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Das Fräulein von Lichtenegg

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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />

Traume, wo sie im Himmel gewesen und mit Engeln verkehrt habe. Ging und wünschte gute<br />

Besserung.“ 3<br />

„<strong>Das</strong> ist ja eine wahre Wundergegend!“ sagte Adalbert.<br />

„Wahrhaftig,“ entgegnete der Doktor. „Zu alledem kommt noch – erschrecken Sie nicht –<br />

eine Menge <strong>von</strong> Teufeln, welche die ganze Gegend im Schrecken erhalten. Leider habe ich<br />

noch nie Gelegenheit gehabt, mit einem solchen zusammenzutreffen, so sehr sich auch meine<br />

Reitpeitsche darnach sehnt. Einer z. B. treibt sich des Nachts im Klostergarten zu Neukirchen<br />

herum und scheint für den darin befindlichen Rettig und Salat nicht unbedeutende<br />

Sympathien zu haben, denn er hinterläßt jedes Mal dem Gärtner fühlbare Lücken. Ein anderer<br />

besucht <strong>von</strong> Zeit zu Zeit die Haselmühle, und nimmt den erschreckten Mühlknechten vor der<br />

Nase den nächstbesten Sack Mehl mit. Vor einigen Nächten wagte es endlich einer der<br />

Burschen, dem bestialischen Besuche eine Mehlschaufel an den Kopf und dabei ein Horn<br />

abzuwerfen, welches ich mir, als eine der größten Raritäten dieses Jahrhunderts, anzueignen<br />

wußte. Werde das zweite und, wenn möglich, damit den ganzen Teufel auch noch in meine<br />

Hand bekommen. Wenn mich die Herren einmal in Furth mit einem Besuche beehren wollen,<br />

können Sie da<strong>von</strong> Einsicht nehmen. Apropos, meine Frau hat mir ohnedies aufgetragen, mir<br />

<strong>von</strong> beiden Herren nochmals versprechen zu lassen, daß Sie recht bald einige Tage bei uns<br />

verweilen wollten und uns die Freude machen, Sie nach Möglichkeit aufs beste bewirten zu<br />

dürfen.“<br />

Man kam überein, daß die beiden Gäste diesen Besuch schon am morgigen Nachmittag<br />

machen sollten, da der Pfarrer ohnedies auf zwei Tage wichtiger Amtsgeschäfte halber zum<br />

Dekanat nach Lam fahren mußte und unterdessen der Doktor die Unterhaltung der Fremden<br />

zu übernehmen wünschte.<br />

„Bravissimo!“ rief er aus. „Sie kommen also schon morgen! Bravissimo! Sollen sich in<br />

unserem Furth nicht langweilen; ’s ist eine merkwürdige Stadt, deren Geschichte großes<br />

Interesse bietet. Haben sich die Schweden manchen Zahn daran ausgebissen, aber auch<br />

unendliche Drangsale darüber gebracht. Furth, Eschlkam und Neukirchen wissen ein Liedl<br />

<strong>von</strong> jenen Zeiten zu singen. Da lassen Sie einmal den Herrn Pfarrer erzählen; der kennt die<br />

Geschichte unseres Waldes genau und Sie sollen gewiß Respekt davor haben.“<br />

Der würdige Pfarrer war hierzu gerne bereit und erzählte auf den Wunsch Ortolfs die<br />

Geschichte <strong>von</strong> Eschlkam und was damit in Verbindung stand.<br />

Eschlkam, dessen Marktrechte schon in einem Recesse der Herzoge Otto und Heinrich vom<br />

Jahre 1330 erwähnt werden, und welches 1672 Kurfürst Ferdinand Maria mit der<br />

Bannmarktswürde begnadigte, hatte gleich Furth und Neukirchen ein wohlbefestigtes<br />

3 Der Verfasser hatte während eines Besuches im bayerischen Walde, Gelegenheit, die Buchberger Somnambule<br />

Katharina Staudacher persönlich kennen zu lernen. Er fand in einem kleinen, düstern Gemache eines ärmlichen<br />

Hauses eine weibliche Person, welche schon über 18 Jahre ununterbrochen zu Bette liegt, weder gehen noch<br />

stehen kann und täglich zu gewissen Stunden <strong>von</strong> heftigsten Konvulsionen befallen wird, wobei sie das<br />

Bewußtsein vollständig verliert. In diesem Zustande fängt sie nun an zu singen und den Geistlichen in der Kirche<br />

nachzuahmen, indem sie die weitläufigsten Predigten und religiösen Sprüche, sowie Prophezeiungen hersagt.<br />

Zum Schlusse singt sie ein geistliches Lied und mit diesem hören die Konvulsionen auf, sie erwacht wie aus<br />

einem tiefen Schlafe und versichert, nicht zu wissen, was sie gesagt und gesungen hat. Der überraschte Besucher<br />

staunt und hört, hält die Person für eine Hellseherin und verläßt zerknirscht die ärmliche, dumpfe Stube, in<br />

welcher sie liegt und wo nie ein Fenster geöffnet werden darf, weil die Träumerin nicht den leisesten Luftzug zu<br />

ertragen im Stande ist. Eine Menge <strong>von</strong> Büchern liegt um sie herum, welche sie alle selbst geschrieben hat und<br />

zwar in ihren krankhaften Zuständen. Ihre Hand gleitet dabei mit ungeheurer Schnelligkeit über das Papier hin<br />

und am Ende hat sie nicht das unsinnigste Zeug, sondern großartige, mit Kapiteln und Absätzen eingeteilte<br />

Abhandlungen, rein religiösen Inhalts, geschrieben, welche <strong>von</strong> jedermann mit Erstaunen angeschaut und wenn<br />

möglich gelesen werden. Der Fall ist immerhin merkwürdig, aber <strong>von</strong> übernatürlichem Offenbaren, wie das<br />

Landvolk glaubt, ist absolut keine Rede. Was das Mädchen vorbringt, sind lauter Reminiscenzen und ist<br />

sicherlich die Folge einer starken Hysterie. Ob Betrug im Spiele? – wer weiß es. Dabei müßte man sich nur über<br />

eines wundern, nämlich über deren eiserne Konsequenz: denn 18 Jahre lang im Bett liegen und Komödie spielen,<br />

ist keine Kleinigkeit.<br />

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