Deutsche Auswanderer zwischen Mythos und Realität - KOPS ...

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48 kommt, daß sich die Emigranten als Abbild der Weimarer Republik in eine Vielzahl von Gruppen und Gruppierungen aufsplitterten und somit verschiedene Standpunkte vertraten. Journalistische Tätigkeit war für die zahlreichen emigrierten Schriftsteller und Journalisten naheliegend. 99 Die Vorraussetzungen in den aufnehmenden Ländern für eine publizistische Tätigkeit der Flüchtlinge waren sehr unterschiedlich. In Lateinamerika gab es neben sozialistischen und liberalen Regierungsformen teilweise starke antikommunistische und auch antisemitische Tendenzen. Mexiko bot den Exilierten eher Förderung bei ihrer Tätigkeit, während Brasilien zwar etwa 25 000 Flüchtlinge aufnahm, ihnen aber bis 1942 die Gründung einer Exilzeitung untersagte. 100 J.-P. Blancpain legt in seinem Werk „Les Allemands au Chili“ detailliert dar, wie es Chile als einzigem Land Lateinamerikas während des Ersten Weltkrieges dank der deutsch erzogenen Intelligenz und des Zusammenschlusses der Deutsch-Chilenen zum DCB gelang, die Neutralität zu bewahren. Im Zweiten Weltkrieg wurde dies auch versucht, aber der außenpolitische Druck Argentiniens und besonders der USA veranlaßte die chilenische Regierung sich auf die Seite der Alliierten zu schlagen. 101 In der chilenischen Flüchtlingspolitik lassen sich zwei Phasen ausmachen: unter der konservativen Regierung Alessandri bis zum Herbst 1938 wurde die Asylgesetzgebung mehrfach verschärft, während die Politik der Volksfrontregierung Cerda von einer großzügigen, liberalen Handhabung gekennzeichnet war. Allerdings erzwang das seit 1938 verstärkt in Aktion getretene „Movimiento Nacionalsocialista de Chile“ (MNS) unter seinem Führer von Marées Mitte 1940 einen Einwanderungsstop. Hinzugefügt muß allerdings werden, daß die Einwanderung nur mit großem verwaltungstechnischem Aufwand kontrollierbar war und sich die Einwanderungsbeschränkungen durchaus umgehen ließen. 102 99 Lämmert, Eberhard: Vorwort, in: Maas, Lieselotte: Handbuch der deutschen Exilpresse 1933-1945, hg.v. Lämmert, Eberhard, München/Wien 1976 100 Maas, Lieselotte. Deutsche Exilpresse in Lateinamerika, Frankfurt a.M. 1978, S.13f 101 Blancpain, Les Allemands, S.897 102 Wojak, Ausharren, S.49

49 Im Rahmen dieser Arbeit kann leider nicht ausführlich auf die Inhalte der Exilpresse in Chile eingegangen werden. Im Zusammenhang der bereits angedeuteten Toleranz der chilenischen Regierung erscheint es jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, daß in Chile nationalsozialistische Presseorgane neben jüdischen oder politisch anders orientierten Blättern existieren konnten. Unter der „deutschen Exilpresse“ zwischen 1933 und 1945 werden nur die Zeitungen, Zeitschriften und Rundschreiben verstanden, die außerhalb der deutschen Grenzen von Emigranten aus Deutschland begründet oder unterhalten wurden. Nicht berücksichtigt werden die offiziellen Publikationen, die von Alliierten an Deutsche gerichtet waren und die Zeitungen der Auswanderer, die schon vor 1933 das Land verlassen hatten. Lieselotte Maas führt aus, daß die Emigranten in Lateinamerika - im Gegensatz zu den USA - in den deutschen Kolonien keine Freunde hatten. Wie im vorigen Kapitel bereits ausgeführt wurde, brachten die Auswanderer dem Nationalsozialismus große Sympathie entgegen und fühlten keine Verpflichtung gegenüber den Vertriebenen. 103 In Chile sollen von den Emigranten etwa zehn Exilperiodika gegründet worden sein, jedoch können hier nur die wichtigsten exemplarisch vorgestellt werden. Als umfangreichste und aufwendigste Publikation der gesamten Exilpresse gelten die „Deutschen Blätter“ (1943-1946), eine Vierteljahresschrift, die über die Zeit des Dritten Reichs hinaus in der Literaturwissenschaft Beachtung fand. Es wurden namhafte Autoren wie Ernst und Friedrich Georg Jünger, Georg Heym, Ernst Wiechert, Hermann Hesse, sowie südamerikanische Dichter wie Pablo Neruda, Jorge Luis Borges oder Gabriela Mistral abgedruckt. Die Parole der „Deutschen Blätter“ wird „Vergeistigung der Politik“ genannt und es wurde häufig über „Schuld“ oder sogar „Kollektiv-Schuld der Deutschen“ diskutiert. 104 103 Maas, Deutsche Exilpresse, S.15 104 dies. S.55f

