einzigartigkeit<br />

ihres Lebensraums näherzubringen. Und auch die<br />

Stadtverwaltungen organisieren Events zur Bewusstseinsförderung<br />

wie beispielsweise das «Festival<br />

de la Langosta», dass seit 2012 in Puerto Villamil<br />

(Isabela) und 2014 in Puerto Ayora (Santa Cruz) stattfindet.<br />

Bei diesem mehrtägigen Event gibt es neben<br />

Initiativen auch einen Kochwettbewerb, bei dem vor<br />

Ort gekocht wird und die am appetitlichsten präsentierten<br />

Langustengerichte gekürt werden. Mit<br />

diesem Festival soll die Bevölkerung für die Wichtigkeit<br />

nachhaltiger Fischerei und entsprechend auch<br />

nachhaltigen Konsums sensibilisiert werden.<br />

Text und Fotos: Veronika Huebl<br />

Frisch gefangene Langusten am Fischmarkt in Puerto Ayora<br />

4 Galápagos Intern


Ein Abstecher nach Afrika<br />

<strong>De</strong>r Zoo Zürich leert sich langsam und die Abendstimmung<br />

senkt sich über die Lewa-Savanne – unser<br />

Ausflugsziel für heute Abend. Und wie wir sehen,<br />

wir sind nicht alleine. Es wird noch einmal voll vor<br />

dem Zooeingang, denn mehr als 90 Mitglieder und<br />

Gäste sind der Einladung des Vereins Freunde der<br />

Galápagos-Inseln Schweiz zu einem Abstecher in<br />

die afrikanische Savanne begeistert gefolgt. Schon<br />

beim Treffpunkt herrscht eine fröhliche und erwartungsvolle<br />

Stimmung. Wir teilten uns in vier Gruppen<br />

auf und schon geht‘s mit unseren ZooführerInnen<br />

auf unterschiedlichen Wegen und Stationen auf<br />

nach Afrika!<br />

Die Giraffen haben sich heute offenbar „frei genommen“<br />

und lassen sich nicht blicken. Dafür können<br />

wir die Zebras und Nashörner auf der Anlage von<br />

unterschiedlichen Blickwinkeln ausgiebig beobachten.<br />

Bei ihnen gibt‘s schon Nachtessen aus einem<br />

Baobab-Baum oder sie lassen sich zusammen mit<br />

den Impalas das frische Gras schmecken. Ab und<br />

zu müssen wir den Kopf einziehen, weil Störche,<br />

die die Savanne auch für sich entdeckt haben, mit<br />

grossen Zweigen dicht über uns hinweg zu ihren<br />

Nestern unterwegs sind.<br />

erfrischen und ein Wiedersehen mit Freunden nach<br />

der langen Coronaauszeit feiern, tolle Gespräche<br />

führen oder Pläne für die nächste Galápagosreise<br />

schmieden – alles vor dieser einmaligen Kulisse.<br />

Die Zeit vergeht wie im Fluge. Die anderen Gäste<br />

waren genauso begeistert wie ich. Ein toller Anlass<br />

und noch dazu endlich wieder „live“. Ich freue mich<br />

schon auf die nächste Gelegenheit im September!<br />

Merci für diesen wundervollen Abend!<br />

Text: Doris Hölling<br />

Fotos: © Michèle Forster<br />

Fachkundig werden wir informiert, was es über die<br />

afrikanischen Bewohner zu berichten gibt und dürfen<br />

auch mal den „Stachel“ eines Stachelschweines<br />

anfassen, während wir erfahren, wie sie sich damit<br />

auch gegen grosse Raubtiere zur Wehr setzen können.<br />

Beeindruckend! Dass nicht nur grosse Tiere die<br />

Lewa-Savanne bewohnen, zeigt uns ein Blick in die<br />

Kinderstube der Nacktmulle. Was für ein Drunter<br />

und Drüber ... Auch bei den Erdmännchen ist allerhand<br />

los, denn der Nachwuchs übt sich kräftig<br />

im Umgraben des Geheges.<br />

Nebenan am Ubele Kiosk treffen wir uns alle nach<br />

den Führungen zum Apero wieder. Dank der perfekten<br />

Organisation von Claudia Haas können wir uns<br />

bei leckeren Köstlichkeiten und kühlen Getränken<br />

Galápagos Intern<br />

5


Zählung und Gesundheitsanalyse der Meeresvögel von Galápagos<br />

Auf den Galápagos-Inseln findet man viele Tiere,<br />

die nur auf diesem Archipel vorkommen und als Synonym<br />

für die Inseln stehen. Am bekanntesten sind<br />

hier sicherlich die Riesenschildkröten, denen der<br />

Archipel auch seinen Namen verdankt. Aber auch<br />

viele Vogelarten sind hier endemisch, d.h. man<br />

findet sie nur auf den Galápagos-Inseln. Uns allen<br />

sind diverse Finkenarten oder die Spottdrosseln<br />

durch viele Projekte, die wir unterstützen, bekannt.<br />

Seevogelarten wie der Flugunfähige Kormoran<br />

(Phalacrocorax harrisi), der Galápagos-Albatros<br />

(Phoebastria irrorata) oder der Galápagos-Pinguin<br />

(Spheniscus mendiculus) findet man ebenfalls nirgendwo<br />

anders auf der Welt. Sie gehören zu den<br />

aussergewöhnlichsten Vögeln des Archipels und<br />

werden von der Weltnaturschutzunion IUCN als<br />

gefährdet gelistet.<br />

<strong>De</strong>r Galápagos-Pinguin<br />

Grundsätzlich leben Pinguine nur südlich des<br />

