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Das Fräulein von Lichtenegg

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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />

Adalbert nahm Julchens Hand und sagte: „Später will ich Ihnen einmal sagen, Julchen, wie<br />

reichlich Sie mir vergelten können. Doch jetzt möchten Sie noch einen Augenblick der Pfarrer<br />

und Ortolf sprechen, welche außen im Garten auf das Zeichen zum Eintreten warten.“<br />

„Der Pfarrer! Ortolf!“ rief Julchen erfreut. „Warum kamen sie nicht schon längst herein!“<br />

Gleich darauf traten die Genannten in das Zimmer.<br />

Wir übergehen das gegenseitige, freudige Begrüßen. Der Pfarrer war hoch erfreut, sein<br />

Beichtkind wieder bei gesundem Verstande zu sehen, brachte ihr Grüße und Glückwünsche<br />

<strong>von</strong> allen Eschlkamern und gab ihr seinen priesterlichen Segen. Ortolf hatte seiner<br />

Jugendfreundin vieles zu erzählen, und wurde <strong>von</strong> dieser mit Fragen bestürmt, bis der Doktor<br />

die Unterhaltung mit den Worten beendigte: „Für heute mehr als genug! Julchen bedarf der<br />

Ruhe. Ich fahre mit dem Herrn Pfarrer und Ortolf nach Eschlkam zurück und werde<br />

übermorgen wieder hieher kommen. Ich hoffe, wenn meine Anordnungen genau befolgt<br />

werden, einen bedeutenden Fortschritt in Ihrer Besserung zu sehen.“<br />

Man verabschiedete sich nun und der Pfarrer fuhr mit seinen Gästen nach Eschlkam.<br />

XIII.<br />

Schon in Schwarzenberg hatte Adalbert dem Pfarrer und Ortolf, auf ihren Wunsch hin, die<br />

Geschichte seines Vaters, insoweit sie ihm bekannt war, erzählt und damit, ohne selbst<br />

darüber klar zu sein, diese zur Ueberzeugung gebracht, daß sein Vater Margareths Sohn<br />

gewesen sei. Auf Adalberts dringende Bitten, ihm endlich zu erklären, in welchem<br />

Verhältnisse er zu Rittermargerl stehe, bat ihn der Pfarrer, bis zur Ankunft in Eschlkam<br />

Geduld zu haben. Hier nun erzählte er alles, was das Rittermargerl ihm und Ortolf diesen<br />

Morgen anvertraute.<br />

Diese Erzählung machte auf Adalbert einen hocherregenden Eindruck. Sein erster Entschluß<br />

war, sogleich zum Rittermargerl zu eilen, sich ihr zu enthüllen und für sich und seinen wohl<br />

längst verstorbenen Vater Versöhnung zu erflehen. Seine Freunde aber gaben dieses nicht zu.<br />

Nach langer Beratung wurde der Plan des Pfarrers am besten befunden, nämlich die Alte für<br />

Adalbert erst zu gewinnen, wozu Julchen als Hauptmittel gelten sollte. Die Margareth liebte<br />

das Mädchen wie ihr eigenes Kind, und der Pfarrer wollte es sicher dahin bringen, daß<br />

Margareth den Doktor selbst zu sprechen und ihm für alles, was er an ihrem Lieblinge gethan,<br />

zu danken wünsche, und wäre einmal dieses geschehen, so könne das übrige rasch<br />

nachfolgen. – – –<br />

Der Pfarrer und seine Gäste nebst den beiden heute auch anwesenden Kaplanen nahmen<br />

ihren Abendtisch in dem Gartenhause ein, und die kleine Gesellschaft unterhielt sich in der<br />

heitersten Weise. Adalber konnte nicht lange daran teil nehmen; er bedurfte durchaus der<br />

Ruhe; denn die fortwährenden Aufregungen in den jüngsten Tagen und vor allem die neue,<br />

überraschende Entdeckung hatten seinen Geist und Körper völlig abgespannt.<br />

„Wo steckt denn heute unser Kantor?“ fragte im Laufe des Gespräches der Pfarrer.<br />

„Der ging diesen Nachmittag nach Neukirchen,“ antwortete einer der Kaplane, „und wird<br />

sich im Bräustübchen auf den Nachhauseweg stärken.“<br />

„Da müssen wir ihn schon erwarten,“ sagte der Pfarrer. „Der Herr Kantor kommt nie ohne<br />

eine Menge Neuigkeiten <strong>von</strong> solchen Abstechern zurück, und wird auch heute wieder<br />

mancherlei zu erzählen wissen.“<br />

„Da ist er ja,“ riefen alle; denn der Kantor erschien eben in der offenen Thüre.<br />

„Wenn man den Wolf nennt, so kommt er g’rennt!“ sagte der Pfarrer.<br />

„G’rennt!“ entgegnete der Ankommende. „Meiner Seel! dieses Mal kommt er wirklich<br />

g’rennt; aber leider nur der Kantor! Leider! muß ich sagen, meine Herren, ja leider! denn ich<br />

gäbe die Kindstaufgelder <strong>von</strong> einem ganzen Quartal darum, wenn ich mich auf eine halbe<br />

Stunde hätte in einen Wolf verwandeln können! Doch entschuldigen Sie, daß ich Ihnen erst<br />

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