Das Fräulein von Lichtenegg
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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />
„Eine uralte Frau,“ erwiderte der Kantor, welche im alten Schlosse neben dem Friedhofe<br />
wohnt. Eine sonderbare Matrone das! Sie zog vor ungefähr vierzig Jahren hieher, verläßt ihre<br />
Wohnung äußerst selten und ist steinreich. Wer sie eigentlich ist und woher sie kommt, das<br />
weiß niemand. Sie hat über ein Dutzend Katzen, welche sie wie Kinder pflegt, und hat keine<br />
Ruhe, ehe nicht ihre Vieherln im Bettchen liegen. Sie scheint das Verlorene gefunden zu<br />
haben, weil sie nicht mehr jammert; oft habe ich stundenlang dieses schöne Konzert mit<br />
anzuhören.“<br />
„Ich wunderte mich nicht wenig, das alte Mütterlein noch am Leben zu finden,“ sagte<br />
Ortolf.<br />
„Ja, die hat das ewige Leben,“ fuhr der Kantor fort. „Ich bin nicht abgeneigt, sie für eine<br />
Zauberin zu halten, denn man erzählt sich gar sonderbare Geschichten <strong>von</strong> der Alten.“<br />
„Wie mögen Sie doch so sprechen, Kantor!“ sagte der Pfarrer. „Die Margareth ist eine<br />
fromme, gute Greisin, welche für die Kirche und für die Armen der ganzen Umgegend<br />
Erkleckliches leistet. Mag sie auch ihre Launen und sonderbaren Liebhabereien haben,<br />
deshalb ist sie noch keine Hexe oder Zauberin, wofür sie nur <strong>von</strong> einem kleinen Teile<br />
beschränkter Geister ausgeschrieen wird.“<br />
Der Kantor, durch diese Zurechtweisung etwas verlegen, malträtierte sein Schnupfglas,<br />
räusperte sich einige Male und entgegnete dann dem Pfarrer: „Gott bewahre, daß ich zu dem<br />
kleinen Teile gehöre; ich habe vielmehr die sicherste Ueberzeugung, daß die Alte<br />
vollkommen Ihrem Urteile entspricht. Wollte auch vorhin der Matrone gar nicht zu nahe<br />
treten und eigentlich nur sagen, daß es eine geheimnisvolle Person ist.“<br />
„Armer Kantor,“ sagte der Doktor <strong>von</strong> Furth, „welche Qual mag es Ihnen schon gewesen<br />
sein, dem Rittermargerl nicht in die Karten blicken zu dürfen, Ihnen, der ja alles weiß oder<br />
wissen möchte!“<br />
„Aufrichtig gestanden,“ erwiderte der Kantor; „ich hätte früher gar manches über die Alte<br />
wissen mögen. Sie kam vor vielen Jahren ganz unvermutet hierher, mietete die Wohnung im<br />
alten Schloßgebäude und lebte da wie eine Klosterfrau. Mit ihr kam eine Dienerin, die einzige<br />
Person, mit welcher sie außer dem damaligen Herrn Pfarrer verkehrte und die gleichfalls über<br />
das frühere Leben ihrer Herrin das tiefste Geheimnis bewahrte. Die Frau hat sonderbare<br />
Launen. Ihre Umgebung besteht in einer Menge <strong>von</strong> Katzen, welche sie wie kleine Kinder<br />
behandelt; und schon seit lange baute sie sich eine Gruft, worin sie oft ganze Stunden, auf den<br />
Tod sich vorbereitend, hinbringt. Ferner befindet sich in ihrer Wohnung ein Zimmer, über das<br />
allerlei Gerüchte im Umlauf sind.“<br />
„<strong>Das</strong> verschlossene Zimmer!“ rief Ortolf. „Ja, ja, ich erinnere mich, wie neugierig ich oft<br />
nach der Thüre blickte, wenn ich bei der Margareth war; welche Phantasiebilder erweckte<br />
dasselbe nicht in mir! Man sagte, es wäre nichts als Gold und Silber darin, oder es wären<br />
Gespenster in demselben, mit welchen die Alte in der Mitternachtsstunde verkehrt, und<br />
dergleichen Dinge mehr.“<br />
„Ja, dieses Zimmer,“ fuhr der Meßner fort, „das am äußersten Ende des Gebäudes liegt und<br />
dessen Läden nie geöffnet werden, mag manches in sich schließen; schon öfters, wenn ich in<br />
der Nacht etwas spät nach Hause ging, hörte ich das Rittermargerl in diesem Zimmer<br />
jammern und weinen. Da kam mir’s öfter vor, als spräche sie mit jemand und da wurde mir’s<br />
immer so unheimlich, daß ich gerne <strong>von</strong> einem weiteren Horchen abstand.“<br />
Der Pfarrer hatte sich während dieser Erzählung entfernt.<br />
„Der Herr Pfarrer,“ fuhr der geschwätzige Kantor weiter, „wüßte schon reinen Wein<br />
einzuschenken; er ist der Vertraute der Alten, will aber darüber nicht gefragt sein.“<br />
„Fort jetzt mit alten Weibern, Gespenstern und Katzen!“ rief der Doktor. „Der Kuckuck soll<br />
alle holen! Dort lacht mir die unvermeidliche Guitarre, komm herab und begleite unsere<br />
unsterblichen Gesänge!“<br />
„<strong>Das</strong> laß ich mir gefallen!“ rief der nun wieder eintretende Pfarrer. Die Gläser wurden aufs<br />
neue gefüllt und der Doktor sang mit hübscher Stimme heitere Lieder, wozu die übrigen den<br />
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