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Das Fräulein von Lichtenegg

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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />

Franziski Xaveri, auf einer Hochzeit, welche hier gefeiert wurde, und kehrte erst spät in der<br />

Nacht und allein nach Hause zurück. Auf der Mitte des Weges angekommen, wurde er <strong>von</strong><br />

Pferdeschwärzern, welchen er schon mehrere Male Strafen zugebracht, überfallen und nach<br />

kräftiger Gegenwehr, wobei er einen mit einem Schusse aus seiner Pistole zu Boden streckte,<br />

und einen zweiten halb zum Krüppel schlug, durch die Uebermacht überwältigt und<br />

erschlagen. Die Pferdeschwärzer nahmen ihre Blessierten mit und schleiften den Toten bis<br />

zum Jägerhofe, wo man ihn des andern Tages fand. Die Thäter konnten nicht ermittelt<br />

werden, obwohl man gegen mehrere starken Verdacht hatte, bis zehn Jahre nachher die<br />

verstümmelte Hand eines der Burschen auf deren Spur führte, indem er sich in seinen<br />

Angaben über die Verstümmelung widersprach und endlich, ohnehin verdächtig, seine und<br />

die Teilnahme mehrerer an dem Totschlage eingestand. Einer da<strong>von</strong>, der Steffeljäger, welcher<br />

deshalb viele Jahre im Zuchthause saß, lebt noch heut in hiesiger Gegend.<br />

An der Stelle der That wurde eine Gedächtnistafel errichtet, und man hatte ungeachtet<br />

derselben schon längst den Federkiel vergessen, als auf einmal, erst in den dreißiger Jahren,<br />

dessen Gespenst alt und jung in Schrecken setzte. Ein hiesiger Hafner, der Hafnermichl,<br />

kehrte nämlich einmal spät in der Nacht <strong>von</strong> Stachesried nach Eschlkam zurück. In der Nähe<br />

der Martersäule angekommen, bemerkte er zu seinem größten Schrecken eine unnatürlich<br />

hohe Gestalt ohne Kopf, mit einem langen Jägerrock bekleidet, und einem Hut auf dem<br />

Rumpfe. Der Hafnermichl, <strong>von</strong> Natur durchaus kein Held, nimmt, wie sich <strong>von</strong> selbst<br />

versteht, Reißaus; aber das Gespenst, etwas seitwärts in der Wiese, bleibt dem Flüchtigen<br />

immer in gleicher Linie wie sein Schatten.<br />

So furchtsam der Michl auch war, so bekam er doch plötzlich, da der Hauptschrecken nun<br />

einmal vorbei, Kourage und mit dem Ausrufe: „Alle guten Geister loben ihren Herrn! Sag’,<br />

was ist dein’ Begehr’n?“ ging er in verzweifeltem Mute auf den schwarzen Mann zu. Dieser<br />

wich, ohne sich umzuwenden, bis in die Nähe der Martersäule zurück, schritt über den hier<br />

befindlichen Weiher rücklings hinüber und löste sich dann in einen schwarzen Nebel auf,<br />

welcher in der Luft zerrann. Jetzt aber überfiel den Hafner eine schreckliche Furcht, und er<br />

lief, war er laufen konnte, gegen Eschlkam zu; das Gespenst war aber schon wieder an seiner<br />

Seite, und folgte ihm bis in die Nähe des Marktes. Ich war gerade im Wirtshause beim Spät<br />

unten, in welches der Michl, vor Schrecken totkrank, kam und uns den Spuk erzählte.<br />

Derselbe ward auf längere Zeit gemütskrank, und noch heutigen Tags verspürt er die Folgen<br />

jener Nacht.<br />

Kurze Zeit nach diesem Ereignisse kam der Cholera-Kordon in diese Gegend, und auch<br />

zwischen hier und Stachesried wurden Pikette aufgestellt.<br />

Da kamen wieder nächtlich derlei Spukereien vor, und alle Posten beschworen, den<br />

Federkiel gesehen zu haben; ja, sie wurden da<strong>von</strong> mit solcher Furcht erfüllt, daß sich keine<br />

Patrouille in jene Gegend mehr wagte, was den Kommandanten in nicht geringe Verlegenheit<br />

brachte, da gerade an diesem Platze der Hauptverkehr der Schmuggler stattfand, und die<br />

Vermutung nicht ferne lag, daß diese die Rolle des Federkiel spielten, um ihr Handwerk<br />

ungenierter betreiben zu können. Dem war aber nicht so.“<br />

Nachdem der Erzähler seine Zunge durch einen Schluck wieder willfähriger gemacht, und<br />

seinem Schmalzler zugesprochen, fuhr er weiter: „Eines Sonntags abends saßen der Herr<br />

Pfarrer, Ihr Herr Vater, erwähnter Kommandant und meine Wenigkeit gemütlich beim Tarok<br />

im Neumaierschen Wirtshause, als ein Unteroffizier ankam und dem Hauptmanne meldete,<br />

daß sich das Gespenst schon wieder blicken lasse, daß man darauf geschossen, aber erfolglos,<br />

und daß der Hauptmann sich selbst <strong>von</strong> dem Gespenste überzeugen könne, welches diese<br />

Nacht – es war gerade in der Franziski Xaveri-Nacht – wohl nimmer ruhen möchte. Wir<br />

waren alle schnell entschlossen, uns <strong>von</strong> der Richtigkeit dieser Meldung zu überzeugen, und<br />

der Sache auf den Grund zu kommen. Jeder nahm eine Waffe zu sich, und <strong>von</strong> mehreren<br />

hiesigen Burschen begleitet, machten wir uns auf den Marsch gegen den Federkiel. Kaum<br />

waren wir den Berg hinabgekommen, hieß es schon: „Seht, seht! Dort ist er in der Wiese!“<br />

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