Das Fräulein von Lichtenegg
Das Fräulein von Lichtenegg
Das Fräulein von Lichtenegg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />
„Was sagst du da?“<br />
„Schauen’s, Frau Mutter, die Sache ist ganz natürlich. Der lange blasse Mann, der mit<br />
Ortolf kam, und der Sie am Sonntag so erschreckte –“<br />
„Nichts <strong>von</strong> ihm!“ rief die Alte, mit der Hand abwehrend; „verschone mich mit dieser<br />
Erscheinung!“<br />
„Wie Sie wollen,“ entgegnete Ursula; „ich weiß, was ich weiß. Hören Sie, wie das arme<br />
Manerl weint? Es ist ja <strong>von</strong> einem Höllenhunde gebissen worden und diese Wunden werden<br />
nie mehr heilen.“<br />
„Katzimanerl!“ kreischte die Alte, und weinend fuhr sie fort: „Ach, wie muß mein Tierchen<br />
leiden, mein armes Katzimanerl!“<br />
Der arme Kater schrie in erbärmlichsten Tönen mit; die Alte und Ursula weinten oder besser<br />
heulten laut, und dieses Terzett, um welches kein Hörer zu beneiden gewesen, würde sobald<br />
nicht zu Ende gekommen sein, wenn nicht der Pfarrer mit Ortolf erschienen wäre.<br />
„Gelobt sei Jesus Christus!“ rief der Pfarrer beim Eintreten.<br />
„In Ewigkeit, Amen!“ entgegneten die beiden Frauen, und zwar mit lächelnder Miene; denn<br />
sie gehörten ja zu dem Geschlechte, das sprüchwörtlich Weinen und Lachen in einem Säckel<br />
hat.<br />
<strong>Das</strong> Rittermargerl war durch den Besuch der beiden Männer sichtlich erfreut.<br />
Ortolf streichelte, nachdem er die Alte begrüßt, einige Katzen, und sicherte sich dadurch ihr<br />
Wohlwollen.<br />
Die Einrichtung des Zimmers war noch ganz dieselbe, wie er sie <strong>von</strong> seiner Knabenzeit her<br />
im Gedächtnisse hatte, und freudig begrüßte er alle die verschiedenen Gegenstände mit einem<br />
freundlichen Blicke. Er mußte der Alten <strong>von</strong> seinen Eltern und sich selbst erzählen, und hatte<br />
eine Menge <strong>von</strong> Fragen zu beantworten. Sie wurde dann auch recht heiter, bis der Kater<br />
wieder zu stöhnen anfing, und sie an den bösen Hund und seinen Herrn erinnerte, welchen<br />
Ursula für einen leibhaftigen Teufel hielt.<br />
„Jener entsetzliche Mensch ist also noch in der Nähe?“ fragte die Alte.<br />
„Wenn Ihr meinen Freund, den Doktor Woogen meint,“ erwiderte Ortolf, „so muß ich Eure<br />
Fragen bejahen, gutes Mütterchen. Er ist in Schwarzenberg bei dem kranken Julchen, die ihm<br />
nicht nur die Wiedergenesung ihres Verstandes, sondern sogar ihr Leben verdankt. Ohne ihn<br />
läge sie wohl unter der Ruine zerschmettert.“<br />
„Es wäre vielleicht besser für sie, als bei lebendigem Leibe in der Gewalt des Satans zu<br />
sein!“ kreischte die Dienerin, welche mit Neugierde der Unterhaltung bis jetzt gefolgt war,<br />
infolge dieser vorlauten Aeußerung aber vom Pfarrer einen Wink bekam, sich zu entfernen,<br />
was sie auch mit äußerst unzufriedener Miene that.<br />
„O, der ist mein Tod, wenn ich ihn nochmals sehe!“ rief Margareth. „Nie, nie will ich es!“<br />
„Und warum, Mütterchen?“ fragte Ortolf. „Mein Freund ist so gut, so edel und verdient<br />
gewiß nicht, <strong>von</strong> Euch gehaßt zu werden. Was kann er für die Verwundung Eurer Katze?<br />
Glaubt mir, es thut ihm recht leid, Euch dadurch einen Schmerz bereitet zu haben.“<br />
„Nicht meine Katze, dieses ist das Wenigste!“ rief die Alte. „Aber sein Gesicht, dieses<br />
Gesicht – huh! das erinnert mich zu lebendig an ihn – an den –“ Die Alte verstummte und<br />
versank in tiefes Nachdenken.<br />
„Liebe Margareth,“ sagte jetzt der Pfarrer, „erleichtert Euer Herz durch Mitteilung. Halb<br />
und halb habt Ihr mir zwar schon Eure Lebensgeschichte erzählt; thut es nun ganz und haltet<br />
uns beide Eures Vertrauens wert.“<br />
„Meine Lebensgeschichte?“ fragte die Alte. „O, die ist traurig, und kam seit meinem<br />
Hiersein nur zweimal über meine Lippen.“<br />
„Ich weiß es,“ entgegnete der Pfarrer. „Nur meinem Vorfahrer und mir habt Ihr Euer Herz<br />
enthüllt. Aber macht auch bei Ortolf eine Ausnahme; wer weiß, wozu es gut sein könnte.“<br />
„Ja, Mütterchen,“ schmeichelte Ortolf, „erzählt mir Eure Erlebnisse; ich nehme ja an Euch<br />
und an allem, was Euch betrifft, den wärmsten Anteil.“<br />
50