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Deutsche Auswanderer zwischen Mythos und Realität - KOPS ...

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werden. Sie handeln hauptsdächlich von sprachlichen Mißverständnissen<br />

mit den Latinos. Die Pointe beruht meist auf einer Sprachmischung oder<br />

Fehlübersetzung, die nur für zweisprachige Hörer verständlich war. So<br />

nennen die Ibero-Chilenen einen besonders langweiligen, witzlosen Witz<br />

„Chiste Alemán“.<br />

Nach der Jahrh<strong>und</strong>ertwende begann die mittlere Phase, in der sich die<br />

Kolonien zu öffnen begannen <strong>und</strong> die Witze „latinisiert“, d.h. von den<br />

Chilenen nacherzählt <strong>und</strong> umgeformt wurden. In der späten Phase wurde<br />

der erfolgreiche <strong>Auswanderer</strong> aus Deutschland schließlich zur Witzfigur.<br />

Die Pointe beruhte nicht mehr auf Wortspiel <strong>und</strong> Gleichklang, sondern die<br />

Eigenarten der <strong>Deutsche</strong>n wurden zum Gegenstand der Witze: Naivität in<br />

Liebesdingen, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Ordnungssinn <strong>und</strong> Fleiß. Nach<br />

Ansicht von Müschen <strong>und</strong> Seile diente dies zum „sozialen Ausgleich“.<br />

„Don Otto“ <strong>und</strong> „Don Fritz“ wurden in der chilenischen Witzkultur zwei<br />

bekannte Figuren, die im Laufe der Zeit ihre äußere Erscheinung<br />

änderten: Anfangs wurden sie mit Frack, Hut, Brille <strong>und</strong> Regenschirm<br />

dargestellt, während die deutsche Witzfigur nach 1945 mit Lederhosen<br />

erscheint. Bauch <strong>und</strong> Bierkrug dagegen scheinen zeitlose Attribute der<br />

deutschen Einwanderer zu sein.<br />

Müschen <strong>und</strong> Saile leiten aus der Untersuchung verschiedene Phasen der<br />

„Akkulturation“ der deutschen Minderheit ab. Meiner Ansicht nach läßt sich an<br />

der Entwicklung der Witze über die deutschen <strong>Auswanderer</strong> darüber hinaus<br />

auch die Festigung ihrer Sonderstellung in der chilenische Gesellschaft ablesen.<br />

Die Witze des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts handelten von den ersten Begegnungen mit<br />

der neuen Heimat bzw. deren Bewohnern <strong>und</strong> den<br />

Verständigungsschwierigkeiten in der fremden Sprache. In diesem Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

läßt sich dagegen parallel zum sozialen Aufstieg der Einwanderer zunehmend die<br />

Tendenz beobachten, daß die kulturellen Eigenheiten, an denen die<br />

Deutsch-Chilenen festhielten, der Lächerlichkeit preisgegeben wurden.<br />

Gegenstand der Witze wurden die Werte, die die Einwanderer als<br />

besondere Vorzüge ihres „Deutschtums“ einschätzen. In ihren Augen<br />

hatten diese Werte schon seit Beginn der deutschen

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