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Das Fräulein von Lichtenegg

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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />

Dieser Aufforderung war in rätselhafter Geschwindigkeit entsprochen. Die vier Männer<br />

schleppten Aeste und dürres Reisig herbei; eine mächtige Flamme loderte bald hoch auf, und<br />

eine dichte Rauchsäule stieg himmelan!<br />

Weit und breit wurde dieses Feuer bemerkt, mit besonderer Aufmerksamkeit aber <strong>von</strong><br />

Julchen, welches am Schlosserhügerl bei Eschlkam auf einem großen Steine saß und<br />

sprachlos nach dem Burgstall blickte. Sie hatte im Pfarrhause erzählen hören, daß die beiden<br />

Gäste auf den Burgstall seien, und alsbald ging sie auf das Schlosserhügerl und verwandte<br />

ihre Blicke nicht mehr vom Hohenbogen. Vorübergehende sagten aus, daß sie viel geweint<br />

habe, sobald aber das Feuer auf dem Berge bemerkbar wurde, hüpfte sie erfreut umher,<br />

klatschte in die Hände, sang und lachte, und jedermann wurde <strong>von</strong> ihr aufgehalten und mußte<br />

sich das Feuer zeigen lassen, welches die Irre so kindisch erfreute.<br />

„Der blasse Jäger,“ sagte sie, „hüpft dort oben übers Feuer! Heisa, Sunnwendfeuer!“ 12 Die<br />

Leute verstanden sie nicht und gingen lächelnd weiter. Julchen aber saß noch in der<br />

Dämmerung auf dem großen Steine und blickte nach dem Hohenbogen. –<br />

Dort oben dachte wohl keiner an sie; man war dort so vergnügt, und es ging so lebhaft zu,<br />

als wäre eine noch so große Partie lustiger Gesellen beisammen. Der Doktor verstand es aber<br />

auch, eine Gesellschaft heiter zu machen und zu erhalten. Adalbert war gegen gestern wie<br />

umgewandelt. Ortolf hatte ihm schon auf dem Wege nach Furth den Kopf etwas<br />

zurechtgesetzt, wo ihnen der Doktor einen köstlichen Nachmittag und Abend bereitet hatte<br />

und die Freunde so lieb gewann, daß er heute noch obendrein an ihrer Bergfahrt Anteil nahm.<br />

An Proviant fehlte es nicht und man ließ sich’s auch gehörig munden.<br />

Veitl wurde trotz der trüben Aussicht auf das <strong>Lichtenegg</strong>er Nachtlager ebenfalls munter und<br />

berichtete <strong>von</strong> allerlei lustigen Bergfahrten, welche er schon mitgemacht. „Aber noch<br />

niemals,“ erzählte er unter anderem, „war hier oben ein ärgerer Spektakel als bei der<br />

Anwesenheit des Grafen Czernin aus Böhmen im Jahre 1803.“<br />

„I war freilich dazumal noch ein Bub; aber i erinner mich noch recht gut daran. Der lustige<br />

Herr hatte viel Gäste mit sich heraufgenommen, und Wein und Eßwaren ließ er sich in Menge<br />

nachschleppen. Als nun die große Trommel auf dem Burgstall zu spielen begann und weithin<br />

das Echo in den Felsen und Thalschluchten weckte, gerieten die Bauern der ganzen<br />

Umgegend in Aufruhr und rannten, mit Pickeln und Schaufeln bewaffnet, herzu, weil sie<br />

meinten, es wäre der Schatz auf dem Hohenbogen rebellisch geworden, und da wollte<br />

natürlich keiner der letzte sein, um seinen Anteil zu bekommen. Ja, ja – dieser Schatz,“ fuhr<br />

Veitl fort, „wäre gar nicht zu verachten; er muß sich gerad unter uns befinden. Aber leider<br />

wird nur alle hundert Jahre ein Sterblicher geboren, der ihn zu heben vermag. Wär i nur ein<br />

solches Sonntagskind geworden! I hab mir auf meinen einsamen Waldgängen schon eine<br />

Masse <strong>von</strong> Luftschlössern gebaut; aber, wer weiß, ob i dann auch glücklich und zufrieden<br />

wär, wie i’s, Gott sei Dank, gegenwärtig bin.“<br />

„Da kannst du recht haben, Veitl,“ erwiderte der Doktor; „was das Heben des Schatzes<br />

übrigens anbelangt, so glaube ich, nach deinen vorigen Skrupeln über <strong>Lichtenegg</strong> zu<br />

schließen, daß du doch nicht der Mann dazu wärst, die mit der Hebung verbundenen<br />

Bedingnisse zu erfüllen, selbst wenn du zu rechter Zeit geboren wärest.“<br />

„Und was sind das für Bedingnisse?“ fragte Adalbert.<br />

„Will es euch erzählen,“ entgegnete der Doktor; „denn gar wunderliche Sagen gehen <strong>von</strong><br />

diesem Schatze um. Er liegt hundert Klafter unter dem Burgstall, in einem kupfernen<br />

Bräukessel verwahrt. Nur alle hundert Jahre einmal wird ein Sterblicher geboren, der ihn<br />

unter gewissen Bedingungen zu heben vermag. Kommt nun der Rechte und vollbringt genau<br />

seine Aufgabe, so hebt sich der Kessel <strong>von</strong> selbst aus der Tiefe und schüttet seinen Inhalt <strong>von</strong><br />

Gold und Edelsteinen zu den Füßen des Glücklichen nieder. – Eines Tages weidete der Hirt<br />

<strong>von</strong> Schwarzenberg seine Herde auf der sogenannten kleinen Ebene, gleich da unten am Fuße<br />

12 Sonnenwendfeuer, welche am Johannitage angezündet werden und über welche man hinüberspringt. Im<br />

bayerischen Walde ist dies eine große Volksbelustigung.<br />

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