Äquators und damit ist der Galápagos-Pinguin<br />

der am nördlichsten lebende Vertreter seiner Art.<br />

Die Pinguine, die an den nördlichen Küsten von<br />

Isabela brüten, leben streng genommen sogar<br />

auf der Nordhalbkugel! Viele Menschen mögen<br />

Pinguine, vielleicht weil die neugierigen Vögel mit<br />

ihren kurzen Beinen an Land so putzig laufen und<br />

nett ausschauen. Im Wasser sind sie jedoch absolute<br />

Schwimm- und Tauchakrobaten – fliegen<br />

unter Wasser. Doch die meisten von uns wissen<br />

wenig darüber, mit welchen Herausforderungen<br />

diese Vögel in ihrem Lebensraum kämpfen müssen.<br />

Insbesondere die Fischerei bedeutet eine grosse<br />

Gefahr für die Pinguine, denn sie verfangen sich in<br />

den Netzen und verenden elendiglich. Aber auch<br />

der konstant steigende Meeresspiegel macht den<br />

Tieren zu schaffen. Da die Vögel an den Küsten in<br />

Höhlen brüten, kommt es immer häufiger vor, dass<br />

die Nester überschwemmt werden und Küken oder<br />

Eier von den Gezeiten fortgeschwemmt werden.<br />

Zwar versucht man inzwischen, alternative Bruthöhlen<br />

in höher gelegenen Felsen anzubieten,<br />

allerdings bleibt abzuwarten, ob und wie lange<br />

es brauchen wird, bis die Vögel diese Optionen<br />

annehmen.<br />

Doch auch das Klimaphänomen El Niño, bei dem<br />

die kalten Tiefseeströme, die für den grossen Fischreichtum<br />

im Meeresschutzgebiet von Galápagos<br />

verantwortlich sind, die Küsten des Archipels nicht<br />

mehr erreichen und die Pinguine ihre Nester oder<br />

Jungtiere wegen Nahrungsmangel aufgeben müssen,<br />

ist ein weiteres Problem. In diesen Jahren gibt<br />

es daher kaum Nachkommen und die Pinguinpopulationen<br />

sinken dramatisch.<br />

Kormorane, die nicht fliegen<br />

<strong>De</strong>r Flugunfähige Kormoran, auch Galápagos-<br />

Scharbe genannt, der sich seinen Lebensraum<br />

mit den Galápagos-Pinguinen teilt, ist ein eher<br />

unscheinbarer Vogel. Während sich die Flügel der<br />

Pinguine im Laufe der Evolution zu Flippern umgewandelt<br />

haben, die es ermöglichen sich schnell<br />

und elegant im Wasser zu bewegen, haben sich<br />

die Schwingen der Flugunfähigen Kormorane nur<br />

zu kurzen Stummeln verkürzt. Sie benötigen in<br />

ihrem Lebensraum keine Flügel, um vor Feinden<br />

Galápagos-Pinguin, © CDF<br />

6 Galápagos Intern


Pinguinfüsse mit Tag, © CDF<br />

Flugunfähiger Kormoran beim Nestbau, © Amy MacLeod<br />

wegzufliegen und beim Tauchen waren sie eher<br />

hinderlich.<br />

Vom Menschen verursachte Umweltveränderungen,<br />

wie eingeführte, invasive Arten haben einen<br />

grossen Einfluss auf die Kormorane. Als die ersten<br />

Siedler Haustiere wie Hunde oder Katzen auf die<br />

Inseln brachten, führte dies zu grossen Verlusten<br />

in der Population der flugunfähigen Kormorane.<br />

Auch eingeschleppte Ratten, hatten ihren Anteil<br />

daran, da sie bevorzugt die Eier oder Küken fressen.<br />

Die Albatrosse von Galápagos<br />

<strong>De</strong>r Galápagos-Albatros ist ein beeindruckender<br />

Vogel, der von einigen kleinen Gruppen abgesehen,<br />

auf der Insel Española brütet. Diese imposanten<br />

Tiere werden ebenfalls stark durch die<br />

Umwelt- und Klimaveränderungen beeinflusst.<br />

Auch die Albatrosse haben durch die Nähe der<br />

Menschen, insbesondere der Fischindustrie, mit<br />

Problemen zu kämpfen. Die Vögel sind perfekt an<br />

den Fischfang auf hoher See angepasst, doch sie<br />

haben festgestellt, dass es einfacher ist zu warten,<br />

bis die Fischer ihre Netze aus dem Wasser ziehen.<br />

Wenn die Albatrosse dann versuchen, Fische aus<br />

den Netzen zu holen, verfangen sie sich darin oder<br />

fügen sich ernsthafte Verletzungen zu, die dazu<br />

beitragen, dass die Albatross-Populationen im Vergleich<br />

zu anderen Seevogelbeständen stark zurückgehen.<br />

In Peru werden hierzu bereits seit vielen<br />

Jahren Daten erhoben, die diese Beobachtungen<br />

stützen, doch es fehlt bisher an verlässlichen Daten<br />

aus Ecuador.<br />

Konkrete Massnahmen<br />

Grundsätzlich gibt es Klimaphänomene schon seit<br />

1’000den von Jahren und die Tiere haben sich im<br />

Laufe ihrer Entwicklung daran gewöhnt, denn sie<br />

werden in dieses System hineingeboren und lernen<br />

damit zu leben. Problematisch ist es nur, weil sich<br />

die Stärke und die Häufigkeit von El Niño Perioden<br />

verändern und die Arten länger brauchen, um sich<br />

davon zu erholen.<br />

Auch der «Kontakt» mit der Fischereiindustrie ist für<br />