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kommt, daß sich die Emigranten als Abbild der Weimarer Republik in eine<br />

Vielzahl von Gruppen <strong>und</strong> Gruppierungen aufsplitterten <strong>und</strong> somit<br />

verschiedene Standpunkte vertraten. Journalistische Tätigkeit war für die<br />

zahlreichen emigrierten Schriftsteller <strong>und</strong> Journalisten naheliegend. 99<br />

Die Vorraussetzungen in den aufnehmenden Ländern für eine<br />

publizistische Tätigkeit der Flüchtlinge waren sehr unterschiedlich. In<br />

Lateinamerika gab es neben sozialistischen <strong>und</strong> liberalen<br />

Regierungsformen teilweise starke antikommunistische <strong>und</strong> auch<br />

antisemitische Tendenzen.<br />

Mexiko bot den Exilierten eher Förderung bei ihrer Tätigkeit, während<br />

Brasilien zwar etwa 25 000 Flüchtlinge aufnahm, ihnen aber bis 1942 die<br />

Gründung einer Exilzeitung untersagte. 100<br />

J.-P. Blancpain legt in seinem Werk „Les Allemands au Chili“ detailliert<br />

dar, wie es Chile als einzigem Land Lateinamerikas während des Ersten<br />

Weltkrieges dank der deutsch erzogenen Intelligenz <strong>und</strong> des<br />

Zusammenschlusses der Deutsch-Chilenen zum DCB gelang, die<br />

Neutralität zu bewahren. Im Zweiten Weltkrieg wurde dies auch versucht,<br />

aber der außenpolitische Druck Argentiniens <strong>und</strong> besonders der USA<br />

veranlaßte die chilenische Regierung sich auf die Seite der Alliierten zu<br />

schlagen. 101<br />

In der chilenischen Flüchtlingspolitik lassen sich zwei Phasen ausmachen:<br />

unter der konservativen Regierung Alessandri bis zum Herbst 1938 wurde<br />

die Asylgesetzgebung mehrfach verschärft, während die Politik der<br />

Volksfrontregierung Cerda von einer großzügigen, liberalen Handhabung<br />

gekennzeichnet war. Allerdings erzwang das seit 1938 verstärkt in Aktion<br />

getretene „Movimiento Nacionalsocialista de Chile“ (MNS) unter seinem<br />

Führer von Marées Mitte 1940 einen Einwanderungsstop. Hinzugefügt<br />

muß allerdings werden, daß die Einwanderung nur mit großem<br />

verwaltungstechnischem Aufwand kontrollierbar war <strong>und</strong> sich die<br />

Einwanderungsbeschränkungen durchaus umgehen ließen. 102<br />

99<br />

Lämmert, Eberhard: Vorwort, in: Maas, Lieselotte: Handbuch der deutschen Exilpresse 1933-1945, hg.v.<br />

Lämmert, Eberhard, München/Wien 1976<br />

100<br />

Maas, Lieselotte. <strong>Deutsche</strong> Exilpresse in Lateinamerika, Frankfurt a.M. 1978, S.13f<br />

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Blancpain, Les Allemands, S.897<br />

102<br />

Wojak, Ausharren, S.49

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