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Das Fräulein von Lichtenegg

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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />

Kellergewölbe. Die Thüre zu demselben war offen – schon ein verdächtiges Zeichen – und<br />

nachdem schnell eine Laterne herbeigebracht war, stieg man in den Raum hinab, wo die<br />

gefüllten Bier- und Weinflaschen aufbewahrt sind. Herr Perchtold ließ die Thüre besetzen,<br />

und durchsuchte aufs strengste den ganzen Raum. Vom Teufel war keine Spur; aber der Frater<br />

Bräumeister sagte, daß in neuerer Zeit viele Bier- und Weinflaschen abhanden gekommen,<br />

und da er den Keller selbst verschlossen, so könne ihn nur ein Dieb mit einem zweiten<br />

Schlüssel geöffnet haben, und dieser Dieb müsse, seiner Ansicht nach, noch im Keller<br />

stecken. Am Ende, meinte er, kriegen wir statt des Teufels den Flaschendieb!<br />

„Au weh! Um Gotteswillen! Au weh!“ schrie jetzt hinter einem Fasse, welches der<br />

Marktschreiber mit dem Degen untersuchte, eine ängstliche Stimme. Alles eilte hinzu und<br />

sah, wie Herr Perchtold mit starker Hand den schreienden Teufel hinter dem Fasse hervorzog.<br />

„Dieser Teufel ist nicht stichfest!“ rief er dabei, „laßt uns sehen, ob er hiebfest ist!“ Dabei<br />

steckte er den Degen in den Stock und prügelte mit diesem auf den Schwarzen lebhaft los.<br />

Dieser schrie jämmerlich; endlich packte ihn der Marktschreiber an den Hörnern, zog ihm mit<br />

diesen den ganzen Pelz vom Leibe, und hervor kroch wirklich ein armer Teufel – ein<br />

Schneiderlein aus Neukirchen.“ 15<br />

Die Gesellschaft war durch diese Erzählung sehr ergötzt, und lange drehte sich das<br />

Gespräch um den entteufelten Schneider.<br />

Eine Menge anderer Neuigkeiten hatte der Kantor noch in petto, die er in der heitersten<br />

Weise erzählte. Nur hie und da erinnerte er sich wieder an den Doktor und konnte seinen<br />

Unwillen über denselben nicht unterdrücken. Wir sind aber berechtigt, hier anzuführen, daß<br />

die kleine Feindschaft <strong>von</strong> keiner langen Dauer war und der Kantor bei einer günstigen<br />

Gelegenheit dem Doktor ebenfalls ein ordentliches Näschen gedreht hat.<br />

XIV.<br />

Des anderen Tages nach der Messe begab sich der Pfarrer zum Rittermargerl und erfreute<br />

sie nicht wenig durch die guten Nachrichten über Julchen.<br />

Es bedurfte aber all seiner Beredsamkeit, die Alte für Adalbert günstiger zu stimmen, und er<br />

brachte sie erst nach langem Hin- und Herreden dahin, dem Arzte persönlich für das danken<br />

zu wollen, was er an Julchen gethan.<br />

„Wenn er nur ein anderes Gesicht hätte,“ sagte Margareth. „Ich wollte den jungen Doktor<br />

recht lieb haben – aber dieses Gesicht!“<br />

„O, Ihr werdet dieses Gesicht wieder schön und lieb finden,“ fiel ihr der Pfarrer in die Rede,<br />

„habt Ihr Euch nur erst wieder daran gewöhnt. Seid stark, Margareth, wie Ihr es immer<br />

gewesen, und erlaubt mir, daß ich Euch den Doktor bringe.“<br />

„Heute schon?“ rief die Alte.<br />

„Ja, heute noch; denn morgen früh muß er Julchen wieder besuchen; Ihr könnt ihm an diese<br />

Aufträge geben, und Euch darüber <strong>von</strong> ihm erzählen lassen.“<br />

Nach langem Widerstreben willigte endlich die Alte ein. Der Pfarrer ging, Adalbert und<br />

Ortolf zu holen, mit welchen er bald wieder kehrte. <strong>Das</strong> Rittermargerl hatte die Augen<br />

geschlossen; denn sie fürchtete sich ordentlich, Adalbert anzusehen.<br />

„Hier bring ich Euch meine lieben Gäste, Margareth,“ sagte der Pfarrer, „meinen Paten<br />

Ortolf und seinen Freund, Herr Doktor Woogen.“<br />

Adalbert war äußerst aufgeregt.<br />

„Was macht meine Julie?“ fragte die Alte.<br />

„Sie grüßt und küßt Sie, Mütterchen,“ antwortete Adalbert, der Alten Hand ergreifend und<br />

an seine Lippen drückend.<br />

15 Der Teufel auf der Haselmühle wurde auf ähnliche Weise durch einen Müllerburschen entteufelt, als er<br />

wiederholt im Begriffe war, einen Sack Mehl fortzuschleppen.<br />

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