Das Fräulein von Lichtenegg
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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />
„Gott bewahre! Ich hatte einige Sparpfennige, befand mich bald wieder im Besitz eines<br />
anderen Gewehres und wilderte nach wie vor, bis mich Herrn Ortolfs Vater aus dem<br />
Schlamme der Lüderlichkeit herauszog und aus mir einen ehrlichen Kerl machte.“<br />
„Wie ging dieses zu?“<br />
„Eines Tages,“ erzählte der treuherzige Alte, „ließ mi der Herr Verwalter rufen. Nicht mit<br />
dem reinsten Gewissen betrat i sein Zimmer; denn im Reviere Ihres Herrn Vaters hab i<br />
manchen kernigen Schuß gemacht, und i erwartete, meiner Sixt, eine derbe Lektion. Aber der<br />
Herr kam mir ganz freundlich entgegen. Veitl, sagte er, i brauch einen Jagdaufseher. Meine<br />
Geschäfte erlauben es nicht, daß i täglich hinausgeh’, und so schießen mir die verfluchten<br />
Wildschützen das beste weg. I kenn die als einen ehrlichen und braven Burschen und setze<br />
unbedingtes Vertrauen in di. Du sollst einen guten Lohn und ein gutes Schußgeld haben und i<br />
hoff, daß wir gut miteinander auskommen werden! Mir traten die Thränen in die Augen, als i<br />
mi so angenehm verkannt sah, und da drinnen pochte es gewaltig. Veitl, sagt i zu mir selber,<br />
man hält di für einen ehrlichen Kerl! Beweis, daß du einer sein kannst! Und im selben<br />
Augenblicke that i einen heiligen Schwur, nie wieder zu wildern! Ihr Herr Vater hatte aber<br />
auch wirklich Ursache, mit seinem Aufseher zufrieden zu sein. I wurd eben ein ganz anderer<br />
Mensch. Später konnt i einmal nicht mehr an mi halten, dem Verwalter offen zu gestehen,<br />
was i war und was er aus mir gemacht. Da klopfte er mir auf die Schulter und sagte lächelnd:<br />
Lieber Veitl, i hab’ es recht gut gewußt, welchen Schaden du mir als Wildschütz verursacht<br />
hast, und konnte die Sach auf keinen Fall für mich verschlimmern, wenn i dir das Privilegium<br />
zum Jagen gab. Daß i aber einen so braven Mann aus dir gemacht, das freut mich, Veitl! und<br />
dabei drückte er mir herzlich die Hand, der gute Herr!“<br />
Die Gesellschaft lachte über dieses seltsame Besserungsmittel.<br />
„Aber auch mit Leib und Seele hielt i zu Ihrem Hause, Herr Ortolf, und der Veitl war es<br />
auch, der Ihnen den ersten Schuß in die Büchse geladen hat und Sie auf das Stadelthor<br />
schießen ließ!“<br />
„Weiß es, Alter,“ erwiderte Ortolf. „Trinken wir auf die alte Zeit! In unserem Schnappsacke<br />
befindet sich noch allerlei, und wir brauchen nicht zu sparen. Heute werden wir wohl <strong>von</strong><br />
keinem Räuber überrascht werden und wir können es uns auf <strong>Lichtenegg</strong> möglichst bequem<br />
machen.“<br />
„Der Zeus <strong>von</strong> Ränkam ist aufgehoben,“ sagte der Doktor, „und ich wollte es niemand<br />
raten, uns heute nacht hier zu stören.“<br />
„Ist das nicht derselbe Zeus, welcher den Gerichtshalter <strong>von</strong> Arnschwang, Herrn Weixler,<br />
beraubte und so jämmerlich zurichtete?“ fragte Ortolf.<br />
„Ganz richtig, das war in den zwanziger Jahren und die grausame Geschichte hat seinerzeit<br />
die Runde durch ganz Deutschland gemacht.“<br />
„Wollten Sie dieselbe nicht erzählen, Herr Kollega?“ bat Adalbert; und der Doktor, gerne<br />
hiezu bereit, erzählte Nachfolgendes:<br />
„Herr Weixler war der letzte Gerichtshalter in dem eine Stunde <strong>von</strong> Furth entfernten<br />
Schlosse Arnschwang, welches dem Baron <strong>von</strong> Völderndorff gehörte. Er war ein Biedermann,<br />
und lebte glücklich mit seiner liebenswürdigen Frau, ihrer Schwester und einem Töchterchen.<br />
Die Kasse, welche er unter sich hatte, war bedeutend und wurde deshalb eine Lockspeise des<br />
berüchtigten Räuberhauptmanns Zeus <strong>von</strong> Ränkam. Dieser war ein listiger Gauner und kam<br />
eines Sonntag abends in das Wirtshaus am Berge zu Furth, um hier auf der Ofenbank zu<br />
übernachten. Da alles im Schlafe lag, stieg er jedoch durch das Fenster, gesellte sich zu seiner<br />
sechzehn Mann starken Bande, und begab sich mit dieser nach dem Schlosse Arnschwang.<br />
<strong>Das</strong> Kassazimmer war in der zweiten Etage und acht Räuber (die andern umstellten<br />
inzwischen das Schloß) gelang es, mittelst einer Leiter in das Schloß einzubrechen. Herr<br />
Weixler, welcher neben dem Kassazimmer schlief, hörte den Einbruch, und eilte sogleich mit<br />
dem Degen in der Hand herbei. Acht große Männer mit geschwärzten Gesichtern standen vor<br />
ihm und forderten die Herausgabe des Kassaschlüssels.<br />
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