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Das Fräulein von Lichtenegg

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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />

„Glaub’s,“ entgegnete die Alte. „Weiß selbst nicht, warum ich Eurem Wunsche nicht<br />

widerstehen kann; es drängt mich ordentlich, mich Euch mitzuteilen, und wenn ich es gethan,<br />

werdet Ihr mein Gebahren im Gartenhause beim Anblicke des Fremden nicht für eine bloße<br />

Laune eines alten, kindischen Weibes halten. Aber Ihr müßt mit mir Geduld haben, wenn ich<br />

langsam erzähle, und hie und da Thränen meine Worte ersticken; bin gar eine alte Frau, schon<br />

vierundneunzig Jahre alt.“<br />

Nachdem man sich ordentlich zurecht gesetzt, begann sodann die Alte Nachfolgendes zu<br />

erzählen: „Ich bin in Augsburg geboren und stamme aus einer reichen und angesehenen<br />

Patrizierfamilie, deren Namen aber mit meinem Vater erloschen ist. Ich war das einzige Kind<br />

meiner Eltern, und vermählte mich mit einem Baron <strong>von</strong> Werrfels, der ein schönes Gut<br />

gleichen Namens an der polnischen Grenze besaß, welches meine künftige Heimat wurde.<br />

Unsere Ehe war recht glücklich; ein Sohn und wenige Jahre darauf eine Tochter schienen<br />

unser Glück vollkommen zu machen. Ersterer hieß Adalbert, letztere Nora. Nora war ein<br />

sanftes, liebliches Mädchen, ein wahrer Engel in Menschengestalt, während Adalbert, der<br />

Liebling meines Gatten, schon in seiner frühesten Jugend Beweise <strong>von</strong> einem bösen Herz gab.<br />

Je älter er wurde, desto mehr Sorge und Kummer bereitete er uns; all unser Bemühen, ihn zu<br />

bessern, blieb fruchtlos, und zum Jünglinge herangewachsen, hatte er nur Sinn für Spiel,<br />

Trunk und Händel. Er verschwendete Tausende in seinem unerhörten Leichtsinne, häufte<br />

Schulden auf Schulden, und bedeckte unseren Namen mit Schmach und Schande. Lieblos und<br />

roh gegen Eltern und Schwester, war er unempfindlich gegen alle Ermahnungen und<br />

Drohungen, und als er sich endlich so weit vergaß, mich, seine Mutter, zu mißhandeln,<br />

verbannte ihn mein Gatte <strong>von</strong> unserem Gute, und zog seine Hand <strong>von</strong> ihm ab. Mißjahre und<br />

viele andere Umstände, vor allem aber die Verschwendung des Leichtsinnigen verzehrten<br />

beinahe unser ganzes, bedeutendes Vermögen, und der Segen war aus unserem Hause<br />

geflohen. Mein lieber Gatte erlag den schweren Schicksalsschlägen und starb. Nora war mein<br />

einziger Trost, und sie allein hielt mich aufrecht in meinem unendlichen Schmerze. Mein<br />

guter, alter Vater reiste zu mir, zugleich um sich und mich zu trösten; denn meine Mutter war<br />

auch heimgegangen, und er hatte niemand mehr als mich, seine Tochter. So standen die<br />

Dinge, als eines Tages – mein Vater war mit Nora eben abwesend – mein Sohn ganz<br />

unerwartet angeritten kam, und <strong>von</strong> mir eine große Summe Geldes mit wütender Gebärde<br />

forderte. Als ich ihm das Verlangte verweigern mußte, vergaß sich der Unselige soweit, einen<br />

Dolch mit der Drohung zu zücken, mich zu ermorden, wenn ich seinen Willen nicht erfüllen<br />

würde. „Ermorde mich,“ sagte ich zu ihm, „und empfange dann den Fluch deiner sterbenden<br />

Mutter!“ Die Sinne verließen mich auf wenige Minuten und als ich wieder zu mir kam, hörte<br />

ich in dem Zimmer meines Vaters einen Schrank aufsperren. Wohl wissend, daß dieser eine<br />

bedeutende Summe Geldes dort aufbewahrt hatte, ahnte ich sogleich die verruchte That des<br />

Nichtswürdigen. Ich eilte zum Fenster, nach Hilfe rufend. In diesem Augenblicke traten mein<br />

Vater und Nora in den Hof; zugleich eilte mein Sohn aus dem Hause, und schwang sich auf<br />

sein Pferd. „Laßt ihn nicht abreiten, er hat uns bestohlen!“ reif ich. Nora eilte auf Adalbert zu,<br />

und das Pferd am Zügel fassend, befahl sie ihm, abzusteigen. Er aber hieb mit seiner Peitsche<br />

gewaltig auf die Hände des armen Mädchens, so daß dieses mit lautem Schrei das Pferd los<br />

ließ. Dieses sauste fort und schleuderte meine Nora zu Boden; ein Huf traf ihr liebliches<br />

Köpfchen und zerschmetterte ihre Hirnschale; sie war tot; meine Nora war tot, gemordet<br />

durch ihren Bruder, durch meinen eigenen Sohn!“ Die alte Margareth bedeckte mit beiden<br />

Händen ihr Gesicht und schluchzte laut. Der Pfarrer und Ortolf schwiegen gerührt.<br />

Nachdem sich die Alte wieder etwas gesammelt, fuhr sie in ihrer Erzählung fort: „Dieser<br />

furchtbare Verlust streckte mich lange Zeit auf das Krankenlager. Mein Vater setzte den<br />

jungen Werrfels – ich nenne ihn bei seinem Namen, denn mein Sohn hatte er seit jener<br />

entsetzlichen That aufgehört zu sein – in Anklagestand. Ich weiß nicht, wie es kam; aber der<br />

Gottlose wurde nach kurzer Haft freigesprochen, und voll Uebermut pochte er auf sein<br />

väterliches Erbe. Ich konnte mit dem Fluchbeladenen nicht mehr unter einem Dache wohnen,<br />

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