die einzelnen Tierarten unterschiedlich gefährlich,<br />

da im Galápagos Meeresschutzgebiet (GMR) stark<br />

reglementiere Fischerei erlaubt ist. Bei den Kormoranen<br />

kann man seit dem Jahr 2000 sogar eine<br />

positive Entwicklung der Bestände beobachten.<br />

Wie es dazu kommt, ist noch nicht geklärt. Die Forschenden<br />

vermuten, dass es im Habitat der Vögel<br />

eine Veränderung gegeben hat, die dazu beiträgt,<br />

dass die Kormorane dauerhaft mehr Futter finden<br />

und sich deshalb regelmässig vermehren.<br />

Genau diese Veränderungen im Lebensraum der<br />

Tiere, ob positiv oder negativ, müssen beobachtet<br />

und erkannt werden, damit es möglich ist, die<br />

Bestände der Seevögel der Galápagos-Inseln dauerhaft<br />

zu stabilisieren. Dazu sind Langzeitstudien<br />

unabdingbar.<br />

Dabei werden die Vögel regelmässig gezählt, gewogen<br />

und mit Ringen oder Tags versehen. Es<br />

werden Kloaken-Abstriche und Blutproben genommen,<br />

um die Tiere auf Parasiten und andere<br />

Pathogene zu untersuchen. Darüber hinaus werden<br />

Körpertemperatur, Herzfrequenz und Atemfrequenz<br />

gemessen. So können die Forscher über<br />

Jahre hinweg eine umfassende Datenbank mit<br />

klinischen und ökologischen Daten der einzelnen<br />

Tierarten aufbauen, anhand der Veränderungen<br />

in der Gesundheit der Vögel oder ihres Habitats<br />

darstellbar sind.<br />

Beispielsweise wurde festgestellt, dass die Pinguine<br />

auf der kleinen Insel Mariela vor der Westküste<br />

Isabelas, drei- bis viermal grösser sind als Tiere aus<br />

anderen Kolonien. Hier ist es sehr wichtig die Ursache<br />

für eine solche Abweichung herauszufinden.<br />

Bitte helfen Sie uns die wichtige Überwachung<br />

der Seevögel von Galápagos fortzuführen und<br />

so die Ökosysteme zu schützen, die für das Überleben<br />

der Pinguine, Kormorane und Albatrosse<br />

entscheidend sind.<br />

Scannen Sie den QR-Code und erleben Sie<br />

wie Gustavo und sein Team arbeitet. Alternativ<br />

können Sie auch den folgenden<br />

Link benutzen https://www.youtube.com/<br />

watch?v=wP7k9nwY3jA<br />

Galápagos Intern<br />

7


Floreana: aktueller Stand der Renaturierung<br />

Noch sehr genau erinnere ich mich an unsere Ankunft,<br />

als wir zum ersten Mal nach Floreana kamen.<br />

Damals war der neue Landungssteg noch nicht<br />

gebaut und wir waren gleich bei unserer Ankunft<br />

fasziniert von zwei ausgewachsenen Seelöwen. Sie<br />

fläzten auf den Betonstufen, die vom Bootsanleger<br />

auf die Plattform hinaufführten, und machten keine<br />

Anstalten, uns den Weg freizugeben. Irgendwie kamen<br />

wir doch an ihnen vorbei und oben empfingen<br />

uns einige Meerechsen – wahre Prachtexemplare<br />

mit der für Floreana typischen, eigentümlich starken<br />

Rotfärbung. Wenig weiter winkte uns auch schon<br />

Ingrid Garcia Wittmer vom Balkon ihres Hauses<br />

aus. Sie hatte die Mutter mit zwei Kindern und<br />

suchendem Blick schnell als Mieterin ihres Black<br />

Beach House identifiziert. Ingrid zeigte uns erst<br />

unser Zimmer und dann Puerto Velazco Ibarra.<br />

Die einzige Siedlung auf Floreana zählt etwa 140<br />

Einwohner und etwas Infrastruktur; eine kleine<br />

Tienda mit Lebensmitteln und den notwendigsten<br />

Gebrauchsgegenständen, eine Bäckerei, zwei oder<br />

drei Restaurants, in denen man aber vorbestellen<br />

muss, damit dann auch Essen da ist, und am Hafen<br />

eine Replik des Postfasses aus der Post Office Bay.<br />

Seit 2018 darf man nicht mehr selbständig in die<br />

Post Office Bay wandern, sondern muss eine Tour<br />

mit einem offiziell anerkannten Naturführer buchen.<br />

Zu gross waren die Schäden geworden, die<br />

unachtsame Touristen angerichtet hatten. Dafür gibt<br />

es jetzt eben diese Postfass-Replik, in der genauso<br />

Briefe zurückgelassen werden, die dann – möglichst<br />

persönlich – von Touristen aus der Zielgegend<br />

den Empfängern überbracht werden sollen. Eine<br />

Chiva – manchmal aber auch nur ein Pickup, auf<br />

dessen Ladefläche man mitfahren kann – fährt<br />

einmal am Tag zu den Fincas im Hochland, auf<br />

denen Nutztiere gehalten werden und Obst und<br />

Gemüse angebaut wird.<br />

Floreana, Blick von der Lobería hinüber nach Puerto Velazco<br />

Ibarra.<br />

8 Galápagos Intern<br />

Probleme der Insel<br />

Floreana kämpft – wie die meisten Inseln des Archipels<br />

– mit eingeschleppten, ausgewilderten Haustieren,<br />

die das biologische Gleichgewicht empfindlich<br />

