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Deutsche Auswanderer zwischen Mythos und Realität - KOPS ...

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Hilfsprojekte. Hierbei ist festzustellen, daß die deutsch-chilenische<br />

Minderheit diese Zeit im Nachhinein verleugnete <strong>und</strong> eine Aufarbeitung<br />

dieses Themas nicht stattfand. In Ermangelung eines adäquaten Vorbildes<br />

in Deutschland wurde fortan auf die Werte des Kaiserreiches<br />

zurückgegriffen <strong>und</strong> die aktuelle Entwicklung ignoriert.<br />

Die deutsch-chilenische Minderheit entwickelte eine Art<br />

„Wagenburgmentalität“, die sich während der Pinochet-Diktatur noch<br />

verstärkte, nachdem die B<strong>und</strong>esrepublik wegen<br />

Menschenrechtsverletzungen ihre wirtschaftliche Unterstützung einstellte.<br />

Die konservativen Deutsch-Chilenen hatten die Wiederherstellung der<br />

alten Verhältnisse begrüßt <strong>und</strong> waren stramme Anhänger des<br />

Militärregimes. Diese Gegensätze führten zu einer Entfremdung zur alten<br />

Heimat. Nach den Neuwahlen 1989 wurden diese Konflikte nach<br />

bewährtem Muster jedoch neu interpretiert <strong>und</strong> die Beziehungen zu<br />

Deutschland wieder intensiviert.<br />

Meines Erachtens ist dieses Verhalten nicht wirklich als politisch zu<br />

bezeichnen. Das hauptsächliche Interesse dieser Minderheit galt - <strong>und</strong> gilt<br />

noch - in erster Linie der Erhaltung ihrer privilegierten Sonderstellung, die<br />

sich durch die Pionierleistung <strong>und</strong> das Ansehen während des<br />

Kaiserreiches rechtfertigt. Es gelangten nur bestimmte, diesem<br />

Interpretationsrahmen entsprechende Seiten der<br />

Einwanderungsgeschichte zur Überlieferung, was aus der<br />

deutschsprachigen Presse ersichtlich wird.<br />

Das Überlegenheitsgefühl wurde so über politische Katastrophen hinweg<br />

konserviert <strong>und</strong> führte zum <strong>Mythos</strong> der „goldenen Zeit“. Diese Idealisierung des<br />

„Deutschtums“ trug einerseits zum Zusammenhalt der Gemeinschaft <strong>und</strong><br />

andererseits auch zur Festigung der Sonderstellung bzw. Elitestellung in Chile<br />

bei. Hartwig Weber charakterisiert dieses Verhalten ganz treffend: „Das Preislied<br />

auf die Heimat <strong>und</strong> das Lob ihrer Vorzüge läßt auch Licht auf den fallen, der es<br />

singt.“ 160<br />

Waldmann resümiert, daß sich seit dem Zweiten Weltkrieg die Tendenz der<br />

Deutsch-Chilenen, sich mehr in die chilenische Gesellschaft zu integrieren<br />

160 Weber, Opfer des Kolumbus, S.267

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