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Das Fräulein von Lichtenegg

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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />

Julchen erwachte. In ihrem Geiste war es licht. Sie war nicht mehr wahnsinnig. Der alte<br />

Veitl kam ihrem Gedächtnisse am besten zu Hilfe und sie fügte sich bald in alles. Aber ein<br />

starkes Fieber folgte auf die vielen Erschütterungen ihres Gemütes.<br />

Die Männer machten eine Tragbahre zurecht und trugen die Kranke bis zum nahen Dorfe<br />

<strong>Lichtenegg</strong>, <strong>von</strong> wo aus das Mädchen nach Eschlkam gefahren werden sollte. Julchen fiel<br />

aber das Fahren so schwer, daß man schon im Dorfe Schwarzenberg Halt machen mußte. Hier<br />

wünschte sie bei der Lehrerin, einer vertrauten Freundin ihrer seligen Mutter, zu bleiben, und<br />

sie ward auch in ihrem Hause auf das herzlichste aufgenommen.<br />

„Herr Kollega,“ sagte der Doktor zu Adalbert, „vertraue Ihnen diese Patientin an. Gehe<br />

direkt nach Furth und schicke Ihnen die nötigen Arzneien. Kurieren Sie glücklich; aber rufen<br />

Sie nicht allzubald eine neue Krankheit in Julchens Herzen hervor, gegen welche es in meiner<br />

Apotheke keine Arznei geben könnte.“<br />

Somit ging der Doktor den Weg nach Furth. Adalbert und Ortolf verblieben vorerst noch in<br />

Schwarzenberg.<br />

Dieser Tag war der schönste in Adalberts Leben. Träume einer schönen Zukunft, süße<br />

Ahnungen lächelnden Glückes bewegten sein Herz. Es war das Ebenbild seiner teuren<br />

Jugendfreundin Marie, das ihm den Beginn eines neuen und schönern Lebens zu verkünden<br />

schien.<br />

XI.<br />

Adalbert fand es ratsam, in Schwarzenberg den ganzen Tag und auch die Nacht<br />

zuzubringen, um stets in Julchens Nähe zu sein, deren Krankheit einen gefährlichen Charakter<br />

angenommen hatte. Ortolf ging gegen Abend nach Eschlkam zurück, wo der Pfarrer schon<br />

sehnlichst seiner Gäste harrte. Da gab es natürlich vieles zu erzählen. Die äußerst romantische<br />

Nacht auf <strong>Lichtenegg</strong>, das Schloßfräulein in Gestalt des irren Julchens, die plötzliche Heilung<br />

ihres Irrsinns, ihre neue Krankheit und zu alledem die sonderbare Liebe des jungen Arztes;<br />

dieses alles gab Stoff genug zur Unterhaltung bis in die späte Nacht.<br />

„Dein Freund,“ sagte der Pfarrer, „spielt in der kurzen Zeit seines Hierseins schon eine<br />

bedeutende Rolle. Zuerst erschreckt er mir das Rittermargerl bis zum Tode; dann verliebt er<br />

sich in das irre Mädchen, rettet ihr Gesundheit und weiß der Himmel, was er noch alles<br />

beginnen mag!“<br />

„Fast hätte ich vergessen, Ihnen zu sagen,“ entgegnete Ortolf, „daß Sie meinen Freund und<br />

mich bei Ihrem Abfahren noch sehr erschreckt haben, indem Sie einen Namen ausriefen,<br />

welcher Adalbert sehr nahe berührt.“<br />

„Doch nicht der Name Werrfels?“ fragte der Pfarrer sehr rasch.<br />

„Ja, der Name Werrfels.“<br />

„In welcher Beziehung soll dieser Name zu dem Doktor Woogen stehen?“<br />

„Adalberts Vater hieß Baron Werrfels, und dieses ist auch der eigentliche Name meines<br />

Freundes.“<br />

„Sein Vater war ein Werrfels?“ fragte überrascht der Pfarrer. „Was ist er und wo lebt er?“<br />

„Beides ist seinem Sohne unbekannt. Adalbert hat seinen Vater nie gekannt; derselbe ist<br />

längst aus dem Lande geflohen, und man hörte nichts mehr <strong>von</strong> ihm.“<br />

„Und wo war die Heimat seines Vaters?“<br />

„Er besaß ein Gut Namens Werrfels,“ antwortete Ortolf.<br />

„An der polnischen Grenze?“ fragte der Pfarrer.<br />

„Wie wissen Sie dieses?“ fragte Ortolf statt einer Antwort.<br />

Der Pfarrer schwieg und Ortolf erzählte, was ihm <strong>von</strong> Adalberts Vater bekannt war. Jener<br />

hörte mit gespanntester Aufmerksamkeit zu, und nachdem er einige Male das Zimmer<br />

durchschritten, blieb er plötzlich vor Ortolf stehen, indem er sagte: „Du begleitest mich<br />

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