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Das Fräulein von Lichtenegg

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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />

Und die Messer in den Händen lief er dem flüchtigen Herrn nach, welcher, als er hinter sich<br />

den Wirt erblickte, für seine Ohren in nicht geringe Angst geriet.<br />

„Eins müssen’s dalassen!“ rief ihm der Wirt nach.<br />

„Nein, gar kein’s,“ schrie der Fliehende, beide Ohren haltend und spornstreichs über Feld<br />

und Stock dahineilend.“<br />

Die Gesellschaft brach in ein schallendes Gelächter aus. In diesem Augenblicke sprang der<br />

Hund auf und gab Laut.<br />

„Stille!“ rief Veitl. „Haben Sie da unten nichts gehört? Mir war, als huste jemand, und der<br />

Hund bellte nicht umsonst.“<br />

„Papperlapapp!“ entgegnete der Doktor. „Wer soll denn um diese Zeit da unten husten?<br />

Oder meinst du am Ende gar, das Burgfräulein hat Katarrh und der Husten komme <strong>von</strong> ihr?“<br />

„Unberufen! Unberufen!“ rief Veitl erschrocken.<br />

„Ich glaube, der Veitl wird schon wieder ein Hasenfuß. Hier nimm die Flasche und<br />

vertrinke deine Skrupel.“<br />

„Ich wünschte aber doch einmal die Sage vom Burgfräulein, das ich schon so oft nennen<br />

hörte, zu vernehmen. Herr Kollega, Sie wissen da gewiß am besten Bescheid zu geben,“ sagte<br />

Adalbert.<br />

„Sollten es nicht zweimal <strong>von</strong> mir verlangen,“ entgegnete der Doktor. „Bin wirklich stolz<br />

darauf, die Sagen unseres schönen Waldes so ziemlich alle zu kennen. Aber zuvor wollen wir<br />

uns das Feuer anzünden; es sitzt sich dann viel gemütlicher da!“<br />

„Inzwischen will i in der Ruine das Nachtlager etwas zurecht rechten,“ sagte Veitl. „Sehen<br />

Sie das Wetterleuchten dort? <strong>Das</strong> kommt mir etwas verdächtig vor, die Luft ist auch so dick,<br />

daß i beinahe befürcht, wir kriegen noch ein Gewitter in der Nacht. – Uebrigens möcht i Ihnen<br />

raten, vom Burgfräulein heute lieber zu schweigen, damit es uns nicht am Ende über den Wall<br />

hinabschleudert wie den Gemeindeschreiber Bachert; man soll den Teufel nicht an die Wand<br />

malen!“<br />

Der Alte ging brummend und mit dem Kopfe schüttelnd in das alte Gemäuer und richtete<br />

aus dem schon im voraus herbeigeschafften Moose und Streuwerk ein möglichst bequemes<br />

Nachtlager her.<br />

„Der Alte träumt <strong>von</strong> nichts als Gespenstern,“ sagte der Doktor; „er ist eben ein alter Jäger,<br />

dem ein altes Weib, das ihm auf der Straße begegnet, schon Aberglauben einflößt! Uebrigens<br />

ist er ein guter Wetterprophet; denn hören Sie nur den fernen Donner. Ich glaube, der<br />

Hohenbogen zieht das Gewitter an und wir bekommen keine ruhige Nacht. Darum wollen wir<br />

uns noch etwas zu gute thun!“<br />

Alsbald saß man um ein kleines Feuer, und nachdem der Doktor einen kräftigen Schluck<br />

gethan, erzählte er die Sage vom Burgfräulein.<br />

„Die Ritter <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong> und <strong>von</strong> Hohenbogen sind lange Jahre gegen einander in Fehde<br />

gewesen. Endlich stellte sich der <strong>Lichtenegg</strong>er an, als sei er des Haders müde und wußte<br />

durch gleißnerische Botschaften seinen Gegner und dessen Söhne dahin zu bringen, daß sie zu<br />

einem Sühnversuche auf seinem Schlosse sich einfanden. Hier bewirtete er sie aufs<br />

köstlichste, aber während sie, keines Arges sich versehend, dem Weine ihres falschen<br />

Gastwirtes wacker zusprachen, ließ dieser verräterischer Weise durch seine Leute die ihrer<br />

besten Verteidiger beraubte Burg Hohenbogen ersteigen und in Brand stecken. Als die<br />

Flammen turmhoch aufloderten, führte er seine Gäste schadenfroh an das Fenster und ward<br />

dann die hinterlistig Getäuschten in das Burgverließ. Aber der <strong>Lichtenegg</strong>er wurde für diesen<br />

Verrat schwer bestraft. Er hatte nämlich nur ein einziges Kind, eine Tochter, welche sein<br />

Stolz und seine Freude war. Diese knüpfte ohne Wissen der Ihrigen mit dem böhmischen<br />

Ritter Warnko, einem Hussiten, zarte Bande an; darüber traf sie der Fluch der strenggläubigen<br />

Eltern und sie stürzte sich im Wahnsinne <strong>von</strong> der Burg herab. Allnächtlich zur Geisterstunde<br />

schreitet nun das Burgfräulein in weißem Sterbekleide aus dem verfallenen Thore hervor,<br />

steigt in den Graben hinab, und läßt sich auf einer bemoosten Steinplatte am Fuße des Turmes<br />

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