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Das Fräulein von Lichtenegg

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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />

Vom Jahre 1341 erscheinen die Sattelboger im Besitze <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong>. Dieses<br />

Edelgeschlecht spielte durch Jahrhunderte einen wichtige Rolle im bayerischen Walde und<br />

zeichnete sich durch manchen tapferen Streiter und Feldhauptmann aus. War aber Frieden im<br />

Lande und fand die ihnen angeborne Neigung zu Kampf und Abenteuern keine erlaubte<br />

Nahrung, so beunruhigten sie ihre Nachbarn oder warfen die Reisenden auf der Straße nieder.<br />

Sigmund der Sattelberger, ein blutiger Reitersmann, war auch einer der Herren, welche dem<br />

Löwlerbunde beitraten. In seinen älteren Tagen zog er sich als Laienbruder in das Kloster<br />

Oberaltaich zurück. Sein Sohn Johann übernahm <strong>Lichtenegg</strong> und hauste hier bis 1523, wo er<br />

ohne Erben verblich; der ihn überlebende Vater starb, der letzte seines Namens, 1537. Nach<br />

den Sattelbogern kamen die Pfahler, die Rainer <strong>von</strong> Rain und die Paumgartner, dann die<br />

Aheimer und Eyb, und 1640 die Pelkover <strong>von</strong> Moßweng in den Besitz <strong>Lichtenegg</strong>s.<br />

Als die Schweden auch hier die alte Veste zerstört hatten, erbaute Johann Ernst <strong>von</strong><br />

Pelkoven 1666 am Fuße des Berges ein neues Schlößchen, das noch zu Anfang des 18.<br />

Jahrhunderts <strong>von</strong> seinen Nachkommen bewohnt wurde, und welches sich später ein Bauer<br />

Namens Wolfg. Kastl 14 erwarb.<br />

Manch grausiges Geschichtchen weiß das Volk <strong>von</strong> dieser Burg zu erzählen, und der<br />

Besucher kann sich an dieser Stätte eines unheimlichen Gefühles nicht erwehren. Aber<br />

trotzdem dient das erwähnte viereckige Gemäuer oft zum Nachtaufenthalte der Jäger,<br />

Holzhacker oder Touristen, welche <strong>von</strong> hier aus leicht vor Sonnenaufgang den Burgstall<br />

ersteigen und das herrliche Naturschauspiel genießen können. In früheren Jahren hausten<br />

wohl auch weniger friedliebende Wesen da, und mancher Räuberbande mag es als<br />

Schlupfwinkel gedient haben.<br />

Es war schon völlig Nacht. Tiefe Stille herrschte rings herum in dem wilden Gebirge, nur<br />

auf <strong>Lichtenegg</strong> ging es noch ziemlich lebhaft zu. Vor der Ruine ruhten vier Männer, in der<br />

gemütlichsten Unterhaltung begriffen. Ein großer Hühnerhund lag in geringer Entfernung <strong>von</strong><br />

ihnen.<br />

„Wie gesagt, meine Herren,“ sagte Veitl, „in früheren Jahren hätte sich’s nicht so ruhig<br />

dagelegen. Hätten einen die Bären verschont, so wär er sicher den Räubern in die Hände<br />

gefallen, die hier einen ihrer Schlupfwinkel hatten. Mir selbst ging es einmal ziemlich nah ans<br />

Leben; aber meine schöne Doppelflinte schien ihnen lieber zu sein, als dieses, das sie mir<br />

durch eine Portion Prügel versüßten.“<br />

„Und auf welche Weise kamst du in solch unhöfliche Gesellschaft, Veitl?“ fragte Ortolf,<br />

sich eine Zigarre anbrennend.<br />

„Ja, das läßt sich eigentlich schwer sagen. Aber Gott’s Lohn! Der alte Veitl braucht sich<br />

seiner früheren Sünden nicht mehr zu schämen. I bin nämlich schon <strong>von</strong> Jugend auf<br />

Jagdliebhaber gewesen, und da ich als armer Teufel keine eigene Jagd pachten konnt, verlegt i<br />

mi aufs Wildern. Ganze Nächte streift i im Gebirg umher, und wurde mir hie und da das<br />

Wetter zu abscheulich, so sucht i oft hier oben in dem alten Gemäuer Schutz davor und bracht<br />

bei den Eulen und Fledermäusen manche stürmische Nacht zu. Bei einer solchen Gelegenheit<br />

– i hatt eben einen Kapitalbock geschossen und mit Mühe da heraufgeschleppt – traf i in der<br />

Ruine zu meinem größten Schrecken den Zeus <strong>von</strong> Ränkam mit seiner Bande. Bock und<br />

Doppelflinte mußten her, und das Leben schenkte man mir nur auf die Versicherung, daß i ein<br />

ganz miserabler Tropf <strong>von</strong> einem Wildschützen, und nicht viel besser sei als die Räuber<br />

selbst. Noch einige fühlbare Andenken gaben sie mir dann mit auf den Weg, welchen ich<br />

Aermster bei Nacht und Sturm antreten mußte!“<br />

„Und mit dem Wildern war es nun zu Ende?“ fragte Adalbert.<br />

14 Einer diese Familie, Aloys, besaß für einen Landmann seltene Kenntnisse und man nannte ihn in der<br />

Umgegend nur den „lateinischen Bauer“. Er war der lateinischen Sprache vollkommen mächtig, las die<br />

römischen Klassiker und den Thomas <strong>von</strong> Kempis in der Ursprache und war bei all seiner Gelehrtheit ein<br />

vollendeter Oekonom. In seinen späteren Jahren bereitete er Knaben zum Studium vor.<br />

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