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Das Fräulein von Lichtenegg

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Maximilian Schmidt <strong>Das</strong> <strong>Fräulein</strong> <strong>von</strong> <strong>Lichtenegg</strong><br />

Gattin wieder auf, und schien ganz in sich gegangen zu sein. Da er sich nach Beschäftigung<br />

sehnte, gab man ihm die frei gewordene Gemeindeschreiberstelle, welche immerhin so viel<br />

eintrug, um ihn vor Mangel zu schützen. Der Ex-Rittmeister lebte nun mehrere Jahre<br />

verhältnismäßig glücklich mit seiner Frau. Diese fand ihren einzigen Trost in der Erziehung<br />

ihrer Kinder; sie war liebenswürdig gegen ihren Mann, und kein Vorwurf kam über ihre<br />

Lippen. Aber dieser mußte nun einmal seinem Schicksale folgen; plötzlich verfiel er wieder<br />

seinem alten Laster, betrank sich täglich, vertrank die Ueberreste des Vermögens seiner<br />

Kinder, chikanierte diese und seine Frau, und mochten auch kleine Unterbrechungen<br />

eintreten, er konnte der Trunksucht nimmer widerstehen und der „Sauf-Bachert“ war in der<br />

ganzen Gegend bekannt.“<br />

„Ja wohl!“ sagte Ortolf, „noch lebhaft erinnere ich mich seiner; wir Buben liefen ihm oft<br />

nach, wenn er immer fluchend und mit beiden Händen agierend, die Kreuz und die Quer<br />

durch den Markt stolperte.“<br />

„Der fluchte für eine ganze Armee,“ erzählte der Kantor weiter, „aber der Krug geht so<br />

lange zum Brunnen bis er bricht. Der Gemeindeschreiber mußte alle Monate zum Gerichte<br />

nach Kötzting. Beim Nachhauseweg sprach er jedes Mal in Denried, einem Dorfe in Mitte des<br />

Weges und am Fuße des Hohenbogens, welches ein passables Wirtshaus hat, zu, trank da bsi<br />

spät in die Nacht hinein, und ging dann meistens betrunken zum Erstaunen der Leute noch<br />

weiter. Aber er ging nicht nach Hause, sondern bestieg, was bei einem solchen Zustande fast<br />

unglaublich ist, die Ruine <strong>Lichtenegg</strong>, wo er seinen Rausch ausschlief, und <strong>von</strong> Jägern und<br />

Holzhackern oft aufgeweckt wurde. Es ist unbegreiflich, daß er nicht über die hohen Wälle in<br />

den Schloßgraben hinabstürzte, und da seinen Tod fand. Einmal mußte ihm bei solch<br />

nächtlicher Promenade aber doch etwas Seltsames begegnet sein. Er kam nämlich mitten in<br />

der Nacht nach Hause, bleich wie eine Leiche, und an allen Gliedern zitternd. Von da an<br />

konnte er das Bett nicht mehr verlassen; eine schwere Krankheit fesselte ihn an dasselbe, und<br />

in kurzer Zeit war er tot.<br />

„Man erzählte sich gar vieles <strong>von</strong> der Ursache der plötzlichen Krankheit und dem Tode des<br />

Gemeindeschreibers. Der allgemeine Glaube war, daß ihm bei seinem letzten Besuche auf<br />

<strong>Lichtenegg</strong> das Burgfräulein erschienen sei und ihn über den Wall hinabgeschleudert habe;<br />

denn der Schreiber fabelte in seinen Fieberphantasien <strong>von</strong> nichts anderem. Oft schrie er, in<br />

eine Ecke des Zimmers starrend: „Wirf mich nicht hinab! ich gehe schon und komme<br />

nimmer!“ und all sein Reden drehte sich um das Gespenst auf <strong>Lichtenegg</strong>.“<br />

„Dort sprach man wieder viel <strong>von</strong> dem Burgfräulein, und mehr als einer wollte sie gesehen<br />

und ihre wundervolle Stimme gehört haben. Und, daß Sie’s wissen, meine Herren, in neuerer<br />

Zeit zeigt sich dasselbe, wie viele Leute behaupten, schon wieder auf der Ruine <strong>von</strong><br />

<strong>Lichtenegg</strong>. Doch da<strong>von</strong> ein anderes Mal. Der Rittmeister starb also; seine ältere Tochter war<br />

ihm einige Monate voran gegangen. Die schwer heimgesuchte Mutter konnte dem<br />

Leichenbegängnisse ihres Mannes nicht beiwohnen, denn das Unglück hatte sie völlig<br />

entkräftet. Nur Julchen sah ihren Vater begraben, nachdem sie erst am Grabe ihrer geliebten<br />

einzigen Schwester gestanden, und nun nichts mehr auf der Welt besitzend als ihre gute<br />

Mutter, eilte sie nach dem Gottesdienste nach Hause. Aber die Mutter war inzwischen vom<br />

Schlage gerührt worden und starb in demselben Augenblicke, als Julchen in das Zimmer trat.<br />

<strong>Das</strong> arme 17jährige Mädchen erschrak bei diesem neuen Unglücke so gewaltig, daß es zur<br />

Stunde den Verstand verlor. <strong>Das</strong> ist die traurige Geschichte der Familie Bachert.“<br />

Dieser Erzählung folgte ein längeres Stillschweigen und im Geiste beschäftigte sich jeder<br />

<strong>von</strong> der Gesellschaft mit dem traurigen Schicksale des irren Mädchens.<br />

„Gott gebe,“ sagte jetzt der Pfarrer, „daß das arme Kind wieder geheilt werde!“<br />

„Ja, das wünsch ich auch aus ganzem Herzen!“ rief Adalbert, „vielleicht wäre Rettung<br />

möglich, wenn sie in eine Irrenanstalt gebracht würde, und mit Vergnügen würde ich mich<br />

bemühen, ihre Aufnahme in eine solche zu bewirken. Solche Augen,“ setzte er schwärmerisch<br />

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