Das Fräulein von Lichtenegg
Das Fräulein von Lichtenegg
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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />
Die länglich-runde Platte des Burgstallkegels zeigt sich bei näherer Betrachtung als ein zum<br />
Teile künstlicher Aufwurf, umgeben <strong>von</strong> den deutlichen Spuren eines ehemaligen<br />
Wallgrabens. Albert III. <strong>von</strong> Bogen legte 1190 den Grund zu diesem kühnen Burgbaue; das<br />
Werk geriet jedoch bei Alberts Verbannung nach Apulien, wohin er vom Kaiser, weil er in<br />
Bayern Krieg geführt, verwiesen wurde, gänzlich ins Stocken, und die Veste Hohenbogen<br />
scheint schon <strong>von</strong> ihrem Entstehen her eine Ruine gewesen zu sein. Alberts Witwe, Ludmilla,<br />
eine Tochter des Herzogs Friedrich <strong>von</strong> Böhmen, 10 welche sechs Jahre nach des Grafen Tode<br />
Herzog Ludwig <strong>von</strong> Bayern als Gemahlin heimführte, vermachte 1232 ihre fünf am Fuße des<br />
Hohenbogens liegenden Meierhöfe (Leming, Schwarzenberg, Ritzenried, Ober- und<br />
Unterfastern) dem <strong>von</strong> ihr gestifteten Nonnenkloster Seligenthal bei Landshut. Die Bewohner<br />
dieser nunmehr zu Dorfschaften erwachsenen Höfe hießen <strong>von</strong> da an „die Seligenthaler<br />
Bauern“.<br />
Die Nachbarschaft der Städte Furth und Cham, der Märkte Kötzting, Neukirchen, Eschlkam<br />
und anderer bevölkerter Ortschaften macht, daß der Burgstall zu den besuchtesten<br />
Hochgipfeln des Bayerwaldes gehört.<br />
Die beiden Freunde, nebst dem Doktor <strong>von</strong> Furth und Jägerveitl, hatten ihrem Vorhaben<br />
gemäß heute diese Hochwarte bestiegen. Ein herrlicher Augusttag mit der reinsten Luft<br />
begünstigte die Fernsicht nach allen Seiten, und mit Entzücken umspannten alle mit ihren<br />
Blicken das vor ihnen aufgerollte Panorama, voll <strong>von</strong> gesegneten Ebenen, Thälern, Forsten,<br />
Berg- und Hügelketten, Städten und Dörfern, Schlössern und Burgruinen. Man überschaut<br />
<strong>von</strong> hier aus das ganze Chambereich und den größten Teil der Grafschaft Bogen, deren<br />
Hochwarte dieser Berggipfel bildet, dann das Böhmerland bis zum weißen Berge bei Prag hin.<br />
„In der That ein erhabener Anblick!“ rief Adalbert aus. „Ich bestieg schon manchen Berg in<br />
den Alpen, habe aber noch nie diese wunderschöne Mannigfaltigkeit wie hier gesehen.“<br />
„Und doch ist diese Aussicht bescheiden gegen das Panorama, welches sich dort auf dem<br />
Arber drüben entfaltet!“ entgegnete der Doktor <strong>von</strong> Furth. „Noch in diesem Monate, zu<br />
Bartholomä, ist dort oben Kirchweih; <strong>von</strong> nah und fern strömt man dahin, und ich mache<br />
Ihnen den Vorschlag, da gleichfalls eine Partie hinaufzumachen.“<br />
„Mit Freuden nehme ich diesen Vorschlag an,“ erwiderte Ortolf. „War ich ja selbst noch<br />
nicht so glücklich, bis zum Gipfel des Berges zu gelangen! Kurz vor meinem Weggang <strong>von</strong><br />
hier wollte ich mit einigen Freunden den Berg ersteigen, als wir aber beim kleinen See<br />
ankamen, brach ein heftiges Gewitter los, das uns zum Rückzuge nötigte.“<br />
„Da haben Sie gewiß ein Steinchen in den See geworfen,“ sagte Veitl, „und dadurch das<br />
Gewitter heraufbeschworen. <strong>Das</strong> ist gar ein verhexter See. Gar nicht zu ergründen, und in<br />
seiner Tiefe wimmelt es <strong>von</strong> wunderbaren Goldfischen, deren einer ein Königreich im Werte<br />
aufwiegt; aber leider kostet es einem das Leben, wenn man ihnen nachstellt. Ein Fischer, der<br />
es einmal versuchte, fand dabei im See sein Grab, und ich möchte ihm’s um alle Schätzer der<br />
Welt nicht nachthun.“<br />
10 Die Gräfin Ludmilla <strong>von</strong> Bogen war die Blume der Frauen und des Landes Zier. An Holdseligkeit und Würde<br />
glichen wenige Frauen dieser Fürstentochter aus Böhmen. Herzog Ludwig <strong>von</strong> Bayern fühlte sich deshalb zu ihr<br />
hingezogen und kam oft <strong>von</strong> Landau an der Isar gen Bogen geritten, um mit der schönen Witwe angenehme<br />
Stunden zu vertändeln. Aber züchtig widerstand sie seinem Ungestüme, bis er ihr die Ehe versprach, wozu sie<br />
ihn durch folgende interessante Frauenlist vermochte. Sie ließ drei Ritter an die Tapeten ihres Gemaches malen<br />
und verbarg, wie sie eines Tages den Herzog herbeiraten sah, drei lebende Ritter hinter der Schilderei. Als nun<br />
Ludwig wiederholt mit den zärtlichsten Versicherungen in sie drang und um den Sold treuer Minne flehte, wies<br />
sie auf das Bild und sagte: „Gelobt mir erst die Ehe vor diesen drei Männern!“ Der Herzog lachte über dieses<br />
wunderliche Begehren und ging in die Laune der holdseligen Frau ein, indem er ihr willig den Eidschwur der<br />
Treue vor den gewappneten Herren, welche er als Zeugen anrief, leistete. – Kaum war der Schwur über seine<br />
Lippen, so fiel die Tapete nieder und die drei Ritter standen als lebendige Zeugen da. Voll Unmutes, überlistet zu<br />
sein, ritt der Herzog augenblicklich <strong>von</strong> dannen und kehrte ein volles Jahr nicht wieder. Doch die Liebe<br />
überwand allgemach den Zorn; er reichte der schönen Ludmilla seine Hand und schmückte ihr Haupt mit der<br />
bayerischen Krone. Sie wurde die Stammmutter des jetzigen bayerischen Königshauses.<br />
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