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Das Fräulein von Lichtenegg

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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />

kommen, wünsch gute Unterhaltung, adieu, Kantor!“ sauste er da<strong>von</strong>, und ließ mich allein bei<br />

dem Erhängten. Der Frevler, der Verräter!“<br />

Die Gesellschaft, so unangenehm sie auch die Nachricht <strong>von</strong> dem Selbstmorde des<br />

Steffeljägers berührt hatte, mußte bei diesem neuen Zornausbruche des Kantors unwillkürlich<br />

lachen.<br />

„Ja, lachen Sie nur,“ sagte dieser, „ich habe auch gelacht über die Feigheit des Doktors;<br />

denn nur die Furcht hat ihn fortgetrieben; oder wollte er mich in Schrecken setzen? Quod non,<br />

dieses Mal ist er der Eingegangene. Denn ich ging ruhig meines Weges weiter, und kam<br />

gemütlich hier an.“<br />

„<strong>Das</strong> haben wir gesehen,“ sagte der Pfarrer; „Sie kamen in der größten Gemütsruhe.“<br />

„Nicht wahr?“ entgegnete der Kantor. „Nur ärgerlich war und bin ich über den Verlust,<br />

welchen ich bei dieser Geschichte zu erleiden habe. Mein Vetter mütterlicherseits, der Frater<br />

Koch, steckte mir beim Abschiede zwei schöne geräucherte Hechte in die Tasche, womit ich<br />

meine Veronika erfreuen wollte; da fiel mir einer heraus, während ich so über die Wiese lief<br />

–“<br />

„Sie sind ja ganz ruhig gegangen,“ unterbrach ihn einer der Herren.<br />

„Nun ja, ich habe mich versprochen, während ich so über die Wiese ging, fiel mir einer<br />

derselben zu meinem Leidwesen aus der Tasche, und daran trägt nur der Doktor <strong>von</strong> Furth die<br />

Schuld.“<br />

Der arme Kantor wurde zu seinem Schaden jetzt noch recht ausgelacht.<br />

„Erholen Sie sich nur,“ sagte der Pfarrer, „und erzählen Sie uns dann, was Sie in<br />

Neukirchen neues erfahren, oder sollten Sie dieses Mal ganz leer kommen?“<br />

„Gott bewahre!“ entgegnete der Kantor. „Warten Sie nur, ich muß mich erst sammeln, und<br />

dazu gehört vor allem, daß ich meine Veronika schnell <strong>von</strong> meiner Ankunft in Kenntnis setze<br />

und ihr das Mitgebrachte, ihre Leibspeise übergebe. Nachdem ich mir ihren Dank geholt,<br />

komme ich im Augenblick wieder.“<br />

Bei diesen Worten nahm er Mütze und Stock und eilte in seine nahe Behausung. – Welchen<br />

Eindruck der geräucherte Fisch auf Veronika gemacht, und auf welche Weise sie dem Kantor<br />

gedankt, wissen wir nicht, dieser schien jedenfalls damit zufrieden zu sein, denn in der<br />

heitersten Laune kam er wieder in das Gartenhaus zurück. Laut lachend setzte er sich auf<br />

seinen Stuhl, und den Herren sein Brisilglas anbietend, sagte er: „Haben Sie’s noch nicht<br />

erfahren, wer gestern abend im Kloster attrapiert wurde?“<br />

„Nein, wer denn?“<br />

„Der Teufel selber! Auf Ehre! Der Teufel, der seit mehreren Wochen schon im Kloster sein<br />

Unwesen getrieben. Gestern hat er zum letzten Male gespukt! Ich will Ihnen die Geschichte<br />

erzählen, wie sie mir mein Vetter mütterlicherseits, der Frater Koch, mitgeteilt hat. Seit<br />

mehreren Wochen, wie Sie wissen, hat sich im Klostergarten schon öfters bei Nacht, und<br />

besonders während der Gewitter, der Teufel gezeigt. Die Klosterbewohner, deren Zellen<br />

gegen den Garten gelegen sind, sahen, wenn die Blitze die Nacht erhallten, oder beim<br />

Mondscheine, den Bösen über die Gartenmauer klettern, und, nachdem er einige Male im<br />

Garten herumgelaufen, plötzlich verschwinden. Er soll scheußlich ausgesehen haben, zwei<br />

lange Hörner auf dem Kopfe, feurige Augen, einen feuerspeienden Rachen und mit einem<br />

schwarzen zottigen Pelze bedeckt. In der ganzen Umgebung verbreitete diese Nachricht<br />

Furcht und Schrecken. Die Geschichte dauerte endlich doch zu lange und es wurde<br />

beschlossen, dem Bösen auf den Leib zu gehen. Vorgestern abend nun, als das starke Gewitter<br />

kam, machten sich mehrere Herren Patres und einige Gäste, unseren lieben Freund, Herrn<br />

Marktschreiber Perchtold an der Spitze, auf, den Bösen zu erwarten.“<br />

„Es währte nicht lange, so kam der Teufel schon über die Mauer geklettert und war, ehe<br />

man sich’s versah, im Kellergewölbe verschwunden.<br />

„<strong>Das</strong> ist ein durstiger Teufel; wir wollen ihm einmal Gesellschaft leisten!“ rief Herr<br />

Perchtold. Er hatte seinen Degenstock gezogen, und ging mit den übrigen nach dem<br />

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