Das Fräulein von Lichtenegg
Das Fräulein von Lichtenegg
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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />
„Wenn Auguste an meiner Seite wäre!“ rief er plötzlich aus. „Ob sie dieser herrliche<br />
Anblick nicht erfreuen würde! Ob sie mir nicht abbitten müßte, daß sie meine Schwärmerei<br />
für den bayerischen Wald so oft belächelte und sie für übertrieben hielt! Und alle jene, welche<br />
den Wald für ein zweites Sibirien ausschreien, kämen sie doch selbst herein, seine Größe,<br />
seine poesiereiche Wildschönheit kennen zu lernen, mit seinen biederen Bewohnern bekannt<br />
zu werden, um nicht über beide ein so ungerechtes Urteil zu fällen!“<br />
Ortolf dachte an die Erzählung des Pfarrers <strong>von</strong> den vielen Drangsalen, welche seine<br />
Heimat zu erleiden hatte, und mit wahrer Pietät entblößte er sein Haupt vor einer Gegend, so<br />
reich an Ereignissen, wie keine zweite im ganzen Bayernlande.<br />
Der junge Mann nahm sein Notizbuch zur Hand und schrieb, indem er sich auf ein Felsstück<br />
setzte, eifrig in dasselbe. Mit seinen Aufzeichnungen soeben fertig, hörte er hinter sich einen<br />
freundlichen „Guat’n Morg’n, Herr!“ Er wandte sich um und erkannte in dem Grüßenden<br />
sogleich den alten Jäger-Veitl. Dieser hatte kaum in Ortolfs Gesicht geschaut, als er einen<br />
Freudenschrei ausstieß.<br />
„Gott’s Lohn! Da seid Ihr ja, Herr Ortolf! Grüß Euch der Himmel viel tausend Mal!“ Und<br />
ihm die Hand drückend, fuhr er fort: „Wie seid Ihr groß und schön worden! Hab’s immer<br />
g’sagt, aus Euch wird noch was Groß’s; denn Ihr seid ein Blitzbub g’wesen! No’, die Freud’,<br />
mein lieber Herr Ortolf!“<br />
Ortolf begrüßte seinen alten Freund aufs herzlichste.<br />
„Hab’s gestern abend im Wirtshause erfahren, daß Ihr angekommen; alles freut sich, Euch<br />
wieder z’ sehen, und den ganzen Abend hat man sich <strong>von</strong> Euch erzählt!“<br />
„Also stehe ich noch in gutem Andenken bei den Eschlkamern?“ entgegnete Ortolf. „<strong>Das</strong><br />
freut mich, Veitl; denn auch ich habe stets mit Liebe an euch alle gedacht.“<br />
Veitl war in früheren Jahren Jagdaufseher bei Ortolfs Vater und kam täglich in dessen Haus.<br />
Ortolf hatte daher dem Alten viele Fragen zu beantworten, durch welche dieser seine<br />
Teilnahme an der Familie bewies.<br />
Während die beiden Männer dem Walde zugingen, erzählte auch der Jäger sein einförmiges<br />
Leben, das er während der letzten zehn Jahre geführt.<br />
„Ein Schuß in mein’ rechten Oberschenkel ist das einzige namhafte Begebnis, das i erlebt,<br />
seit Ihr Herr Vater fort ist. Und wem war i ein Wild? Dem alten Wilderer, dem Steffeljäger,<br />
den i beim Wildern ertappt und dabei einige Monate Arrest zugebracht hatte, wofür er mir<br />
später eins ’naufpelzte und meinen Fuß zum untrüglichsten Wetterpropheten machte.“<br />
„Der Steffeljäger, der den Federkiel hat erschlagen helfen?“<br />
„Ja, derselbe. Hol mich der – verzeih mir’s Gott! wenn der nicht mit dem Schwarzen im<br />
Bunde steht, der ihm für seine Seel, wofür i nicht eine Prise Tabak gab, einige Jahr g’schenkt<br />
hab’n muß. Der alte Lump ist schon steinalt und hat nicht ein weißes Härchen auf seinem<br />
schwarzbehaarten Kopf, weil der Satan schon seine Krallen darauf gelegt hat. Der Herr Satan<br />
macht ihm auch öfters Besuche, und vor nicht langer Zeit hat ihn ein Bauer <strong>von</strong> Stachesried<br />
leibhaftig gesehen.“<br />
„Wen? Den Teufel?“<br />
„In höchst eigener Person. Es ist kein Spaß; der Bauer hat mir selbst da<strong>von</strong> erzählt.<br />
Ueberhaupt hat der Böse unsere Gegend auf dem Zug. In Neukirchen läßt er sich beinahe alle<br />
Nacht im Klostergarten sehen und setzt alt und jung nicht wenig in Schrecken. Auf der<br />
Haselmühle erscheint er auch zur rechten Zeit. I hab ihn, Gott sei Dank! noch nicht g’sehn<br />
und fürcht mich auch nicht davor, das dürft Ihr mir glauben, Herr Ortolf!“<br />
„Ihr werdet den Teufel auch kaum als Teufel kennen lernen,“ erwiderte Ortolf, „und ich<br />
halte Euch für viel zu gescheit, als daß Ihr so fade Märchen glauben könntet. Doch Ihr lauft ja<br />
wie ein Zwanziger, Veitl; ich muß wirklich über Eure Rüstigkeit und Euer gutes Aussehen<br />
staunen!“<br />
„Ja, i bin frisch und g’sund, und das Alter kommt heran, ohne daß i’s verspür. Im Wald ist<br />
halt meine Freud; da hol i mir meine Gesundheit; da ist mir’s wohl, wie den kleinen Vögeln<br />
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