Das Fräulein von Lichtenegg
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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />
Chor bildeten. Der letzte Chorus war kaum verhallt, als <strong>von</strong> neuem, und zwar ganz nahe am<br />
Garten, das unheimliche Gejammer der Rittermargerl durch die Nacht tönte.<br />
„Hat die Alte heute keine Ruh mit ihren verdammten Katzen!“ rief der Doktor <strong>von</strong> Furth<br />
ärgerlich.“<br />
„<strong>Das</strong> muß in der That eine sonderbare Frau sein,“ sagte Adalbert, „die in einem so hohen<br />
Alter einer Katze wegen ihrer Nachtruhe entsagen kann!“<br />
„Da hören Sie nur, wie reizend sie lamentiert,“ sagte der Kantor.<br />
„Katziminerl! Katzimanerl! Komm her zu mir. Katziminerl, Katzimanerl!“ Dieses war<br />
ungefähr alles, was man aus der weinerlichen Stimme der Alten entnehmen konnte. Aber es<br />
war eine Stimme, die bei so später Stunde, es mochte bereits 11 Uhr sein, unheimlich durch<br />
die Luft drang und dem, der sie hörte, sozusagen durch Mark und Bein ging.<br />
Die Gesellschaft trat aus dem Gartenhause und der Pfarrer nahte sich dem Zaune, vor<br />
welchem die Alte gerade hertrippelte.<br />
„Thut doch nicht gar so schrecklich, liebe Margareth,“ sagte er verweisend, „Ihr weckt ja<br />
alle Leute im Markte auf und Eure Gesundheit leidet Schaden, wenn Ihr, statt im Bette zu<br />
liegen, noch so spät auf der Gasse seid. Eurer Katze wird nichts passieren; im Gegenteile wird<br />
sie sich einige Mäuse erjagen und sich dabei recht wohl befinden; geht nach Hause,<br />
Margareth.“<br />
„Nicht ohne mein Manerl!“ kreischte die Alte; „mein treues Tierl braucht keine Mäuse, hat<br />
sein Törtchen zu Hause, muß in sein Bettchen!“ Und mit Leibeskräften rief sie wieder:<br />
„Katziminerl! Katzimanerl!“<br />
„Da ist der Kater!“ rief jetzt der Kantor. „Er macht gerade im Gartenhause dem Hunde<br />
einige Komplimente!“<br />
„Um aller Heiligen willen, laßt ihm nichts zu Leide thun!“ schrie die Alte, und nachdem ihr<br />
der Pfarrer die Gartenthüre geöffnet, trippelte sie so schnell als möglich dem Orte zu, wo sich<br />
inzwischen eine neue Szene ereignete.<br />
Der Kater hatte sich nicht sobald in das Gartenhaus geflüchtet, als der bis jetzt ruhig unterm<br />
Tische gelegene Brutus auf denselben zusprang und ihn mit seinen Pfoten nicht auf die<br />
freundschaftlichste Weise bekomplimentierte. Der Kater und der Hund standen sich sodann<br />
eine Weile, der eine fauchend, der andere knurrend, gegenüber; aber Brutus, in solchen<br />
Manövern schon geübt, begann den Angriff; durch einen Krall des Katers aufs höchste<br />
gereizt, wußte er ihn geschickt mit seinem Zähnen am Rücken zu packen und so nicht auf die<br />
zarteste Art abgeschüttelt, fing der Besiegte erbärmlich zu schreien an. Er hätte hier vollendet,<br />
wäre nicht Adalbert noch zur rechten Zeit herbeigesprungen, und, den Hund mit einem derben<br />
Stoße in eine Ecke zurückweisend, entriß er ihm seine Beute, welche er in demselben<br />
Augenblicke in eine andere Ecke schleuderte, als das Rittermargerl an der offenen Thüre<br />
erschien.<br />
Diese war über die grausame Behandlung ihres Lieblings, der noch fortwährend schrie, im<br />
höchsten Grade erregt. Ihre Augen traten hervor; das blutrote Gesicht und das heftige Zittern<br />
ihres ganzen Körpers verkündeten den Zorn, der in ihrem Innern zu toben begann. Ihr erstes<br />
war, auf den Kater zuzueilen, und ihn in die Arme nehmend und seine blutenden Wunden<br />
untersuchend, jammerte sie erst über das unglückliche Mannerl. Dann fuhr sie den Hund mit<br />
einem Fluche an, und mit einem wutentbrannten Blicke suchte sie nun den Herrn desselben.<br />
Kaum aber hatte sie dem ruhigen Auge Adalberts begegnet, als sich plötzlich die Gefühle der<br />
Alten änderten. Nicht der Ausdruck des Zornes, sondern der der höchsten Ueberraschung, ja<br />
des Entsetzens, spiegelte sich auf ihrem Gesichte, und als wäre ihr Auge auf Adalbert<br />
gebannt, blickte sie ihn starr an, während ein heftiges Zittern den ganzen Körper zum Wanken<br />
brachte, so daß nur die Unterstützung der sie Umgebenden einem Niedersinken vorbeugte.<br />
„Bist du Adalbert?“ schrie sie endlich mit <strong>von</strong> Angst gepreßter, unsicherer Stimme.<br />
Adalbert sowie die anderen wußten nicht, was dieses zu bedeuten habe, und alle waren aufs<br />
höchste überrascht.<br />
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