stören: 55 endemische oder native Tierarten auf der<br />

Insel sind bedroht, 13 gelten bereits als ausgestorben<br />

und sind auf der Insel nicht mehr vertreten.<br />

Seit einigen Jahren steht nun Floreana im Fokus<br />

der Bemühungen der Renaturierung. Wichtiger<br />

Baustein ist die Ausrottung invasiver Säugetiere,<br />

allen voran Ratten und Katzen. Dabei kann man auf<br />

Erfahrungen zurückgreifen. Bereits vor knapp zehn<br />

Jahren hat man mit gutem Erfolg begonnen, sich<br />

der Ausrottung der Ratten auf Pinzón anzunehmen.<br />

Bussarde wurden mittels Volieren geschützt, damit<br />

sie keine vergifteten Ratten erbeuten und sich so<br />

selbst vergiften. Kleinere Vögel wie die Darwin-<br />

Finken oder auch die Galápagos-Tauben picken<br />

offenbar nichts Blaues vom Boden auf, weshalb<br />

die Giftpellets blau eingefärbt wurden. Das Gift<br />

wurde zudem vorsichtig an Hybridschildkröten<br />

in der Darwin-Station getestet und es zeigte sich,<br />

dass es keinerlei Wirkung auf sie hatte. Die Aktion<br />

auf Pinzón war erfolgreich und kurze Zeit nach der<br />

Ausrottung der Ratten schlüpften und überlebten<br />

wieder Pinzón-Schildkröten in freier Wildbahn.<br />

Floreana, wilde Hauskatzen an der Punta Cormorant.<br />

Erste Schritte<br />

Anfang 2019 markiert einen neuen Meilenstein:<br />

Mit Hilfe von Drohnen wurden Giftköder auf den<br />

Inseln Seymour Norte und Mosquera verteilt. Dieser<br />

deutlich kostengünstigere Ansatz zum Auslegen der<br />

Köder war zuvor noch nie bei Wirbeltieren in freier<br />

Wildbahn angewendet worden. Auch diese Aktion<br />

war erfolgreich, wobei das Risiko einer erneuten<br />

Invasion von Ratten auf Seymour Norte und Mosquera<br />

aufgrund der nahegelegenen Flughafeninsel<br />

Baltra imminent bleibt. Pinzón ist dadurch, dass die<br />

unmittelbar umliegenden Inseln deutlich weiter<br />

entfernt und zudem rattenfrei sind, wesentlich<br />

besser geschützt. Aber auch auf Seymour Norte<br />

hat man die Ratten dank Rattenfallen gut im Griff.<br />

Auf Floreana ist der Abwurf der Giftpellets für die<br />

zweite Hälfte 2023 geplant. Seit Jahren bereiten


zahlreiche Organisationen das umfangreiche Projekt<br />

der Renaturierung Floreanas vor. Die Ausrottung der<br />

Ratten und Katzen stellt die zweite Phase des dreistufigen<br />

Renaturierungsprojektes dar. Bis dahin soll<br />

die erste Phase abgeschlossen sein, in der es darum<br />

geht, die auf Floreana heimische Tierwelt sowie auch<br />

die Bevölkerung bestmöglich auf die Giftauslegung<br />

vorzubereiten. Die Vögel sollen während der zweiten<br />

Phase in Volieren gehalten werden. Entsprechende<br />

Versuche haben in den Jahren 2018-2019 gezeigt,<br />

worauf in der Zeit der Gefangenschaft wie auch<br />

nach der Freilassung der Vögel zu achten ist und<br />

wo in den bestehenden Plänen für die zweite und<br />

dritte Phase nachgebessert werden muss. Auch der<br />

Verein Freunde der Galápagos-Inseln Schweiz ist mit<br />

CHF 17‘000 an dieser für den Erfolg des Projektes<br />

essenziellenersten Phase beteiligt.<br />

Mit der Ausrottung der Ratten und Katzen sollen<br />

nicht nur gefährdete endemische und native Tierund<br />

Pflanzenarten geschützt, sondern auch die<br />

13 auf der Insel bereits ausgestorbenen Tierarten<br />

wieder angesiedelt werden.<br />

Mitte Juli organisierte die Nationalparkdirektion<br />

gemeinsam mit dem ecuadorianischen Umweltministerium<br />

und der Organisation Island Conservation<br />

einen dreitägigen Workshop, um der Bevölkerung<br />

von Floreana das weitere Vorgehen, insbesondere<br />

auch die Wiederansiedlung dieser 13 Tierarten zu<br />

präsentieren. Da sich die auf Floreana ausgestorbenen<br />

Arten zum Teil gegenseitig als Fressfeinde<br />

konkurrenzieren, muss bei der Wiedereinführung<br />

eine bestimmte Reihenfolge beachtet werden.<br />

So dürfen beispielsweise Galápagos-Bussard und<br />

Galápagos-Schlange erst wieder auf die Insel, wenn<br />

die Vögel und Schildkröten sich gut eingelebt haben.<br />

Die meisten Arten haben auf kleinen, Floreana<br />

vorgelagerten Inseln überlebt und können so durch<br />

lokale Bereitstellung guter Rahmenbedingungen<br />

relativ problemlos nachgezüchtet werden. Nur die<br />

Floreana-Schildkröten galten seit Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

tatsächlich als ausgestorben. Schildkröten<br />

gab es auf Floreana seit den 1940er Jahren dennoch<br />

Titelblatt Handout zum Workshop auf Floreana, 11.-13.07.<strong>2022</strong><br />

