Deutsche Auswanderer zwischen Mythos und Realität - KOPS ...

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32 bolivianischen und peruanischen Truppen wurden die Chilenen die „Preußen Südamerikas“ genannt, was aber keinesfalls über den desolaten Zustand des chilenischen Militärs hinwegtäuschen konnte. Die mangelnde Ausbildung der Truppenführer und die Notwendigkeit, die eroberten Gebiete mit den wertvollen Salpeterlagern zu sichern, ließen das Bedürfnis einer Militärreform entstehen. Deutschland hatte während der Auseinandersetzung mit den Nachbarstaaten Neutralität bewahrt und direkt dabei geholfen, daß Chile seinen Kriegsgewinn behalten durfte, indem es Frankreich und England an einer Intervention hinderte. Nach dem Sieg Bismarcks über Napoleon hatte sich außerdem das Ansehen des deutschen Militärs ungemein erhöht. Die kommerziellen und kulturellen Beziehungen zwischen Chile und Deutschland wurden seit dieser Zeit intensiviert: die Firma Krupp in Essen wurde zum bevorzugten Lieferanten für Kriegsgerät, deutsche Firmen erwarben Salpeterwerke und deutsche Banken und Handelshäuser wurden eröffnet. Schließlich entstand die Idee, einen deutschen Hauptmann als Instrukteur für die chilenische Armee zu gewinnen. 1885 ernannte die chilenische Regierung den deutschen Hauptmann Emil Körner zum Ausbilder ihrer Armee. Emil Körner, der ein ehemaliger Mitschüler von Paul Hindenburg auf der Militärakademie gewesen war, wurde von Generalfeldmarschall Moltke persönlich für die Leitung des Unterrichts an der Militärschule gewählt. Bis zum innenpolitischen Konflikt 1891 bemühte sich Körner um die Reform des Heeres und enthielt sich der Einmischung in die Politik, wurde dann jedoch Generalstabschef der Oppositionstruppen und führte diese zum Sieg über die Regierung Balmaceda. 72 Der Grund für dieses außergewöhnlich Verhalten, bei dem er die Grenzen seiner Mission weit überschritt, ist in seinen Familienbeziehungen zu suchen. Körner selbst war mit der Tochter des Konsuls Junge verheiratet, sein Schwager war glühender Anhänger der Kongresspartei und beeinflußte nach Meinung des Gesandten Felix von 72 Schaefer, Jürgen: Deutsche Militärhilfe an Südamerika, Militär- und Rüstungsinteressen in Argentinien, Bolivien und Chile vor 1914, Hamburg 1974, S.15ff

33 Gutschmid Körners Verhalten. Dieser wurde zunächst für die Überschreitung seines Aufgabenbereichs scharf getadelt, aber noch im selben Jahr zum Brigade-General und Generalstabschef befördert. 73 1910 kehrte er nach Deutschland zurück und verstarb 1919. Seine sterblichen Überreste wurden von seinen Waffenbrüdern und Schülern nach Chile überführt, wo ein feierliches Begräbnis begangen wurde, an dem die Regierung und das ganze Offizierskorps teilnahm. 74 Nach Ansicht von Gerd Wunder lösten diese Ereignisse eine Wende in der chilenischen Geschichte aus. Durch den Sieg der Kongresspartei gewann die Oligarchie, die bis zu diesem Zeitpunkt noch vom Präsidenten eingeschränkt wurde, an Macht. Marxistische Historiker sprechen von einem „Sieg des Kapitalismus über die Interessen des chilenischen Volkes“. Vielfach wurden hinter Körners Verhalten wirtschaftliche Bindungen an das Großkapital vermutet. Jürgen Schäfer sieht die Politik vor allem im Zusammenhang mit der deutschen Rüstungsindustrie. Es lassen sich bei den Ereignissen 1891 jedoch dafür keine Anhaltspunkte finden. Hier liegt nach Ansicht von Gerd Wunder eine Verwechslung von Ursache und Wirkung vor. 75 1895 stellte die chilenische Regierung 40 deutsche Offiziere ein, die vor allem in der Ausbildung des Heeres tätig waren. Insgesamt waren zwischen 1891 und 1926 fünf deutsche Militärmissionen in Chile tätig. Es wurden auch umgekehrt 150 chilenische Offiziere nach Deutschland geschickt, um sich ausbilden zu lassen. Noch heute sind deutsche Weltkriegsstahlhelme und Uniformen im Gebrauch. Das chilenische Militärwesen gewann unter dem Einfluß der deutschen Reformer immer mehr an Ansehen und entwickelte sich zu einem Zufluchtsort des Mittelstandes. 76 Die durch preußischen Geist ausgebildeten Chilenen bildeten ihrerseits Offi- ziere in anderen lateinamerikanischen 73 Bericht vom 12.6.1891, Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Bonn, Abt. I A, Chile, 1, 1084, Bd.6, abgedruckt in: Wunder, Gerd: Hauptmann Körner und der Bürgerkrieg in Chile 1891, in: Ibero- Amerikanisches Archiv, Neue Folge Jg.9 (1983), S.238f 74 Condor, Nr.2948, 23.März 1991, S.4 75 ders. S.225f

