Deutsche Auswanderer zwischen Mythos und Realität - KOPS ...

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24 Zweisprachigkeit, wobei die Autoren angaben, etwa ein Drittel der Deutschstämmigen erfaßt zu haben. 56 Auf den ersten Blick erstaunt die hohe Sprachqualifikation, aber der Trend war bereits in den 60ern rückläufig. Hier werden verschiedene Faktoren wirksam: aufgrund der immer selbstverständlicher werdenden Mischehen wurde die deutsche Sprache im Elternhaus immer weniger verwendet und die deutschen Schulen unterrichteten inzwischen Deutsch als Fremdsprache, so daß nicht mehr der gesamte Unterricht in deutscher Sprache erfolgte. Dieselbe Entwicklung läßt sich im Vereinswesen beobachten, denn immer mehr Protokolle, Einladungen, Vorträge wurden in Spanisch verfaßt. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß für die erste Generation, die Generation der Einwanderer, Spanisch eine Fremdsprache war und vor allem im Süden Chiles untergeordnete Bedeutung hatte, während sich beispielsweise Einwanderer in Santiago sehr viel rascher an die neue Sprache anpaßten. Ab der zweiten Generation wurde Spanisch bereits als Landessprache oder gar Muttersprache erlernt. Es gibt verständliche Gründe, warum die deutschstämmigen Kinder der spanischen Sprache den Vorzug gaben: zum einen die leichter erlernbare Aussprache und Grammatik und zum anderen der Vorteil, sich über das Elternhaus und die deutsche Gemeinschaft hinaus verständlich machen zu können. 57 Oftmals möchten die jungen Menschen auch nicht als „Gringos“ auffallen. Durch die beiden verlorenen Weltkriege mußte die deutschstämmige Bevölkerungsgruppe einen hohen Prestigeverlust hinnehmen, was sich ebenfalls in ihrem Sprachverhalten sowie im Pressewesen, wie später noch zu sehen sein wird, niedergeschlagen hat. Die Entwicklung der deutschen Sprache wird von Agnes Bornhardt, der langjährigen Präsidentin des Deutsch-Chilenischen Kulturinstituts Los Angeles wie folgt charakterisiert: „Mit dem Deutschen geht es bergab“ und 56 Grandjot, Carlos/Schmidt, Ernesto: Die beiden Heimatsprachen der Chilenen deutscher Abstammung: Ergebnisse einer statistischen Umfrage, Santiago de Chile 1960, S.35f 57 ders. S.5f, vgl. Schobert, Kurt: Soziale und kulturelle Integration am Beispiel der deutschen Einwanderung und Deutsch-Chilenen in Süd-Chile (Bd.I), Würzburg 1982, S.279f

25 „Wenn man den Saal voll haben will, bringt man deutsche Kultur auf Spanisch.“ 58 3.4 Die Schule Die deutschen Einwanderer, die fast alle des Lesens und Schreibens mächtig waren - während 1907 noch 60% der Chilenen Analphabeten waren und Bildung lange Zeit ein Privileg der Oberschicht blieb - legten großen Wert auf die Schulbildung ihrer Nachkommen. Da aber in den Kolonien noch keine Schulen vorhanden waren, begannen die Siedler sehr früh eigene Schulen zu gründen. Vor 1853 unterrichteten die Eltern ihre Kinder selbst, dann improvisierte man eine Privatschule in einem Wohnhaus. Die erste deutsche Schule entstand 1854 in Osorno, 1856 gründete die deutsche Gemeinde in Valdivia eine Schule und unterhielt zwei Lehrer. Wo immer sich genügend Einwanderer zusammenfanden, gründeten sie Schulvereine, um die Kosten für die Schulen zu tragen. Besonders die protestantische Kirche tat sich im Bildungswesen hervor, und die vorherrschende Unterrichtssprache blieb lange Zeit Deutsch. Ganz anders verlief die Entwicklung katholischer Schulen: bereits 1899 verfügte die Kirche, daß der Unterricht in allen katholischen Schulen in Spanisch abgehalten werden müsse, und Deutsch weiter als Pflicht- Fremdsprache unterrichtet werden sollte. 59 Die Zahl der deutschen Schulgründungen erscheint beeindruckend im Verhältnis zur Einwandererzahl. Anfang des Jahrhunderts gab es bereits 30 deutsche Schulen, während des 2. Weltkrieges sollen es annähernd 50 gewesen sein. Die folgende Liste 60 erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vermittelt aber einen Eindruck des pädagogischen Wirkens der Deutsch-Chilenen und zeigt, daß die meisten Schulen im 58 Condor, Nr.3170, 15.September 1995, S.16 59 Converse, Die Deutschen, 324f 60 Condor, Nr.2970, 24.August 1991, S.11