wieder und Ingrid erzählte uns auch, wie das kam:<br />

Ihre Grossmutter, Margret Wittmer, hatte bedauert,<br />

ihren Besuchern, die nach den berühmten<br />

Galápagos-Schildkröten fragten, kein Exemplar<br />

präsentieren zu können, und hatte Fischer gebeten,<br />

ihr doch von anderen Inseln mal die eine oder<br />

andere Schildkröte mitzubringen. Diese fünf oder<br />

sechs Schildkröten unterschiedlichster Herkunft hielt<br />

sie in einem kleinen Gehege an der Black Beach,<br />

wo sie sich offenbar wohl fühlten und sich munter<br />

vermehrten. Als 1959 Galápagos zum Nationalpark<br />

wurde, stellten die Nationalparkbehörden fest, dass<br />

die mittlerweile über 30 Schildkröten in einem viel<br />

zu kleinen Areal und damit nicht artgerecht gehalten<br />

wurden. Sie freizulassen war allerdings auch<br />

keine Alternative, da es sich um Arten von anderen<br />

Inseln und zudem genetische Hybride handelte. So<br />

entstand für sie ein grosses, mit einer Steinmauer<br />

umgebenes Areal im Hochland von Floreana, in<br />

dem sie fortan genug Platz hatten.<br />

Floreana, Schildkröte mit hohem Floreana-Gen-Anteil im Hochland<br />

Schildkröten kommen zurück<br />

Vor etwa 15 Jahren kam die grosse Überraschung:<br />

Mithilfe moderner Genanalyse fand man Hinweise<br />

auf Floreana-Genmaterial in lebenden Schildkröten<br />

am Vulkan Wolf ganz im Norden der Insel Isabela,<br />

mehr als 200 Kilometer von Floreana entfernt.<br />

Offenbar hatten Piraten und Walfänger dort ihre<br />

Fracht überprüft, bevor sie den Archipel verliessen<br />

und aufs offene Meer hinausfuhren, und bei zu<br />

schwerer Ladung einen Teil davon zurückgelassen,<br />

so auch als Proviant gedachte Schildkröten.<br />

Bei einer weiteren Expedition zum Vulkan Wolf im<br />

Jahr 2015 wurden einige Schildkröten mit hohem<br />

Floreana-Genanteil zur Nachzucht in die Charles-<br />

Darwin-Station nach Puerto Ayora auf Santa Cruz<br />

gebracht. Die Nachzucht ist so erfolgreich, dass ein<br />

Teil dieser hochprozentigen Floreana-Schildkröten<br />

bereits mit Margret Wittmers hybrider Mischung auf<br />

Floreana ausgetauscht werden konnte. Seit einigen<br />

Jahren vermehren sie sich nun in dem grossen<br />

Gehege im Hochland – und werden bald wieder<br />

in Freiheit leben können.<br />

Text und Fotos: Veronika Huebl<br />

Galápagos Intern<br />

9


Neue Schildkrötenart entdeckt<br />

<strong>De</strong>r Galápagos-Archipel mit seinen 13 grossen und<br />

mehr als 200 kleinen Inseln oder Felsen im Meer,<br />

wird sehr oft als natürliches Labor zur Erforschung<br />

von evolutionären Prozessen bezeichnet. Durch<br />

die abgeschiedene Lage der vulkanischen Inseln<br />

konnten sich Tiere oder Pflanzensamen, die dorthin<br />

gelangten, ungestört entwickeln und viele einzigartige<br />

Lebensformen hervorbringen, die nur auf den<br />

Galápagos-Inseln zu finden sind.<br />

Die für die Galápagos-Inseln namensgebende<br />

Schildkröten, bevölkerten beispielsweise zuerst San<br />

Cristóbal, die älteste Insel des Archipels und breiteten<br />

sich von dort aus über den ganzen Archipel aus,<br />

indem Tiere ins Meer gespült und durch Meeresströmungen<br />

abgetrieben wurden.<br />

Bisher wurde davon ausgegangen, dass es auf San<br />

Cristóbal nur eine Schildkrötenart (Chelonoidis<br />

chathamensis) gegeben hat. Nach neueren DNA-<br />

Vergleichen von Skeletten, die 1906 in einer Höhle<br />

entdeckt wurden und den aktuell auf der Insel lebenden<br />

Tieren, hat sich herausgestellt, dass ursprünglich<br />

wohl zwei verschiedene Arten von Schildkröten<br />

dort in unterschiedlichen Lebensräumen gelebt haben<br />

müssen.<br />

Evolutionäre Anpassung<br />

Schildkröten, die auf den grösseren Inseln mit viel<br />

Vegetation und feuchtem Klima in höheren Lagen<br />

