Deutsche Auswanderer zwischen Mythos und Realität - KOPS ...
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8 Innerhalb der Auswanderung nach Südamerika rangierte Chile erst an dritter Stelle nach Brasilien und Argentinien. Jedoch ist die Gesamtzahl der Deutschen, die vor der Jahrhundertwende nach Chile auswanderten in der Forschung sehr umstritten: sie bewegt sich zwischen 10 000 15 und 37 000. Wie bereits in der Einleitung erwähnt wurde, sind im Zusammenhang mit der Sonderstellung dieser Auswanderer nicht allein die Zahlen entscheidend, sondern der Einfluß dieser Minderheit, den sie auf ihre neue Umgebung ausübte und die außerordentliche Beständigkeit in der Fortführung ihrer Traditionen. Im folgenden Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, was diese „Deutschlandmüden“ zu der schwerwiegenden Entscheidung motivierte, das Wagnis der Auswanderung auf sich zu nehmen. 2.2 Motive für die Auswanderung Das folgende Schaubild, das K.J. Bade nach statistischen Angaben von F. Burgdörfer 16 erstellte, gibt einen Überblick über die Phasen im Bewegungsablauf der deutschen Überseeauswanderung 1830-1932 17 . Hier ist deutlich zu erkennen, daß die deutsche Auswanderung ab Mitte der 1830er deutlich anstieg und zwischen 1847 ihren ersten Höhepunkt erreichte. Dies ist auf wiederholte Getreidemißernten und die europaweite Kartoffelfäule 1846/47, die die Lebensbedingungen immer mehr verschärften, zurückzuführen. 15 Converse, Christel: Die Deutschen in Chile, in: Die Deutschen in Lateinamerika, hg. Fröschle, Hartmut, Tübingen 1979, S.314, dazu ausführlich: Schobert, Kurt: Soziale und kulturelle Integration am Beispiel der deutschen Einwanderung und Deutsch-Chilenen in Süd-Chile, Bd.I, München 1982, S.194f 16 Burgdörfer, Wanderungen, S.189 17 Bade, Klaus J.: Die deutsche überseeische Massenauswanderung im 19. und frühen 20. Jahrhundert: Bestimmungfaktoren und Entwicklungsbedingungen, in: Auswanderer - Wanderarbeiter- Gastarbeiter: Bevölkerung, Arbeitmarkt und Wanderung in Deutschland seit der Mitte des 19.Jahrhunderts ( Bd.1), hg.v. Bade, Klaus J., Ostfildern 1984, S.264
9 Quelle: Bade, Klaus J.: Die deutsche überseeische Massenauswanderung im 19. und frühen 20. Jahrhundert: Bestimmungsfaktoren und Entwicklungsbedingungen, in: Auswanderer - Wanderarbeiter - Gastarbeiter: Bevölkerung, Arbeitsmarkt und Wanderung in Deutschland seit Mitte des 19.Jahrhunderts (Bd.1), hg.v. Bade, Klaus J., Ostfildern 1984, S.264 Die Bauernbefreiung, die Einführung der Gewerbefreiheit im Handwerk und das Realerbteilungsrecht im Westen und Südwesten hatten ohnehin schon zu massiven sozialen Mißständen geführt. Die zunehmende Bevölkerungsdichte und die wachsende Zerstückelung des Bodens bewirkten, daß es für immer mehr Menschen unmöglich wurde, auf eigenem Grund und Boden den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie zu erwirtschaften. Zu diesem Zeitpunkt war der sich erst entwickelnde industrielle Arbeitsmarkt noch nicht in der Lage, die Erwerbslosen aufzunehmen, so daß sich ganze Massen gezwungen sahen, das Land zu verlassen und ihr Glück in Übersee zu suchen. Klaus Bade nennt diesen Vorgang den „partiellen Export der
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Innerhalb der Auswanderung nach Südamerika rangierte Chile erst an<br />
dritter Stelle nach Brasilien <strong>und</strong> Argentinien. Jedoch ist die Gesamtzahl<br />
der <strong>Deutsche</strong>n, die vor der Jahrh<strong>und</strong>ertwende nach Chile auswanderten<br />
in der Forschung sehr umstritten: sie bewegt sich <strong>zwischen</strong> 10 000 15 <strong>und</strong><br />
37 000.<br />
Wie bereits in der Einleitung erwähnt wurde, sind im Zusammenhang mit<br />
der Sonderstellung dieser <strong>Auswanderer</strong> nicht allein die Zahlen<br />
entscheidend, sondern der Einfluß dieser Minderheit, den sie auf ihre<br />
neue Umgebung ausübte <strong>und</strong> die außerordentliche Beständigkeit in der<br />
Fortführung ihrer Traditionen.<br />
Im folgenden Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, was diese<br />
„Deutschlandmüden“ zu der schwerwiegenden Entscheidung motivierte,<br />
das Wagnis der Auswanderung auf sich zu nehmen.<br />
2.2 Motive für die Auswanderung<br />
Das folgende Schaubild, das K.J. Bade nach statistischen Angaben von F.<br />
Burgdörfer 16 erstellte, gibt einen Überblick über die Phasen im<br />
Bewegungsablauf der deutschen Überseeauswanderung 1830-1932 17 . Hier<br />
ist deutlich zu erkennen, daß die deutsche Auswanderung ab Mitte der<br />
1830er deutlich anstieg <strong>und</strong> <strong>zwischen</strong> 1847 ihren ersten Höhepunkt<br />
erreichte. Dies ist auf wiederholte Getreidemißernten <strong>und</strong> die europaweite<br />
Kartoffelfäule 1846/47, die die Lebensbedingungen immer mehr<br />
verschärften, zurückzuführen.<br />
15 Converse, Christel: Die <strong>Deutsche</strong>n in Chile, in: Die <strong>Deutsche</strong>n in Lateinamerika, hg. Fröschle, Hartmut,<br />
Tübingen 1979, S.314, dazu ausführlich: Schobert, Kurt: Soziale <strong>und</strong> kulturelle Integration am Beispiel der<br />
deutschen Einwanderung <strong>und</strong> Deutsch-Chilenen in Süd-Chile, Bd.I, München 1982, S.194f<br />
16 Burgdörfer, Wanderungen, S.189<br />
17 Bade, Klaus J.: Die deutsche überseeische Massenauswanderung im 19. <strong>und</strong> frühen 20. Jahrh<strong>und</strong>ert:<br />
Bestimmungfaktoren <strong>und</strong> Entwicklungsbedingungen, in: <strong>Auswanderer</strong> - Wanderarbeiter- Gastarbeiter:<br />
Bevölkerung, Arbeitmarkt <strong>und</strong> Wanderung in Deutschland seit der Mitte des 19.Jahrh<strong>und</strong>erts ( Bd.1), hg.v.<br />
Bade, Klaus J., Ostfildern 1984, S.264