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Das Fräulein von Lichtenegg

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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />

auf den Zweigen, <strong>von</strong> denen i mir so gern vorsingen laß. In schönen Nächten schlaf i oft in<br />

irgend einem Gebüsch und wach mit den lieben Sängern auf; dann fühl i mi noch einmal so<br />

jung und jodl und rauch mei’ Pfeifchen Knaster so recht mit voller Zufriedenheit.“<br />

Unterdessen waren die beiden Männer durch einen Wald auf eine freie Wiese gekommen,<br />

<strong>von</strong> welcher man gerade auf den nahen Burgstall sah.<br />

„Könnt Ihr Euch noch erinnern, Veitl, wie wir einmal dort oben während einer Nacht<br />

biwakierten, um den Sonnenaufgang zu sehen? <strong>Das</strong> war eine herrliche Partie! Und ein anderes<br />

Mal blieben wir in <strong>Lichtenegg</strong> über Nacht und erstiegen vor Sonnenaufgang den Burgstall.<br />

Wie lebhaft ist mir dieses noch im Andenken!“<br />

„Weiß es auch noch,“ entgegnete Veitl, „noch wie heut. Gott’s Lohn, das waren auch für<br />

den Veitl schöne Zeiten!“<br />

„Ei, da kommt mir ein Gedanke!“ rief Ortolf. „Wie wär’s, wenn wir morgen eine Partie<br />

nach dem Hohenbogen machten. <strong>Das</strong> wäre für meinen Freund und mich ein großes<br />

Vergnügen. Wir bleiben dann in <strong>Lichtenegg</strong> über Nacht und besteigen den Burgstall wieder<br />

vor Sonnenaufgang; Ihr, Veitl, machten unseren Führen – ausgemacht!“<br />

„I?“ entgegnete der Alte kopfschüttelnd. „Muß schon um Entschuldigung bitten, das ist<br />

noch nicht ausgemacht! In <strong>Lichtenegg</strong> übernachten? Gott’s Lohn! Der Veitl war noch nie<br />

furchtsam; aber, Herr Ortolf, verzeiht, das kann leider nicht mehr sein; das geht durchaus<br />

nicht!“<br />

„<strong>Das</strong> geht nicht? Und warum?“<br />

„I mach keinen Scherz, Herr Ortolf, wenn i Euch versicher, daß i erst in voriger Woche auf<br />

der <strong>Lichtenegg</strong>er Ruine das Schloßfräulein g’sehn hab, und i mach mit Gespenstern nicht gern<br />

Bekanntschaft.“<br />

„<strong>Das</strong> Schloßfräulein?“ erwiderte Ortolf. „Laßt Euch doch auslachen! Richtig, der Kantor<br />

erzählte schon gestern da<strong>von</strong>. Ihr habt also das Gespenst wirklich gesehen?“<br />

„Ja, i hab’s g’sehn. Ging da nachts <strong>von</strong> Rimbach nach Haus’; der Himmel war glöckelhell,<br />

und ganz nah an’ <strong>Lichtenegg</strong> vorübergehend, seh i droben eine weiße, weibliche Gestalt, mit<br />

langen, fliegenden Haaren herumschweben. I glaubt mich anfangs zu täuschen und ging etwas<br />

näher; da hör i aber einen Gesang, der mir durch Mark und Bein ging und der dem Veitl auf<br />

die Beine half. Schon mehrere Rimbacher Bauern haben denselben Spuk gesehen. Dürft mir’s<br />

bei meiner Ehr glauben, Herr Ortolf, daß i nur Wahres erzähl.“<br />

„Ich will Euch gerne glauben, Veitl; aber schämt Euch, deswegen nicht mit uns gehen zu<br />

wollen. Sagtet Ihr doch gerade vorhin, daß Ihr Euch selbst nicht vor dem Teufel fürchten<br />

würdet, und das Schloßfräulein, wenn es wirklich existiert, hat noch niemand etwas zu Leide<br />

gethan.“<br />

„So?“ fiel Veitl ein. „Soll i Euch erzählen, wie es den Gemeindeschreiber, den Saufbachert,<br />

beim Kragen gepackt, eine halbe Stunde weit fortgeschleudert und, weiß der Himmel, was<br />

noch angethan hat, daß er einige Tage darauf hat sterben müssen?“<br />

„Weiß alles,“ entgegnete Ortolf. „Nun, ich bedarf eben Eurer Führung nicht. Der Doktor<br />

<strong>von</strong> Furth weiß ja die Wege fast eben so gut; aber es hätte mich gefreut, Veitl, Euch dabei zu<br />

haben. Wir hätten uns früherer Zeiten erinnert, und wären ebenso vergnügt gewesen, wie<br />

damals, wo der Veitl noch kein –“<br />

„Hasenfuß war! wollen Sie sagen,“ unterbrach ihn der Alte. „Gott’s Lohn! Herr Ortolf, i<br />

will Ihnen das Gegenteil beweisen. Topp, i geht mir und werd mi zur rechten Zeit bei Ihnen<br />

einfinden.“<br />

„<strong>Das</strong> läßt sich hören, Veitl,“ entgegnete der junge Mann. „Ich hätte Euch wirklich für einen<br />

Hasenfuß gehalten, und werde Euch nun morgen nacht auf <strong>Lichtenegg</strong> bei einer Flasche Wein<br />

Abbitte thun.“<br />

Somit trennten sich beide. Veitl ging dem Walde zu, während Ortolf den Weg nach Hause<br />

einschlug.<br />

* * *<br />

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