strandeten, entwickelten meist einem Kuppelpanzer,<br />

da Sie in Bodennähe ausreichend Nahrung fanden.<br />

Auf den trockenen Inseln bildeten sie sattelförmige<br />

Panzer und längere Extremitäten aus, die es ihnen<br />

ermöglichen auch Blätter und Früchte von höher<br />

wachsenden Sträuchern oder Bäumen zu fressen.<br />

Auf manchen Inseln haben die Tiere, entsprechend<br />

den ökologischen Gegebenheiten, eine Mischung<br />

aus Sattel- und Kuppelpanzer ausgebildet.<br />

Auf diese Weise erhielt jede Insel eine eigene Schildkrötenspezies,<br />

mit Ausnahme der grossen Inseln<br />

Isabela und Santa Cruz, wo sich mehrere Arten<br />

räumlich getrennt voneinander entwickelten. Damit<br />

wurden bis heute 14 Riesenschildkrötenarten auf<br />

den Galápagos-Inseln beschrieben, von denen im<br />

letzten Jahrhundert drei Arten ausgestorben sind.<br />

Insgesamt hat sich die Schildkrötenzahl durch Jagd,<br />

invasive Tiere wie Ziegen, Schweine und Ratten bzw.<br />

die Zerstörung ihres Lebensraums, auf ungefähr<br />

10% der ursprünglichen Anzahl reduziert.<br />

Rückkehr ausgestorbener Arten<br />

Inzwischen gibt es viele erfolgreiche Schutz- und<br />

Nachzuchtprojekte über die wir berichtet haben.<br />

Nach einer gross angelegten Ratten-Vernichtungsaktion<br />

auf der Insel Pinzón, konnten sich dort die<br />

kleinen Bestände der Pinzón-Riesenschildkröten<br />

(Chelonoidis duncanensis) drastisch erholen.<br />

<strong>De</strong>r Schildkrötenmann «Diego», der mit seinen über<br />

800 Nachkommen den Fortbestand der Española-<br />

Schildkröten (Chelonoidis hoodensis) sicherte und<br />

nun nach vielen Jahren wieder auf seine Geburtsinsel<br />

zurückkehrte ist ein weiteres Beispiel.<br />

Auch die ausgestorbenen Santiago- und Floreana-<br />

Riesenschildkröten (Chelonoidis darwini und niger)<br />

konnten durch genetische Rückzüchtungen der<br />

Charles-Darwin-Station (CDF) und der Galápagos<br />

Nationalparkbehörde (GNPD) zurückgebracht und<br />

wieder ausgewildert werden.<br />

Im Jahr 2019 wurde auf der Insel Fernandina eine<br />

weibliche Schildkröte gefunden und zur CDF gebracht.<br />

Die Mitarbeiter der Station tauften sie «Fernanda».<br />

Dr. Andalgisa Caccone von der Universität<br />

Yale, eine Spezialistin für Genforschung bei Galápagos-Riesenschildkröten,<br />

konnte nach Vergleichsanalysen<br />

bestätigen, dass es sich bei «Fernanda»<br />

tatsächlich um ein Tier der seit über 100 Jahren als<br />

ausgestorben geglaubten Art der Fernandina-Riesenschildkröte<br />

(Chelonoidis phantasticus) handelt.<br />

Nun stellte sich die Frage, ob «Fernanda» genau wie<br />

«Lonesome George» wirklich das letzte Exemplar<br />

ihrer Art ist. Daher brach Anfang des Jahres <strong>2022</strong><br />

ein Expeditionsteam zur Insel Fernandina auf, um<br />

nach weiteren Schildkröten in dem nur schwer zugänglichen<br />

Gelände zu suchen. Die Forscher durchkämmten<br />

einen grossen Teil der Insel, fanden jedoch<br />

keine weiteren lebenden Tiere. Sie gehen allerdings<br />

aufgrund von Kot funden und neueren Schildkrötenpfaden<br />

in drei verschiedenen Gebieten der Insel<br />

davon aus, dass noch weitere Tiere auf Fernandina<br />

existieren. Sie hoffen auf eine erfolgreiche weitere<br />

Expedition im nächsten Jahr.<br />

Fernanda, eine Fernandina Riesenschildkröte mit Kuppelpanzer,<br />

© Lucas Bustamante<br />

10 Galápagos Intern<br />

Española-Riesenschildkröte mit Sattelpanzer, © Lucas Bustamante


Bedrohte Pflanzen auf Galápagos – Baumscalesien<br />

<strong>De</strong>r erste Gedanke zu den Galápagos-Inseln führt<br />

uns in die reiche und ungewöhnliche Tierwelt des<br />

Archipels, die oftmals vom Aussterben bedroht ist.<br />

Dabei vergessen wir gerne, dass auch die Pflanzenwelt<br />

der Galápagos stark bedroht ist.<br />