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Zweisprachigkeit, wobei die Autoren angaben, etwa ein Drittel der<br />

Deutschstämmigen erfaßt zu haben. 56<br />

Auf den ersten Blick erstaunt die hohe Sprachqualifikation, aber der<br />

Trend war bereits in den 60ern rückläufig. Hier werden verschiedene<br />

Faktoren wirksam: aufgr<strong>und</strong> der immer selbstverständlicher werdenden<br />

Mischehen wurde die deutsche Sprache im Elternhaus immer weniger<br />

verwendet <strong>und</strong> die deutschen Schulen unterrichteten in<strong>zwischen</strong> Deutsch<br />

als Fremdsprache, so daß nicht mehr der gesamte Unterricht in deutscher<br />

Sprache erfolgte. Dieselbe Entwicklung läßt sich im Vereinswesen<br />

beobachten, denn immer mehr Protokolle, Einladungen, Vorträge wurden<br />

in Spanisch verfaßt.<br />

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß für die erste Generation, die<br />

Generation der Einwanderer, Spanisch eine Fremdsprache war <strong>und</strong> vor<br />

allem im Süden Chiles untergeordnete Bedeutung hatte, während sich<br />

beispielsweise Einwanderer in Santiago sehr viel rascher an die neue<br />

Sprache anpaßten. Ab der zweiten Generation wurde Spanisch bereits als<br />

Landessprache oder gar Muttersprache erlernt. Es gibt verständliche<br />

Gründe, warum die deutschstämmigen Kinder der spanischen Sprache<br />

den Vorzug gaben: zum einen die leichter erlernbare Aussprache <strong>und</strong><br />

Grammatik <strong>und</strong> zum anderen der Vorteil, sich über das Elternhaus <strong>und</strong><br />

die deutsche Gemeinschaft hinaus verständlich machen zu können. 57<br />

Oftmals möchten die jungen Menschen auch nicht als „Gringos“ auffallen.<br />

Durch die beiden verlorenen Weltkriege mußte die deutschstämmige<br />

Bevölkerungsgruppe einen hohen Prestigeverlust hinnehmen, was sich<br />

ebenfalls in ihrem Sprachverhalten sowie im Pressewesen, wie später noch<br />

zu sehen sein wird, niedergeschlagen hat.<br />

Die Entwicklung der deutschen Sprache wird von Agnes Bornhardt, der<br />

langjährigen Präsidentin des Deutsch-Chilenischen Kulturinstituts Los Angeles<br />

wie folgt charakterisiert: „Mit dem <strong>Deutsche</strong>n geht es bergab“ <strong>und</strong><br />

56 Grandjot, Carlos/Schmidt, Ernesto: Die beiden Heimatsprachen der Chilenen deutscher Abstammung:<br />

Ergebnisse einer statistischen Umfrage, Santiago de Chile 1960, S.35f<br />

57 ders. S.5f, vgl. Schobert, Kurt: Soziale <strong>und</strong> kulturelle Integration am Beispiel der deutschen Einwanderung<br />

<strong>und</strong> Deutsch-Chilenen in Süd-Chile (Bd.I), Würzburg 1982, S.279f

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