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Gutschmid Körners Verhalten. Dieser wurde zunächst für die<br />

Überschreitung seines Aufgabenbereichs scharf getadelt, aber noch im<br />

selben Jahr zum Brigade-General <strong>und</strong> Generalstabschef befördert. 73 1910<br />

kehrte er nach Deutschland zurück <strong>und</strong> verstarb 1919. Seine sterblichen<br />

Überreste wurden von seinen Waffenbrüdern <strong>und</strong> Schülern nach Chile<br />

überführt, wo ein feierliches Begräbnis begangen wurde, an dem die<br />

Regierung <strong>und</strong> das ganze Offizierskorps teilnahm. 74<br />

Nach Ansicht von Gerd W<strong>und</strong>er lösten diese Ereignisse eine Wende in der<br />

chilenischen Geschichte aus. Durch den Sieg der Kongresspartei gewann<br />

die Oligarchie, die bis zu diesem Zeitpunkt noch vom Präsidenten<br />

eingeschränkt wurde, an Macht. Marxistische Historiker sprechen von<br />

einem „Sieg des Kapitalismus über die Interessen des chilenischen<br />

Volkes“.<br />

Vielfach wurden hinter Körners Verhalten wirtschaftliche Bindungen an<br />

das Großkapital vermutet. Jürgen Schäfer sieht die Politik vor allem im<br />

Zusammenhang mit der deutschen Rüstungsindustrie. Es lassen sich bei<br />

den Ereignissen 1891 jedoch dafür keine Anhaltspunkte finden. Hier liegt<br />

nach Ansicht von Gerd W<strong>und</strong>er eine Verwechslung von Ursache <strong>und</strong><br />

Wirkung vor. 75<br />

1895 stellte die chilenische Regierung 40 deutsche Offiziere ein, die vor<br />

allem in der Ausbildung des Heeres tätig waren. Insgesamt waren<br />

<strong>zwischen</strong> 1891 <strong>und</strong> 1926 fünf deutsche Militärmissionen in Chile tätig. Es<br />

wurden auch umgekehrt 150 chilenische Offiziere nach Deutschland<br />

geschickt, um sich ausbilden zu lassen. Noch heute sind deutsche<br />

Weltkriegsstahlhelme <strong>und</strong> Uniformen im Gebrauch.<br />

Das chilenische Militärwesen gewann unter dem Einfluß der deutschen<br />

Reformer immer mehr an Ansehen <strong>und</strong> entwickelte sich zu einem<br />

Zufluchtsort des Mittelstandes. 76 Die durch preußischen<br />

Geist ausgebildeten Chilenen bildeten ihrerseits Offi-<br />

ziere in anderen lateinamerikanischen<br />

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Bericht vom 12.6.1891, Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Bonn, Abt. I A, Chile, 1, 1084, Bd.6,<br />

abgedruckt in: W<strong>und</strong>er, Gerd: Hauptmann Körner <strong>und</strong> der Bürgerkrieg in Chile 1891, in: Ibero-<br />

Amerikanisches Archiv, Neue Folge Jg.9 (1983), S.238f<br />

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Condor, Nr.2948, 23.März 1991, S.4<br />

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