Ein grosser Teil der Pflanzen auf den Galápagos-<br />

Inseln ist endemisch, es gibt sie also nur dort. Wie<br />

die Darwin-Baumwolle (Gossypium darwinii), der<br />

Galápagos-Croton (Croton scouleri), das Galápagos-<br />

Wandelröschen (Lantana peduncularis), den Lavakaktus<br />

(Brachycereus nesioticus), die Tournefortie<br />

(Tournefortia pubescens) oder die 15 verschiedenen<br />

Scalesienarten. Einige der Pflanzen sind auf dem gesamten<br />

Archipel verbreitet, andere findet man nur<br />

auf einzelnen Inseln.<br />

Gänseblümchen als Bäume<br />

<strong>De</strong>n Scalesien sollten wir jedoch mehr Aufmerksamkeit<br />

widmen, denn einige der als Sträucher oder<br />

Bäume wachsenden Pflanzen sind stark bedroht.<br />

Hierzu zählt die Baumscalesie – auch Giant Daisy<br />

Tree genannt (Scalesia pedunculata).<br />

Scalesien gehören zur Familie der Korbblütler (Asteraceae),<br />

also zu der gleichen Pflanzenfamilie wie<br />

auch das Gänseblümchen, was den Namen dieser<br />

Bäume erklärt. Die schlanken und bis zu 20m hohen<br />

«Riesengänseblümchen-Bäume» bilden auf den Inseln<br />

Santa Cruz, San Cristóbal, Floreana und Santiago<br />

grosse Scalesienwälder, welche als extrem artenreiche<br />

Lebensräume eine beeindruckende Zahl von<br />

endemischen Pflanzen- und Tierarten beherbergen.<br />

Auf Santa Cruz sind diese Scalesienwälder die Heimat<br />

der stark bedrohten Rubintyrannen (Pyrocephalus<br />

nanus). Doch die Abholzung der Scalesienwälder,<br />

um landwirtschaftliche Flächen zu erhalten, hat<br />

dazu geführt, dass sich die Bestände dieser seltenen<br />

Vogelart drastisch reduziert haben.<br />

Es ist erstaunlich, dass sich, aus den vor Jahrtausenden<br />

auf die vulkanischen Böden der Galápagos-<br />

Inseln gelangten Samen der Familie der Asteracae,<br />

Pflanzen entwickelten, die Formen und Funktionen<br />

angenommen haben, die sie am Festland nie erreichen<br />

konnten.<br />

Eine solche extreme Anpassung wird von Evolutionsbiologen<br />

als «adaptive Radiation» bezeichnet.<br />

oder Brombeeren verhindern ein Nachwachsen der<br />

Wälder, da sie in ihren Früchten regelmässig so viele<br />

Samen produzieren, wodurch eine rasche Ausbreitung<br />

ihrer Arten sichergestellt ist.<br />

Aber auch die Abholzung der Wälder durch den<br />

vermehrten Bedarf an landwirtschaftlichen Flächen<br />

führte dazu, dass es heute nur noch vereinzelte<br />

Waldstücke mit Scalesienbäumen gibt.<br />

Um die einzigartigen Scalesienwälder zu erhalten,<br />

werden immer wieder Aufforstungsprojekte initiiert,<br />

die jedoch einen langfristigen personellen Einsatz<br />

erfordern, um die schnell wachsenden invasiven<br />

Pflanzen zu bekämpfen und sie durch einheimische<br />

Arten wie den Galápagos-Cafetillo (Psychotria rufipes)<br />

und Baumfarne zu ersetzen.<br />

Im Vordergrund sieht man die jungen Scalesien-Schösslinge<br />

und im Hintergrund die ausgewachsenen Bäume. Ein schöner<br />

Scalesienwald, © Heinke Jäger<br />

Scalesienbäume wachsen als Kohorte – also in Gruppen<br />

ähnlichen Alters was dazu führt, dass die Bäume<br />

ein ähnliches Aussehen und Höhenwachstum<br />

haben. Dieses Gruppenwachstum sicherte bisher<br />

den Fortbestand der Wälder. Die Riesengänseblümchen-Bäume<br />

werden bis zu 15 Jahre alt und durch<br />

das gleichzeitige Wachstum der jungen Scalesien<br />

wird sichergestellt, dass der Wald – selbst nach einem<br />

Jahrzehnt ohne Pflanzensamen – fortbestehen<br />

kann, wenn die alten Bäume absterben.<br />

Invasoren<br />

Diese Strategie versagt jedoch bei Katastrophen wie<br />

Stürmen, Vulkanausbrüchen oder Erdrutschen. Doch<br />

auch schnell wachsende invasive Arten wie Guaven<br />

<strong>De</strong>r Scalesia affinis, einer Pionierpflanze auf den Lavaböden,<br />

sieht man die Verwandtschaft zum Gänseblümchen optisch<br />

gut an, © Klaus Schönitzer<br />

Galápagos Intern<br />

11


Galápagos<br />

News<br />

Albino-Galápagos-Riesenschildkröte<br />

Im Tropiquarium von Servion/VD hat es eine kleine<br />

Sensation gegeben: Die Kinder von Jumbo<br />

und Nigrita aus dem Zoo Zürich haben weiteren<br />

Nachwuchs gezeugt. Das Team des Tropiquariums<br />

traute kaum seinen Augen, denn eines der Jungtiere<br />

ist ein Albino. Sein Geschwistertier hingegen<br />

ist ganz normal dunkelgrau gefärbt. Bei Albinos<br />

fehlen die Pigmente – die Tiere sind daher hell.<br />

Sie besitzen rote Augen, weil die Blutgefässe der<br />

Netzhaut durch die ungefärbte Iris durchscheinen.<br />

In der Natur wären die Überlebenschancen der<br />

kleinen Schildkröte sicher recht gering, aber in<br />

einem Zoo wird sie hoffentlich zu einer grossen<br />

Schildkröte heranwachsen.<br />

Auf den Galápagos-Inseln wurde in der Vergangenheit<br />

bei verschiedenen Tierarten Leukismus,<br />

also fehlende Pigmente in Haut, Fell oder Federn<br />

beobachtet. Albinismus dagegen wurde noch nie<br />

beschrieben.<br />

Wir wünschen diesem Jungtier alles Gute und ein<br />

langes Leben!<br />

Haben Sie Lust bei der wissenschaftlichen<br />

Auswertung zu helfen?<br />

Dr. Amy MacLeod arbeitet an einer aktuell an<br />

der dritten Phase der Bestandsaufnahme aller<br />

Meerechsen auf den Galápagos-Inseln. Diese Tiere<br />

kommen nur im Galápagos-Archipel vor und<br />

sind laut der Weltnaturschutzunion (IUCN) vom<br />

Aussterben bedroht.<br />

In diesem Jahr konnten Amy und ihr Team mit<br />

Drohnen die Küstenbereiche der Inseln Fernandina,<br />

Isabela, Rábida, Santa Cruz, Pinta, Marchena<br />

und Genovesa abgeflogen und fotografiert. Die<br />

entstandenen Bilder wurden dann auf der Plattform<br />

www.zooniverse.org hochgeladen. Auf dieser<br />

Seite kann sich jeder Interessierte einloggen,<br />

über das Projekt informieren und beim Zählen der<br />

Tiere auf den Fotos helfen. Sie finden dort auch<br />

eine genaue Anleitung in <strong>De</strong>utsch.<br />

Helfen auch Sie mit, indem Sie die Meerechsen<br />

auf den Fotos zählen und zum Erkennen dieser<br />

stark bedrohten Populationen beitragen. Unter<br />

folgendem Link gelangen Sie zur Projekt-<br />

Plattform:<br />

https://www.zooniverse.org/projects/andreavarela89/iguanas-from-above<br />

Frisch geschlüpfte Albino-Galápagos-Riesenschildkröte<br />

mit dunklem Geschwisterchen, © Tropiquarium Servion<br />

Meerechse, © Amy MacLeod<br />

Dörrobstproduktion auf Galápagos<br />

Die Bewohner der Galápagos-Inseln mussten durch die Corona-<br />

Pandemie erfahren, wie wichtig es ist, Lebensmittel vor Ort zu<br />

produzieren und nicht nur von ausserhalb zu importieren. So hat<br />

sich im letzten Jahr in puncto Obst- und Gemüseanbau einiges<br />

auf dem Archipel getan.<br />

Ende April <strong>2022</strong> wurde in Santa Rosa Parish auf Santa Cruz ein Betrieb<br />

eröffnet, der Dörrobst produziert. Die lokalen Farmer haben<br />

jetzt die Möglichkeit, ihre Obsternte dorthin zu bringen und sie<br />

trocknen zu lassen. Danach wird der gesunde Snack im lokalen<br />

Handel und den örtlichen Hotels angeboten werden.<br />

Dies ist ein grosser Erfolg, denn so kann das auf der Insel angebaute<br />

Obst langfristig haltbar gemacht und gleichzeitig die Öffentlichkeit<br />

für lokale Produkte sensibilisiert werden. Ein wichtiger<br />

Schritt für die Zukunft.<br />

Dörrobst ist reich an Vitaminen und Mineralien,<br />

© Xavier Castro / Galápagos Conservancy<br />

12 Galápagos Intern

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